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8. Beilage zn Nr. der . Sätlisischen Bolkszeitnng" vom IN. Aebruor INNLr. Ium Falle Petra«. Die österreichische und reichsdeutsche Presse brachte über den Tod Petrans eine Reihe unwahrer Geschichten. Da der Fall Lachsen ganz besonders mitinteressiert, so ent nehmen wir aus dem der Zentralauskunftsstelle von auto ritativer Seite zur Verfügung gestellten reichhaltigen! Ma terial folgendes: Der unglückliche Priester Petran zeigte von Anfang an ein exzentrisches Wesen, las Tolstois Evan gelium, Nenans Leben Jesu, Ibsens Brand, Luthers Tisch- reden und stand in Beziehungen zu einer Frauensperson, die er heiraten wollte. Am 4. September 1898 trat er zum Protestantismus iiber in Dresden, von wo er durch Ver mittelung Viktor Hugo Walkers, des Schriftleiters der „Deutschen Wacht", und des Herrn Pastors Blanckmeister vom Evangelischen Bund zum Studium der protestantischen Theologie nach Halle geschickt wurde. Nach einein Jahre gab er das Studium der Theologie auf und wurde Lehrer, zuletzt in Händler bei Ehemnitz, bis er infolge seines an stößigen Benehmens und seiner Schimpfereien über Luther mrd den Protestantismus vom sächsischen Kiiltuchniniste- rinm abgesetzt wurde und unter Mitnahme eines unver dienten Monatsgehaltes verschwand. Am !'.l. Januar 1908 wurde er zu Feldkirch wieder in die katholische Kirche anf- genommeni. Seine phpsische Unfähigkeit, eine Stelle in der Seelsorge zu bekleiden, die durch mehrere ärzt liche Atteste bewiesen ist, erkannte er selbst an und bat da her, ihn als Lehrer oder Katechet zu beschäftigen. Der Bi schof von Linz zeigte ihm gegenüber stets die größte Güte und Nachsicht, was Petran auch wiederholt anerkannte. Un ter dem 24. März 1908 wurde ihm sogar durch Vermitte lung seines Bischofs in Rom die sogenannte Laisierung bewilligt, das heißt es wurde ihm gestattet, unter Verzicht auf die Ausübung priesterlicher Funktionen und ans Tra gung des geistlichen Kleides um eine ehrbare weltliche Be schäftigung sich umzusehen. Bis er eine solche Beschäfti gung gefunden — leicht war das natürlich nicht bei 'einer Vergangenheit und seinem exzentrischen, unruhige» Wesen - - sollte er sich in der Temeritenanstalt Mitterberg anshal ten. Hier genoß er eine Reihe von außerordentlichen Ver günstigungen. Der Bischof, der seine Schulde» in Sachsen längst bezahlt hatte, gab ihr» Kleider und Taschengeld. Er konnte sich, abgesehen von den durch die Hausordnung vor- gcschriebencn geistlichen Uebnnge», sozusagen frei in- und außerhalb des Hauses bewegen. Er begann jedoch bald, sich in Mitterberg unmöglich zu machen. Er ergab sich dem Trnnke, trank besonders viel Schnaps, Pflegte den Verkehr mit Sozialdemokraten', vor denen er iiber die bischöfliche Behörde und die Leitung des Hauses Mitterberg schimpfte. Er schrieb auch in kirchenfeindlichen Blättern. Wiederholt kam er in betrunkenem Zustande mit zerrissenen Kleidern und mit Schmutz bedeckt in später Nacht nach Hause. Er scheute sich nicht, seine Eonfratres in tätlicher Weise zu be leidigen, einmal versuchte er sogar nachts die Zimmertür einer Magd einzuschlngen. Nach jahrelanger, geradezu un glaublicher Geduld und Güte mußte der Bischof ihn aus Mitterberg entfernen, lieber das „mysteriöse Ende" Petrans stellen wir folgendes fest: Petran entfernte sich am 9. Januar freiwillig aus Mitterberg und kehrte abends nicht zurück, wie er überhaupt öfter zwei bis drei Tage und Nächte ausblieb. Er ertrank in der Ager; die Obduktion der Leiche erwies, daß der Tod durch Ertrinken eingetreten war. Wunden, Quetschungen usw. wies die gut erhaltene Leiche nicht auf. Man nimmt an, daß Petran in betrunke nem Zustande in die Ager lief und so seinen Tod fand. Die Geschichte von dem Sack, in dem die Leiche Petrans angeb lich eingcnäht war, ist Unsinn. Man sieht also, wie wieder einmal entstellt wurde, um dem katholischen Klerus etwas anzuhängen. NriS Ltadt »r«> L» nd. X E i n S i e g d e r A e r z t