Suche löschen...
Sächsische Volkszeitung : 20.01.1905
- Erscheinungsdatum
- 1905-01-20
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-190501208
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19050120
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19050120
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1905
-
Monat
1905-01
- Tag 1905-01-20
-
Monat
1905-01
-
Jahr
1905
- Titel
- Sächsische Volkszeitung : 20.01.1905
- Autor
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Bringt man nun in kaufmäuuisckzeu Kreisen dieser Ein- richtung, wie aus einer geringen Wahlbeteiligung ersicht lich, nur ein mangelhaftes Interesse entgegen, so ist das recht bedauerlich. Gedenkt man weiter der jahrelangen Be mühungen der Volksvertretung und sozialpolitisch fortge schrittenen Gehilfenorganisation um das Zustandekommen des Gesetzes, so macht die Interesselosigkeit erst recht einen ungünstigen Eindruck. Wenn zudem ein liberales Blatt Ergebnisse der Kausinannsgerichtswahlen zum erwünschten Anlaß nimmt, um bereits von einer „sozialpolitischen lieber- sättigung" des Volkes zu sprechen, so möge die Gehilfen- sclzaft daraus entnehmen, das; Mangel an Verständnis gegen über den zu ihrem Nutzen geschaffenen Einrichtungen die Aussicht auf Verwirklichung weiterer sozialpolitischer Forde rungen nur vermindern kann. Bei den Beisitzerwahlen zu den KanfniaiinSgerichten kommt man, wie es scheint, zu denselben Erfahrungen wie bei den Gewerbegerichtswahlen. Wieviel Mühe hat es nicht gekostet und kostet es vielfach noch heute, die Verständnis losigkeit der Arbeiter bei den Gewerbegerichtswahlen zu überwinden! Zoll eS auch mit den Wahlen zu den Kauf- niannsgerichten bester werden, so gilt es, durch shste in a t i s ch e A n f k l ä r n n g das Interesse zu wecken. Die geeigneten Stiitzpunkte für eine solche Aufklärungsarbeit sind die k a n s in ä n n i s ch e n O r g a n i s a t i o n e n. Diese habe» die Ausgabe, die Standesgenossen anfznklären über die Ausgaben, de» Nutze», die Vorzüge und Wichtigkeit der Kansmannsgerichte. Ties kann zweckmäßig geschehen in öffentliche» Versammlungen, durch Flugblätter, durch anfklürende Artikel in der Fach und Tagespresse, und nicht zuletzt durch Agitation von Person zu Person. Dabei möge man stets ini Aiige behalten, das-, nicht ein einnialiges Niihre» der Werbetrommel ansreicht, nin ein solches Ziel zu erreichen, vielmehr nur nachhaltige Arbeit znin Ziele führt, Linie Agitation von Person zn Person ist nichts zu erreichen. Ta es gilt, die Wähler meistens erst mit der Be deutung des Kansiiiamisgerichtes überhaupt bekannt zn machen, müssen anstlärende Flugblätter verteilt werden. Besondere Gebisenversaminliingen, zn denen wiederum per sönlich eingeladen wird, dienen demselben Zweck. Diese organisierte Werbearbeit ist jedoch nicht nur not wendig, um eine genügende Beteiligung bei den Wahlen zn den Kaufmannsgerichte» zn ergelen, das Gewerbegericht soll in allen Streitfällen, welche das Arbeitsverhältnis be treffen. als billige N e ch t s v r e ch n n g s- bezw. E i n i g u n g s i n s> a » z b e nutzt w e r d e n. Das; dies ge- sclx'be, ist ober nicht zn erivarten, wenn ein grünerer Teil der Geschäüslente sich gor nicht »in die >!aiifmonnsgerichte küminert oder gar nicht einmal über deren Ausgaben nnter- richtel ist. Ebenlotvenig kann