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Nummer 149 — 23. Jahrgang Onial wöchentl. Bezugspreis: für Juni 2R.-M. auSschl. Bestellgeld. Berechn»»,; der Anzeigen »ach Nent.-Mark. Preise: Die elngespaltene Petitzeile 3V H, f. Familien- u. Vereinsanz.» Gesuche 20 H. Tie Petit-Neklamezcile 89 mm breit, 1 Offertengebühr für Selbstabholer 20 H, bei Uebersendung d. d. Post außerdem Porto zuschlag. Preis f. v. Einzelnummer 10 Nentcn-Psennig. Eeschcistlicher Teil: Josef Fohinann. Dresden. Sonntag, den 29. Juni 1924 Im Falle höherer Gewalt erlischt jede Verpflicht»», auf Lieferung sowie Erfüllung v. Anz.-Anftrcigen u Leistung v. Schadeuersoh. Für uudeutlicb u. d. Fernspr Überuiittelte Anzeigen übernehmen nur leine Per autwortung. Unverlangt eingesandte u. mit Nückport, nicht versehene Manuskripte werden nicht ausbewahrt Sprechstunde der Redaktion 5 bis 6 Uhr nachmittags tzauptschriscleiter: Dr. Joses Albert, Dresdey tscschüstsstelle der Süihstschc» VolkszcNnua »nd Drink lind Verlag, Sarcmia-Bnchdrmkcrci GmbH-, ^ DrcSdcn-A. 18, Holveinslrasic 18/ Fernruf 32722, Post- lchecklouIoDrcsdcn 14787 MklSlill« IIN» WW »Ae Well »er All»' IG Nie Lelikii' Medakttan der Lächsischc» Voikszeil»»» Dresden - A. 18. Holbeiustranc 48 Ferurui 32722 und 33838 Die Einladung zur Julikonferenz Mliilchllill-g Ncrlretiiiili Paris, 28. Juni. Eine Reutermeldung aus London be stätigt, das; Italien offiziell die Einladung zur Teilnahme an der Konferenz am 10. Juli angenommen habe. Die Mel dung fährt fort: Deutschland werde ersucht werden, sich wenigstens auf einem Teil der Konferenz vertreten zu lassen. Aus Brüssel wird gemeldet, daß Belgien gestern die Einladung zur Teilnahme an der Londoner Konferenz erhalte» habe. Auch Kmiot Lriinzt Paris, 28. Juni. Herriot hat gestern bei einem Empfang der Pressevertreter erklärt, es sei wünschenswert, das; Deutsch- landnochvordemlO. Iulidie von den Sachver stän digen vorgeschlagenen Gesetzesmaßnahmen annehme, an dernfalls sei es offenbar, daß die Londoner Konferenz zwecklos sein würde. Am gestrigen Vormittag fand ein Minist er rat statt. Herriot setzte die übrigen Minister in Kenntnis über die aus wärtige Lage. Der Ministerpräsident beauftragte den Iu- stizminister sich heute zum Ausschuf; für Zivil- und Strafgerichts barkeit zu begeben und diesen Ausschuss zu ersuchen, die Prüfung des A m n e sti e g e s e tz e n t iv n r f e s so schnell als möglich vor zunehmen, damit die Kammer sie noch vor den Ferien beschließen könne. Dit Aimüie Mainz, 28. Juni. In Verbindung mit der kürzlich er folgten Begnadigung Verurteilter aus der Zeit des passiven Widerstandes an Rhein und Ruhr ist auch ein Teil der am 7. Mai 1923 ln Mainz zu insgesamt 80 Jahren Gefängnis ver urteilten Eisenbahner und Gewerkschaftsmitglie der vor einigen Tagen aus dem Gefängnis entlassen worden. Paris, 28. Juni. Havas meldet aus Düsseldorf: General Degoutte habe auf Anweisung der französischen Regierung Vorkehrungen getroffen, um die gleichzeitige R ückke h r sämt licher in der französischen Zone des befehlen Gebietes und aus dem Brückenkopf Köln A u sg e m i e se n e n bis auf einige Ausnahmen zu ermöglichen. Diese Entscheidung sei am 27. Juni den Beteiligten mitgeteilt worden. Des weiteren sei die Stras - Der Kampf gegen Mussolini Große Peotejliicchmliiilli iii Nclilisrli Paris, 28. Juni. (Drahtbericht.) Der „Daily Tele graph" meldet, daß gestern abend in Neuno r li ein besonderes Polizeiaufgebot zur Aufrechterhaltung der Ordnung in der Car negie-Hall, wo sich mehrere tausend Italiener zu einer Protestversamlung gegen Mussulini und den Fa schismus zusammengcfunden hatten, hecangczogen werden muß- tcn. Es kam zu ernstlichen Ruhestörungen. Die Versammlung setzte sich besonders aus italienischen Sozialisten und Anhängern Garibaldis zusammen. Bei