e. Eine sowohl für die gesamte Aerztewelt Deutschlands, wie auch für das Publi kum nächtige und interessante Entscheidung fällte der höchste sächsische Gerichtshof, das Königliche Oberlandesgericht zu Dresden. „Darf sich der praktische Arzt ohne zahnärztliche Approbation ..Spezialarzt für Zahn- und Mnndkrankliei- ten" nennen?" Diese Frage besckxiftigt seit einer Reihe von Monaten die beteiligten Kreise und wird von den meisten Aerzten bejaht, während ein großer Teil der Zahnärzte na türlich entgegengesetzter Meinung ist. Infolge einer gegen den hiesigen praktischen Arzt Dr. med. Breitbach eingega» genen Anzeige hatten sich nunmehr auch die Juristen mit der Frage zu beschäftigen. Im Gegensatz zu den Gerichten in Kottbns, Mühlhausen, Frankfurt a. M„ Berlin, Stutt gart, Greifswald, Hannover »nd Hamburg, die teilweise gegen die wegen Führung des Titels „Spezialarzt für Zalm- und Mundkrankheiten" unter Anklage gestellten Aerzte wegen Vergehens gegen 8 148. 8 der Gewerbeord nung aus Freisprechung, teilweise auf Einstellung des Ver fahrens erkannt haben, hatte das Landgericht Dresden dem genannten Arzt, der unter den Zahnleidenden eine sehr nm- i'angreiche Praxis ansübt, zu einer Geldstrafe verurteilt und man war daher gespannt, wie sich das sächsische Ober landesgericht zu dieser Frage stellen werde. Nach der An sicht des hiesigen Arztes Tr. med. Breitbach, des Beschuldig- ten, welcher sich auch zahlreiche Aerztekaminern. unter ande ren diejenige der Provinz Brandenburg, und des Stadt kreises Berlin angeschlossen haben, verbietet der 8 147. 8 der Gewerbeordnung nicht demjenigen, der die Approbation als Arzt erlangt hat, sich Spezialarzt für irgend einen Zweig der ärztlichen Praris zu nennen. Tenn derjenige, der die Approbation als Arzt erlangt, habe das Recht, die Heilkunde in ihrem ganze» Umfange ansznüben. Die Zahnheilkunde sei aber nicht eine neben der allgemeinen Heilkunde bestehende Wissenschaft, sondern nur ein Teil der selben, wie es ja auch unter anderem die Obren- oder die Augenheilkunde ist. Im Gegensatz zur zahnärztlichen Approbation, die lediglich die Befugnis zur Behandlung der Zähne verleiht, liefere die allgemeine Approbation als Arzt den Befähigungsnachweis für die Behandlung des ganzen menschlichen Körpers, zu dessen Bestandteilen die Zälme so gut wie andere Gliedmaßen gehören und gewähre demgemäß das Recht zur Ausübung der ärztlichen Praris auch in dem Spezialgebiete der Zahnheilkunde. Der Um stand, daß es eine besondere Prüfung für die Zahnheil kunde und eine besondere Approbation für Zahnärzte gebe, entziehe nicht denjenigen, die die Approbation als „Arzt" im allgenieinen erlangt haben, die Ausübung jenes Zwei ges der Heilkunde, sondern schasse auch die Möglichkeit, daß auch Personen, die die allgemeine Approbation als Arzt nicht erlangen wollen oder können, die ärztlich Tätigkeit innerhalb jenes Spezialgebietes ausüben können. Habe aber der approbierte Arzt das Recht, die Heilkunde in ihrem ganzen Umfange ansznüben, so könne er sich auch eine Be zeichnung beilegen, die ans die Erlangung besonderer Sach kunde in einem bestimmten Zweige der Heilkunde hiinveisen soll. Eine solche Bezeichnung ist die als „Spezialarzt". ' Sie diene lediglich dem oben angegebenen Zwecke und solle keineswegs darin», daß derjenige, der sie sich beilegt, in dem gewählten Spezialsache eben eine besondere Approba tion erlangt habe. Habe er, der Beschuldigte, diesen Irr- ! tum erwecken wollen, so hätte er sich „Zahnarzt" nennen ^ müssen. Durch die gewählte Bezeichnung, insbesondere ^ durch die Verbindung „Zahn- und Mundkrankheiten" gebe er aber gerade zu erkennen, daß er die besondere zahn ärztliche 'Approbation nicht besitze, da es nur für Zahn- krankheiten, nicht aber auch für Mundkrankheiten, eine be sondere Approbation gebe. Ter höchste sächsische Gerichts hof ist im allgemeinen auch dieser Ansicht, obgleich ausge sprochen wird, daß im allgemeinen die ärztliche Prüfung noch nicht zur Beilegung