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Sk. 4V 18. Iahrg. MMwoch, de» 2«. Febr. ISIS abe»ds .« >»*>»»» X «u Uluslr. Vellage »,8U F». In Dresden und km» frei Hau» 8.SO F» X. »«»,«»« «slerretch I»«,«»« « dterteljührll» ».88 F». In Dresden und ganz Deutschland frei Hau» L-tn Oenerrei« »L« X. »injel-»lummer I« Dt« vüchplche vollszelluna erlchetnt an allen Wochentagen nachmittags. Geschäftsstelle «ad i.Iedaklt««» Dresden »A. 16, Holbeinstrohe 46 Fernsprecher LI 366 Voftscherttoato Leipzig Nr. 14787 iluzelgea, Annahme von AelchüllSmijelgc» bis lOUHr. von gumiiienanzeigcu bi» I I Uhr dorm. Drei» für die Petit-Spallzcile«» 4 im Rella- melcil 80 t ganui a„-A»zetge» »o z. Für undeutlich geschriebene, iowie durch Fern- sprecher ausgeocbene linzeigen küimcn wir di, Berantivorlltchkeil für die Richtigkeit de» Leite» nicht übernehmen Vdrechltunde der Redaktion: I I—1» Uhr vorm Einzige katholische Tageszeitung in GuGeN. Organ der ZentrmnspuE * Ausgabe ä mit illustrierter NMerhaLLungsbeilage and rmg- Wocheubeilage KeieMdeud Ausgade k nur mit der Wocheudeilage WWMMM« Air Cröffamg dn Nilkskiimmer. Dresden, 25,. Februar 1919. Ai Nein, so etwas' Jetzt weiß ich auch, warum Herr Fleißner während der ganzen Sitzung sich so unruhig auf seinem Platze hin- und herbewegte. Das Unglaubliche, hier lvard's Ereignis-. Man hatte die Unabhängigen mitten in das Zentrum gesetzt. Daß das ein unhaltbarer Zu stand tvar, ist klar und so ließ denn auch tatsächlich Herr Fleißner seine Stimme ertönen und erhob Einspruch da gegen. Er nnd seine Freunde und Freundinnen wollen ans der äußersten Linken Platz nehmen. Aber ganz läßt sich das Unglück doch nicht mehr gut machen. Denn aus der photo graphischen Aufnahme, bei der es natürlich nur freundliche Gesichter gab, bleiben nun einmal die Unabhängigen in der Mitte haften. Hoffentlich tut das ihrer Gesinnung keinen Abbruch. Abgesehen von diesem Intermezzo verlief jedoch die Er öffnungssitzung der Volkskammer vollständig ruhig. Das ist erfreulich. Zur selben Stunde, als die Volkskammer er- öffnet wurde, ließen noch — es war allerdings die höchste Zeit — die Sozialdemokratische Partei und das sozialdemo kratische Gewerkschaftskartell einen Aufruf verbreiten, in dem es u. a. hieß: „Jeder Streik richtet sich gegenwärtig gegen da? deutsch« Proletariat und gegen die von ihm mit über großer Mehrheit gewählten Vertrauensleute. Was haben die Regierungen Deutschlands mit der Wahnsinnstat eines reaktionären Fanatikers zu tun? Gar nichts! Wo aber bleibt die Entrüstung der Unabhängigen über die von unabhängig-spartakistischcn Fanatikern verübten Mord- anschläge auf unsere Genossen Auer, Timm und Roß- haupter! Arbeiter und Arbeiterinnen! Wendet euch av von dieser jetzt ebenso sinnlosen wie gefährlichen Strcik- und Putschpolitik! Die sozialdemokratische Landtagsfrak tion steht in der Sozialisierungsfrage auf dem Stand- punkte des Theoretikers der Unabhängigen Karl KantSkn unb wird darauf dringen, daß alle heute möglichen Sozia lisierungsmaßnahmen durchgeführt werden. Wem das Wohl unserer Frauen und Kinder am Herzen liegt, der bleibe bei seiner Arbeit! Laßt euch durch Gewaltandrohun gen wicht einschüchtern! Ter notwendige Schutz wird euch zuteil -werden. Der Arbeiter- und Soldatenrat wird, wenn es zum Schutze der Bevölkerung notwendig werden sollte, gegen Gewalt mit Gewalt Vorgehen. Er besitzt die Machtmittel, jeden Terrorismus zu brechen. Helft uns unnötiges Blutvergießen vermeiden. Bleibt allen Kund gebungen fern, zu denen ihr nicht von den Gewerkschaften oder der Sozialdemokratischen Partei gerufen werdet!" Leider ist ein Hinweis daraus, daß auch der Zentrums abgeordnete Ose! einem solchen Mordanschlag zum Opfer gefallen ist, nicht in dem Aufruf