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Sächsische Volkszeitung : 08.07.1924
- Erscheinungsdatum
- 1924-07-08
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-192407086
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19240708
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19240708
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1924
-
Monat
1924-07
- Tag 1924-07-08
-
Monat
1924-07
-
Jahr
1924
- Titel
- Sächsische Volkszeitung : 08.07.1924
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Der Thüringer Kalholikentag in Gera i. 1923-1924; Gvkha—Gera! Welch ein Iahrl Ein Jahr, wie es die lebende Generation sund viele vor ihr nicht gesehen haben. Seine Ueberschrist heißt am besten: Umwertung aller Werte — Vernichtung vieler Werte! Ein Jahr auf der Wüstemvanderung des deutschen Volkes, ein Jahr, das uns aus tiefstem Herzen nach Hilfe scyceien hieß: waren wir doch in der Gluthitze der emporrasen- den Inflation am Verhungern und Verdursten. Und die Seele oft der überschäumenden Verzweiflung voll, weil kein Schimmer eines Hofsnungslichtleins mehr erglühte! Die Not ist vorbei — andere ist gekommen. Karg ist das tägliche Brot, armselig unser Dasein. Aber mehr quält noch Schlimmeres: die wachsende Zerspaltung des deut schen Volkes. Das nagt an der Seele, das drosselt die zage Hcssnung, das hemmt den Mut zur Weiterarbeit ani Wieder aufbau, am Neubau so vieles Zerstörten. Soll das, so fragt mancher wohl, soll das des Katholiken tages Auftakt sein? Ist es katholisch, mutlos zu sein? O nein! Wir sind nicht miltlos — mit Nichten! Aber den Beweis für die Notwendigkeit unserer Katholikentage liefern solche Ge danken. Gera — das ist die Probe für die Richtigkeit dieses Beweises. N. Politischer Auftakt Gera, 5. Juli. Bleigrau liegt der Himmel über der Stadt. Dumpfe Schwüle brütet in den Straßen und Gassen. Die Menschen stöh nen vor Hitze. Und doch flüchten sie nicht in die Häuser. Denn ebenso dumpf lastet aus der Stadt ein seelischer Druck: Was wird der morgige Sonntag bringen? Trifft sich doch der Stahl helm aus vielerlei Orten zur Banerweihe hier. Namhafte Führer sollen ihr Erscheinen zugesagt haben. Und sein steter Widerpart, die Kommunisten, sind rührig am Werke. Sie Huben eine große Protestversammlung vor und danach — wer weiß was? Soll der Tag von Gera mit roten Buchstaben in die Geschichte eingetragen werden? Das zagende Herz hofft und fürchtet und — vertraut, daß der gnädige Lenker aller Schicksale diesen der inneren Einigung geweihten Tag auch einen Tag äußeren Friedens bleiben lasse. Den Auftakt zum Katholikentage bildete ein zwangloses Beisammensein der einheimischen und auswärtigen Zen trumsfreunde in Harnischs Gartenrestaurant. Leider war die erschienene Schar nur klein — aber der Erfolg des Abends ein außerordentlich gewinnbringender. Der Parteisekretär Te- legraphenoberbaufiihrer a. D. N a d e m a ch e r - Erfurt, der jetzt die Bearbeitung Thüringens im Sinne des Zentrums über nimmt, sprach in scharf präzisierter Darstellung über die Ge fahren, die dem Zentrum bei der letzten Reichstagswahl drohten, über den glänzenden Erfolg, den es trotz heftigster Befehdung von rechts und links erfochten hat — hat es doch einen Sitz ge wonnen — und ging dann näher aus die kommunistische und dcutschvölkische bezw. nationalsozialistische Gefahr ein. Den Höhepunkt seiner Rede bildete dann eine eingehende Darlegung der TUringer Verhältnisse, wobei sich immer wieder herausstellte, daß ein Zentrumsabgeordneter