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Sächsische Volkszeitung : 13.03.1910
- Erscheinungsdatum
- 1910-03-13
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-191003135
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19100313
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19100313
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1910
-
Monat
1910-03
- Tag 1910-03-13
-
Monat
1910-03
-
Jahr
1910
- Titel
- Sächsische Volkszeitung : 13.03.1910
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Diesen Glauben hat Herr Professor von Ruville preisgegeben. Allerdings! Und er tat gut daran. Der Riesengeist eines Denifle hat am Ende seines be rühmten Werkes die Parole in die Welt hinausgerufen: ..Zurück zur K i r ch ei" Ruville hat den Ruf verstanden, ausgenommen und weitergegeben: „Zurück zur heiligen Kirche!" Seine ehemaligen Glaubensgenossen aber hören und sehen nichts, zu weit entfernt von der Wahrheit, geht für sie das Warnungssignal unter im Sturme eines tobenden Meeres von Irr- und Unglauben. Das stolze Schiff der „Reformation", das mit tausend Masten hinausfuhr auf die hohe See, die unheilvolle Bahn zu laufen, die Luther ihm gewiesen, wird, von Meer zu Meer getrieben, mit zerrissenen Segeln und zersplitterten Masten sich neigen, sinken und endlich zerschellen am Granit- felsen der einen, heiligen und ewigen Kirche Jesu Christi I 8. Deutscher Reichstag. Der Reichstag hatte sich am Freitag mit der Inter pellation der Sozialdemokraten betreffend die Wahlrechts- demonstratton zu befassen. Der Begründung der Anfrage durch den Abg. Ledebour folgte eine Antwort des Staats sekretärs Delbrück, der dem Polizeipräsidenten recht gab. Die Redner aus dem Hause waren alle — bis auf den Abg. Müller Meiningen (Fr. Dpt.) — darin einig, daß diese Wahlrechtsdemonstrationen zu verwerfen sind. Nach der Besprechung der Anfrage wurde die Beratung des PostetatS fortgesetzt. Eine größere Debatte entstand nicht mehr; es wurden nur noch Einzel- und Spezialwünsche vorgetragen und der Etat verabschiedet. Ic. Berlin. Sitzun, vom tl. März >810. Auf der Tagesordnung steht die sozialdemokratische Inter pellation über das Verbot der Wahl-echt-demonstration in Berlin. Staatssekretär Delbrück erklärt sich bereit, die Anfrage so fort zu beaniworten. Abg. Ledebour (Soz) begründet die Anfrage. Nur wo die Polizei cingriff, kam es zu Zusammenstößen. Herr v. J'gotv wollt' aber solche provozieren, damit Menschen verletzt würden. tObol) DaS Verbot erfolgte rechtswidrig. Das Volk läßt sich diese Behandlung nicht mehr gefallen. Die Regierung selbst untei- gräbt die Autorität de? heutigen Regimes. Wenn die Negierung so fortfährt, wird und muß der Zusammenbruch kommen, die Volks bewegung wird weitergrcifen und andere Ziele sich setzen. Dann wird noch ganz anderes historisches cheritmpel tn die Rumpel kammer geworfen. (Beifall links.) Staatssekretär Delbrück: Zwei fragen stehe» zur Beant wortung: 1. hat der Polizeipräsident das ReichsveretnSgeletz ver letzt? 