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MMeNolksreitung Unabhängig«« Tageblatt st* Wahrheit, Recht «nb Freiheit Nr. 247 Geschäftsstelle und Redaktion Dresden,«. LS, Holdeinstratze 4-S Dienstag den 27. Oktober 1914 Fernsprecher 21366 13. Jahrg. ^'Chronik der krieg»ere>gmss<1S14 Oktober „n 1^. Deutsche Truppen besetzen Gent. — Ihre Vortruppen erreichen fast Ostende, woselbst die geflüchteten Teile der belgischen uüd englischen Besatzungsarmee von Ant- werpen auf englische Schiffe eingeschifft werden sollen. — QefterreiäMngarn erhebt Protest gegen die fort- währenden Verletzungen der Genfer Konvention durch Montenegro. — Der Hochverratsprozeß gegen Prinzip und Genossen, die Mörder des Thronfolgerpaares, nimmt in Serajewo seinen Anfang. — Völlige Zurück- werfung der russischen Einschließungsarmee vor Ptzemysl. Beine Rückzug stürzen mehrere Kriegs brücken nächst Sosnice ein, wobei viele Russen ertrinken. Der Kampf östlich Chierow Lauert an. Eine Kosaken- division wird gegen Drohobicz zurückgeworfen. — Die Deutschen dringen gegen Ostende vor, welches von der Vorhut der deutschen Truppen bereits erreiclst wird. 18. In der Linie Stary—Sambor—Medyka entwickelt sich eine Schlacht. Bei Toronya werden die Russen nach viertägigen Kämpfen geschlagen und gegen Wyskow verfolgt. — Kleinere Kämpfe im Vissotale. — Lille von den Deutschen besetzt, wobei 4500 Gefangene ge macht werden. Die Beschießung von Reims wird fort gesetzt, wobei die Franzosen den Turm der Kathedrale aberinals zur Beobachtung mißbrauchen. — Eine Um fassungsbewegung der Russen bei Schirwindt endet mit ihrer Niederlage und der Gefangennahme von 3000 Mann, 26 Geschützen und 12 Maschinengewehren durch die Deutschen. — Lyck uüd Bialla von den deutschen Truppen wiedergewonnen. — Nördlich von Warschau werden russische Vortruppen zurückgeworfen und 8000 Gefangene gemacht und 25 Geschütze erbeutet. — Die Deutschen erreichen Selzaete. Sie dringen gegen Brügge vor. — Es wird bekannt gegeben, daß der russische Panzerkreuzer „Pallaca" von einem deutschen Unterseeboot vor dem finnischen Meerbusen in den Grund gebohrt wurde. (11.) — Feindliche Flieger er scheinen über Karlsruhe. — Der Dampfer „Aurora" bringt Sennegalesen nach Kamerun. 11. Infolge einer Rebellion des Burenobersten Maritz, der gegen das Damaraland vorrücken sollte, ist über ganz Südafrika das Kriegsrecht verhängt worden. — Rege lung der Minenangelegenheit zwischen Oesterreich- Ungarn und Italien.. Die österreichischen Truppen erobern die befestigten Höhen von Starasol und sind auch bei Stary-Sambor erfolgreich. Nördlich des Strwiaz werden bis zur Südostfront von Przemysl eine Reihe von Höhen erobert. — In den Karpathen werden ldie Russen über Wyszkow und Skole zurückgetrieben. — Brügge von den Deutschen besetzt. — Ein Versuch der Russen, Lyck wiederzugewinnen, wird zurückge wiesen und hierbei ein Geschütz und drei Maschinen gewehre erbeutet, 800 Gefangene gemacht. — Infolge einer Rebellion des Burenobersten Maritz, der gegen das Dainaraland vorrücken sollte, ist über ganz Süd afrika das Kriegsrecht verhängt worden. — Regelung der Minenangelegenheit zwischen Oesterreich - Ungarn und Italien. 