im Thüringer Landtag, den wir ja jetzt glücklicherweise in der Person des Herrn Dr. Schömberg besitzen, eine Lebensnotwendigkeit von eminentester Bedeutung ist. — Anschließend sprach Herr Kre tz e r - Rositz zunächst über die Notwendigkeit der öffentlichen Tat. Wir müssen an die Oeffentlichkeit gehen, uns zeigen und bewei sen, daß wir das Tageslicht nicht zu scheuen haben. Dann hielt er eine famose Propagandarede für die „Thüringer Volksmacht", für die ihm Dank gebührt. Auf Grund praktischer Erfahrungen gab er vorzügliche Ratschläge zum Ausbau der örtlichen Preß- organisatton. Die nun einsetzende lebhafte Diskussion, an der sich auch andere Herren beteiligten, gab allen Teilnehmern wertvolle Winke und Fingerzeige für die Arbeit im Interesse des Zentrums und der Presse. Erst in später Stunde trennte man sich, nun doch froher Erwartung voll für den Haupttag. Bischof Dr. Schreiber, der noch am Nachmittag eine Glockenweihe in Leipzig vorgenommen hatte, traf erst 9,49 Uhr abends in Gera ein. Ihm wurde ein sehr seltsamer Empfang zuteil. Der ganze Bahnhofsplatz war Kopf an Kopf mit jungen Menschen besetzt: man hätte an eine große Ehrenkundgebung für den Ankömmling glauben können. In Wahrheit aber waren viele Leute der kommunistischen Iugendverbände darunter, die ganz andere Absichten hatten. Es hatte sich nämlich in der Stadt das Gerücht verbreitet, mit dem fraglichen Zuge sollte Ludendorff zur Fahnenweihe des Stahlhelms in Gera ein- treffen. Das Erstaunen der wohlgesinnten Ehrenkompagnie mar nicht gering, als ein so ganz anders gearteter Ehrengast eintraf. Dank dieses Erstaunens kam es zu keinem Zwischenfall, nur ein paar der üblichen rüden Morte fielen. IN. n»ve Ä1v8 Vamlnl Gera, den 6. Juli. Luchende Sonne überstrahlt das schöne Elstertal, in dessen sastig-grüne Wälder Gera eingebettet liegt. Sonntag ist es, aber auf die Livven drängt sich noch ein anderes Wort, während wir zur ersten Messe gehen: blsec est äies. quam weit Dominus — Das ist der Tag, den der Herr gemacht. Am Vorabend wa ren die Beichtstühle nicht leergeworden von Menschen, die frohen Herzens das Geraer Fest begehen wollten. Jetzt drängten sie alle zur Kommunioubank. Dann zelebrierte der Bischof Dr. Schreiber die heilige Messe. 8 Uhr. Die Kirche, eine kleine romantische Basilika, konnte die Gläubigen nicht mehr fassen, die dem Heilgen Opfer beiwoh nen wollten. Der Pfarrer Geras. Herr Erzpriester Plew- ka, sang das feierliche Hochamt, zu dem in vorzüglicher Aus führung der Kirchenchor „Eäcilia" unter Leitung des Herrn Lehrer Witzel die Messe: „Ave maris stella" von All mendinger beisteuerte. Zum Offertorium rauschte das herrliche, oft gesungene Ncce saceräos magnos durch die Kirche. — In seiner kurzen Festansprache wies Erzpriester Plewka darauf hin, daß in diesen Tagen zum 60. Male der Tag wieder kehrt, an dem der erste katholische Zivilgottesdienst in Gera seit den Zelten der unheilvollen Kirchenspaltung stattfand. Er for- derte die Gläubiger auf, zum Danke wenigstens tm Gebet all derer zu gedenken, die damals das Samenkorn des Glaubens setzten und es später hüteten, so daß es heute schon ein statt licher Baum ist. Besonderen Ausdruck soll dieser Dank finden durch Schaffung eine» Fond» für die Neuausmaiung der Innen kirche. Nach dem feierlichen Hochamt bestieg Bischof Dr. Ehri- stian Schreiber von Meißen, zu dessen Diözese Gera gehört, die geschmückte Kanzel. Seiner Flrmungspredtgt legt« er das Tagesevangelium vom reichen Fischfang zugrunde. Er zeigte den