ein Kansinannsgei icht mit Erfolg Anträge stellen und Gutachten abgeben oder gar als Einig,nngsonit bei grüneren Streitigkeiten mit Erfolg ein greisen, wenn die überwiegende Mehrbeil der Beteiligten sich von den Wahlen sernbält. Es bot dann eben in der Oefsentlichl'eit gar keine oder nur geringe Autorität. Das; die P r inzi p o l e sich in so kläglich geringem Mos;e bei den Wahlen beteiligen, zeugt zunächst von man gelndeni Verständnis. Liegt es doch auch in deren; Inter esse. dos-, sie eine schnelle und billige Rechtsprechung anrnsen künnen, die stets zunächst eine gütliche Einigung versucht. Welchen Eindruck macht es aber überdies in der Lefsent lichkeit, wenn man von allen Zeiten Kanflente jammern bürt über ibre bedrängte Lage, wenn man endlose .Elogen vernimmt darüber daN. die Gesetzgebung den mittleren und kleineren >!anfman»sstand nicht zn kennen scheine, und dann, wenn die Gesetzgebung überaus wichtige soziale Ein richtungen trisst. mit verblüffender Gleichgültigkeit oder Ge ringschätz,ing derartige Einrichtungen links liege» lösch! Derjenige, den, eS zn viel ist, das; er alle paar Jabre ein mal zur Wabl geben soll, kann doch vor ernsthaften Renten nicht den Anspruch erbeben, Gesellschaft und Gesetzgebung sollten nichts wichtigeres kennen, als den Eanfmannsstand zn retten. Boshafte teilte werde» sogar, wie oben schon angeführt worden, von einer „sozialpolitischen Uebersätti gnng" des Kanfniamisstgndes sprechen. Wir wollen hoffen, das-, Sachsens Hauptstadt durch ein besseres Beispiel vorlencbtet, und durch zahlreiche Wahlbe teilignng beweist, das; der Kansmannsstand von der sozialen Bedeutung dieser Einrichtung Eenntnis hat. ES wäre be dauerlich, wenn hier in Zachsen die hochgehende soziale Be wegung sich als weiter nichts als eine hoble Agitation er wecken würde, die nur schreit, aber von den vorhandenen soziale» Wohltaten keine Kenntnis erlangt bat! Deutscher Neichswft. 2'.'rlin. >21. S tzuna >»' ix. Imiiar 1NG-. A-'ilist-ig eil^digli- li?»!e den Ein, t-eS Ri'ichc-ciic^i- ö » b n » in t e s: t"b?! eulwan i >i!i eine setz'' letzt-.iNi- Debatie. Der .genirrinS'ik'genrt-nete v' r ;k" eaer v grühle einleitenden Swrine INIII 2!li>ä'li»'j eniea Betrieb-HI »velnei' ei,"'i-tzickl nnd Ivüiisctite eine l5re>iii>»"n Ser denis-lieii EiN'i'.l'c.tmsnil'st'l nacti der sozialen Seite >,i,i. indem ü>>er die Tieiis!c>erliäi>nis!e der Arbeiter und Be-mitea »iGir mitgeterl! werden iiii'ckilr. Die Avgein dneteii der anderen ^reiltione" drnelteii aleiet'tasl« ihre Freude über Be- triel'>°!iiit!elaemeiiis»tiait ans. tvorens Dr Piwler kZenE.) die Ivertnotz-' Ergibtvn»i aeil'. dntz die Eiseibakinen im Besitz der Ein-eEtne,teil bleiben iolien und nielil in den Beütz des dleiclieS i'ibergelrni sollen. Daraus entstand eine dieistHudige Debatte Uber die Por- und N iel,teile -er l. Nlatse. lnobei die Ausiebteii sehr auseinand.