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Sächsische Volkszeitung : 20.07.1924
- Erscheinungsdatum
- 1924-07-20
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-192407205
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19240720
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19240720
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1924
-
Monat
1924-07
- Tag 1924-07-20
-
Monat
1924-07
-
Jahr
1924
- Titel
- Sächsische Volkszeitung : 20.07.1924
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Ein Wort -es Dankes DiejcS Wort des Dankes gebührt dem Kapellmeister an der voklirche zu Dresden, Herrn Karl Pembaur, der immer mehr zind inehr dieses ehrwürdige Gotteshaus zu einem Tempel dec Kunst ausgestaltet. Ihm und seinen Mitarbeitern gebührt für v!c>e Werbearbeit durch die Kunst der aufrichtigste und herzlichste Tank. Besonders für die Ausführung der E-Moll-Meste von A- Bruckner am letzten Sonntag, über die von berufener Seite Erschöpfendes gesagt worden ist. Aber auch von seiten oer Kunstfreunde, der christlichen Musik freunde, ist ihm der Dank aller Einsichtsvollen sicher. DreS- den gewinnt als Kunststadt einen Anziehungspunkt mehr. Es ist für die Fremden durchaus nicht gleichgültig, welches Kirchen- mnsikwcrk am strahlenden Sonntagvormittag am Ufer des maje stätisch flutenden Elbstromes zur Aufführung gelangt. Der Ge danke ist nicht von der Hand zu weisen, daß für Hunderte eine solche Aufführung im Gotteshause das leuchtende Morgentor bedeutet, durch das sie in die neue Woche mit gehobener Stim mung schreiten. Wenn auch Knnstinteresse die Religion nicht zu ersetzen vermag — für viele ist Kunst schlechthin Religion. Und wenn es sich hierbei gleichwohl nur um einen Ersatz handeln kann, so ist doch dieser Ersah jedenfalls besser als nichts. Diese Ausführungen unseres Karl Pembaur, der das Glück erleben durfte, daß seine knnstdurchtrünkten Festmessen, von denen eine den Schreiber dieses !m Dome zu Augsburg vor reichlicher Jabressrist von der ersten bis zur letzten Note fesselte, vom Hei- ligen Vater in ihrer Widmung huldvoll angenommen wurden, stellen Werbearbeit im vornehmsten Sinne bar für den Gedanken, daß alle Cäcilienarbcit nnr dann Sinn und Wert hat, wenn sie durchglüht ist von dem Streben, Kunst im Heilig tu me zu bieten. Das war auch der große Gedanke eines bis heute noch viel zu wenig als Komponist erkannten Franz Witt. Karl Pembaur und seine treuen Mitarbeiter (wir denken da in erster Linie an den derzeitigen selbstlosen kunstbegeisterten Führer der Dresdner Kapellknaben, Herrn Lehrer Joseph Wagner) mögen fortschreiten auf dieser Linie: Kunst dem Volke an heili ger Stätte. Der Dresdner Hofkirchenchor aber und alle, die sich mit ihm zu gemeinsamer Knnstarbeit vereinen, dürfen sicher sein, daß ihre Kulturarbeit von allen Einsichtigen — und es sind ihrer nicht zu wenige — dankbar anerkannt wird. Das, was die Aufführung der E-Moll-Messe von Anton Bruckner am letzten Sonntag in der Hofkirche auSzcichnete, war, daß Bruckners Knust in Verbindung mit dec Liturgie aufgeführt wurde, wodurch Dresden sich aus dem Gebiete der Musik an die Spitze der Werbearbeit für Bruckner stellt. Die Meinung: Wenn ich ein Konzert hören will, gehe ich nicht in die Kirche, ist leicht widerlegt. Wem im Hochamt durch Bruckners Messe Gedanken an den Konzertsaal kommen, dem kommen auch bei einer stillen Messe Gedanken, die an noch andere als an Konzertsäle erinnern. Wer dieser ersten Aufführung nicht hat beiwohnen können, dem ist Gelegenheit gegeben, sie am Akademikertage (30. August) hören. Dr. H. Löbmann. Tagesneuigkeiler» Aulomobllrennen in -er Eifel Nideggen, 19. Juli. Das Nennen der Touren wagen Uwurde durch schweres Unwetter und strömenden Regen beein