2. WaS gedenkt dann der Reichskanzler zu tun? Der Reichs kanzler kann letzteres nur durch die Zentralinstanz der Bundes staaten tun. einen dtrellen Einfluß hat er nicht. Für den Treptower Park wurde eine Genehmigung nicht nachgesucht und der Park dann gesperrt. Ob der Polizeipräsident nach dem Gesetz berechtigt war, die öffentlichen Versammlungen zu untersagen, wird unter sucht. Das Beschwerdevsrfuhren ist anhängig und wird durch alle Instanzen getrieben werden. Aber das Enburteil muß ich erst nb- warten. Die Polizei hat nur zu fragen, ob eine Gefährdung der Sicherheit zu befürchten ist oder nicht. Dabei spielt daS subjektive Empfinden eine starke Rolle aber eine Reibe von Gründen liegen vor, die dieses subjektive Empfinden unterstützen Der Zweck der Versammlung darf allein nicht zum Verbot fr!h en, aber eine Reihe vou Begleiterscheinungen sind zu prüfen unv zu beachten So hat ein Teil der Polizeibehörden Demonstrationözüge genehmigt, ein Teil versagt Zurzeit liegt keine Veranlassung vor. gegen dos Ver halten der preußischen Br Hörden aufzutreten. Das Verbot der öffentlichen Versammlung ist durch den .Spaziergang" umgangen worden und darum mußte eingeschritien werden. Der Gang der Dinge Hai dem Polizeipräsidenten recht gcg bcn. Ich bin am Sonntag auch im Tiergarten gewesen. (Bravo! links. Stürmische Heiterkeit) Aber ich habe gesehen, daß es sich doch um einen Aufzug gehandelt hat! Die Lerne wclltrn sich im Tiergarten nicht nur an dem schönen Wetter erfreuen. Nach den LandeSgcfitzen mußte dann die Polizei einschrctlcn. Ob einzelne Polizcioraane richtig handelten, kann hier nicht untersucht werden. Wenn F-auen und Kinder du ch das Eingreifen der Polinet geschädigt w rrdrn, so ist das zu beklagen: dt? Polizei kann auch einmal die Nerven verlieren, siür solche Vorfälle ist nicht der leitende Staatsmann veranlwortltch, sondern jene, die ohne Genehmigung solche Ver anstaltungen treffen. (Beifall ) Auf Antrag des Abgeordneten B ebel findet die Besprechung der Anfrage statt. Abg. Freiherr v. Hertling (Zcntr.) geht nur auf die Be sprechung des Wortlautes der Anfrage ein. Da» Zentrum hält daran fest, daß da» Verbot der Aufzüge nur da»» erfolgen darf, ivcnn Gefahr für die öffentliche Sicherheit besteht. Die Ent scheidung muß daher von Falt zu Fall erfolgen und ist auch so erfolgt. Wenn 2Gi(>0> Menschen aufmarschiercn, dann ist eine Gefahr da: an die politisch Geschulten reihen sich in Großstädten z» leicht jene an. die Radau machen wollen. (Sehr richtig!) Dann erfolgen Demonstrationen. DaS läßt sich nicht verhüten. Auf Worte folgen dann Talen. Die Entscheidung der Behörde kann angefochtcn werden. DaS Berwaltmigsstreitverfahren muß ent scheide». In clncm solchen Zustand kann der Reichstag nicht ent scheide». (Beifall im Zentrum! Lärm links.) Abg. Dr Funk (natl): Der Reichstag ist zuständig, da cs sich um ein ReichSgcsei; handelt; aber nicht jeder Einzelfalt sollte hier besprochen werocii. Rur prinzipielle Entscheidungen sind hier zu besprechen. Wir muffen die Entscheidung der Berichte ob- warien Abg. Freiherr v. Richt Hofen (kons.): Wir fürchten uns vor der Behandlung solcher Fragen nicht; wir habe» ein gutes Ecwisscn. Es kam zu Unruhen. waS die Haltung der Polizei rechtfertigt (Frankfurt, Reiimünstcr »sw). Wen» die heutigen Mittel zur Bekämpfung der Sozialdemokratie und Revolution nicht ausreichcn, dann müssen neue Mittel gegeben werden. (Bei fall rechts!) Abg Dr. Müller-Meiningen (Freis. VolkSp.): Wie haben sich die Zeile» geändert! Heute legt Freiherr v. Hertling das Vcrcinsgcsel; so reaktionär aus. wie sonst niemand; aber wie waren die Reden Grübers bei der Schaffung de« Gesetzes? .Karl, wie hast du dich verändert." (Heiterkeit!) Die Konscroaiioen^hadcn Angst. (Heiterkeit!, Es hand.il sich »m ein preußische? System. Die Maßnahme» der Polizei müssen das Unbehagen aller Kreise erregen: denn unser Volk ist mündig. (Beifall ) Abg. v. Dirks en (ReichSp.): Die Interpellation hätte in umgckehrlcr Weise gestellt werden müssen; das Bürgertum muß sich beschweren. Diese Unverfrorenheit der sozialdemokraiischcn Partei hak mich überrascht. (Vizepräsident Dr. Spahn rügt den Ausdruck „Unverfrorenhcil".) Dann sage ich Unbefangenheit. (Heiterkeit!) Man könnte im Zweifel sein, ob diese Frage beant wortet werden soll: wir hätten Nichtbeantwortiing lieber gesehen. Tie Sozialdemokratie trägt de» Terror auf die Straße. Nach kurzen Erklärungen der Abgeordneten Czarlinskt (Pole), Lieber mann v Sonnenberg (W. Ver.i »nd Werner (Antis.) meint Abg. -Heine (Sozd). daß gerade dieser Fall zu einer Interpellation sich eigene. Die ganze Welt lacht über »nS. Der Reichstag hat zu sprechen und nach ihm hat das Gericht sich zu richten. Der Reichskanzler hat liberal schille.nde Versprechungen gegeben und heute? Die Besprechung ist erledigt. ES folgt der Antrag Geck, die Strafverfolgung gegen ihn freizugeben. Die Kommission beantragt Ablehnung dcS besuche«; Geck beantragt, die Genehmigung zu erteilen, da eS sich um einen politsschen Zweck handele (Senbarte-Geck in Sachen der BadcanstaltSgcschtchir). Der Antrag Geck wird angenommen. ES wird der Postetat weiterberaten. Eine Reihe von Titeln wird nach kurzer Debatte angenommen. Eine Reihe von Lokalwünschen und Bramtenwünschen wird vorgetragen von den Abgeordnete» v. EarstenS (Freis. Bolksp), Eickhoff (Freis. Bolksp ), Hamecher (Zcntr.), Behren» (W. Vrr) und Bassermann (natl.) Der Rest de» Postetats wird ohne größere Debatte an genommen. Die Ostmarkenzulage wird mit WS gegen 94 Stimmen ab gelehnt; aber das HauS ist beschlußunfähig. ES findet eine neue Sitzung statt in einer Viertelstunde. Nächste Sitzung Sonnabend 1 Uhr: Kleinere Etats. Schluß >/r» Uhr. Politische Rundschau. Dresden, den 12. März 19t0. — Prinz und Prinzessin Eitel Friedrich schifften sich in Neapel am 1l. d. M. auf dem Dampfer Prinz Heinrich des Norddeutschen Lloyd nach Alexandria ein. — Die SchiffahrtSabgabeu und die Schweiz. Die von Preußen geplanten Schiffahrtsabgaben haben auch in der Schweiz einiges Unbehagen verursacht. Man befürchtet, daß sie die erst in den Anfängen stehende Schiffahrt auf dem Oberrhein wieder vernichten werden. Bis jetzt tonnte die Schiffahrt Slraßburg—Basel noch nicht aus eigenen Füßen sieben; sie bedarf noch immer der staatlichen Sub vention von Basel und der Schweiz. Kommen Schiff- fahrtSabgaben hinzu, dann dürfte der Güterverkehr wieder ernstlich stocken; denn eine Rendite der Rheinschiffahrt wäre in absehbarer Zeit kaum zu erwarten. Die Schiffbar machung des Rheins bis zum Bodensee würde man hier zwar sehr begrüßen; aber von ihren üblen Begleiterschei nungen möchte man gerne verschont bleiben. Doch gegen SchiffahrtSabgabeu auf dem Rhein eine Protestbewegung einzuleiten, ist nicht beabsichtigt; dagegen gedenkt man in maßgebenden schweizerischen Kreisen sich dem Protest Oesterreichs anzuschlteßen. — Die ReichStagSfraktio« der Fortschrittlichen Volks- Partei hat am Mittwochabend auf Grund der von einem Ausschuß vorgeschlagenen Vereinbarungen über ein Fraktions- statut die endgültige Konstituierung vorgenommen. Der Fraktionsvorstand besteht aus sieben Mitgliedern. Vor sitzender ist Abg. Dr. Wiemer, Stellvertreter die Abgeord neten Kaempf. Dr. Müller-Meiningen, v. Payer und Schräder. Zu Beisitzern wurden berufen die Abg. Dove und