-raingt'«,. - Morgen findet die Pe-t-Uiina des PastetHts mid F-re»ta i die Newreeduiin der sovaldemol,atiichen Fnternelkalioii über de» Bergarbeiterktreil 'tat. die d-'Shalb um einen Tag ver schoben wurde, weil Minister Möller morgen in, Abgeordneten- haicke der Beratung der Hiberniavoi laae aiilvobnen mich. Politisch'' NundschlNi. Dresden, den IN. Faminr tl)07>. Der Landtag in Tctrnosd ist ans Montag zu- sammenbcrnson Es sind ihm zwei Vorlag m zur Beratung zngegaiigeu. In der einen Vorlage wird der Landlag er sucht. dein Enlschlnsse des Regenten, die Regentschaft bis znr Fällung des Spruchs des Reichsgerichts weiter zn führen, znznstiiinnen. Die zweite Vorlage enthält einen Gesetzentwurf, welcher lautet: Der «wischen Seiner Durch- faucht dem Fürsten Georg zn Schainnbiirg-Lippe und Seiner Erlaucht dem Grase» Leopold zu Lippe Biestesfeld. - Regenten des Fürstentum» Lippe am ü /8. November bis zur endgültigen Erledigung des ThronfolgestrciteS ab geschlossene Schiedsvertrag ist für die Thronfolge im Fürsten tum Lippe maßgebend. Der Landtag soll hierzu seine Zustimmung geben. — Gegen den L«ndtagS«bgr»rdneten Keil, verantwort lichen Redakteur der soziatvemokralischen „Schwäbischen Tagwacht", ist beim Landtag die Genehmigung zur Straf- Verfolgung michgesucht worden wegen Beleidigung des König» von Sachsen durch einen Artikel über die Gräfin Monttgnoso. — Tie Budgetkoinmission des Reichstages setzte am Mittwoch die Beratung des Nachtragsetats für Südwest afrika fort. Tie Summe für die Wiederherstellung der Linie Swatopmund-Windhuk wurde ohne größere Debatte ge nehmigt: die Beratung des Beitrages an die Okavi-Gesell- sclsaft für Beschleunigung der Linie nach Omarurn wurde ansgesetzt und die Vorlegung des Vertrages gefordert. Sehr lebhafte Auseinandersetzungen knüpften sich an die Summe von 200 WO Mark für die Vorarbeiten der Firma Eoppel einer Linie Windhuk -Nehobath. Tr. Spahn (Zentr.) trat für Streichung der Summe ein, da der Vertrag nicht rechts kräftig abgeschlossen wurde, indem der Reichstag nicht gehört wurde. Singer (Soz.) und Storz (Bolkspt.) schlossen sich dem an. Seitens des Kolonialdirektors und Neichsschatz- sekretärs wurde betont, daß man dem Reichstage nur Staatsverträge vorznlegen habe: demgegenüber betonte der Abgeordnete Erzberger (Zentr.), das; es sich gar nicht um Genehmigung der Verträge handle, sondern um die Be willigung der Gelder und somit sei das Budgetrecht verletzt. Tie Firma Eoppel sehe mehr auf dieses als unsere Behörden. Er frage auch an, ob die Linie Lüderitzbncht—Knlnib in der Tat schon gebaut werde, zumal diese durch Scmdwüsten führe. Kolonialdirettor Stübel konnte keine Auskunft geben. Tr. Zpalm (Zentr.) betonte, das; gerade diese Forderung es nötig machte, den Reichstag einznbcrnsen: hier sei das Bndgetrecht schwer verletzt. Andere Redner schlossen sich diesen Ausführungen an: nur Tr. Arendt (Rpt.) wollte die Zmiiine sofort genehmigen und meinte, es handele sich nur ! um einen formellen Streit. Tie Beschlußfassung wurde ans- j gesetzt: am Donnerstag findet Weiterberatung statt. Mit Professor Abbe-Jena ist dieser Tage ein höchst interessanter Mann ans dein Leben geschieden: er hat als Zozialpolitiker zuerst den Gedanken der Gewinnbeteiligung der Arbeiter durchgeführt, allerdings nicht, ohne die bittere Erfahrung machen zu müssen, daß dieses Prinzip nicht alle Wünsche befriedigt: denn auch er hatte einen Ansstand seiner Arbeiter zn erleben. Sein weltbekanntes Institut chirur gischer Instrumente stellte er eigentlich den Arbeitern und Beamten ganz znr Verfügung: der Ueberschus; wurde in der Form der Dividende verteilt. Nach 8 21 steht jedem Arbeiter, der über 21 Jabre alt ist. ein jäbrlicher Urlaub von 12 Arbeitstagen zn, für die der Lohn ungekürzt fortgezahlt wird. Nach § 02 ,,inß