enthalten. Sehr bemerkens wert ist aber der Hinweis in dem Erlasse noch, die llnab- hängigen möchten die Erschütterungen in mehreren deutschen Städten» auch auf Sachsen übertragen, um daran ihr Par- teisüppchen zu kochen". Als Folge davon war bereits eine sehr gereizte Stimmung der Unabhängigen gegenüber den Mehrheitssozialisten bei der Eröffnungssitzung unverkenn bar. Der Saal war in einen Blumenhain verwandelt: die Absicht war gut, der Geschmack weniger, lieber den Ge schmack läßt sich aber bekanntlich streiten. Immerhin nwim man von der Journalistentribüne in den Saal hinabblickte, mußte man sagen: Welch eine Wandlung der Dinge. Vor nicht allzulanger Zeit noch dominierten in diesem Hause Konservative und Nationalliberale nnd das Patriarchen antlitz Vogels thronte über allen. Heute, überwicgen die Mehrheitssozialisteu, ihnen folgen die Demokraten, es kom men die Unabhängigen und zum Schluß die heutigen Deutschnationalen und das Fähnlein der Deutschen Volks partei. Es waren recht eigenartige Gefühle, die mich da oben bewegten. Meine Gedanken schweiften zurück in die Zeit vor dem 2. Februar. Wir haben in Ostsachsen im ganzen unsere Stimmen sogar erhöht, aber während sie mancherorts zugenommen haben, sind sie an anderen Orten doch zurückgegangen. Wäre das nicht der Fall gewesen und hätten alle restlos ihre Pflicht getan, wären sich alle der Be deutung bewußt gewesen, worum es sich handelt, dann hätten wir's geschafft, dann säße unser Dr. Hille heute dort unten und wir hätten dann wirklich ein Zentrum. Aber waS nicht ist, kann ja noch werden und muß noch werden. Daß eS dahin kommt, dafür zu arbeiten, war heute im StändehäUs mein Gelöbnis und muß unser aller Gelöbnis werden. Dft« Tribünen oes Hauses waren überfüllt und es siel auf, -aß''besonders viel Soldaten anwesend waren. Um 3^ Uhr bestieg Minister Tr. Gradnauer das Redner- pnlt. Neue Gesichtspunkte brachte die Rede nicht, aber es muß anerkannt werden, daß sie durchaus würdig gehalten war, wenn wir uns natürlich auch nicht mit allem einver standen erklären können. Gradnauer wies darauf hin, daß die Einzelstaaten lebendige Organismen des Reiches sein müßten, gab dann einen Rückblick auf die Zeit vor der Revolution nnd auf die Revolution selbst, sprach davon, daß die Dinge auf der Bahn der Demokratie und des Sozialis mus weitergeführt werden müßten, erklärte, daß die Zukunft ungewiß und dunkel sei. Als er die rigorosen Waffen- st i l l st a n d s b e d i u g u n g e n geißelte und von der Politik unserer Feinde als von einer der Rache nnd Vergewal tigung sprach, da fing es an, im.Hause lebendig zu werden. Der Beifall mehrte sich, als er die Herausgabe un serer Gefangenen forderte. Für die Deutsch- b ö h in e n wünschte er das Selbstbestimmungsrecht, anderer- seits hofft er, daß die Beziehungen zum tschccho-slowakischen Staate sich günstig gestalten möchten. Den Anschluß D e u t s chö st e r r e i chs begrüßt er. Tie sächsische Erport- industrie sei fast völlig gelähmt. Unsere Wirkick-aftsverbält- nisse müßten neu aufgebaut werden. Die erste Auf- gäbe sei, die Industrie überhaupt wieder einmal i n G a n g z u b r i n g e n. ((Beifall.) Er geißelt dann die verhängnisvollen Erscheinungen unserer Tags. Manche Kreise seien sich des Ernstes der Situation nicht voll bewußt. (Beifall.) Gewalttätige Bestrebungegn würden unsere Lage noch verhängnisvoller machen. Er richtet an das werktätige Volk den Appell, die Aussichtslosigkeit solcher Bestrebungen einznsehen. Tie Arbeiter- und Soldatenräte müßten letzt ihre Tätigkeit an die Volkskammer cibgebea. Nach der Annahme der vorläufigen Verfassung würde das Ministerium seine Acmter zur Verfügung stellen. Die Finanzlage sei ungünstig. Er stellte u. a. Zuschlägr zur Einkommensteuer