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Mal, betrachtete ihn mit ihren klagen Angen noch interessierter, als vorher. Sein Anfbrausen gefiel ihr, sie konnte rnhige, durch nichts in ihrer Reserve zn erschütternde Menschen nicht leiden. „Richard Adler ist Ihr Freund, nicht wahr?" sagte sie zutraulich. „Sie sind ein Kitzchen neidisch auf seine Erfolge, ineinen es iin Munde aber herzensgut mit ihm." Seine Lippen umspielte schon »nieder ein Spottlächeln. „Viel zu gut meine ich es mit dem Federfuchser. Nun aber gestatten die Damen —" „Um die Tante bemühen Sie sich nicht," lachte Map. es wären schon ein Paar Kanonen nötig, um sie aus ihrem Nachmittagsschlummer zu wecken." „So darf ich mich Ihnen vorstellen. Theodor von Lukado, Ingenieur." „Wie interessant!" rief Map, mm auch ihren Namen nennend. „Mein Papa hat grotze Brücken gebaut, Eisenbahnen und endlose Tunnels, er war unermüdlich, der gute Papa, bis ihn mitten aus seinem Schassen der uner bittliche Tod herausrih." „Das ist traurig," sagte Theodor, „aber vielleicht hiuterlietz er einen Erben, der die begonnenen Werke im Sinne des Heimgegangenen weiter- führt." „Das wohl, aber —" Mah stockte. Sie dachte Plötzlich an Heinz, das war während der ganzen Reise eigentlich erstaunlich selten geschehen und seit sie Theodor gegenübersatz, waren Herz und Sinne ganz und gar ge fangen genommen. Jetzt aber rang sich ein dunkles Schnldbewußtseiu in ihr empor. Sie erschien sich unverzeihlich gleichgiltig lind leichtfertig. In kürzester Zeit sollte sie Heinzens Frau werden, und dabei existierte er kaum für sie. Die verschiedensten Interessen beschäftigten sie, aber alles, was sie für Heinz empfunden hatte, war dahin, wie fortgelöscht ans dem törichten, unruhigen Herzen. Und einen Wunsch hatte sie noch, sie konnte ihn nicht verschweigen. „Wenn ich Richard Adler doch nur einmal sehen könnte, ich schwärme für ihn niid möchte ihn persönlich kennen lernen." Theodor gestattete sich das versteckteste Lächeln. „Ein kölnischer Kauz, dessen dürfen Sie versichert sein, gnädiges Fräulein. Spannen Sie Ihre Erwartungen nicht zn hoch, soweit ich ihn kenne, verdient er dieses gütige Interesse gar nicht." „Er ist eifersüchtig ans diesen Richard Adler, dachte Mah. und laut fügte sie hinzu: „Beschreiben Sie mir doch das Aentzero des Dichters, da er Ihr Freund ist. kann es Ihnen nicht schwer fallen — vielleicht haben Sie seine Photographie in der Tasche?" „Ich werde mich hüten! — Eine Schönheit ist Ihr Schriftsteller nicht, meine Gnädige, und zn beschreiben ist da auch nicht viel — ein verhutzeltes Gesicht, eisgraues Haar —" „O nein, es ist nicht möglich!" wehrte May entsetzt. „Eine echte Bierstimme und Augen, die ein bedenkliches Kreuzfeuer ansstrahlen, ein unrasiertes Kinn, das mit dem Kopfe eines Igels Spuren von Aehnlichkeit aufweist —" Mah lehnte sich schmollend zurück, ihr ganzes Wesen war ein stummer. aber entschiedener Protest. „Ich danke Ihnen, Herr von Lukado —" wie hübsch der Name in der fremden Betonung von ihren Lippen klang — „be mühen Sie sich nicht weiter." Wie vornehm und gelassen sie ihn zurechtwies, — Theodors Wohlge- fallen ging in ein stummes Entzücken über. Auch er lehnte sich zurück und schloß die Augen, aber die anmutigen Züge seines Gegermber sah er doch deutlich vor sich. Wie frisch und natürlich sie war, und dann, was ihn mit heimlichem Stolz erfüllte — Weiter kam er in seinen Betrachtungen nicht, — ein schriller Pfiff er tönte, der Zug fuhr langsamer, eine Station kam in Sicht. Als Theodor die Angen öffnete, leuchteten ihm zwei glänzende Sterne entgegen. Mah hatte ihn ungestört angesehen, und immer liebenswerter erschien ihr der dunkle Männerkops, immer schwerer aber auch wurde es ihr ums Herz. Sie hatte gar nicht das Recht, sich für einen Mann zu interessieren und zn erwärmen, sie war ja gebunden, und in törichter Kurzsichtigkeit hatte sie sich die Fessel recht fest geschmiedet. Die Wagentüre wurde geöffnet, ein neuer Fahrgast erschien, ein ele ganter junger Herr. Kaum hatte er sich im Wagen umgesehen, als laute Worte einer herzlichen Begrüßung ertönten. „Das nenne ich einen freundlichen Zufall. Theodor, wie geht's mein alter Junge? Gut natürlich, wer so strebt und arbeitet, fesselt das Glück an seine Schwelle. Und wie du schreibst, du Tausendsassa! Man weiß nicht, ob man den Ingenieur von Lukado oder Richard Adler mehr be wundern soll!" Da war das Wort heraus, was Theodor gefürchtet, sobald er des Freundes ansichtig wurde. Nun wagte er einen einzigen Blick nach dem Platz gegenüber. Aber Mah hatte die zierliche Gestalt in eine Ecke ge schmiegt, ihr Gesicht blieb im Schatten, sie satz ganz reglos, man konnte glauben, sie schlafe. Theodors Freude über das Zusammentreffen klang ein wenig erkünstelt, der Andere in seiner Harmlosigkeit merkte es gar nicht. Er plauderte unaufhörlich. „Du wirst noch ein berühmter Mann werden!" rief er, „deine Dichtungen sind oft geradezu genial!" „Eine solche Uebcrtreibung ist mir noch nicht vorgekommen," meinte Theodor fast ärgerlich, „dich müßten die Herren Kritiker hören!" „Nun, was wahr ist. muß wahr bleiben, ein künstlerisches oder sach liches Urteil darf ich mir nicht erlauben. Aber du sprichst gute, gesunde Gedanken in deinen Werken aus. schilderst prächtige, ehrenfeste Menschen, denen man nacheifern möchte ; so denke ich. sollte jede schriftstellerische Arbeit beschaffen sein. Was nützt uns all der moderne Kram, wenn er herabzieht und nur vorhanden ist, um die Zeit totschlagen zu helfen. Bleibe auf dem eingeschlagenen Wege, und du wirst dir Dank Vieler erwerben, ohne ver weichlichend zu wirken! — Aber nun hat die Freude schon ein Ende, hier mutz ich aussteigen, soll mir eine Dampfmolkerei ansehen. Ans Wiedersehen! Mach' es wahr, besuche mich bald, meine Schwerster wünschte längst, dich kennen zu lernen!" „So grütze sie unbekannterweise von mir!" rief Theodor.