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Nr. LL4 — 8. Jahrgantz Sonnabend den »L. Mai 1VL0 MMcheNolkMitulm ENcheliit täglich «ach«, mit Ausnahme der Sonn, und Festtage. AuLaabe t., Mit .Die Zeit in Mort und Bild« dierteljährlich- ».10 In Dresden durch Bote» »,40 X. In gani Deutschland>ei HauS »,8» ^ ' Unabhängiges Tageblatt ''SIdLfür Wahrheit, Recht «nd Freiheit Inserat« werden die «gespaltene Petitzolle oder deren Raum mit LS 4, Reklamen mit SO 4 die Zelle berechnet, bel Wiederholungen entsprechenden Rabatt. 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In Bochum tagte die gläubige katholische Lehrerschaft, dis die Kinder der christlichen Eltern christlich und religiös er- ziehen will, in Straßburg die liberale Lehrerschaft, die ohne Rücksicht auf die Wünsche der christlichen Eltern über das kostbarste Kleinod derselben selbstherrlich verfügen will. Klar und deutlich traten die Prinzipien der beiden Nichkun- gen hervor, man mußte sich entweder für oder gegen den Lehrerliberalismus erklären. Und das ist gut, denn jede Verschwommenheit in der Schulfrage, jede Nachgiebigkeit an den Liberalismus kann zu unheilvollen Konsequenzen führen. Wer die Verhandlungen in Bochu m verfolgt hat, blickt mit freudigem Stolze auf die treue katholische Lehrerschaft, auf die vortrefflichen Männner, die ihre ganze Kraft dem Dienste der Schule im Sinne einer christlichen Erziehung gewidmet haben. Gute Lehrer sind ein großes Glück für die Familie, die Gemeiirde und den Staat. Der Wert sol- cher Volkserzieher kann nicht hoch genug cingeschätzt werden. Dies wird immer mehr erkannt und gewürdigt, je größer die Stoßkraft der liberalen Lehrer gegen die christliche kon fessionelle Schule wird; der Schuh dieser liegt in der Hand der gläubigen Lehrer. Wir brachten in der gestrigen Num mer die herrlichen Worte des hochw. Bischofs Dr. Schulte von Paderborn, die er am 17. d. M. auf der Hauptversamm lung des katholischen LehrerverbandeS zu Bochum sprach. Für diese goldenen Worte danken die katholischen Eltern dem Oberhirten. Sie geben die Richtschnur, die wir in der Schule zur Lösung der Erziehungsfrage eingeschlagen wünschen. „Persönlichkeitspflege, Entwickelung des Fort schrittes und soziales Bewußtsein sind die drei großen Fra gen, die an die Tore unserer Zeit und unserer Schule pochen. Aber schließlich gehen diese drei Fragen auf eine einzige zurück, auf das Wort „Persönlichkeit"! Persönlich keit aber ist ein unbeschriebenes Blatt und es kommt alles auf den Inhalt an, der auf das Blatt geschrieben wird. Und darin liegt der Kulturwert unseres Christentums, daß es dem Menschen Antwort gibt auf die tiefsten Fragen nach dem Woher und Wohin, daß es dem Menschen in allen Lebenslagen Ideale und Ziele zeigt, die dieses irdische Da sein wahrhaft lebenswert machen. Indem das Christentum so den Verstand erleuchtet, stählt und stärkt es auch den Willen zu edlem Streben. Christus ist die Person, nach der sich die Erziehung zur Persönlichkeit richten muß. Er ist unser bester Meister, seine Lehre die beste Schule und sein Leben unser bestes Vorbild!" Diesen programmatischen Sätzen stimmte die ganze Versammlung jubelnd zu und tausende von katholischen Lehrern, die nicht anwesend sein konnten, tun dasselbe. Das ganze katholische Volk unterschreibt die Worte des Bischofs: Alles für Christus und alles durch Christus! Auf dieser Arbeit wird und muß der göttliche Segen ruhen: da arbei tet der Lehrer-Weingärtner nicht umsonst, wenn er die jungen Reben bindet und zieht. Wie ganz anders sieht das Bild in Straßburg aus, wo der liberale Lehrerverein seine Fahne erhob und seine Grundsätze verkündete. Es