eines z a h n a r z t ä h n l i ch e n Titels berechtigt. Tie Bezeichnung „Spezialarzt für Zahn- und Mundkrankheiten" ist indessen kein solcher. Das Ober landesgericht hob infolgedessen das Urteil ans und verwies die Sache zur nochmaligen Verhandlung an die Vorinstanj zurück. * Tie „Dresdner Zeitung" schreibt: Ein Stadtver ordneter, der nicht mehr zur Rechensclzaft gezogen werden kann, soll gegen das Versprechen der Zahlung einer Geld summe sich bereit erklärt haben, in den städtisch» Kollegien für den Ankauf eines Areals zu wirken, das für einen städti sch» Neubau in Aussicht genommen war. Der betreffende Stadtverordnete soll, um eine Erhöhung der versprochenen > Vermittelnngssnmme auf mehr als das Dreifache zu er reichen, gesagt haben, daß noch mehrere daran beteiligt s seien. Diese Aenßernng erweckt de» Verdacht, daß »och an dere Stadtverordnete bereit gewesen seien, gegen Annahme einer Verinittelnngsgebühr für den Ankans des betreffen- ! den Areals zn wirke». Von einer Veröffentlichung der Ein- > zellieiten des Gerüchts sehen wir zur Zeit ab. j - * Tie 10. nationale G e s l ü g e l a n s st e l l n n g > zn Dresden ist Freitag nachmittags 1 Uhr, nachdem vor- . mittags die Preisrichter (87 an der Zahl) ihres schwierigen ! Amtes gewaltet batten, im städtischen Ausstellnngspalast ! an der Stübelallee beim Königlichen Große» Garten eröff net worden. * Einige bemerkenswerte Ermittelungen zur groß städtischen B e v ö l k e r u n s st a t i st i k hat man in Dresden angestellt. Es war beobachtet worden, daß die i Zahl der Volksschulkinder in den letzten Jahren bedeutend — !80 - Stark hatte sich noch immer nicht gefaßt. „Sie, Herr Doktor, mein Schwiegersohn? Das kann ich fast nicht glauben. Wir sind doch so einfache und so arme Leute und können unserer Tochter gar nichts mitgeben, haben ihr nicht einmal eine höhere Bildung ver- scktaffen können und nun soll das Mädchen ein solches Glück machen?" „Es wird nicht nur das Glück Mariens sein, Vater Stark, sondern auch mein Glück. Ich hoffe daher, Sie sagen „ja"." Er streckte dem Alten seine Hand (gegen. Zögernd schlug dieser ein. „Herr Doktor," sagte er gerührt, „glauben Sie mir, es ist mir eine große Ehre, daß Sie nicht nur ein Freund meiner Familie, sondern sogar mein Schwiegersohn sein wollen. Seien Sie überzeugt, was an uns liegt, wird geschehen, daß wir der vornehmen und reichen Familie Bernhardt durch unsere Verwandschaft keine Schande ins Hans bringen, wenn Ihnen nur das einfache Mädchen genügt. Brav wird sic sein, das weiß ich bestimmt. Das Uebrige, Herr Doktor, ist Ihre Sache." „Ich danke Ihnen, Vater Stark, für Ihre Einwilligung, die mich sehr glücklich macht, denn- sie eröffnet mir die Aussicht auf die Verbindung mit einem herrlichen und lieben Mädchen, welches mich gefangen genommen hat schon bei unserer ersten Begegnung." „Ich muß cs nur gleich auch meiner Frau mitteilen, wenn sie nach Hanse kommt. Wird die erst Angen machen! Und Marie selbst, die so auf einmal Braut geworden ist! Haben Sie ihr gesagt, daß Sie heute mit mir spre chen werden?" „Nein, das hat sie noch nicht gewußt. Ich habe erst vor zwei Tagen die ausschlaggebende Unterredung mit meinem Vater gehabt und Marie seither nicht gesehen-." „Das Mädel macht ein Glück!" sagte, noch immer kopfschüttelnd, der selbst ganz selige Vater. Warm und innig drückte ihm Fritz zum Abschiede die Hand. „Adieu, lieber- Schwiegerpapa! Wir werden Sie jetzt bald einmal zu uns einladen, damit Sic mit meinen Eltern bekannt werden. Dann wird Verlobung gefeiert und in nicht allzu ferner Zeit ist Hochzeit mit Hurra!" 