15. Die Kämpfe an der Sanlinie, von der Sanmündung bis Stary-Sambor, dauern mit unverminderter Heftigkeit an. — In der Marmarosz wird der Feind aus Raho vertrieben und im Tale der schwarzen Bystryca bei Na- failowa geschlagen. — In Pollen schreitet der Angriff der Verbündeten vor und stehen ihre Truppen bereits vor Warschau. — Ein mit 8 Armeekorps auf der Linie Jwangorod—Warschau über die Wcickisel unternom mener russischer Vorstoß wird unter schtveren Verlusten für die Russen zurückgeworfen. — Dem Verteidiger von Przemysl Feldmarschall Kusmanek wird vom Kaiser der Orden der Eisernen Krone 1. Klasse mit der Kriegsdekoration verliehen. — In Frankreich wer den Angriffe der Gegner bei Albert abgewiesen. — Der deutsche Generalstab gibt bekannt, daß bei Antwerpen zirka 5000 Gefangene gemacht, mindestens 500 Ge schütze, 4 Millionen Kilogramm Getreide, für 10 Mil lionen Mark Wolle, große Viehbestände lind sonstiges Kriegsmaterial in ungeheueren Mengen erbeutet wur den. In Holland sind etwa 20 000 belgische Soldaten und 2000 Engländer entwaffnet worden. — Ostende von den deutschen Truppen besetzt. — Heftige Angriffe der Franzosen bei Reims zurückgewiesen. — Das rhode- fische Kontingent, das nach England «Kreisen sollte, be schloß, in Afrika zu bleiben. — In Bukarest verübt ein Jungtürke namens Pashi-l Hassan ein Attentat auf die Brüder Buxton, die beide verwundet werden. — Der Gouverneur von Angola erklärt für Portugiesisch- Kongo das Kriegsrecht. — Der englische Kreuzer „Hawke" durch ein deutsches Torpedoboot vernichtet. 16. Die Schlacht an der Sanlinie, 'südöstlich von Przemysl und gegen den Dnjefter nimM Linen erfolgreichen Ver lauf. Die Höhen nördlich Ptzdbuz und südöstlich Stary- Sambor werden genommen, nördlich Przemysl auf dem östlichen Sanufer fester Fuß gefaßt. Nördlich Wyszkow und bei Synowucke wird der Feind abermals geschlagen und verfolgt. Die Zahl der seit der letzten Offensive geinachten Gefangenen beläuft sich auf mehr I >s W MM als 15 000. — Die Kämpfe bei und südlich Warschau dauern fort und wird ein neuerlicher Angriff aus Jtvangorod-Kozienice zurückgewiesen. — Bei Suwalki herrscht Ruhe. — Bei Peronne wird der Fliegeroffizier Oberst Grey, ein Bruder des englischen Staatssekretärs, gefangen genommen. — Deutschland verkauft seine in argentinischen Häfen befindlichen Handelsschiffe an Argentinien. — Die amerikanische Botschaft in London erteilt den Landsleuten den Rat, sofort heimzukehren. — Es wird bekannt gegeben, daß am 19. September die Franzosen neuerdings die Bocche di Cattaro ohne Erfolg beschossen haben. — Der italienische Minister des Aeußern Marchese di San Giuliano gestorben. Im Gegensatz zur englisch» Praxis erklären die Union staaten, daß Baumwolle nie Kontrebande sein könne. — In Brügge und Ostende wird reiches Kriegsmate rial erbeutet. — In Südafrika kommt es zum ersten Zusammenstoß zwischen den Truppen des Obersten Maritz mit den Negiernngstruppen. —- Die portugie sische Negierung ordnet für Donnerstag die partielle Mobilisierung an. — Rußland versucht abermals die Oeffnung der Dardanellen zu erzwingen. 