in Aussicht. Die unteren Einkommen müßten geschont werden. Ten Wünschen der Beamtenschaft würde Rechnung getragen. Tie Ausgestaltung der Ge meinde-, Kreis- und Bezirksverwaltung im Sinne der Demokratie sei vorgesehen. Kurz streifte er die bevor- st e h e n d e A u s e i n a n d e r s etz u n g z w i s ch e n Sta at und Kirche. Herr Buck blickt aus: ein schmerzliches Zucken geht über sein Gesicht. Tenn er wird an dieser Aus einandersetzung wohl nicht mehr mitwirten können. Grad nauer fährt fort und sagt von der Sozialisierung, daß keine Rücksicht auf private Interessen genommen wer den dürfe. Aber ebenso schädlich sei Ueberstürzung. Tie Sozialisierung müsse im Einvernehmen mit dem Reiche vor- genommen werden. Auf den Plätzen der Unabhängigen er hebt sich Widerspruch. Ein Gesetzentwurf über die Ver staatlichung der Bergwerke sei in Vorbereitung. Ein Sozia- lisierungsausschuß solle gebildet werden. „Durch Nacht zum Licht!" — damit schließt der Vorsitzende des Ministerrats. Der sozialdemokratische Alterspräsident Dem in- I e r nimmt vom Präsidentenstnhl Besitz und sagt mit Ge nugtuung, daß er 60 Jahre für eine sozialistisch-republika nische Staatsverfassung gekämpft habe. Sein Wunsch ist in Erfüllung gegangen. Es wird die Beschlußfassung der Volkskammer festgestellt — 94 Abgeordnete sind anwesend — und dann zur Wahl dcS Kammervorstandes geschritten, j Der Mchrheitssozialist Fräßdorf wird mit 88 Stimmen gewählt. Er erklärt, daß er ein gerechter und unpartei ischer Präsident sein will: nicht der Präsident einer Partei, sondern des ganzen Hauses. Mit erhobener Stimme sagt er: „Ohne Ordnung keine Freiheit, kein 'Frieden, kein Brot!" Er warnt vor allzu langen und allzu scharf klingenden Reden. Dje Rcdewut entspreche der Ohnmacht im Handeln. Auch die weitere Wahl wird nach der Stärke der Fraktionen vorgenostimen. Erster Vize präsident wird Abgeordneter Tietel von der Demokratie, zweiter Vizepräsident Herr LiPinski von den Unabhängi- gen. Ein vielsagendes Lächeln geht durch das Haus, als Herr Lipinski erklärt, er wolle versuclM, sein Amt objektiv zu führen. Nach der Wahl der Schriftführer durch Zuruf setzt noch eine Geschäftsordnungsdebatte ein über das Pro gramm der Kammer und die Wahl der Ausschüsse. Es wird, bemängelt, daß dem Verfassungsentwurf keine Be gründung beigegeben worden sei. Schließlich einigt man sich aber doch dahin, daß bereits am Donnerstag vormittag in die Beratung des V e r f a s s u n gs e n twu r f e s eingetreten werden soll. Es muß rasche Arbeit geleistet wer den. Die Redeschlacht kann beginnen, hoffentlich geht der Wünsch des Präsidenten in Erfüllung und wird es keim Redewnt. Hoffentlich werden auch die Deutschnationale- und die Deutsche Volkspartei sich an der sachlichen Arbeff beteiligen und sich an der unabhängigen Oppositionspolitie ihrer Freunde in Weimar kein Beispiel nehmen. kwl. Annahme des Gesetzentwurfs über die Bildung einer vorläufigen Reichswehr in der Nationalversammlung. Stimmungsbild aus der Nationalversammlung von unserem Weimarer parlamentarischen Vertreter. Das Aibeitssieber liegt über der Nationalversaiiimlum. Unser,- heutige, recht wenig geklärte Lage drängt zu klarer Entscheidung. Kaum daß irgendwo im deutschen Lande das Feuer niedergeschlagen ist, lodern an anderen Stellen dm Flammen von neuem und gefahrdrohender wieder auf. Test erste Erfordernis unserer immer noch in wilder Gärim, befindlichen Verhältnisse im Lande einigermaßen Ruhe und Ordnung zu bringen, liegt in der Schaffung einer non all n Mitteln der Staatsgewalt aesiüm:en Heeresorganisation Daricher gibt es, mit Ausnahme bei den Bolschewistin, den Unabhängigen, keine Meinungsverschiedenheit. Die denlsive. Nationalversammlung drängt daher danach, so rasch