trächtigt. Ein Orkan deckte die Tribünen ab. '«Durch einen her- unterstürzendcn Balken wurde ein Gutsbesitzer auS Düren ge tötet. Am Start waren 24 Wagen der Klassen 2—5 erschienen. Von Anfang an setzte sich ei» Bugatti an die Spitze, der das Nennen als Sieger nach Hause fuhr und auch die beste Zeit erzielte. In der dritten Klasse wurde ein Fiatwagen des .Herrn Büttner-Köln Erster. In der Klasse 6 siegten drei Austro- D a i m l c r w a g e n. Der Favorit Mercedes (Kompressor) schied infolge eines Unfalles nach der ersten Runde aus. Die ge- fabrenen Zeiten sind wesentlich hinter den gestrigen der Motor räder zurückgeblieben. Die aufgewcichten Straßen machten das Ausfahren hoher Geschwindigkeiten unmöglich. Drahtlose Rel ung eines Flugzeuges London, IS. Juli. Bei Wet> mouth war beobachtet worden, daß von einem Flugzeuge eine Stange herabhing, daß also etwas am Gestell zerbrochen sein müsse. Man teilte dies sofort telepho. nisch der nächste» Sendestation mit, die dem Flieger eine War nung znkommen ließ. Dank dem mitgefühcten Empfänger erhielt der Flieger die Nachricht auch, doch mußte er, da es zu weit war, um das Land noch zu erreichen, auf dem Wasser nicdergehen, wo ihn herbeigeeilte Motorboote aufnahmen. ES zeigte sich dann, daß bei nur noch kurzem Verweilen in der Luft das Flugzeug auseinandergebrochen wäre. Aufdeckung eines Rlesenfchwindels London, 19. Juli. Ein riesiger Oelschwindel ist vorgestern aufgcdeckt worden. Edward Schwab, der Chef des amerika nischen Uebcrwachungskomitees, hatte eine Unterredung mit dem ersten Polizeiinspcktor der Londoner Kriminalpolizei und teilte diesem mit, daK in England und in den Vereinigten Staaten für über fünf Millionen Dollar Aktien von Schwindelgesellschaf- Der Tunnel unter Dir William Ball, der Präsident des Tunnelkomitees im Parlament, verlangt die Wiederaufnahme der Verhand lungen über den Tunnelbau, gegen den seinerzeit das Lan- desoerteidtgungsministerium aus militärischen Gründen Stellung nahm. Vierhundert Abgeordnete sind für den Bau, der von unermeßlichem Nutzen wäre. Die Idee einer Landverbindung zwischen England und Frankreich ist bereits mehr als hundertzivanzig Jahre alt. Ein ziemlich brauchbares Projekt wurde von dem französischen Zivilingenieur und Hydrographen Thome de Gamond im Jahre 1856 dem damaligen Kaiser Napoleon III. unterbreitet, in welchem gleichzeitig an die gesamte europäische Presse der Anruf erging, diesen Plan wirksam zu unterstützen. Der Ap pell blieb nicht vergebens, überdies brachte er dem Erfinder die Mitarbeit dreier sehr bekannter Techniker der damaligen Zeit zu, Bruneis, Lackes und Stephensons, des Sohnes des berühmten Erbauers und Erfinders der ersten Lokomotive. Nun Huben diplomatische Besprechungen zwischen den bei den Ländern an, die sich in die Länge zogen und mehrere Male im Sande zu verlaufen drohten. Erst als 1870 der damalige sranzösische Gesandte am Londoner Hofe, Lavalette, auf eine präzisere Beantwortung der strittigen Punkte drang, gab die englische Regierung vorerst eine nicht erschöpfende Antwort, und als Lavaleite an Lord Clarendon eine noch hartnäckigere An frage diesbezüglich richtete, brach gerade der deutsch-französische Krieg aus, den vielleicht die Engländer kommen gesehen und deshalb ausweichende Antwort gegeben hatten. Wie die „Revue Politigue et Pariamentaire" vom 10. Juli 1906 ausführt, wie derholte der sranzösische Minister des Auswärtigen, N c m u s a t, die Anfrage, welche zwei Jahre zuvor Lavalette in England gestellt hatte, und erhielt vom englischen Staatssekretär des Auswärtigen, Lord Granville, eine befriedigende Antwort, der- zufolge sich der englische Botschafter in Paris, Lord Lyons, im Juni 1872 nach London begab, von wo er eine Zusage der englischen Regierung