17. In Galizien ist die Schlacht auf der ganzen Linie im Gange. Weitere Fortschritte wurden erzielt und die schwere Artillerie in Tätigkeit gesetzt. — Bei Wyszkow wird der Feind verfolgt, der in den Zkarpathen auch bis Lubience zurückgeworfen wird. Die Höhen nördlich Orow und -er Raum von Unroz wird gewonnen. — Die Verluste -er Russen bei Przemysl werden auf 40 000 Tote und Veiwundete geschätzt. — Die deutschen Truppen sind in der Gegend von Lyck im Vormarlche begriffen. — Die deutschen Torpedoboote „S 115", „S 117", „S 118" und „S 119" werden unweit der holländischen Küste von einem englischen Kreuzer und vier Zerstörern angegriffen und zum Sinken gebracht. — Ter Angriff auf Belfort wird begonnen. — Ein deutscher Kreuzer zerstört die im Ban befindliche Eisenbahnlinie von Tschibuti—Adis Abeba. — Der japanische Kreuzer „Takatschicho" stößt in der Kian- tschoubucht auf eine Mine und sinkt. — In Aegypten finden Zusammenstöße zwischen den einheimischen und englischen Truppen statt. — Salandra wird vorläufig mit der Führung des austvärtigen Ministeriums in Italien betraut. — Es wird bekannt, daß der Justiz minister Briand die Verfügung erließ, wonach die Kon fiskation aller beweglichen und Unbeweglichen Güter deutscher und österreichisch-ungarischer Angehöriger In Frankreich bis zum Aeußersten fortgesetzt werden soll. 18. Neue große Erfolge der österreichischen Armee in Ga- Mtlrowih Dem Tagcbuch etneS k. u k. Offiziers nacherzählt von unserem 2oK-Milarbe ler Ein heißer Septembertag war es, der sechste im Jahre des Heils 1914. Das Infanterie-Regiment „v. Hortstein" Nr. 92, dessen 4. Bataillon ich zugeteilt war, hatte nach bösen Tagen endlich einmal Ruhe. Etwas kühler hätte es sein dürfen, dieses ewig-^herrliche Wetter des Siidens. Wir lagen in Nikinci bei Javak im östlichsten Teile Slavoniens in Quartier. Syrniien heißt die Provinz und man er innert sich, daß sie 2 Tage einen „König" gehabt hat, dessen „Majestät" allerdings zum Teufel ging. Während meine Leute im Schatten ihr Schläfchen machen oder einige ganz Fidele trotz der erdrückenden Hitze singen und musizieren, ergehe ich mich vor dem Orte und schaue das herrliche Ge lände an, das im Süden von der Save-Ebene, im Norden vonr Vvdnik-Gebirge begrenzt wikd. Auch in der Muße- stunde verläßt mich das Terrainsstndium nicht und so über- kam mich ein kleiner Schauer bei dem Gedanken eines feind lichen Ueberfalls. Das der Donau vorgelagerte Gebirge paßte nicht so recht zu meinen taktischen Phantasien, aus denen mich das Signal zum Aufbruch recht unsanft erweckte. Es geht also vorwärts! In der dritten Nachmittagsstunde marschierten wir ab. In großer Hitze durch Maisfeldcr zu laufen ist an sich schon kein Vergnügen, unangenehmer wird's noch, wenn man nicht weiß, zu welchem Ziel und wie lange. Dennoch solch „zivile Bedenken" befassen den Soldaten nicht lange und so war es rasch 6 Uhr geworden, als wir im Eilmärsche, ohne Raft gehalten zu haben, in Ja- rak anlangten. Der Ort liegt reizend. Schöne weißge- tünchte Häufer, vollgefüllte Scheuern und Vorratskammern und ein prachtvoller Tierbeftayd verraten woWabendes Bauerntum. Obzwar wir noch nicht bestimmt wußten, han delte es sich nur um Quartierwechsel oder sollte losge schlagen werden, roch es doch schon förmlich nach einer Schlacht. Viele Räume im Orte, so z. B. die Schule ivaren für Lazarettzwecke vorgerichtet und beherbergten zum Teil bereits Verwundete. Je weiter wir hineinkamen, desto mehr „roch" es. Die Serben waren nicht mehr da, aber unsere