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NiltNMkr 157 - 2S. Jahrgang 6mal wöchentl. Bezugspreis: für Juli 2 R.-M. ausschl, Bestellgeld. Vcrcchmiiig der Anzeigen nach Rent.-Mark. Preise: Die cmgespaltene Petitzeile 30 f. Familien- u. VcreinSanz., Gesuche 20 H. Die Petit-Reklamezeile 8S mm breit, 1 Ossertengebühr sür Selbstabholer 20 H, bet llebcrsendung d. d. Bost außerdem Porto zuschlag. Preis s. d. Einzelnummer 10 Nenten-Psennig. Eeschastlicher Teil: Josef Fo hinann, Dresden. SücksWe Mittwoch, den 9. Juli 1924 Im Falle höherer Gewalt erlischt jede Verpflichtung auf Lieferung sowie Erfüllung v. Auz.-Aufträgeu u Leistung v. Schadenersatz, Filr undeutlich u, d. Fernspr. übermittelte Anzeigen übernehmen wir keine Ver antwortung. Unverlangt eingesandte u. mit Rückporto nicht versehene Manuskripte werden nicht ausbewahrt. Sprechstunde der Redaktion 5 bis 6 Uhr nachmittags. Hauptschriftleiter: Dr. JosesAlbert. Dresden volrsMung Tageszeitung für christliche Politik und Kultu Geschäftsstelle der Sächsischen ivvlkstett»»a >">d Drilif und Verlag > Snxonln-Vuchdruckerel Kmk>H„ ^ Dresden-ül. IS. Holbelnslrahe iS, gernrnt 32722, Polt- IcheckloliloDresdeil I47N7 lliitkWinis Md WW ' Ae Ws der Fm ' M »eile Lebe» Stedaktton der Sächsische» Volks,eitnng Dresden - A. Ik, HolbeinjlrahetS. gernr.n W722 >nid WSW Die neue Sensation Mae-onal- als Frie-ensstifler — Seine Reife nach Paris London, 8. Juli. Ramsay Macdonald fuhr heute Bormittag um 9 Uhr aus London über Voulogne nach Paris ab. Er wird von dem ständigen Unterstaatssekretär im auswärtigen Amt Lord Creme, dem Obersten Waterhouse, seinem Ka- binettsches sowie von seinem Privatsekrctär begleitet sein. In Paris sieht man dem Eintreffen des englischen Ministerprä sidenten mit der größten Spannung entgegen. Die Situation hat mit dem gestrigen Tage eine ent scheidende Aenderung erfahren, und am Abend herrschte der Eindruck vor, daß eine wesentliche Entspannung zwi schen Frankreich und Großbritannien zustandegekommen wäre. Im Verlaufe der heutigen ersten Zusammenkunft zwischen Herriot und Macdonald wird der englische Premierminister Ein sicht in das zum größten Teile endgültig ausgearbeitete Me morandum der französischen Negierung nehme». Dieses Me morandum enthält bekannllich das M i n d e st p r o g r a m m Frankreichs zur Londoner Konferenz. Es soll bereits !m Lause des heutigen Tages an die französischen Botschafter zur Weiter gabe an die verbündeten Mächte versandt werden. Die Presse unterstreicht in allen Kommentaren die günstige Bedeutung der bevorstehenden Aussprache. London, 8. Juli. Macdonalds heutige Reise nach Paris steht im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses. — „Westminstcr Gazette" zufolge ist die Reise durch das Bestreben Mncdoualds veranlaßt, alles zu tun, was in seiner Macht steht, um ei» tteber- einkommen über die Punkte, in denen Mcinuligsverschiedenhsiten bestehen, zu erzielen, bevor die alliierte Konferenz am 16. Juli In London Zusammentritt. Wenn diese Konferenz jetzt wegen der Stellungnahme der Herriot feindlichen Opposition zu den angeb lich strittigen Punkten, insbesondere hinsichtlich der Funktionen der R e p a r a ti o n s k o m m i s s o n scheitern sollte, so würde eine sehr ernste Lage entstehen. Es würde dann notwendig werden, die Besprechungen von neuem zu beginnen und den Bo den für eine internationale Konferenz mit einem neuem fran zösischen P r e in i e r m i n i st e r vorznbereiten. — Ter Par lamentsberichterstatter des „Dailn Telegrap h" schreibt, das Unterhaus sei gestern zweifellos enttäuscht gewesen, da es