mitbrachte, in der sich dieser Staat for mell an dem projektierten Tunnel unter dem Aermelkanal interessiert erklärte Im Jahre 1881/82 fanden auf englischer Seite die ersten Stollen bohrungsversuche statt, weiche von der South- Eastern-Eisenbahn zwischen Dover und Folkestone nächst „Abbots Llifs" vorgenommen wurden und sich in eine Länge von etwa anderthalb Kilometer unter die See hinziehen. teil verkauft worden seien. Schwab ist der Ansicht, daß die Führer dieser Schwindelbande in London ihren Aufenthalt haben. Schwerer Bahnraub im D-Jug Berlin—Kamburg Berlin, 19. Juli. Im D-Zuge Berlin—Hamburg wurde dem Hamburger Kaufmann Glogau auf der Strecke zwischen Büchen—Hamburg-Hauptbahnhof eine Aktentasche, ent haltend 23 500 N e n t e n in a r k und 100 Billionen Mark scheine, sowie Verträge und auf den Namen GlogauS lautende weitere Schriftstücke gestohlen. Eine ganze Familie umgebrachl Ans Bielitz wird gemeldet: Im nahen Wiltowize hat der Ansiedler Beidps seine Frau, seine Tochter und seinen 22jnhrigen Sohn mit einem Küchenmesser erstochen und sich dann selbst entleibt, indem er eine Glasröhre mit Spreng stoff füllte und diese zur Explosion brachte. Der Mörder ist 63 Jahre alt. Ein inlernaiionaler Taschendieb verhafte! Brrlin, 19. Juli. Ein vieseitiger Dieb, der längere Zeit mit großem Erfolg auch in Berlin anftrat, wurde in Magdeburg fcstgenoinmen. Schon vor zwei Jahren trat in Berlin ein Lljähriger, anS Petersburg gebürtiger Alexander Trubctzkoy aus, der sich für einen Studenten ausgab. Er wurde bei einem Diebstahl ertappt und erhielt eine Freiheitsstrafe. Nach ihrer Verbüßung begann er sein Treiben von neuem. Er nannte sich jetzt „Fürst" und gab sich für den Sohn des ehemaligen ruisistbeil Admirals Fürsten Trubetzkoy auS. Er fand Eingang in begüterte Kreise, machte sich besonders den Damen interestant und lies; sich nicht mehr sehen, nachdem! er sie bestohlen hatte. Seine Wirtin in der Knrfürstenstraße bestahl er um ihre goldene Uhr uno ihre Schmncksachen. Nebenbei betrieb der „Fürst" den Taschen- und D-Z u g d i eb st a b l. Erst kürzlich erleichterte er einen Reisenden ans der Fahrt von Berlin nach Breslau um die Brieftasche mit 300 Rentenmark Inhalt. Nun wurde der Gesuchte in Magdeburg erwischt, wohin er mit einem jungen Mädchen aus Berlin gefahren war. Man fand bei ihm eine größere Summe in deutschem Gelbe, 53 amerikanische Dollars, zwe: goldene Uhren, ein goldenes Zigarettenetui und wertvolle Vrillantringe. s Schrecklicher Tob eines Miiklenarbcitcrö in Rosilcbcn. Während i„ der Mühle in Roßleben der Arbeiter Fritz K r aut- -em Aermelkanal Die „ägyptische Frage", die bald darauf die bisher sehr freundschaftliche» Beziehungen zwischen England und Frank reich etwas verdüsterte, brachte den Gegnern des Untersee-Tun- nels die erwünschte Gelegenheit, aus die strategischen Ge fahren hinzuwcisen, ivelche die Ausführung des Projektes bringen könne und daß fortab Englands „glänzende Isolierung" dann endgültig gefallen sei. Vor allem waren es der Herzog von Wellington, der Herzog von Marlborough. Herbert Spencer, Robert Browning und viele andere, zumeist Mit glieder des englischen Hochadels, welche aus nationalen Mo menten und angesichts der politischen Situation dagegen ener gisch Stellung nahmen. Zu Ende des Jahres 1923 erschien c>» Bericht Sir Percy Tempests, des Chesingenieurs des Projektes und zugleich Generaldirektors der S v u t h e r n - E i s e n b a h n, welche das größte Interesse am Zustandekommen des Planes hat, iveil ihre Bahnlinien die Zufahrtslinien zum Unterseekanal bilden würden. Diesem Berichte war zu entnehmen, daß die zu erwar tende Bodenart, durch welche der Tunnel zu bohren iväre, dem Unternehmen sehr günstig sei, indem sich daselbst eine mächtige Schicht