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Grundlagen der Prozeßrechentechnik VON DIPL.-PHYS. VOLKE, ORGANISATIONS- UND RECHENZENTRUM (ARBEITSGRUPPE) Der Einsatz moderner elektronischer Rechenautomaten ist in der heutigen Zeit aus vielen Bereichen der Wissen schaft, Technik und Wirtschaft nicht mehr wegzudenken. Durch die Spezifik der in den genannten Einsatzbereichen zur bearbeitenden Fragestellungen sind auch die zur Anwendung kommenden Rechenautomaten verschieden ausge legt. Wissenschaftlich-technische Frage stellungen zeichnen sich zumeist — sofern sich zu ihrer Lösung eine Be arbeitung durch Rechenautomaten er forderlich macht - durch die Kompli ziertheit des Lösungsweges und den großen Umfang der durchzuführenden Rechenoperationen aus. Das Programm und die relativ begrenzte Menge der Ausgangsdaten werden über Lochkar ten, Lochstreifen oder Magnetband in den Rechner eingelesen. Die in die sem Bereich zur Anwendung kommen den Rechenanlagen müssen zweck- mäfigerweise über eine hohe Rechen geschwindigkeit verfügen, während an die Speicherkapazität und an die Ein- und Ausgabegeschwindigkeit keine besonderen Anforderungen gestellt werden. Derartige Rechenanlagen werden im allgemeinen als urissen- schaftlich-technische Rechner bezeich net. Für Ökonomische Fragestellungen und Probleme der Planung und Lei tung- der Wirtschaft ist zumeist die grofje Anzahl der zu berücksichtigen den Ausgangsdaten charakteristisch, während der Lösungsweg relativ un kompliziert erscheint (statistische Berechungen, Lohnabrechung, Auf tragskontrolle, mittelfristige Planung usw. usf.). Die dafür eingesetzten Rechner müssen deshalb in erster Linie über eine hohe Speicherkapazi tät und eine grofe Ein- und Ausgabe geschwindigkeit verfügen. Um zusätz liche Ablocharbeiten einzusparen, soll ten sie Möglichkeiten zum Anschluß von Beleglesern bieten. An die Rechen geschwindigkeit werden keine beson deren Anforderungen gestellt. Solcherart konzipierte Rechner werden als elek tronische Datenverarbeitungsanlagen (EDVA) bezeichnet. Die bei der Überwachung und Steuerung von Prozessen im allge meinsten Sinne anfallenden Aufgaben zeichnen sich zumeist weder durch größere Kompliziertheit noch durch einen übermäßigen Umfang der zu ver arbeitenden Informationen aus. Unter Prozeß versteht man dabei die komple xe, gesetzmäßige Veränderung der Parameter eines Systems in der Zeit. In diesem Sinne kann beispielsweise sowohl der Stoffwechselprozeß in Organismen als auch der Produktions ablauf in einem Industriebetrieb als Prozeß verstanden werden. Charakteristisch für den Einsatz von Rechenanlagen zur Prozeßüberwachung und -Steuerung ist der Umstand, daß die anfallenden Daten sofort verarbei tet werden müssen und aus dem Er gebnis der Verarbeitung ohne Ver zögerung eine objektive Reaktion abgeleitet werden muß. Die höchst zulässige Zeitspanne für Datenge winnung, ihre Verarbeitung und die Durchführung der als notwendig er kannten Prozeßbeeinflussung ist von Fall zu Fall verschieden: für die Steuerung eines Atomreaktors bei spielsweise liegt sie im Millisekunden bereich. Rechenautomaten, die für diese Zwecke geeignet sind - also eine Echt-Zeit-Verarbeitung (realtime-pro- cessing) der anfallenden Information durchführen können - tragen die Be zeichnung Prozefjrechenanlage (PRA). Aufbau und Arbeitsweise von Prozeßrechenanlagen Es liegt auf der Hand, daß die An forderungen der Echtzeitverarbeitung nicht befriedigt werden können, wenn die anfallenden Informationen auf Zwischendatenträger übertragen und erst dann eingelesen werden. Zu einer kompletten PRA gehören deshalb Geräte zur Meßwertgewinnung und ein entsprechendes Meßwertübertragungs system. Die für die Prozeßüberwachung