war aber eine Propaganda- und Agitationsversammlung zur Köderung der katholischen Lehrer von Elsaß-Lothringen. Daher sandte man zuerst einen katholischen Lehrer aus Bayern voraus. Er sollte den Verein verteidigen gegen den ihm gemachten Vor wurf, daß er gegen den Einfluß der Religion in Schulfragen ankämpfe, wie die beiden Bischöfe von Straßburg und Metz anfangs Januar in ihren Briefen an den Staatssekretär Freiherrn Zorn v. Bulach nachwiesen. Der katholische Leh rer brauchte die alte liberale Phrase, um nachzuweisen, daß der Deutsche Lehrervercin christlich sei. Am besten hak sie der Lehrer Salchow widerlegt, der auf der Straßburger Versammlung am 18. Mai sprach. Sein Thema lautete: „Schulleitung und Schulaufsicht." Dem Berichte des „Berl. Lokalanz." entnehmen wir folgende Stellen: „Bei der Uebcrtragung der Schulaufsicht auf die Geist lichen, ob sie im Hauptamte oder im Nebenamts tätig sind, hat der Staat ein großes Wagnis begangen. Die Geschichte der Kirche bietet nicht die sichere Gewähr dafür, daß bei der Ausübung der Schulaufsicht nur das Interesse des Staates als oberster Grundsatz proklamiert werde.... Es muß die Volksschule von dem Einflüsse der Kirche befreit werden. Und sie wird sich frei machen, denn eine solche Kirche, die sich nicht auf sich selbst verlassen kann, sondern auf den Schultern der jugendlichen Volksschule sich stützen muß, um auf die Massen Einfluß auszuüben und ihre Macht zu ent falten, kann den Siegeslauf der jugendstarkcn Volksschule auf dis Dauer nicht hemmen. (Lebhafte Zustimmung.) Kirche und Schule können nur als gleichwertige Kultur anstalten angesehen werden, die einander koordiniert sind. Die Schule ist nicht mehr die Magd der Kirche. (Erneute lebhafte Zustimmung.) Es soll aber nicht nur die geistliche Ortsschulaufsicht in Wegfall kommen, sondern überhaupt jede Ortsschnlaussicht soll beseitigt werden. Der hauptamt liche Kreisschulinspcktor soll in Zukunft der unterste Auf- sichtsbeamte sein. Alle Schulaufsichtsbeamten müssen Fach leute sein, das heißt sie müssen sich im Volksschuldienste be währt haben. Die heutige Forderung heißt: Die Volks schule deu Volksschulpädagogen I (Sehr richtig!) Der Schulleitung sind keinerlei Schulaufsichtsrechte zu übertra gen. Vielmehr muß die Selbständigkeit und Selbstverant wortlichkeit der einzelnen Klassenlehrer sowohl als auch der Lehrerkonferenz, die ja das berufene Organ des Lehrer kollegiums ist, erhöht werden. Den Bestrebungen der Schul leiter, die darauf hinausgehen, ihre Machtbefugnisse zu er weitern, muß von seiten der Lehrerschaft energisch entgegcn- getreten werden; denn das könnte nur auf Kosten der Selbständigkeit der einzelnen Lehrer geschehen. Dem Schul leiter, der ausübendes Organ der Schulleitung und nicht der Schulaufsicht ist, sind keinerlei Disziplinarbefugnisse zu- zugestehen, noch hat er das Recht, dem Lehrer über dessen außeramtliches Benehmen Vorhaltungen zu machen." Diese Leitsätze aber waren dem Korreferenten nicht weitgehend genug; er stellte den „Schutz der Unabhängigkeit des Klassenlehrers" in den Vordergrund. In der ganzen Debatte zeigte sich kein Widerspruch gegen diese Sätze, wohl aber führte der erste Diskussionsredner Schulrat Sche rer aus: „Dagegen muß sehr scharf zurllckgewiesen werden, daß denElterndie Aufsicht mit in die Hand gelegt wird. Wir sollten uns eine Organisation schaffen, die die Interessen des Kindes und des Staates wahrt, dann werden sich die anderen Verhältnisse sehr leicht regeln." Also so weit sind die liberalen Lehrer bereits gekom men, daß sie den Eltern der ihnen anvertrauten Kindern keinerlei Aufsichtsrecht zugestehen wollen. Fa, die Lehrer