Gläubigen und insbesondere den Firmlingen di« Ent stehung, Ausbreitung und erfolgreiche Tätigkeit der heiligen Kirche und forderte auf zu treuem Festhalten an der Mutter, die M» nie verläßt./' Dann schritten Knaben und Mädchen, Jünglinge und Jung frauen zum Altäre, um durch die Hand des Bischofs gefestigt zu werden zum unermüdlichen Kampf« für die Ideale unseres hei ligen Glaubens. Etwa 120 Firmlingen spendete der Hoch würdigste Herr so das heilige Sakrament. Die feierliche bischöf liche Benediktion, Tedeum und sakramentaler Segen beschlossen die eindrucksvolle Feier. Um 11 Uhr schloß sich daran Predigt und Messe für die Auswärtigen, die aus allen Gauen herbeigeeilt waren. Herr Dechant B r e i t u n g - Weimar hielt die Festpredigt, in der er die ernste Forderung aufstellte, in Familie, Schule und Verein wieder echt katholisch, im Namen Jesu zu handeln und zu ar beiten. Das müsse die Forderung des Tages sein, das die Lo sung für die kommende Arbeit. Voran die Kreuzesfahne Um Mittag schien es, als solle der für den Nachmittag ge plante Festzug unmöglich werden. Eine lange Marschkolonne von Kommunisten bewegte sich von der Ostvorstädtischen Turn halle her gegen das Stadtinnere, um die Stahlhelmversamm lungen zu sprengen. Laut erklang die Internationale durch die Straßen. Die rasch alarmierte Landespolizei wurde aus Last autos an die bedrohten Punkte geworfen; um Mittag war die ganze Innenstadt abgesperrt. Der Kommunistenzug mußte aus einandergehen. Ein ganz anderes Bild bot der Zug, den die aus Teilen Thüringens in Gera versammelten Katholiken am Nach mittage, trotz der Ungunst der Verhältnisse, ausführten. Nicht in hetzerischen Versammlungen hatten sie sich auf die Demon stration vorbereitet, sondern in einer feierlichen Andacht. Es war, als spräche der Himmel selbst seinen Beifall zu dieser gewaltigen Bekundung katholischen Geistes und katholischen Willens aus. Kurz vor X>3 Uhr zerrissen di« dunklen Wolken, die um Mittag den ganzen Himmel umzogen hatten, und strah lender Sonnenschein flutete durch die Straßen. In die sem Sonnenglanze bewegte sich der Festzug durch die Stadt, über höht von zwanzig fliegenden Fahnen, voran die Musik. Die Stadt Gera hatte ein derartiges Auftreten von katho lischer Seite noch nicht erlebt. Scharenweise standen die Neu gierigen in den Straßen und begleiteten in breitem Schwarme den Festzug. Dank der mustergültigen Disziplin, die von seiten der Festteilnehmer gewahrt wurde, kam es nicht zu dem geringsten Zwischenfall. Den radikalen Elementen, die gerade in der Industriestadt Gera stärker als anderswo vertreten sind, und die schon mancherlei Aufmärsche ganz anderer Art veran staltet haben, mag solche Begeisterung ohne Fanatismus, mag ein solches würdiges Vertreten einer Ueberzeuguug ein nach ahmenswertes Beispiel werden. Der katholische Festzug wird noch lange eine bemerkenswerte Erinnerung auch für di« nichtkatholischen Einwohner Geras bleiben. Mag das dazu bei tragen, daß die katholischen Bürger Geras innerhalb der Stadt gemeinde immer die Beachtung finden, die ihnen ihrer Staats treue nach gebührt Nach einer halben Stunde, kurz vor 3 Uhr, erreichte der Festzug die „H e i n r i ch s b r ü ck e", in deren Festsaal die eigentliche Tagung des Katholikentages stattfinden sollte. V. Die Fefkverfamnllung Der große Festsaal der „Heinrichsbriicke" war wenige Minuten nach Einmarsch des Festzuges bis auf den letzten Platz gefüllt. Aller zwischen den Stühlen freie Raum mar als Steh platz vergeben, vielfach