Beendigung der Versammlung ge langte eine Resolution zur Annahme, in der Präsident Coolid- g e aufgefordert wird, den Washingtoner italienischen Botschafter wegen der Entführung und der Ermordung des sozialistischen Abgeordneten Metleotti durch dis Faschisten aus den Bereinigten Staaten auszuwcisen. Die Resolution be sagt ferner, Präsident Coolidge möge von keinem italienischen Botschafter ein Begleitschreiben annehmen, solange sich Mussolini an der Spitze der italienischen Re gierung befindet. Nom, 28. Jmii. Die O P tz s s > t i o n S p c> r t e 1 e » , die gestern eine Gedächtnisfeier für Motteotti nbisielten. nahmen am Schlus; ihrer Sitzung eine Tagesordnung a». i» der der Negierung das Vertrauen verweigert und beschlossen wird, den Sitzungen der Kammer weiterhin frrnznbleiben. Durch diesen Beschlus; der Opposition hat sich die Situation außer ordentlich verschärft. Die politische Lage ist folgende: Die Oppositon will nicht eher wieder an den Arbeiten der Kammer teilnehmcn, als bis die N a t i o n a l in i l i z ab ge sch afft ist und wieder Ruhe und Ordnung im Lande herrsche. Indirekt verlangt die Opposi tion auch den Rücktritt Mussolinis dadurch, das; sie cInstellung zugunsten der wegen Teilnahme am passiven Widerstand Verurteilten angeordnet worden, der binnen kurzem die endgültige Begnadigung folgen werde. / Heute Mikumvrrhandlungeu Essen, 28. Juni. Auf Wunsch der S e ch s e r k o in »i i s s i o n sind die Verhandlungen bezüglich des Abkommens mit der Mikum aus Sonnabend, den 28. Juni, vertagt worden. Essen, 28. Juni. Die Deutsche Bergwerkszeitung erfährt, das; eine Einwilligung der deutschen Werkleiter i» eine Ver längerung der Mikumverträge gänzlich ausgeschlossen sei. Die Werke hätten ihre letzten Kredite verbraucht. Die Vcrantmortniig dafür, was aus dieser Situation entstehen werde, solle den Negierungen zu. da lediglich durch Ver handlungen zwischen der deutschen und fraiizösischen Regierung eine für die Industrie tragbare Regelung anstelle der Mikum- verträge treten könne. Für die Ucgittiilii, Marr Eine Entschließung des Rheinischen Landtages . Düsseldorf, 28. Juni. In der gestrigen Schlußsitzung des Rheinischen Provinziallandtagcs verlas der Abgeordnete Freiherr von Loe namens aller Fraktionen mit Ausnahme der Kommunisten nachstehende Entschließung: Die besonderen Lasten, die auf der Bevölkerung der rhei nischen Provinz liegen, sind so groß, daß sie von ihr nicht allein mehr getragen werden können. Sie müssen daher vom ganzen deutschen Volke übernommen und sozialgerecht ver teilt werden. Der Rheinische Provinziallandtag sieht nach Lage der Dinge die einzige Möglichkeit zur Erreichung dieses Zieles darin, daß die aus der Grundlage des Sachverständigen- Gut achte ns von der Reichsregierung eingelciteten Verhand lungen und Maßnahmen mit möglichster Beschleunigung durchge. führt werden, und erwartet von diesen Verhandlungen neben der dringend notwendigen wirtschaftlichen Erleich terung die Räumung des über die Bestimmungen des Ver trages von Versailles hinaus besetzten deutschen Gebietes, die Innehaltung der im Vertrag von Versailles festgesetzten Räu mungsfrist für das besetzte Gebiet, die Wiederausrichtung der deutschen Staatshoheit, die Freilassung der politischen Gefangenen, die Rückkehr aller Ausgcwiesenen und die Wiedereinsetzung der ausgcwiesenen Beamten in ihre Aemter. ihn als Ministerpräsidenten uns Minster des Innern für die Er mordung Mattcottis in erster Linie verantwortlich macht uno ihm das Vertrauen entzieht. Nom, 28. Juni. Im Senat wurde heute vom Finauz- miiüster Stephani das Bnoget eingebracht. Ter Minister führte in seiner Neöc über die Finanzlage Italiens u. n. aus, wie nugeküudigt wcroe das Geschäftsjahr 1923/24 be friedigend abschließen. Tie Wicdergesunduiig deS Landes zeige