von dem Premierminister keine klarere Darlegung erhielt. In gut unterrichteten Kreisen wird die Ansicht vertreten, es sei klar, daß Mncdonald bei seiner eiligen Reise nach Paris die Wünsche hervorragender französischer Politiker berücksichtige und daß sich die Hoffnungen auf eine Lösung der Schwierigkeiten ans die Erklärung gründeten, die er zu geben in der Lage sei» würde. In amtlichen Londoner «Kreisen werde die Ansicht ver treten, das; keine wesentlichen Gründe für die Stim mung in Frankreich bestehen, aber gleichzeitig werde den Mög lichkeiten der Lage volle Rechnung getragen. Paris, 8. Juli. (Drnhtberickt,) Die Kommentare der Presse zu dem bevorstehenden Besuche MaedonaldS in Paris lassen er kennen, wie die Polemik gegen Herriot in den letzten Tagen von i n n e r p c> l i t i s ch en Motiven beeinflußt war. Während die Regierungsblätter die Uebcrzengung anSsprcche», nun würde alles gut, behaupten die OppositionSblntter, Herriot habe Macdonald zu Hilfe gerufen. „Cclaire" schreibt, der Zweck des Besuches Macdonalds sei Herriot zu stützen. Das werde am besten bewiesen dadurch, daß die große a u h e n P o l i t i s che Debatte im Senat, die für heute angesetzt war, infolge diestS Besuche? auf Sonn abend hätte verschoben werden müssen. Die französische A n tw o r t ii o te auf das englische Memorandum liege jetzt fertig vor, cs sei aber nnw<chrscheinlich, daß sie vor der Ankunft Mac donalds versandt würde. In Wahrheit würde also die fran zösische Antwort von dem englischen Premier vor her zensiert werden. Man werde abzuwarten haben, ob diese Unterredung die Lösung der englisch-französischen Krise bringen werde. Gewiß gehe Herriot diesmal mit einem Programm zur Konferenz, man müsse aber abivarte», wie er die neue Prüfung bestehen werde. DaS Regierungsblatt „Oeuvre" behauptet nach wie vor zuversichtlich, die Londoner Konferenz werde am fest gesetzten Termine stattfinden. Wenn Frankreich dnS Gut achten nicht annchine, werde es nicht nur mit der „Entente Cordiale" für immer vorbei sein, sondern Frankreich werde sich auch die Freundschaft Amerikas verscherzt haben. „Qnotidien" schreibt, die Methode Herriots diene den In teressen des Landes besser, als die Methoden Poincares. Macdo - nald werde 24 Stunden in Paris bleiben. Die offiziellen Empfänge würden morgen im Ministerium des Aeußecen staitfin- den. Die französische Antwort auf das englische Memorandum werde die Grundlage der Besprechung bilden. London, 8. Juli. Jni Unterhaus«: drückte Macdonald sein Bedauern aus. daß er infolge der Umstände genötigt sei, das Pro gramm der heutigen Tagesordnung umzustoßen, aber Ende der letzten Woche sei ein gewisser Sturm losgebroche», und eö sei seiner Ansicht nach wesentlich, daß das Haus nicht im Zweifel über die Vorgänge gelassen werde. Er werde am Mittwoch abend nach London z n r ü ck k c h r e n, um bei der Uiitcrhaussitznng am Donnerstag anwesend zu sein, und einen etwa notwendigen weiteren Bericht erstatten zu können. Er hoffe, das HanS durch seine Ansführungen davon zu überzeugen, daß das ganze nicht einmal ein Sturm im Wasserglase sei, und es überhaupt keine Begründung für die Geschehnisse gebe. Er bedaure sehr, wenn hier oder auderSwo ein innerpolitischer Meinungsstreit eine so aus sichtsreiche internationale Lage gefährden sollte. Wenn man eine Regelung mit Frankreich wolle, so müsse man nicht nur ein Gefühl für die französische Empfindlichkeit und für die französischen Interessen haben, sondern es sei auch unbedingt wesentlich, daß der Argwohn, der seit langem zwischen beiden Ländern bestanden habe, zerstreut