selbst scheinen sich gegen jede Aufsicht ablehnend zu verhal ten. Dafür stellen sie den modernen Götzen: Unabhängig keit des Klassenlehrers in den Vordergrund ihrer Bestre bungen, sie wollen eine Ausnahmestellung einnehmen, wie sie kein Stand des Staates besitzt. Wie kann man denn die Erziehung von unmündigen Kindern Männern anver trauen, die keinerlei Autorität über sich anerkennen wollen? Bochum und Straßburg sind die Scheidewege für die Lehrer, wie für die Eltern.. In Bochum steht Christus mit seiner Milde und Güte im Mittelpunkte: er ist die Sonne des Unterrichtes und der Erziehung und da können die Eltern ihre Kinder unbesorgt hinsenden. In Straß- burg aber ist die unbegrenzte Selbstsucht, um nicht zu sagen törichte Eitelkeit des menschlichen Wissens, die das große und schwere Erziehungswerk leisten will. Wie aber werden die Erfolge sein? Der Geist, der in Bochum sprach, wird gute Menschen, brave Christen und treue Staatsbür ger erziehen. Die Straßburger Richtung aber wird Cha raktere großziehen, denen Selbstbeherrschung und Opfer sinn fremde Begriffe sind, denen der Kult der eigenen Per sönlichkeit als erstes Gebot gilt, Leute also, die sozialdemo kratische Lebensanschauungen mit auf den Weg bekommen. Politische Rundschau. Dresden, den 20. Mai 1910. — Die Zeppeliu-Jnterpellatiou, die nach dem „Leip- ziger Tageblatt" nach Wiederzusammentritt des Reichstages bevorstehen soll, wird nach dem genannten Blatte nicht mit den amtlichen Erklärungen über die Zeppelin-Kata strophe bei Weilburg erledigt sein, sondern zu einer Auf forderung an die Reichsregierung führen, den Grafen Zeppelin zur Abgabe eines Gutachtens über die technischen Ursachen der Katastrophe z:i veranlassen. — DaS Zentrum beschloß, bet der Reichstagsersatzwahl in Friedberg-Büdingen schon im ersten Wahlgange für den Bund der Landwirte einzutreten. — Ter Vcrbandstag katholischer Vereine erwerbs tätiger Frauen und Mädchen beschäftigte sich am 18. d. M. abends in der letzten Sitzung mit der Durchführung der beruflichen Gliederung. Eine Reihe weiterer Anträge, di? eine Reform des Krankenkassenunterstützungswesens des Verbandes bezwecken, werden angenommen. Eine dritte Gruppe von Anträgen endlich betrifft die Durchführung der Bezirksangliederung. Auf Antrag der Verbands leitung wurde folgende Aenderung des 8 14 der Verbands satzung beschlossen. 8 14 soll in Zukunft lauten: 1. Der vor aus- Auf kühl chen aus !and am wir ahre Ist. )rgs ligs die sich laar riese ver ein Der Wettenbummler. Das war nichts! Nein gar nichts! So ein Schwindel meyer, dieser Komet! Statt Halley wollen wir ihn lieber Halunke nennen, weil er die Menschheit schnöde betrogen hat. So und ähnlich polterten heute müde Leute, die in -er Kometennacht auf Weltallabenteuer ausgegangen waren. Man tut dem Kometen Unrecht. Hat er selbst uns etwas versprochen? Hat er sich anheischig gemacht, mit sei nem Bahnschweife die irdische Porzellankammer auszu- fegen? Oder hat er uns mit der Blausäure gedroht? Oder hat er uns wenigstens elektrische Spantlungen und etwas Nordlicht in Aussicht gestellt? Nichts von alledem. Er ist unschuldig an der windigen Reklame, die mit ihm und für ihn gemacht worden ist. Irdische Professoren haben ohne Auftrag uns Wunderdinge vorerzählt von dem Schweife, der 40 bis 50 Millionen Kilometer lang sein und unge ahnte Kräfte entwickeln soll. Während der Komet still und friedlich seinen vorgeschriebenen Dauermarsch durch das Weltall absolviert, haben sich auf der „intellektuellen" Erde freiwillige Marktschreier aufgetan, die ihn anpriesen wie ein neues Buch von Frenssen oder ein neues Stück von Hauptmann. „Ter Himmel behüte mich vor