sowohl den Beamten wie den Ar beitern zn ehrenamtlicher Tätigkeit im Reichs-, Staats- oder Geineindedienst Urlaub gewährt werden, und zwar bei Fort- zablnng des Lohnes. Wegen der politischen Gesinnung des Einzelnen dürfen Maßregeln nicht eintreten. Die Pensions- perbältnckse sind ebenfalls gut geregelt, auch für die hinter- lassenen Frauen. Den achtstündigen Arbeitstag bat Abbe als nationale Pflicht bezeichnet. Auf Grund rechnerischer Unterlagen »nternabm er 190t j» der „Staatswissenschast- ticben Gesellschaft" den Beweis, das; bei der achtstündigen Arbeitszeit keineswegs weniger geleistet werde als bei längerer Arbeitsdaner. Wie selten ein Mann, war Ernst Abbe uneigennützig. Er bätte vielfacher Millionär sein töniien, wenn er gewollt bätte. Nichts von alledem: Er gründete die Earl Zeis; Stiftung, der die nicht geringen Reingewinne des Unternehmers znflossen. Diele Earl Zeiß- Ztiftnng Earl Zeis; ist der Gründer des Geschäfts — ist zm» Wohltäter der Stadt wie auch der Universität Jena ge worden. Sie stellte die Mittel für verschiedene Institnts- banten der Universität zur Verfügung, sie half die Be- soldiingsanfhessermigeii der Professoren durchführen, sic gab IG Million Mart zmn neuen Universitätsbail, sie baute das VoN'shans mit der Lesehalle und Bibliothek — ein Institut, wie wir es in Deutschland in so vollkommener Form nicht wiedersinden — sie stellte einen hoben Beitrag znr Er richtung eines Volksschwiimiibades in Aussicht nsw. Tie Woblsalnt aller ist die Richtschnur für die Betätigung der Earl Zeis; Stillung, reicher Segen geht von diesem Institut ans. Wie lange mm diese Art des Unternehmens sich hatten tan», ist doch recht fraglich: aber Abbe bat cs sehr gut ge meint. das muß ihm unbedingt zngestanden werden. — Der F-cstungsgcfai'gcnc Hüsscucr win de am I E d. M, nach Weichselniünde gebracht. — Ueber den neuesten Fall Hüsscner bat. wie die Verl. Korr, mitteilt, eine eingehende Untersuchung statt- gestiiiden und ergeben, daß die Darstellungen einer gewissen Presse über den viel besprochenen Fall nicht der Wahrheit entspreche». Hnssencr. der vorschriftswidrig im Besitze eines photographischen Apparates war. hat Ende Oktober eine Blitzlichlanfiiahnie von sechs seiner Mitgefangenen gemacht, aber nicht nach einem Zechgelage; vielmehr sind Limonaden- flaschen für die Aufnahme ziisamweugetragen worden. Die Zinlinerdekorativu auf dem Bilde ist vollständig erfunden. Es Et festgestellt worden. das; dein FestnnqSstnl'cr-gelangeiien Hnssew'r keinerlei Vergünstigung gegenüber anderen Ge fangenen zuteil geworden ist. Wegen der Verstöße gegen die StnbengefängniSordnnng. Mitnahme einesPhotograPhen- apparates und einmaliger Besuch eines Lokales in Koblenz, mobei er den Kirchenurlaub mißbrauchte, ist Hnssencr nach Weichselniünde versetzt worden. Znm Generalstreik im Nuhrgebiet. Die verbreiteten Nachrichten über angebliche Ruhestörungen oder gar Miß- lxmdlnng von Arbeitswilligen sind tendenziös gefärbt und hauptsächlich von der „Rhein.