sich in dem Wiederaufleben der Spartätigkeit, in der ständige» Verbesserung der ipaiidelsbilauz, in der audaucru- dcn Verminderung der Streiks und in einer fühlbare» Besse rung der Devise. Italien zeige trotz einer Vermehrung der Bevölkerung um rund 12 Prozent eine» starken Rückgang aer Arbeitslosigkeit und eint",! Aufschwung des gesamte» Hau dels. — Der Senat hat das Budgctzwölstel' mit 201 gegen 31 Stimmen angenommen. Der Man siir AkWte»! London, 28. Juni. Einer Neiiteri»rld»»g ans Kairo zufolge d e »i o n st r i e r t c » gestern größere Massen vor de» auswärtige» Konsulate» »»d Betretungen mit dem Nuse: „Der Sudan für Aegypten". Die Demonstratio», die vor dem Pnrlcl-- ment iyr Ende fand, verlief »» allgemeinen ruhi g. Paris. 28. Juni. Nach einer Havasmeldung aus Kairo Hot der ägyptische Premierminister Zlagonl Pascha einen Ver treter der Renteragentur nachstehende Erklärung abgegeben: Die Erklärungen Lord Parmoors, daß Großbritanicn den Sudan ans keinen Fall aufgebe, hat in Aegypten seinen sehr peinlichen Eindruck gemacht und erschwert außerordentlich eine Verstän digung zwischen England und Aegypten. Auch die ägyptische Presse protestiert in energischen Ausdrücken gegen die Erkärniigc,, Parmoors. Dik Fräse der AasiaertiW im Uenhslas Von unserem parlamentarischen Mitarbeiter. Die Aufwertungsfrage ist erneut im Reichstag cmfgerollt. Welch weitgehende Erwartungen an ein Ergebnis der bevor stehenden Erörterungen geknüpft werden, ergibt sich aus der Brivegung an der Börse, wo ivir gegenwärtig eine Hausse in den bprozentigen Neichscmleihen, in den sogenannten Kriegsanleihen erleben, die nachgerade zu einem Skandal ausgeartet sind. Wenn man aber von der Börse sagt, daß sie mit ihrem „Gefühl" kommende Entwicklungen vorweg nehme, dann sind wir allerdings der Auffassung, das; das bei den jetzigen Vorgängen der Fall ist. Wir hätten garnichts dagegen, wenn dann die Spe kulanten von heute eines Tages kräftig in der Tinte säßen. Uebrigens haben sie. ivas inan ihnen nur gönnen kann, auch jetzt teilweise schon recht grausam Haare lassen müssen. Als näm lich die Bewegung in den Kriegsanleihen an der Börse anfing, wurden sehr starke Blankoabgaben vollzogen, die nun gedeckt werden müssen, was nur bei steigenden Kursen, also bet grö ßeren Verlusten möglich ist. So haben Engagements in den letzten Tagen, die zu jedem Preis vollzogen wurden, für manche Makler- und Bankfirmen sogar die Gefahr des finanziellen Zu sammenbruchs mit sich gebracht. Nachdem aber der Rahm abge schöpft ist, erscheint auch noch das Publikum mit größeren Be trägen, um, wenn nicht alles täuscht, eines Tages dann auf diesen hohen Kursen festzukleben. Die Kriegsanleihen sind ein nationales Wertpapier. Freilich ist die Aufwertungsfrage praktisch für diese Anleihen schon dadurch ziemlich gelöst, daß der noch im Verkehr schwim mende Betrag nur noch geringfügig ist. Er wird in gut unter richteten Kreisen auf etwa 12 bis 15 Milliarden Papierinark geschätzt. Dadurch aber, daß solche Kriegsanleihen gerade noch in den Händen derjenigen Kreise sich befinden, die heute zu den Enterbten gehören, die aber damals dem Vaterlande ihr Gold und ihren Besitz geopfert hüben, dadurch ferner, daß diese Anleihen zu starken Beständen noch den heute allerdings fast völlig entwerteten Vermögensbestand der großen Versicherungs oder sonstigen sozialen Anstalten, der Knappschafts- und Spar kassen, der juristischen Vereinigungen und dergleichen darstellt, geht dieses Problem die ganze deutsche Oefsentlichkeit an. Nun ist die Aufwertungsfrage insbesondere auch für die öffentlichen Anleihen durch Erörterungen wieder akut geivorden, die im Reichstage stattfinden. Die in der 3. Steuernotverord- nung geregelte Aufwertung konnte freilich von Anfang an nur als eine sehr schematische und