werde. Der einzige Weg drzn sei seiner Ansicht nach vollkommene Offenheit. Der liberale Spears fragte, ob der Premierminister mii- teile» könne, was an der Behauptung Tatsache sei, daß ein Me in orandu m über die Stellungnahme der britischen Politik zu den Fragen, die auf der bevorstehenden Konferenz erörtert werden sollen, und zu dem in Aussicht genommenen Verfahren an die Negierungen Italiens, Japans, der Vereinigten Staaten, Beligens und Deutschlands, jedoch nicht an die französische Regierung ge sandt worden sei. Macdouald erwiderte, ei» derartiges Memoran dum sei weder nbgcsandt worden, »och existiere cs. Die Mitteilung, die den Negierungen Belgiens, Italiens, Japans und der Ver einigte» Staaten gemacht worden sei, sei nur eine Wiederholung der britische» Vorschläge bezüglich der Aufgaben der bevorstehende,, Konferenz, die bereits den belgischen Ministern als auch Herriot in Cheauers unterbreitet und mit ihnen eingehend erörtert worden seien. Diese Vorschläge seien gleichzeitig sür Protokoll- zwecke in einer offiziösen Mitteilung des permanenten Lettens des Foreign Office an den permanenten Leiter des französischen Aus wärtigen Amtes zum Ausdruck gebracht worden, jedoch fei keiner lei Mitteilung über diese Frage weder von der britischen Ne gierung noch in ihrem Namen an die deutsche Negierung gemacht worden. Macdonald erklärte Weiler, die Angriffe, die gegen die britische Negierung gerichtet worden seien, weil sie angeblich ver suche. die N e p a r a t i v >i s k o »i »i i s s i o n a u s z u s ch a l t e n, seien ungerechtfertigt. Er hoffe, daß, wenn ein llcbereiukommen betreffend da-S Sachvcrständigen-Gutachteii erreicht werden könnte, es durch ei» II c b c r e i n k o in m en zwischen den Alliierten er gänzt werden könne, damit die Alliierte», falls Deutschland nach Annahme des Gutachtens gegen dieses absichtlich verstoße, zu einander stünden und Deutschland verantwortlich machten. Aber wer, fragte Mncdonald, würde entscheiden, ob Deutschland absichtlich gegen da? Gutachten verstößt? DaS Ueber- einkvinmen würde ein,Znsatz, aber keine» Ersatz des Ver sailler Vertrage?- sein. Wie könne übcrbaupt der Versailler Ver trag in Gegenwart des Vertreter? der Vereinigten Staaten zur Erörterung gelangen? Macdv»ald fügte hinzu, die Konferenz hätte einen besonderen und endgültigen Zweck gehabt, nämlich in Erwägung zu ziehen, wie die Dawes-Berichte in Wirksamkeit zu setzen seien. Wir brauchen ein llebereiiikoinmen, das in gehöriger-Fori» abgeschlossen, unterzeichnet, gesiegelt und zngestcllt ist. damit der Dawes-Bericht mit allen seinen Schwierigkeiten in Wirksamkeit gesetzt ist. Ilm das zu tun, brauchen wir die deutsche II n t e r- schrift, und um die deutsche Unterschrift zu erlangen, müssen Wir deutsche Vertreter irgendwo empfangen, damit sie ihren Namen unter die Dokumente setzen. Wir sollten in Zukunft versuchen, von Deutschland etwas mehr als lediglich eine legale Ur kunde zu erlangen. Die Zeit ist für unS gekommen, »m von Deutschland eine Urkunde, eine Unterschrift und Verpflichtung zu erlange», die wirklich durch eine moralische Beruflich, tung anferlcgt sind und nicht nur durch einen Zwang, sei»« Unterschrift zu leisten. WWW, FMKM Ulli WW Von Staatsminister a. D. Stegerwald. (Nachdruck verboten.) Anläßlich eines politischen Ausblickes zu Beginn des Jah res, habe ich u. a. geschrieben: „Poincare ist auf dem Gipse! seiner Macht angekommen: es knistert bereits leise im fran zösischen Gebälk: die Weltmcinung Frankreich gegenüber beginnt sich zu ändern: die kommenden Wahlen werden zeigen, inwie weit das französische