-Wests. Ztg.", dem Organ der Zechenbesitzer, verbreitet, die ibr Mögliches zur Vergiftung dieses neuen wirtschaftlichen Kampfes tut. Am Dienstag brachte das amtliche Kreisblatt eine scharfe Abfubr für das priviscgierte Untcrncbmerorgan wegen seiner aufreizenden Berichterstattung ans Altenessen und Carnap. Die letztere meldet trotzdem wieder, die Ganiisonen in Mülheim und Düsseldorf seien für die notwendig werdende Abfahrt in das Ansstandsgcbiet bereitgestellt. Demgegenüber ist festzu- stellen, daß Oberbürgermeister Zweigert von Essen aus drücklich erklärt lnrt, er würde sich der Entsendung von Militär, wenn nicht eine äußere Notwendigkeit eintrete, widcrsetzen. In Essen hätten sich die Gewerkschaftsführer als Ordner der Polizei zur Verfügung gestellt. Er habe dieses Anerbieten angenommen und den Regierungspräsidenten davon beilachrichtigt. Man sucht die Arbeiter direkt zu Ge walttätigkeiten aufzureizen. — Ueber das Ergebnis der Kon ferenz mit den Regierungsvertretern kann bereits gesagt werden, daß eine Einigung nicht zustande kommt, lveil an« 17. d. M. in der Verhandlung die Vertreter der Bergarbeiter die Erfüllung sämtlicher bereits bekannten Forderungen ver langten, was in der Besprechung mit den Zechenvertretern seitens der letzteren zurückgewiesen werden wird. — Ueber den Preußentag — so nennen die Berlnrec Sozialdemokraten die Delegiertenversammlung vom De zember — ist an: Dienstag abend in der Reichshauptstadt den Genossen referiert worden; dabei fielen manche inter essante Bemerkungen. Jnr ersten Wahlkreis erhielt Genosse Ledebour einen Nasenstüber; ein Redner betrachtete es als eine Ungerechtigkeit und Unanständigkeit, daß Ledebour den Antrag Bernsteins in der Weise, wie er es getan, niederzu- knüppeln suchte. Das ist ja Ledebours Art; er, Redner, halte es aber für unanstänig. Auch im ll. Wahlkreis erhielt derselbe Obergenosse kein Lob; ein Redner Gohl rügte, daß Genosse Ledebour in seinem Schlußwort sich eine Ent gleisung habe zu Schulden kommen lassen und dadurch in den letzten paar Stunden des Parteitages eine gewisse Miß stimmung veranlaßt habe. Wenn man absehen wolle von dem auch nicht ganz eimvandsfreien Auftreten gegen Bern stein, so hätte auf jeden Fall das Vorgehen gegen den „Vor wärts" im Schlußwort unterbleiben müssen. Gohrmann führte die Behandlung Bernsteins durch Ledebour ans per sönliche Gehässigkeit zurück. Nur im 5. und 6. Wahlkreis, wo die Genossen Singer und Ledebour gewählt sind, erhielt letzterer den erstrebten Lorbeertranz um die Stirne ge wunden, weit er die Partei von dem Revisionismus gerettet habe. — Der Vorwurf absichtlicher Unwahrheit war i:n „Vorwärts" gegen den Genüssen Mehring erhoben, d. h. er wird der Lüge geziehen. Es genügt uns. dies fe''zn- stellen zur Beleuchtung der Brüderlichkeit innerhalb der SozialdemotraSie. — Die Wahrheitsliebe bes „Berliner Tageblatts" muß wieder einmal an den Pranger gestellt werden; erst dieser Tage hat es bekanntlich behauptet, daß das Zentrum in der Debatte über den Königsberger Prozeß geschwiegen habe; ganz kleinlaut brachte es nachher die Berichtigung. Aber sein heutiges Verhalten ist noch toller; in dem par lamentarischen Vorbericht über die Sitzung des Reichstages vom Dienstag heißt es: „Abg. Hitze (Zentr.) bell'uwortet eine durchgreifende Neichsfinanzresorm und bedauert die Nichtkändignng der Handelsverträge." Mal, geeilt sich an den Kopf, wenn man dergleichen ließ; denn erstens hat Dr. Hitze gar nicht gesprochen, sondern Ilschert; zweitens sprach dieser nicht über die R-ichsfinanzreionn und Handels- Verträge, sondern über die Gewährung der Beihilfen an Kriegsteilnehmer. Wenn das „Bert. Tagebl." sich noch zn der