Dr. Mugdan. Der letztere übernimmt zugleich die Führung der Kasten und sonstiger interner Fraktions- Geschäfte. Die bisherigen Hospitanten Ahlhorn. Graf Bothmer, Enders und Dr. Heckscher sind, wie schon gemeldet, der Fraktion beigetreten. — Die preußische Landtagsfraktion der Fortschrittlichen Volkspartei hat sich am Donnerstage konstituiert und zu ihrem Vorsitzenden den Abg. Fischbeck, zum Stellvertreter den Abg. Dr. Pochnicke gewählt. Alles übrige ist der end gültigen Regelung durch das Fraktionsstatut Vorbehalten worden, das baldigst ausgearbeitet werden soll. — DaS preußische Abgeordnetenhaus begann am Frei- tage die 2. Lesung der Wahlrechtsvorlage. Wie voraus- zusehen war, sind in allen Teilen die Kommissionsanträge angenommen, soweit geheime und direkte Wahl zur Be ratung stand. Die Debatten hatten wenig Fesselndes und bei der Abstimmung ging es recht kunterbunt durcheinander. Das Bemerkenswerteste der Sitzung ist: der Ministerpräsident »nd zwei Minister saßen die ganze Sitzung da und sprachen kein Wort. Soll daraus geschlossen werden, daß die Minister selbst damit rechnen, daß diese Beschlüsse nicht Gesetz werden? Die Minister setzen also ihre Hoffnung auf das Herrenhaus. — Tic Rcichsvcrsichcrilirgsordilung. Der soeben vom Bundesrate verabschiedete Entwurf der Neichsvcrsicherungs- ordnung weicht nur i» Einzelheiten von dem vor Jahres frist veröffentlichten und von den berufenen Stellen in wesentlichen, griindsößlichen Punkten abfällig beurteilten Vorentwnrf ab. So ist die von vielen Seiten erhobene For derung. von einer Hälftelung der Beiträge und der Zusam mensetzung des Vorstandes der Krankenkassen abzusehen, imd es bei der bisherigen Verteilung (zwei Drittel Arbeit nehmer und ein Drittel Arbeitgeber) zu belassen, vom Bun- desrate nicht berücksichtigt worden. Fast ganz unverändert ist der Abschnitt über die Hinterbliebenenversicheriing. Es bleibt also dabei, daß diese an die Invalidenversicherung an gegliedert werden soll. Das Reich zahlt Zuschüsse von 50 Mark zu jeder Invaliden-, Alters-, Witwen- und Witwer- Rente, 50 Mark z» jedem Witwengeld, 25 Mark jährlich zu jeder Waisenrente und lO^ß Mark zu jeder Waisenaussteuer. Tie Beiträge der Versicherten »nd Arbeitgeber werden nicht gesondert, sondern mit den Beiträgen für die Jnvaliden- >uid Altersversicherung erhoben, die dadurch eine Erhöhung von durchschnittlich 25 Prozent erfahren werden Neben lei bemerkt, kann man eigentlich nicht von einer Witwen rente. sondern von einer Witweninvalidenrente sprechen, la die erwerbsfähige Witwe nach dem Entwürfe nichts er halten soll. Beibehalten ans dem Vorentwurfe ist auch eine allen Bersichernngszweigcn und allen Versichcrungs- trägern gemeinsame Organisation, nämlich: Versicherungs- amt, Obervcrsichcriingsamt und Reichsversicherungsamt. Das Versichernngsamt soll für die Unfall-, Invaliden- und Hinterbliebenenversicheriing den gemeinsamen Unterbau lilden und gleichzeitig für die Krankenversicherung als Auf- sichtsinstanz dienen. Ferner stellt es das Bindeglied zwi schen allen Versicherungszweigen her und erfüllt die mannig fachen Aufgaben, die gegenwärtig einer ganzen Reihe von Behörden, den Genieinde-, den unteren und oberen Verwal tnngsbehörden ». a. obliegen. Vcrsicherungsämter und Oberversicherungsämter sollen auch als Schiedsorgane bei Streitigkeiten zwischen Aerzten und Kassen oder Apotheken und Kassen fungieren. Man rechnet mit der Errichtung von mindestens 800 