sah man zwei Mann einen Stuhl be nutzen. Die Temperatur wurde schon im Laufe der ersten halben Stunde tropisch. Doch alle Beschwerden ließ der hinreißende Schwung heiliger Begeisterung, der die ganze Versammlung durchflutete, bald vergessen. Begrüßung? worte bildeten das Vorspiel zu den großen Reden des Katholikentages. Als die stolzen Takte des Es-Dur-Festmarsches Beethovens verklungen waren, betrat der Vorsitzende des Zentralkomitees zur Vorbereitung der Tagung, Pfarrer Reinhardt-Weimar die Bühne. Mit dem katholischen Gruße: „Gelobt sei Jesus Christus!" erösfnete er den Katholikentag. Er dankte allen Anwesenden für ihr Erscheinen, namentlich Bischof Dr. Schreib'« r, Reichs postminister Höfle, Iustizrat S ch r ö m b g e n s - Leipzig und dem Oberbürgermeister von Gera, Dr. Herfurth. Pfarrer Reinhardt erinnerte an die letzten Katholikentage, besonders an den Tag von Gotha 1923, dessen Folge eine Neubelebung der katholischen Jugendbewegung in Thüringen gewesen sei, an den Tag von Jena 1922, der allen Glaubensgenossen die Bedeutung der Schulfrage so recht klar gemacht hätte. Zum 1. Vorsitzenden des Katholikentages wählte die Ver sammlung Herrn Ingenieur Kehlenbnch - Gera, zum 2. Vor sitzenden Studienrat Beck-Weimar. — Mit herzlichen Worten des Dankes übernahm Vorsitzender Kehlenbach die Leitung des Festaktes und erteilte das Wort dem Pfarrer von Gera, Erzpriesker Plewka Heute erheben wir unsere Herzen zu unserem heiligen Vater, Papst Pius XI. In unserer Zeit des Völkerhasses, der Wirtschaftskämpfe, des Ringens der Weltanschauungen, steht ra gend das Papsttum in Rom, eine Macht, die nicht an gewaltsame Mittel appelliert, dennoch aber größten Einfluß auf die Staaten besitzt. Pius XI. ist seit langer Zeit der erste gründliche Kenner deutscher Sprache und deutscher Wissenschaft auf dem Stuhle Petri, Pius XI. nimmt die Tradition der Völkerversöh nung auf, die ihm sein großer Vorgänger Benedikt XV. hinter lassen hat. Kann es in diesen Jahren der Zerrissenheit etwas notwendigeres geben, als dieses Papsttum, das allein heute noch Liebe und Gerechtigkeit zur Grundlage der internationalen Be ziehungen zu machen sucht. Wir dienen dem Frieden und der Zukunft, wenn wir das Papsttum achten und Hochhalten. Frieden in den äußeren Beziehungen des Reiches und Ausgleich der wirtschaftlichen Gegensätze im Innern ist das notwendige für Deutschland, besonders für Thüringen. Wenn wir für das Papst- tum eintreten, sind wir wahrhaft diebestenStaatSbürger Thüringens. Pius XI. kennt die friedliche Gesinnung der deut schen Katholiken, er hat seine Hilfe ausdrücklich den deutschen Katholiken, auch unserem Bischof, Dr. Schreiber, zugesagt. — Un ser heiliger Vater, Papst Pius, lebe hoch! Die Versammelten stimmten stehend In das dreifache Hoch el», brausend klang das Papstlied durch den Saal: Den Gruß laßt erschallen Zum ewigen Rom, Zum Herzen, das uns allen Schlägt in Sankt Peters Dom. Die Stürme laßt wehen, Was hat'» denn für Not, Der Fel» wird doch bestehen, - Sein fester Grund ist Gott. ^ Oberbürgermeister Her fürth begrüßt« die Gäste lin Burgfrieden der größten Stadt Thüringen». Die Beziehungen zwischen den katholischen Einwohnern und der Leitung der Stadt Ser» haben sich stet» aus einer Bast» bewegt, dt» «an freund- schaftlich nennen kann. Die Geraer Tagung mag allen Teil nehmern eine schöne, noch lange währende Erineru.iz bleiben. Der Festchor „Leih aus deines Himmels Höhen" fleht den Segen des Allerhöchsten auf die Versammlung herab. Und nun steht