Mergel mit Kalk und Lehm untermischt dahin zöge. Der Bericht verweist an dieser Stelle auf die bereits er wähnten !m Jahre 1881/82 stattgefundenen günstigen Bohr versuche. welche das gleiche Ergebnis gezeitigt hätten. Mit den für dieses gigantische Werk eigens hergestelitsn modernsten Bohrmaschinen sei es möglich, täglich etiva vierzig Meter Stol len in einein Durchmesser von 4 Meter vorzutreiben, An genommen, die Arbeiten fanden gleichzeitig zu beiden Seiten des Tunnels statt, so könnte man mit einer dreijährigen Dauer der Bohr- und Förderarbeiten rechnen, worauf für die vollständige Vollendung der Tunnelstrecke, also deren Auskleidung mit Eisenpiatten und Zcmentröhren. weitere anderthalb Jahre Bauzeit nötig wären. Die Kosten des Tun nels wurden in dem angeführte» Berichte Sir Percys mit 30 Millionen Pfund Sterling errechnet. Unter Zugrundelegung der heutigen Verkehrsziffern gelangte man zu einer wahrschein lichen Verzinsung van etiva 5 bis 6 Prozent, was für englische Verhältnisse auch unter den heutigen Verhältnissen befriedigend erscheinen muß. Da man jedoch mit einer erheblichen Ver kehrssteigerung bei Aktivierung des Unlerseetunnels rechnen kann, so dürfte diese Ziffer weitaus zu niedrig gegriffen sein. Inzwischen hat die englische Regierung das Tunnelprojekt neuerdings abgelehnt. Hase mit dem Aufziehen des Mühlenschützens beschäftigt war, riß die Kette des Schützens. Krauthase wurde in die Unstrut gerissen und ertrank. Sein Kopf war vollständig zertrümmert. s Ein weiblicher Strahenräuber. Die 24jahrige wohnungs lose Frieda Borngraeber aus Küstrin überfiel i» Ber lin an der Ecke der Teitower und Großbeerenstraße einen Herrn Otto Dubrow, der sich auf dem Wege nach seiner Wohnung am Teinpelhofer Ufer befand. Sie schlug mit einem 500 Gramm schweren Hammer auf ihn ein und versuchte, dem Ueber- sallenen, als er taumelte, die Aktentasche zu entreißen Dubrow erholte sich aber in diesem Augenblick und hielt die Tasche fest. Die Täterin, die die Flucht ergrifs. wurde von mehreren Pas santen verfolgt und ergriffen. Das 102. Polizeirevier, wohin sie gebracht wurde, übergab sie der Kriminalpolizei. Da sie völlig mittellos war, dürft« es sich um einen Raubversuch handeln. si Selbstmord eines Zwölfjährigen. Ein aufsehenerregender Vorfall spielte sich zu Spandau ab. Hier wohnte bei seinen Pflegeeltern Fröhlich der zwölfjährige Schüler Waldemar Zschinbulski. Der Junge griff, nachdem er eines Vergehens ivegcn von seinem Pflegevater bestraft worden war. zum Brow ning und schoß sich eine Kugel in die rechte Schläfe, die die Schädeidecke durchschlug. Man brachte den schwerverletzten Knaben nach dem Kreiskrankenhaus in Spandau, wo er au den Folgen der Schußverletzung gestorben ist. s Eine englische Strandtragödie. An der englischen Küste ereignete sich eine Strandtragüdie mit tödlichem Ausgang. Eine große Anzahl von Frauen und Kindern saß am Strande, als eine große Weile kam und die Ufer überspüite. Sie wurde her vorgerufen durch die vorübersahrenden Riesendampser ,.B eren- garia" und „Majestic". Die Welle kam so unerwartet, daß niemand Zeit hatte, sich in Sicherheit zu bringen. Einige Fischer eilten zum Strande, um wenigstens zu verhüten, daß die Kinder von der zurückslutendcn See davongespüit werden. Diesem Zufall ist es zu danken, daß sie gerettet wurden. Aber ungefähr vierzig Personen waren vollständig durchnäßt Slüisie. Kinderwagen, Schuhe und Kleider waren iveggcivaschen. Spä ter konnten ganze Körbe voll Kleider und anderer Requisiten aufgefischt werden. Aber zwei Menschenopfer hat die Tragödie doch gekostet. Zwei Fischer, die gerade ans dem Wasser waren, als die Welle heranbrauste, wurden umgcworsen und ertranken Ihre Leichen konnten noch nicht geborgen werden. Schloß