meinen Freun den," kann der Komet seufzen. Der gute alte Haarstern hat enttäuscht, weil man zu viel von ihm prophezeit hatte. Irgend etwas außerordentliches ist nicht beobachtet worden. Die elektrischen Apparate haben gar keine Unruhe gezeigt. Wo sich die aufgehende Sonne entschleiert hatte, vermochten die besten Fernrohre von dem Kern des Ko meten, der vor der Sonnenscheibe vorüber ging, nicht die Spur zu entdecken. Daraus ergibt sich die Schlußfolgerung, daß der feste Kern des Kometen sehr klein sein muß oder daß er überhaupt keinen Kern hat, der nicht die Sonnen strahlen durchließe. Da drängt sich denn die Vermutung auf, daß es mit dem vielbeschrieenen Schweife auch nicht so riesig bestellt sei, wie man uns vorerzählt hatte. Die nächsten Tage werden darüber Klarheit schaffen, da wir ja nunmehr das Weltwunder abends nach Sonnenuntergang am nordwestlichen Himmel in Muße betrachten können. Die Gelehrten sagen, dieser selbe Halleysche Komet laufe schon seit mehreren tausend Jahren seinen gewohnten Weg und sei regelmäßig viermal in drei Jahrhunderten der Erde nahe gekommen. Nun, wenn der alte Herr so häufig schon ein „Sonnnenbad" genommen hat, bei dem er einen Teil seines Bestandes in schweifartigen Gasausströmungen von sich gibt, so wird er wohl allmählich zusammenge- schrumpft sein. Alles altert, auch die Sterne; wir Menschen machen es schnell, die Sterne langsam, aber sicher. Die Angst vor dem Kometen wird nun Wohl ausge räumt sein. Aber zur Steuer der Wahrheit muß festgestcllt werden, daß die Angst sich durchaus nicht auf die ländlichen Gegenden und die sogenannten „rückständigen" Bevölke rungsteile beschränkt oder gar nur in Nom ihren Sitz hat, wie die Dresdner Tante aus der Marienstraße gestern so unverschämt log, sondern auch auf dem großstädtischen Asphalt und in den „aufgeklärten" Kreisen Dresdens ihre Opfer gefunden hat. Ich habe hier manche gefunden, die mit gespannten Nerven und sprunghaftem Herzschlage dem Durchgang der Erde durch den Kometenschweif entgegen- sahen. Auch die forcierte Lustigkeit in der kritischen Nacht war vielfach nur ein Deckmantel für die innere Un ruhe. Ein „alldeutsches" Blatt verstieg sich gestern in einem schwülstigen Kometenartikel zu der Behauptung, die roma nischen Völker sähen der Ankunft mit Angstgebeten ent gegen, die germanischen Völker aber in edlem Wissens drange auf improvisierten Sternwarten. Ein pharisäischer Unsinn! An der Beobachtung haben sich alle Kulturnatio nen beteiligt, und was die Aengstlichkeit angeht, so hat dis zum Beispiel in Nordamerika sich sehr stark bemerklich ge macht, und dort ist die Bevölkerung in der großen Mehrzahl von germanischer Abkunft und von — protestantischer Kon fession. Ucbrigens weiß man ja längst, daß der Aber glaube nirgends besser blüht (und auch nirgends besser aus- gebeutet wird), als im protestantischen und neuheidnischen Berlin. Die Vorsehung im Himmel hat die Welten geschaffen und ihnen ihren Beruf angewiesen; sie wacht über die Aus führung des Weltenprogramms bis zu dem jüngsten Tage der Liquidation, Auflösung und Abrechnung. Der Christ, der den Heilsplan Gottes auf Erden näher betrachtet hat, wird es bei ruhiger Ueberlegung als ausgeschlossen halten, daß der allweise Schöpfer und liebevolle Erlöser durch einen abgeirrten Wandelstern vorzeitig die Entwickelung der Menschheit unterbrechen lasse. Der Komet ist früher viel- fach als eine Zuchtrute bezeichnet worden, die Gott am Himmel ausgcstrcckt habe. Er hat aber nur äußerliche Aehnlichkeit mit einer Zuchtrute. Er ist vielmehr ein Ruf zeichen am Himmel, das uns mahnen soll, im Erdengetriebe nicht auf das Höhere zu vergessen. in .. ^