Versicherungsämtern, was auch kaum zu hoch gegriffen ist. Jedenfalls wird also diese Organisa tion ganz gewaltige Mehrunkosten verursachen. Hinsichtlich der Krankenversicherung bleibt es bei der Erweiterung des Kreises der Versichkrungspflichtigen, der in Zukunft alle gegen die Invalidität versicherten Personen, also insbeson dere auch die la»d- und forstwirtschaftlichen Arbeiter, die im Wandergewerbe und in der Industrie, sowie die nicht ständig beschäftigten Arbeiter und das Gesinde umfassen soll. Einbezogen sollen auch die nicht über 2000 Mark Jahresgage beziehenden Bühnen- und Orchestcrmitglieder werden, ohne Rücksicht auf den Kunstwert ihrer Leistungen. WaS die Organisation der Krankenversicherung betrifft, zwar die Gemeindekrankenversicherung beseitigen, dagegen die Be- triebs- und Jnnungskrankenkassen beibehalten. Der Ent wurf wird Wohl erst nach Ostern in Beratung genommen werden. — Die erste Niederlage der neuen Partei. Bei der preußischen Landtagsersatzwahl in Halle-Herford ist am Dienstag der bündlerisch-nationalliberale Kandidat Meyer zu Jerrendorf mit 826 Stimmen gewählt worden. Der freisinnige Kandidat Kiel erhielt 417, der christlichsoziale Kandidat Lindemann 66 Stimmen. Bei den allgemeinen Wahlen war der Kandidat der freisinnigen Volkspartei Lorentz niit 697 gegen 447 konservativ-christlichsoziale Stim men gewählt worden, die auf den Liz. Mumm fielen. Da mals hatten die Sozialdemokraten, um die Kandidatur Mumm zu Falle zu bringen, sofort mit den Nationallibe- ralen und Freisinnigen für Lorentz gestimmt. Diesmal stellten die Nationalliberalen unter Bruch des im Jahre 1908 abgeschlossenen Kompromisses ihrerseits einen Kandi daten, den Bündler Meyer zu Jerrendorf auf, für den zu stimmen auch die Konservativen beschlossen. Die „Freis. Zeitg." bemerkt in ihrem Schmerze ob dieses Geburtstags- gescheutes: „Das Verhalten der Nationalliberalen in Halle- Herford hat weit über den Wahlkreis hinaus und nicht nur bei den Freisinnigen das peinlichste Aufsehen erregt." — Bei der preußischen LandtagSrrsatzwahl im Kreise Guben-Sorau Forst für den verstorbenen naitonalltberalen Abgeordneten Albert König-Guben wurde Stadtrat OSwald Schmidt-Forst (natl) mit 323 gegen Rittergutsbesitzer Schoen-BreSlau (kons.) mit 299 Stimmen gewählt. Die sozialdemokratischen Wahlmänner enthielten sich der Ab stimmung. — Die AdrlSstreberei iu Preußen ist »-ine der uner freulichsten Erscheinungen der Gegenwart. Es ist nicht übertrieben, wenn behauptet wird, daß in Preußen beim Träger der Krone alljährlich ungefähr mindesten« 1000 NobilttierungLbittgcsuche einlaufen, also täglich ungefähr je drei. Davon finden durchschnittlich alljährlich ungefähr 10—12, meist auch erst nach mancherlei Schwierigkeiten, ihre Bewilligung, also im Durchschnitt etwa 1 Prozent. Dabet muß noch berücksichtigt werden, daß sich der Landes herr und seine Ratgeber wohl nicht selten Gesucbstellern gegenüber befinden, denen eine solche Bitte schwer abge schlagen werden kann, wenn man auch sonst wohl nicht daran gedacht hätte, dem Betreffenden de» Adel zu verleihen. — Uebrr den Katholizismus sprach Dr. Oertel, der Chefredakteur der „Deutschen Tageszeitung" und einer der Führer des Bundes der Landwirte, in einer Versammlung am Sonntag in Plauen offene und objektive Worte. Die ..Neue Vogtländische Zeitung" (Nr. 64 vom 8. März) meldet hierüber: „Das Christentum ist gespalten in Konfessionen. Wir bedauern diese