auf der Bühne, vom jubelnden Beifall begrüßt, der Ober hirt der Meißner Diözese. Bischof Dr. Christian Schreiber Was der Katholikentag sein soll, haben Sie in der „Thü ringer Volksmacht" gelesen. Er soll nicht eine Demonstration, eine Parade, sondern ein Tag der Belehrung, ein Ansporn zur Arbeit für das Volksganze sein. Wir wollen nicht groß tun, wir wollen arbeiten, damit unser aus tausend Wunden blutendes Voll, gesunde. Die großen Probleme der Zeit sind die Iugendsrage, die Arbeits- und Wirtschnstssrage, die religiöse Frage und endlich die Frage des Seins oder des Nichtseins des deutschen Volkes. Das sind Probleme, die tausende von Seelen in unserem Volke oujs tiefste bewegen. Unsere Iugen- befindet sich heute In einem Gärungsprozeß: unruhig und auf brausend gefüllt sie sich in Lösungen von sehr radikaler Art, die uns nur mit Bedenklichkeit erfüllen kann. Die Ursachen dieser Verhältnisse liegen in dem Erleben der Kriegs- und Revolutions zeit. Die Jugend nimmt schneller auf, große Ereignisse prägen sich ihr lebhafter ein. Sie verarbeitet impulsiv das Erlebte, und trifft rasche Urteile. Es ist nicht leicht, alle führenden Ideen herauszufinden, denn der Wirrwarr der Gedanken ist hier un übersehbar. Die wirklich leitenden Ideen aber sind zweifellos die religiöse und die nationale. Religiös ist unsere heutige Jugend eingestellt. We niger die Massen, aber die Führer, sofern sie Charakter haben. Diese Tatsache bedeutet eine gewaltige Reaktion gegen den Ma terialismus der vergangenen Zeit. Eine Reaktion, die wir nur begrüßen können. Freilich zeigt sich diese religiöse Begeisterung oft nur in einem Heroenkult, der vom Geiste des echten Christen tums abwcicht. Wir müssen bedauern, daß viele junge Men schen ihr religiöses Streben auf die Erneuerung des alten Göt terkultes richten: das bedeutet ein Zucückschreitcn zu den An fangszuständen unserer Kultur. In der katholischen Jugend finden solche Gedanken freilich wenig Anklang. — Wir Katho liken halten auf Tradition: diese sucht auf dem Alten das gute Neue aufzubauen. Wir wollen das religiöse Ausleben in unserer Jugend begrüßen, wir wollen aber unserer Jugend sagen: , Nur in Christus ist Heil, nur in der christlichen Religion, in deren Tradition die europäische Kultur groß geworden ist. Die nationale Idee ist die zweite. Wir erkennen mehr und mehr, daß das Elend bei uns kein Ende nehmen wird, wenn ivir neben der Pflege des Religiösen, nicht aus die Pflege des Nationalen achten. Nationalbemußtsein bringt man freilich nicht dadurch zum Ausdruck, daß man in eigener Kleidung herumlüuft und eigenartige Sitten annimmt: dadurch wird nur eine Unduld samkeit erzogen, die gerade für das nationale Leben höchst be denklich werden kann. Die katholische Jugend läuft Gefahr, daß diese Extreme in sie hineindringen. Wir müssen unserer Jugend sagen, daß katholisch sein heißt liebevoll eingehen auf die Ideen der anderen, versuchen sie wieder in die rechte Bahn zu lenken. — Gott sei Dank, die Jugend will mit uns arbeiten. Ich weise auf unsere großen Jugendorganisationen hin: die Industriejugend z. B. hat 500 000, Neudeutschland 75 000 Mitglieder. Wir haben eine ganz gewaltige Iugendschaft hinter uns. Es ist Zeit, daß wir auch von unserer Seite alles tun, um das Zusammenarbeiten mit dieser Jugend so fruchtbar als mög lich zu machen. Was haben wir Katholiken zu den wlrlfchafMchen Fragen zu sagen? Wir vereinen im Kreise unserer Gemeinden Ar beiter- und Unternehmertum. Kapital und Arbeit. Wir müssen einen