lediglich durchaus provisorische angesehen werden. Bezüglich der öffentlich»» Anleihen hat sich das Reich damals ans den Standpunkt gestellt, daß eine Auf wertung vor Erledigung der Reparationsfrage nicht in Be tracht kommen könne. Das galt auch hinsichtlich der Aufnahme des Zinsendienstes. Tatsächlich würde eine andere Stellung nahme die Regelung der Rcparationsfrage selber ungemein er schwert, wenn nicht vollständig unmöglich gemacht l;obeii. Wie die Dinge jetzt liegen, ist aus außenpolitischen Gründen garnicht daran zu denken, daß an dem ebcnbezeichneten Stand punkt der früheren Negierung durch die Mehrheit des jetzigen Reichstages irgendwie eine Aenderung herbcigesührt würde. Da gegen ist richtig, daß innenpolitische Erwägungen sehr stark davon sprechen, daß in dieser Frage eiivas geschieht. Und sei es auch nur, um dem ungeheuerlichen Treiben der Spekulan ten ein Ende zu bereiten. Können wir es doch jetzt erleben, -aß Kreise, die niemals einen Pfennig Kriegsanleihe aus eige nen Mitteln gezahlt haben, nunmehr an den Kursgeivinnen sich bereichern in einer Zeit, die überdies »och durch eine geradezu katastrophale Kapital- und Krcditnot gekennzeichnet wird. Im Reichstag selber wird die Aufwertungsfrage freilich nicht mehr von der Tagesordnung verschwinden. Indessen müssen diese ungemein verwickelten Dinge im engeren Kreise, also in dem zur Beratung all dieser Probleme nun mehr eigens geschaffenen Ausschuß zur Erörterung gestellt werden. Es scheint in Börsenkreisen durchgcdrnngen zu sei», daß der ernstliche Plan erwogen wird, diese Anleihen in den Rahmen einer großen einheitlichen Regelung des künftigen A n l e i h e sy st e m s überhaupt zu stellen. Das märe natürlich nur in der Form zu machen, daß für eine später hin auszugebende Anleihe die Stücke der alten Anleihe in einem bestimmten Verhältnis zum Umtausch angenommen würden. Dieses Umtauschverhältnis, ob es nun 10 oder 20 : 1 oder anders lauten würde, käme dann naturgemäß auch auf die Zusammenlegung des noch vorhandenen Anleihekapitals hinaus, würde aber in jeder Form einer Aufwertung der alten An leihe tatsächlich gleichkommen. Und dieser Gesichtspunkt scheint auch die Anregung für die Vorgänge an der Börse gegeben zu haben. Mer man muß sich klar darüber sein, daß auch eine solche Regelung garnicht denkbar wäre vor völliger Klar heit über die Regelung der Reparationsfrage und damit vor einein übersichtlichen Ueberbllck über die kommenden Verbind lichkeiten des Reiches aus Anlaß dieser Ncparationsverpslich- tuiigen. Zum zweiten müßte unbedingt Vorsorge getroffen wer den, daß zum Umtausch nur solche Stücke angenommen werden dürfen, die nachweislich aus Händen der ursprünglichen Zeichner stammen. Die spekulativ erworbenen Stücke der alten Anleihen dürften dieser Vergünstigung nicht teilhaftig werden. Es ist immer noch besser, daß diese Spekulanten dasjenige Geld verlieren, das sie einzusetzen glaubten, um an der allgemeinen Not zu profitieren, als daß diejenigen noch mehr geschädigt wer den, die in der Notzeit des Vaterlandes ihren Besitz geopfert haben. G Wie wir erfahren, wird in parkainentarischcn Kreisen er wogen, den Fortfallder Steuer; uschlüge zu bean tragen. Diese Zuschläge waren allerdings berechtigt in den Zeiten der Inflation. Heute führen sie zu schweren Hciiim- nissen für diejenigen Kreise in Handel und »amentlich in Land- wirtsckMft, die ohnehin unter der Geldnot so furchtbar leiden. Selbstverständlich würden die gesetzlichen Bestimmungen der Verzinsung der rückständigen Beträge wie auch der gewaltsamen Steuereintreibung bei Böswilligkeit nsw. bestel-en bleiben. Aber die nachgerade als ungerecht empfundenen Steucrznschläge wünscht man in Wegfall kommen zu lassen. Ob die Anregung von der Reichsregierung angenommen wird, steht allerdings noch dahin.