als nur möglich diesen neuen Rückhalt für Staat und Gesellschaft zu errichten. In der Tat: Jeder Tag, nein, jede Stunde Et kostbar. Das Reichsministcrium war in der Tienstagsitzung Nationalversammlung, in welcher der Entwurf diests neuen Rcichswchrgeietzes zur ersten Beratung kam, fast vollzählig, erschienen. Unter Führung Scheidcmanns waren der Westr- minister Noske und die Minister Landsberg, Bell, Wissel, David. Gothen' und Preuß anwesend, ferner die Vertreter der Marine und der preußische Kriegsminister. Der letzte in hat jetzt allerdings keine selbständige Stellung mehr, er ist eigentlich nur noch militärischer Sachverständiger imierh-AK der Regierung. Früher war der preußische Kriegsmiiiist" mit der mächtigste Mann im Reiche. In der Stellung, dm ihm heute als Untergebenen der Zivil-egiernng zng-Müe'v' ist, drückt sich de- Wandel der Tinge ans diesem Gebiete gaa: besonders eindringlich ans. Die Sitzung beginnt in ruhigei Hc'chästsoidniinzZ- mrßigkeil. Da es sich bei dem Gesetz nicht um eine Vorlage der Regierung, sondern »m einen Antiaz der Parteien Hän de.t. komme,, zunächst die Parteiredve: zum Wo-st. Der mehrlieitSsozialistisckie Abgeordnete Schöpflin, Redakteur und zurzeit Militärgonvernenr von Berlin, spricht nach drücklich für die Schaffung einer Reichswehr und insbeson dere dafür, daß dieses neue Heer starre Disziplin dejio'.n muß. Seine hestige .Kritik der augenblicklichen Zustände, in den Kistrncn, die er Schwei ne stalle nennt, findet allseitig!- Zustimmung. Der Abgeordnete Gröber vom Zentrum erwartet von dem Gesetz den Schutz der Ordnung und den Schutz der Vaterlandes. Es darf keine Minute ge- zögert weiden, ibm zur Durchführung zu helfen. Der demo kratische Abgeordnete Siehr spricht für die Bildung einer Reichswehr : .mentlich vom Standpunkte des Ostens aus Mit seinen Nesbezüglichen Ausführungen ruft er wied,-.- holt die keifenden Zwischenrufe der Ziel; hervor. De7: Spiecker der Dentschvationalen Bär icke sprichst die Zx- stiminnng seiner Partei zu dein Entwurf aus unter Lei der Voraussetzung befriedigender Erklärungen der Resse ruvg. Die Ausführung?!. dieses Regners werden oft rov stürmischen Zurufen der Linken linkerbrochen. Der Brewm Fülircr der Unabhängigen, eigentlich schon mehr Spartakist. Redakteur Henke, sprichr sä^rf gegen das Gesetz und n versucht dabei ein Loblied onj den Bolsckstwisuiiis zu singen Es ging sch:- lebhaft, teilweise sogar sehr stürmisch währmd Henkes Rede zu. Namentlich kam es zu tuiiiultuari'chcn Zwischenspielen zwischen den Mehrheittzsvzialisten und dm Unabhängigen, als schließlich Henke ausrnst: „Sie müssen mir doch schon glauben, was ich sage," schallt ihm stürmisches Gelächter entgegen, »nd die Mehrheitssozialisten 110-": „Wir denken nicht daran!" Der Reichswehrmiiiister Ncr-ke sucht all den Schreckgespenstern zu Leibe zu geben, welch?? Henke bezüglich einer Gegenrevolution an die Wand genial!: hat. Necke betont die Notwendigkeit, in dein jetzigen nn- glaublichen Wirrwarr des Heereswesens Ordnung zu scki-S scn. Es handelt sich jetzt lediglich darum, der drückend-.» Not des Augenblicks Rechnung zu tragen. Auch er fordert als Haiiptbedingung straffe Manneszucht und Disziplin, sonst Hürde die jetzige Reichswehr nicht einen Schutz, son dern eine» Schrecken der Bevölkerung bilden. Der denl'ch- vclkspartciliche Abg. A ß m a n » aus Posen verbreitet sich unter Schilderung der unerhörten Zustände in Polen. Wiede- rum vom Standpunkte des Ostmärkers ans über die Neu schaffung einer militärischen Organisation. Schon der bloße Entschluß, eine Reichswehr zu schassen, werkle bei den Poim seine Wirkung nickst verfelsten. Tie Unabhängigen beantragen dann, das Gesetz eiv c Kommission zu überweisen, sie bleiben aber bei der AH.