Lismoyle Erlebnisse in Irland von B. M. Eroke r. Autorisierte Uebersetzung auS dem Englischen von Alwine Bischer. (Nachdruck verboten.) (38. Fortsetzung.) «Ich möchte dich gerne auf einiges aufmerksam machen, Wenn ich darf," begann sie etwas erregt. „Nur zu." antwortete die andere lächelnd und mit einer theatralischen Geste. ,,Du darfst eS mir aber nicht übelnehmen, versprich ?S mir." «liebelnehmen? Nein, wie sollte ich wohl?" „Dn denkst vielleicht, es sei etwas verfrüht, schon jetzt mit üuten Ratschlägen zu kommen, aber in diesem Fall heißt eS, je istüher desto besser, oder «Vorsicht ist die Mutter der Weisheit". Also vor allem schließe deine Kleider und hübschen Sachen ein und gib sie Doatie nicht in die Hände. Sie hält nämlich viel auf Gütergemeinschaft — das heißt, auf di« Güter andrer Leute." „Ja, ich verstehe; danke schön. Wie ich sehe, hast du mir ja auch einen schönen, verschließbaren Schrank gegeben" „Und," fuhr Brpda fort, leihe Madame niemals Geld — es ist, wie wenn man Wasser in ei» Sieb gießt. WaS Geldsachen anbelangt, da ist sie vollständig unzurechnungsfähig, sie muß einfach einkaufen, sehr häufig eine Menge nutzlosen Zeugs, ver. rückte Hüte, die sie dann kaum wieder eines Blicke'! würdigt. Ich glaube, eS ist eine Art Krankheit, die sie befällt, sobald sie einen Lade» betritt. Selbst in einem Gemüselädchen hat sie de» Drang, die Hälfte von dem, was sie sieht, zu kaufen. Und nun aar in einen, Modewarengeschäft — da ist es gänzlich aussichtS- los, sie zurückhalten zu wollen. Hier auf dem Laude kommt sie ja nicht in mittelbare Versuchung; aber ab und zu wird sie von einem richtigen Kauffieber befallen und eilt dann nach Dublin oder Cork." „Ich werde deine Winke beherzigen und danke für den gut- emeinten Rat. UebrigenS habe ich gar kein Geld übrig, um viel erleihen zu können." „Es klingt ja abscheulich, aber weißt du, eigentlich ist mir das recht, dadurch paßt du viel besser zu u»S; Niel wird ganz scheu, wenn er unter reichen Leuten ist — nicht ans Neid, aber er fühlt sich nicht wohl. Er hat ja auch sein ganzes Leben lang nie gewußt, was- es heißt, genug Geld zu haben." „Wie ist es dann aber mit Mrs. Donotxm — als er neu- kich abends bei ihr zu Tisch war, habe ich nichts von Scheu bemerkt."^ ,.O, an Lyddy sind wir gewöhnt — daS ist eine alte Freundin." Rhoda überlegte es sich gerade, ob sie ihre Tante nicht bitten sollte, sie ihres Versprechens zu entbinden und Bryda von den fünf Guineen wöchentlich zu., jage», als die Tür sich öffnete und Bestie de» Kopf hereinstreckte mit den Worten: „Miß Bryda, 's ist 'ne Frau draußen mit fünf jungen Truthähnchen, sie ver langt zwei Schilling fürs Stück," worauf Bryda verschwand. Nach auffallend kurzer Zeit hatte Rhoda sich in LiSmoble eingelebt, so daß sic sich schon ganz als wie zur Familie ge hörend fühlte. Die praktische und fleißige Bryda war tatsächlich die eigentliche Herrin des HäuseS. Die Art, wie Madame i» den Tag hineinlebte, sich um nicht? kümmerte und jegliche Verant wortung von sich abwälzte, verwunderte und betrübte ihre Nichte in hohem Grade. Sie und Bryda frühstückten zeitig mit Niel, der außer Sonntags selten vor dem Abendessen wieder erschien. Madame und Doatie standen viel später auf, der Vormittag sei »och lang' genug, meinten sie, wozu ihn durch frühes Anfstehen endlos machen. Für Bryda aber war der Vormittag im Gegenteil immer zu kurz; sie hatte nach dem Haushalt zu sehe», die Vorratskammer» zu besichtige», verschiedenen Leuten Rede und Antwort zu geben, schriftliche Sachen zu erledigen, Rechnun gen zu schreiben, die Hühner und den Garten zu besorgen und die Nipps abzustauben. Rhoda bat dringend um Beschäftigung, und eS wurde ibr auch sofort übertragen, das Obst zu pflücken, die Eier zu sammeln und