Volk dem Rechnung trägt und wie cs seine weitere Politik bestimmt wissen will." Was ich hier seiner zeit ausgesprochen habe, ist gleich nach dem französischen Wahl ausfall Wahrheit geworden. Auf dem höchsten Gipfel seiner Macht hat Poincare der Urteilsspruch des französchcn Volkes getroffen. Er hat abtreten müssen, weil seine Politik des letzten Jahres dem eigenen Volke Enttäuschung und Schaden gebracht I>at. Den Kenner französischer Politik und französischer Ver hältnisse wird der Wahlausfall vom 11. Mai, durch den Poincare erledigt wurde, nicht überrascht haben. Denn schon vor diesem Tage ivar das Fiasko der Poincareschen Nachkriegspalitik be siegelt. Der Nuhreinfall hat Frankreich nicht gebracht, was es von ihm erhoffte. Im Gegenteil: Dentschland ward in seinem Herzen getroffen, die deutsche Wirtschaft gelähmt, so daß sic bald stillstand. und damit war Deutschland selbst zahlungsunfähig ge macht. Gleichzeitig brachen die Hoffnungen, die man drüben auf die Separatisten setzte, kläglich zusammen. Damit war vor allem Poincare selbst betrogen in seinem Plan einer Zerstücke lung Deutschlands van innen heraus. Dazu kam im eigenen Lande eine trostlose Mißwirtschaft auf finanziellem Gebiete, die genau in demselben Maße wuchs, als die Zahlungsunfähigkeit Deutschlands infolge Erdrosselung seiner Wirtschaft an Ruhr und Rhein zunahm. Das alles hat zusammcngewirkt, um Poin cares Politik im eigenen Lande in schwersten Mißkredit und ihn selbst schließlich zu Fall z» bringen. lieber seinen Nachfolger Herriot, der von den Links- radiknlen kommt, wird noch wenig zu sagen sein. Zweifellos wird seine Politik nicht der Unersättlichkeit und der Ueberspan- nung der Forderungen seines Vorgängers znm Opfer fallen. Und trotzdem wäre es verkehrt, in Dentschland nun allzu große Hoff- nungen zu hegen für die kommende Zeit und von dem neuen französischen Ministerpräsidenten allzu viel zu erwarten. Wer das tut, mach? sich das Wesen der französischen Politik nicht klar. Diese besteht darin, daß Frankreich vor allen Staaten des Kontinents den Vorzug einer klaren Zielsetzung seiner Politik hat. Frankreich hat von jeher nach der Führer- rolle in Europa gestrebt, so zur Zeit Ludwig XIV.. so unter Napoleon und so auch heute noch. Dabei ist ihm allezeit Eng land und Deutschland iin Wege gewesen. Deshalb finden wir die französische Politik immer wieder dahin gerichtet, Englands Einfluß auf die kontinentale Politik nach Möglichkeit zuriick- zudrängen und Dentschland nie zu stark werden zu lassen. Ge rade Dentschland gegenüber war die französische Poliiik immer groß darin, von anßen wie von innen Mittel zu finden und Wege zu gehen, die ein ohnmächtiges Deutschland nach außen und ein uneiniges Volk nach innen zur Folge haben sollten. Es liegt in der französischen Politik eine große Tradition: sie denkt nach napoleonischer Ver bindung von Politik und Strategie in Zahlen und Bataillonen. Von dieser Denkweise ist noch kein leitender Staatsmann der „gründe Nation" abgekommen: und es wäre auch unmöglich, denn Bataillone haben den Ruhm, die „gloir e" der Franzosen in Europa und ln der Welt hergestellt, und diese „gloire" ist seither zur Nationalidee Frankreichs ge worden, und jeder leitende Staatsmann wird diesem Impon- derobile seines Volkes wohl oder übel Rechnung tragen müssen. Englands Politik steht zur französischen im Widerspruch: auch schon rein ideenmäßig. Gerade auf das letztere kommt es in diesem Zusammenhang: an. England hat schon dadurch, daß es mit in den Krieg zog, di« große Tradition englischer Kon tinentalpolitik aufgegeben. Denn