Spaltung. Aber sie ist geschichtlich ge worden. Weshalb, wissen wir nicht. Vielleicht erfahren wir, was der Herr gewollt hat, als er das Christentum sich spalten ließ. Vielleicht hat er uns sagen wollen: Nun be weist, wer von beiden dem Ideal am nächsten kommt. Viel leicht werden wir auch das Rätsel nie lösen. Aber eins können wir: wir müssen dafür sorgen, daß die konfessionelle Zerklüftung nicht noch schlimmer wird wie bisher. Haben wir des Einigenden nicht viel mehr als des Trennenden? Wir haben vor kurzem unter dem Christbaum gesessen. Evangelische und Katholische gemeinsam. Binnen wenigen Wochen stehen wir unter dem Kreuze von Golgatha, Evan gelische und Katholische gemeinsam, und wir gehen hin zum Grabe und wälzen den Stein von der Türe, Evangelische »nd Katholische gemeinsam. Wollen wir uns nicht verstehen? Haben wir nicht der gemeinsamen Gegner so viele.mnd so ge fährliche? Ich erinnere Sie des Wortes Friedrich Wilhelms IV., als er der Aufführung der Oper des Juden Meyerbeer „Die Hugenotten" beiwohnte: „Ja, wir Evangelische und Katholische zerfleischen uns, und der Jude macht die Musik dazu." Wollen wir ihm doch die Posaune vom Munde nehmen! In diesem Sinne sagte und sage ich: Es fällt mir keine Perle ans meiner evangelischen Krone, wenn ich ans meinen Wanderungen in katholischen Landen den Hut ziehe vor dem Bilde des Gekreuzigten. Ich habe weiter gesagt: Es fällt mir keine Perle aus meiner Krone, wenn ich auch vor dem Frouleichnamszug mein Haupt entblöße. Das ist nur ein Beweis der Achtung. Wer sagt uns denn, daß wir den richtigen Glauben haben? Wir beschimpfen die katholische Kirche, weil sie sich die alleinseligmachende nennt. Wir wissen nicht, wer recht hat. Das Christentum ist zwar die einzige Religion, die wir anerkennen, aber wir wissen nicht, ob nicht die Katholiken in gewissen Dingen recht haben. Vor den Inden und Mohammedanern heißt eL, den Hut ab! Wer aber nicht jeden Tag einen Katho liken zum Frühstück verzehrt, der ist kein richtiger Prote- staut. Ich ringe danach, ein evangelischer Christ zu sein, aber ich werde trotzdem zum konfessionellen Frieden reden." Es ist gewagt, in Sachsen eine solche ehrliche Gesinnung zur Schau zu tragen. Dr. Oertel weiß als geborener Sachse, wie ungern die im Volke sorgfältig gepflegte Abneigung gegen die katholische Kirche solche Worte hört. Alle Hoch achtung vor einem Manne, der trotzdem zum konfessionellen Frieden mahnt. Allerdings werden die Schürer und Hetzer Dr. Oertel dafür beschimpfen. Es mag für ihn das Be wußtsein eine Entschädigung sein, daß er dem Vaterlande durch Aufklärung einen großen Dienst erweist. O-sterr-1ch.U»s«r«. — Da» Leichenbegängnis Dr Lueger» wird auf Kosten der Gemeinde Wien veranstaltet werden und Montag 11^2 Uhr vormittags stattfinden. Wie cs in der „Neuen Freien Presse" heißt, wird der Kaiser an dem Leichen begängnis teilnehmen, ebenso sämtliche in Wien weilenden Erzherzöge, das gesamte Ministerium, das diplomntlsche Korps, der größte Teil der ReichsratS- und Landtags- abgeordneien. Gemeinderäte und Stadträle. — Urber die Besetzung de» Bitrgrrmeisterposten» soll während der sechswöchigen Trauer, die im Rathause ge- halten werden wird, nicht gesprochen werden, doch wird, da Handelsminister Dr. WeiSkirchner endgültig abgelehnt hat, wahrscheinlich der Abgeordnete Dr. Gebmann, der treueste und älteste Freund Lueger», Bürgermeister werden.
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