Ausgleich der Gegensätze suchen. Mir müssen uns in die Seele des Arbeiters hineinfinden, der zu bestimmten Stunden für bestimmten Lohn sich als Rädchen in die Maschine einstigen muß und ein Leben führt, das wenig Genuß bringt. Wir wol len nicht verkennen, daß bei der wirtschaftlichen Entwicklung, wie mir sie heute haben, der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer als Titan gegenübertreten kann, der ihm nur sagt: Du mußt. Das wesent liche ist es, daß man auch im letzten Arbeitnehmer den Men schen achten lernt. Wir wollen gern den ehrlichen Willen derer erkennen, die den von Marx vorgezeichneten Gedanken folgend, eine Lösung des Wirtschaftsproblems suchen. Wir müssen aber trotz dieser Anerkennung sagen, daß alle Lösungen, die aus dem sozialistisch kommunistischen Ideenkreise stammen, verfehlt sind. Wel ches Bild bietet denn diese ideale Wirtschaft, die eintreten soll, nachdem die Diktatur des Proletariats das Unternehmertum vernichtet hat. Dann übt der Staat die qieiche Zwangsgewalt aus auf alle sein« Bürger, die heute ein unchristiich denkender Unternehmer ausüben kann, dann haben wir einen großen Unternehmer anstelle der vielen kleinen Unternehmer. Be denken wir dazu, daß der kommende Wirtschastsstaat keine Re ligion kennt, daß die Menschen in ihm nur Atome, nur Räd chen In der großen Staatsmaschine sind. Cs ist nicht ei.izuschen, wie Menschen ein solches Leben führen sollten, immer die Er- ivartung vor Augen, daß nach dem Tode alles aus ist. Wenn wir nur Materie sind, dann haben wir keine Hoffnung, auch keine Hoffnung, aus eine Lösung der wirtschaftlichen Krise. Freilich muß man sagen, daß die Beweise dafür, daß es kein Jenseits gäbe, sehr schwach sind. Gewiß sieht man das Jenseits nicht, aber sieht man denn den menschlichen Verstand? Wenn man an das eine nicht glaubt, kann man auch an das andere nicht glauben. Drei Grundsätze müssen beachtet werden, wenn die Wirtschaft vom christlichen Geiste erfüllt sein soll. Die Arbeit nehmer müssen als Menschen behandelt werden, sie dürfen nicht Objekte der Ausnutzung sein, und sie müssen ein Maß von Frei heit behalten, das ihnen als Trägern von unsterblichen Seelen ge bührt. Damit ist freilich nicht gesagt, daß ein schematischer Acht stundentag diese Freiheit garantiere. Die Regelung der Ar beitszeit kann gar nicht schematisch erfolgen. Es gibt Arten von Arbeit, bei denen ohne Ermüdung viel länger ge arbeitet werden kann: es gibt aber auch Arten von Arbeit, bei denen bereits eine achtstündige Schicht Raubbau an der mensch- lischen Arbeitskraft bedeutet. Die religiöse Frage wird uns in Deutschland immer besonders schmerzlich bleiben. Denn wer fühlt nicht, daß unsere religiöse Zerrissenheit der Grund dafür ist, daß unser Volk so schwer einen einheitlichen Willen findet. Länder mit einer einheitlichen Weltanschauung kommen viel rascher und kräftiger zur einheitlichen Wirkung nach außen. Schauen wir auf Italien. Dieses schöne, aber doch arme Land, dessen Volk halb so groß ist. wie das deutsche. Welch geivaltig« Kraft beweist diese Nation nach außen, weil sie einheitlich denkt und fühlt. — Ja, wären mir noch im Mittel- alter, wo wir all« katholisch waren, dann wäre die Lösung ohne weiteres gegeben. Aber sie ist nicht gegeben. Wir müssen mit den bestehenden Verhältnissen rechnen und aus ihnen heraus so viel als möglich zu erreichen suchen. Der Kampf der Materi alismus und de» neuen Heidentum, gegen die christlichen Kon»
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