anständigen Presse rechnet, dann jage es seinen parlamentarischen Bericksterrtatter fort. Die Freisinnige Vereinigung hat derzeit eine innere Krisis dnrchzmnachen. Am letzten Sonntag suchte man sich in einer Sitzung in, Reichstage zu verständigen. Ter natio- nalsoziale Flügel um Barth, Naumann -und Gerlach soll vorerst noch in der Partei gelassen werden; damals herrschte volles Einverständnis darüber, daß an eine Trennung der Partei oder das Ausscheiden eines Teiles derselben nickst ge dacht werden könne. Ebenso war man einig darüber, daß ein enger Zusammenschluß mit allen Anhängern eines ent schiedenen Liberalismus, einerlei welcher Parteirichtung, nach wie vor nachdrücklich anznstreben sei, und begrüßte des halb das. was in Süddeutschland und in Kiel unter eifriger Mitwirkung der früheren nationalsozialen Mitglieder des Wahlvereins in dieser Richtung geschehen ist. Damit ist der Streit innerhalb der kleinen Fraktion nickt gelöst, es wird also weiter gehen, bis Gerlach und Naumann ganz isoliert sind und der Rest znr freisinnigen Volkspartei ab- schwentt. Ter „Vorwärts" meint zu diesem Streit? „Frei sinn" wäre längst nur noch eine Phrase! Parteinamen aber, die ihren Sinn verloren haben, stören nur den politischen Kampf und die Klarheit der politischen Scheidungen. Mag man es bedauern, das; cs in Deutschland nicht möglich ge worden ist, eine demokratische Bourgeoisie entwickelt zn sehen, aber mit Bedauern schasst man keine Tatsachen ans der Welt, und nur mit Tatsachen muß inan rechnen." Also innerhalb der Sozialdemokratie steht man dem „Bloc"-Ge- danken noch kühl gegenüber, der Freisinn ist ihr zn unbe deutend und schwach, um eine gemeinsame Politik gegen das Zentrum machen zn können. Tic katholische Volkspartei in Ungarn ist in der Po litik der letzten Jahre Wege gegangen, welche das Kopf- schütteln anderer katholischen Parteien erregten. Nunmehr sagt Graf Johann Zichh, der Gründer der Volkspartei und langjährige Präsident derselben es selbst. Er legte be- beits vor einem Jabre das Präsidium und die Mitgliedschaft der katholischen Volkspartei als prinzipieller Gegner der Obstruktion zurück und richtete einen offenen Brief an seine Wähler im Szabadbarandcr Bezirk, in dem er erklärte, er habe nicht vermocht „die Verantwortung dafür zn tragen, daß eine christliche, konservative Partei auch nur anscheinend an einer Aktion teilnehme, welche den Glauben der Nation in das konstitutionelle Gefühl der Opposition z» erschüttern geeignet ist." Der Graf setzt dann die Schäden der obstruk- tionollen Taktik auseinander und stellt dis Frage: Durfte die nichtradikale Volkspartei, die als Kämpfer für christliche Prinzipien anfs allcrfesteste auf der Grundlage des Antori- tätdprinzips steht, gestatten, daß das Ansehen des Parla mentarismus so lange Zeit hindurch in solcher Art mit Füßen getreten werde? Durfte sie sich zu diesem Zwecke — schon lange vor dem 18. November — mit Elementen ver bünden. die mit ihr nicht auf derselben Basis stehen? Wäre es nicht ihre Pflicht, im Interesse der Legalität und der Autorität gewesen, schon der gegen die Szellsche Regierung eingcleiteten Obstruktion aufs allcrenergischste in den Weg zu treten, damals lieber mit den Grafen Albert Apponyi und Julius Andrassy die Berührung zu. suchen und mit
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)