diese war immer darauf an gelegt, das Gleichgewicht der Mächte in Europa her- zustcllen. Es hat diesen Grundsatz mit Einzug in den Krieg auf seiten der Gegner Deutschlands über den Hansen geworfen. Warum, braucht nicht noch besonders gesagt zu werden. Gleich wohl Hütte es alter englischer Tradition, die immer wieder vor- nehm ivar, dem geschlagenen Gegner gegenüber — im Gegensatz zu Frankreich — entsprochen, wenn Lloyd George wenig stens bet Abschluß des Friedensvertrages in Versailles die Ralle Englands als Akteur im Gleichgewicht der Mächte wieder ausgenommen hätte. Er hat das nicht getan, sondern sich an die Seite Frankreichs gestellt, und damit die Befriedung Europa» unmöglich gemacht, Deutschland mit in schwerste Fesseln gelegt und Frankreichs Macht ins Unendliche wachsen lassen. Das hat in der Folgezeit seinem eigenen Lande schwer geschadet, nicht nur materiell, sondern vor allem dadurch, daß die Hege monie über den Kontinent über Nacht in Frankreichs Hände hinüberglitt. Lloyd George hat das schon bald nach Versailles eingeschen; denn alle Aktionen nach Versailles sind immer neue Versuche, den Fehler traditionsloser Politik von selten Englands in jenen Tagen wieder gut zu machen. Leider umsonst! Es folgte Cannes, das keinen Erfolg brachte. Darauf Genua, wo Lloyd George noch einmal seine Netze weit auswarf, wieder ohne Erfolg. Die europäische Politik wurde bereits von Poin- eare bestimmt. Die Hegemonie auf dem Kontinent war von England auf Frankreich übergegangen. Seine Macht wurde zum größten Teil Bollwerk der Welt, durch die Riihrbcsctzung. zum Bollwerk vor allem auch gegen — England. Daran hat die Politik aller Nachfolger von Lloyd George nichts ändern können. Auch heute unter Ramsay Macdonald ist die Situation dieselbe. Trotz besten Wittens hat er für England keinen Schritt verlorenen Bodens seiner europäischen Hegemonie bis heute zurückeroborn können, viel weniger noch eine Besserung für Deutschland zustande gebracht. Frankreich steht immer nach an der Ruhr, es wird durch die Zauderrotte Macdonalds auch kaum beeinflußt werden, sein Rnhrabenteuer auch nur einen Tag früher aufzugeben. Dazu kommt, daß Macdonalds »Kabinett nicht auf breiter Basis ruht: er hat alle Hände damit zu tun, seine innenpolitische Stellung zu wahren. Dadurch kann er natürlich keine allzu große Aktivität nach außen entfalten, und Frankreichs Nlacht und Willkür herrscht infolgedessen nach wie vor. Und was folgt aus all dem für Deutschland? Wir haben von außen nichts Durchgreifendes zu erwarten. Dadurch, daß Poincare den Bogen überspannt lmt. ist lediglich zum Teil für uns eine leichte Entspannung der Weltatmosphäre festzpsteilen. Wir sind in der Hauptsache nach wie vor ans uns allein gestellt. Wir müssen das Dawes-Gntachten. insbesondere die Ansführungsgesetze dazu, in einer für Deutschland halbwegs er- träglichcn Form zu gestalten suchen. Die beste Außenpolitik ist für uns auch heute noch die Ord nung der Verhältnisse im Innern. Dabei heißt es. nüchtern zu werden, zu arbeiten und zu warten. Mit Rauschzuständen ist nichts geändert: mir können nicht morgen über den Rkein marschieren. Das ist auch nicht das Entscheidende, sondern allein darauf kommt cs an. daß wir in stiller, zäher Arbeit das bil den, was uns kein Feind rauben kann, unseren Geist, unsere Gesinnung, unser technisches und wirtschaftliches Können. Da- durch allein kann die Voraussetzung geschaffen werden, ans der heraus Deutschland wieder einmal starker Faktor der euro päischen Politik werden kann, wenn die politische Gesamt-l Konstellation sich geändert haben wird.