Artillerie und zwar Las Prager Feldkanonenregiment war aufgefähren und Wir kamen mitten in das systematische und zielbewußte Durcheinander, das den nahen Kampfbeginn verrät. Und richtig! Kaum »varen wir abgetreten und hatten uns niedergesetzt, als auch schon die ersten feindlichen Gra naten krepierten. Die Serben befanden sich bereits auf unseren: Save-Ufer. Gegen 7 Uhr führte uns der Brigade- konrmandant Generalmajor Schön vorwärts. Am West ausgange Jaraks passierten wir unsere eingcgrabene Ar- tillerie und sahen rechts das nordelbische „Hausregiment" Nr. 42 (Theresienstadt) im Feuer. Im völkischen Dialekt rief unser verehrter General zu uns: „Kinder! Ihr habt's eine schwere, aber lohnende Aufgabe. Macht's gut!" Brau- sende Hurrarufe, jubelnde Begeisterung. Mit diesen weni gen Worten hatte unser Führer die Stimmung aufs höchste gesteigert. Der Befehl lautete: Der Timok-Division Rück- zug abschnciden. Noch wußten wir nicht, welch herrlichen Sieg wir erringen würden, aber jeder Offizier und jeder Mann war bereit, sein Leben für das gute Gelingen der Aufgabe einzusetzen. Da ivar augenblicklich beschossen wur den, nahmen wir Gefechtsformation an und meine Kom pagnie rückte der ihr angegebenen Direktion nach. Die Kugeln der feindlichen Infanterie pfiffen ziellos um unsere Köpfe. Ich drang niit meinem Zug 3—1000 Schritt vor. An der Spitze des Regiments ritt unser Oberst v. Reinöl, der Tapfersten einer und immer voran! Da das flache Ufer der Save bei Hochivasser sumpfig ist, so rutschten und fielen meine Leute wiederholt. Plötzlich verstärkte sich das feindliche Feuer riesenhaft, Granaten sausten gegen Jarak. Noch hatten wir keine Verluste. Jetzt eine kleine Stockung! Der Befehl kommt: „Bajonett auf!" Meine Leute sind nicht mehr zu halten. Die ganze Wut gegen den bösartigen und meuchlerischen Feind ist entfesselt. Bei ge- ringem Mondschein geht es auf die feindliche Stellung ahnungslos, wie stark diese sein würde. Es cntspinnt sich ein wilder Kampf. Unwillkürlich umklammere ich den Säbel fester und halte den Revolver gespannt. Was jetzt kommen mußte war Glücksache, denn bei der spärlichen Be leuchtung war an ein bewußtes Zielen gar nicht zu denken. Ein kurzes Stoßgebet zum obersten Lenker der Schlachten und nun drauf für Kaiser und Reich! Die Feder sträubt sich mir, die Greuel eines Nahkampfes niederzuschreiben. Hier und da ein Aufschrei der vom Bajonett zerstochenen Leute, dort das dumpfe Krachen eines auf den Schädel niedersauscnden Gewehrkolbens, dazu das furchtbare, in der Finsternis erst recht wirksame Gewehrfeuer und dann dieses Schlachtgebrüll, mit dem sich jeder einzelne seinen Mut zu verstärken sucht! Eine grausige Szene! Bald fallen brave Kameraden, ein tapferer Korporal röchelt zu meinen Füßen. Hinweg! Im Sprung geht's bis an die serbischen Schützengräben, in die wir stehend hincinschießen und -stechen. Keine Zeit war zu verlieren. Ich erhielt Be- fehl, die Gräben zu überschreiten und gegen die Haupt- stellung des Feindes vorzugehen. Die vollständige Sänke- rung der mit Leichen und Verwundeten angehäuftcn Grä- ben sollte die nachfolgende Reserve besorgen, doch wollte es mir sck>einen, als ob recht viele der Feinde sich nur tot stellten. Da ich über den Sturm nicht hemmen konnte, mußte