mit dem Datum zu versehen; Bryda zeigte ihr, wie man Geleetöpfe zubindet und Blumen ordnet, und sie war nicht nnr eine willige, sondern bald auch eine sebr nützliche Gehilfin. Rhoda wunderte sich selbst über ibre Anpassungsfähigkeit — ibre bisher unentwickelte Vorliebe, um nicht zu sagen Schwärmerei fürs Landleben. Es machte ihr wirklich Spaß, auf dem Boden zu hocke», die fruchtbare schwarze Erde mit dem Spaten zu bearbei ten. anzupflanzen, zu rechen, zu begießen. Unkraut ausznjäten und die noch warmen Eier aus de» verschiedenen Nestern zu holen. Die Nculicit übte tatsächlich ihre» Reiz aus! Wollte sie sich ein besonderes Vergnügen machen, dan» ging sie mit Bryda durch die Stallungen, brachte den edel», glänzenden Pferden Moorrüben und ließ sich ihre Heldentaten und besonder» Erleb nisse von Tom, dem Stallansseber, erzählen, eine», kleinen Männ chen, der immer einen Strohhalm im Munde hatte, >.„d von dem eS hieß, er habe in seinem gaiizen Leben nie eine direkte Ant wort gegeben. .Vkadaine war überschwenglich freundlich und zärtlich gegen ihr Nichte, überhäufte sie mit Liebkosungen und erzählte ihr viel Interessantes aus dem Leben ihrer Eltern. Solchen Erzählun gen lauschte Rhoda natürlich mit Freude und großer Aufmerksam keit — anders aber war'eS, wenn ihre Tante sie an einem schönen Vormittag zu sich ins Schlafzimmer rufen ließ und ihr mit unglaublicher Zungenfertigkeit ihr Herz anSschättcte und ihr vorjaminertc. „Weißt d», liebes Kind, du bist doch meine Blutsverwandte." begann sie halb entschuldigend, „und manchmal bab ich daS Ge fühl, daß ich platze, wenn ich mir nicht Luft schasse." . Sie sprach offen und rückhaltlos über ihre Toebter Doatie, klagte über deren reizbares Wesen und maßlose Versch.vendungs- suckjt und erzählte immer wieder von ihren eigenen ungeheuren Bemühungen, sie unter die Haube zu bringen. «Ein paarmal dachte ich schon, eS sei so weit." sagte Madame in kläglichem Tone, «aber Doatie bat ein unglückseliges Talent, das Verkehrte zu tun, und sich bloßzustellc». Ick weiß zum Bei spiel, daß ein Freier durch einen schinutzigen Unterrock und ein anderer durch einen dnininen Spaß von ihr abgeschreckt worden ist. Ich sehe es schon kommen, schließlich wird sie »och einmal froh sei», wenn ein armer Vikar oder ein Sulmlternbeaniter sie nimmt." In ihrem tiefninersten Herzen batte Rhoda aufrichtiges Mit leid mit jedwedem, dem das Lo? zusiel, eine Frau wie Doatie zu bekommen. Auch über Niel beklagt: Madame sick bitterlich über sein strenges Wesen, seine Zurückhaltung und seine Knauserei. «Du glaubst eS mir vielleicht garnickt. aber ich kann dir versichern liebe? Kind, Angst kann man vor ihm bekommen, daß einem die Zähne aufcinanderschlagcn. Man hat das Gefühl, man sei ein armer Neger, den er im Begriff ist. durchzuveitschen oder niederzuknallcn. Wenn man Niel so ruhig und höflich reden bört, würde man es nie für möglich Hallen, daß er hart wie Stein ist; so ganz anders, als sein guter, seliger Vater war Und diese Bryda, die mit ibreni Bruder durch dick und dünn geht — jedes Wort von i'bm ist für sie Gesetz; sie ist mit einem bettelarmen -Offizier in Indien verlobt und doch weiß jedermann, daß Mick» Nolan seine beiden Obren hergebe, wenn sie ibn nehme. Er bat eine wunderschöne Besitzung und viel (tzeld, schielt abec ein wenig. Die NolanS sind freilich nur reich gewordene MüllerSleuie, aber wenn einer die Taschen voll Geld bat, vergißt sich so etwa? rasch. Und Ltzddv Donovan, was die gern möchte, daS wissen wir alle." Und Madame, die jetzt notwendig eine Panse mach-'» wnßie, um Atem zu schöpfen, sagte bei sich selbst: „WaS da? Mädel schon nette Farbe bat! DaS kommt von der Lismoylcr Luft." (Fortsetzung folgt.)
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