interessierenden Informationen werden über entsprechende Meßgeräte (meist durch die vorhandene BMSR-Technik’) abgegriffen, in ein elektronisches Sig nal umgewandelt und in die Meßwert- erfassungseinheit direkt übertragen. Prinzipiell können PRA aus analo gen, digitalen oder hybriden Funktions einheiten aufgebaut werden. Es zeigt sich jedoch, daß bei mehr als zehn bis zwanzig Meßstellen (PANKALLA) die Parameter der digitalen PRA günstiger liegen. Ihre Nachteile bestehen darin, daß für eine digitale Verarbeitung analog anfallender Signale naturgemäß Analog-Digital-Umsetzer (A/D-Conver ter) und für die Ausgabe numerisch berechneter, jedoch in analoger Form benötigter Steuersignale Digital-Ana log-Umsetzer (D/A-Converter) erforder lich werden. Außerdem müssen bedingt durch die Arbeitsweise einer digitalen PRA - Meßstellumschalter und eine Ein- und Ausgabekanalsteuerung vor handen sein. In der Zentraleinheit geht die eigentliche Informationsverarbeitung vonstatten. In ihr werden die eingehen den Signale nach einem bestimmten Programm miteinander verknüpft, die Prozeßsituation eingeschätzt und ge gebenenfalls Stellgrößen für die Pro- zefsbeeinflussung berechnet. Die Zentraleinheit besteht aus: Rechenwerk Steuerwerk Arbeitsspeicher Ein- und Ausgabekanalstcuerung Vorrangsteuerung und Pufferspeicher. Das Rechenwerk ist für die Durch führung der vier Grundrechenarten - Addition, Subtraktion, Multiplikation und Division - ausgelegt. Komplizierte Berechnungen, z. B. Potenzieren oder Berechnungen trigonometrischer Funk tionen, müssen auf diese vier Grund rechenarten zurückgeführt werden. Die Kanalsteuereinheit koordiniert die Zusammenarbeit der Zentraleinheit mit externen Speichern und mit even tuell vorhandenen weiteren PRA sowie die Meßwertübernahme und Steuerwert ausgabe. Das Steuerwerk bewirkt eine ord nungsgemäße Abarbeitung des Pro gramms. Es besitzt als Zeitbasis eine digital arbeitende interne Uhr. Dadurch wird die Möglichkeit gegeben, be stimmte Meßstellen in einer vorge gebenen zeitlichen Reichenfolge abzu fragen. Weiterhin können damit im Prozeß auftretende Totzeiten (Zeit spanne zwischen Maßnahme und Re aktion) berücksichtigt werden, wo durch eine Übersteuerung des Pro zesses vermieden wird. Besondere Bedeutung besitzt die Vorrangsteuerung. Bahnt sich zum Beispiel eine Havariesituation im Pro zeß an, so kann über die Vorrang steuerung die Abarbeitung des Rou tineprogramms unterbrochen und ein neues Programm - beispielsweise das Abschalten der zu überwachenden An lage - abgearbeitet werden. Pufferspeicher dienen als Kopplungs glieder zwischen den relativ langsam arbeitenden externen Geräten und der Zentraleinheit. Durch sie wird eine Anpassung der unterschiedlichen Ar beitsgeschwindigkeit erreicht. In der Steuerwertausgabeeinheit werden die von der Zentraleinheit be rechneten Stellgrößen bereitgestellt und über die Ausgabekanäle auf die Regler einrichtung übertragen. Die peripheren Geräte dienen der Kommunikation des Menschen mit dem Rechner. Sie be stehen aus: Alarmgeber Lochstreifenleser und -Stanzer Drucker elektrische Schreibmaschine Sichtgeräten und Bedienpult Ober das Bedienpult können dem Rechner zusätzliche Informationen und Anforderungen mitgeteilt werden, beispielsweise Analysenwerte, die über das Meßwerterfassungssystem der An lage nicht eingegeben werden können. Betriebsarten von Prozeßrechen anlagen Ziel des Einsatzes von PRA ist die automatische Überwachung und Steue rung von Prozessen. Es ist jedoch offensichtlich, daß der Einsatz von PRA stufenweise erfolgen muß und in jedem konkreten Falle einer ein gehenden Vorbereitung bedarf. (Fortsetzung auf Seite 7) Blockschaltbild der Baueinheiten einer Prozeßrechenanlage »Akademie-Echo" Seite 6