81. Ein mächtiger Herr hatte der Familie des Wcrkführers Stark seinen Boten ins Hans geschickt und dadurch die Aufmerksamkeit von der eben er folgten Verlobung mit Dr. Fritz Bernhardt abgelcnkt: Es tvar der Tod, dem enve schwere Krankheit den Weg zur Frau des Hauses ebnete. Nicht eigentlich plötzlich, und dennoch für die Nächsten unerlvartct, tvar es gekommen. Frau Stark hatte vor Jahren einen bösen Gelenkrheumatis mus zn überstellen gehabt, der als bleibenden Mahner ein Herzleiden zurück- ließ. Anfangs war es nicht sehr lästig gefallen, später machte es sich immer mehr und mehr fühlbar-, Atembcschwerdcn waren das äußere Kennzeichen da von. Doch die Leidende, trotzig in allem, wollte von einer Krankheit und von einer ärztlickxm Behandlung nichts wissen, und schwieg darum gänzlich von ihren Schmerzen. Die längste Zeit hindurch hatten Stark und die Kinder keine Ahnung davon, wie schwer die Gattin und Mutter gegen das erstarkende Nebel kämpfen mußte. — 188 — Fritz hatte sich gegen Ende des Referates in große Wärme hineingeredet und wenn ihm auch der überlegene schneidige Witz abging, der andere Ver- sainniliingsredner auszeichnete, so ersetzte er ihn durch die Fähigkeit, sich und die Zuhörer z» begeistern und hinznreißen. Das zeigte sich auch, als er geendet hatte. Unmittelbar nach seinen letz ten Worten erhob sich ein losender Beifallssturm, der sich erneuerte, als der Vorsitzende dem Referenten für seine ausgezeichnete Rede dankte. Die an wesende» Gegner waren stumm geworden vor Aerger, ui» so mehr, als ein Blick um sich ihnen zeigte, daß, wenn sie auch im Saale günstig verteilt waren, doch die erdrückende Mehrheit der Anwesenden Mitglieder des „Allge meinen Arbeitervereins" waren. Damit fiel auch der sonst so laut sich ge bärdende Mut der Sozialisten um einige Grade und ihre einzige Hoffnung war der junge Kramer, dem die Ausgabe zusallen mußte, dem Referenten zn erwidern. Beklommenen Mutes machte sich der Sozialist an die Erfüllung der Ausgabe, vor die ihn die Situation gestellt hatte. Von einigen seiner Freunde wurde er mit Händeklatschen empfangen, was die Majorität der Ver jammlnng indes mit einem für Kramer sehr fatalen Heiterkeitsausbrnche be antwortete. Er erwiderte aus die ruhigen und sachlichen Ausführungen des Refe renten durch ein leidenschaftliches, ja geradezu wüstes, persönliches Geschimpfe, so daß er von der Versammlung mehrmals durch Protestruse unterbrochen wurde. Als er sich in seiner Gereiztheit auch dazu verflieg, auch Dr. 2ß?rn- hardt persönlich zu verunglimpfen, da wurde die Entrüstung der Versamm lnng so groß, daß er in seiner Rede innehalte» mußte, und trotz der redlichen Bemühungen des Vorsitzenden nicht inehr znm Worte kam. Das tvar für die Sozialisten das Signal zn einem Tnmulte. Unter den Rufen: „Schutz der Redefreiheit!" und „Gleiches Recht für alle!" stellten sie sich gegen den „Allgemeinen Arbeiterverein". Stark hatte für alle Fälle einige Arbeiter znm Ordnerdienst bestimmt, und als sich jetzt der Lärm durch aus nicht legen wollte, weil einige Sozialisten wie wahnsinnig »in sich schrieen, da traten die Ordner in Aktion und suchten die Gegnerischen Elemente zn trennen. Aber die Bemühung war umsonst. Tie Gegensätze waren so hart aneinander gestoßen, daß niemand mehr die Ruhe Herstellen konnte und Stark gezwungen tvar, die Versammlung vorzeitig zn schließen. „Das habt ihr nur gewollt!" schrieen die Mitglieder des „Allgemeinen Arbeitervereins" den Sozialisten zn. „Wir lassen uns nicht vergewaltigen!" antworteten diese. Bald bildete sich in der Mitte des Saales ein Knäuel Inn und her strei teudcr Menschen und als plötzlich ein Arm man wußte nicht, wem er an gehörte — mit einem Bierglas bewaffnet, sich erhob, da waren die bisher mühsam zurückgedäimnten Leidenschaften nicht mehr zn halten und ein wüste? Handgemenge entstand. Der Wirt, die Kellner, die Vereinsausschüsse und Ordner eilten rasch herbei und griffen zn. Links »nd rechts wurde einer der Kämpfenden ans dem Knäuel losgerissen und bei Seite gedrängt, bis man endlich das letzte Paar, das wie ineinander verbissen war. zn trenne» ver mochte, womit die widerliche Szene ihr Ende fand. Der größte Teil der „All gemeinen" und mit ilnn der einsichtsvollere Teil der Sozialisten hatte, als der Streit sich zuspitzte, und immer aggressivere Formen annahin, sich entfernt. 8' „Braches Feld."