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Br,ugSPr»tS, l IluSaab« I mit » Beilage,i vierteljäbrlich »,10 I». In I Dresden durch Boten 2,40 In ganz Deutschland srrt Hau- «,K2 tn Oesterreich 4.4« L AuSaabe « nur mit Feierabend vierteljährlich I.tlO In I Dresden durch Boten 2,10 In aan, Deutschland srri I HauS 2,22 X; tn Oesterreich 4.0» st. - «kinzel-Rr. 1V 4 RedaktionS-Svrcchstunde: IO bis II Uhr vormittags. I Für Rückgabe etngesandter Schriststllcke macht sich die Redaktion I laicht verbindlich; Rücksendung erfolgt, wenn Rückporto bet- I gefügt ist. Brieflichen «„fragen isi «ntwortSporto betzusügen Unabhängiges Tageblatt für Wahrheit, Recht und Freiheit init Unterhaltungsbeilage Die illustrierte Zeit und Sonntagsbeilage Feierabend Ansetge«, ! «„nähme von «eschästSanzeigcn bis 10 Uhr. von FLmiltcn. I anzeigen bis I« Uhr. > Preis für die Petit-Spallzeilc 20 4, im ReNameleil OO 4 s Für undeutlich geschriebene, sowie durch Ferniprecher aus- gegebene Anzeigen können wir die Verantwortlichkeit sür die I Richtigkeit des Texte» nicht übernehmen. «eschäslSslelle und Redaktion Dresden, Holbeinstratze 1« Nr. 272 Fernsprecher 1366 Freitag, den 29. November 1912 Fernsprecher 1366 II.Jahrg. «AM-.- ?6l2>V3,r6I1 vom smkcmkstsll dis koiostvn dcmrv Lposiccl- Rsl^cvkcroa- cmä Lliit7.kmgosodS.kt Orssäso-^., Rmgsti-LÜ« 26 UQweil Viktori»»1.raÜs, kvxsoitdsr äor I^LQä- k'oruspr 5979- Ropku-stcirsn uuä Houkmksrtigcmgcm Sächsischer Landtag Zweite Kammer Die Zweite Kammer beschäftigte sich gestern weiter mit kr Hauptvorberatung des Volksschulgesetzes. Eine beson- krs lebhafte Debatte rief der bekannte dritte Absatz des 8 3 »ervor, nach dem der Religionsunterricht „im Geiste der be ireffenden Kirche, ohne Bindung an den Buchstaben der Be kenntnisformeln" erfolgen soll. Von Seite der Konserva- üben sowohl als auch von seiten des Ministers wurde neuerdings darauf hingewiesen, daß mit der Annahme die ses Paragraphen dem Zweifel Tür und Tor geöffnet und lem positiven Religionsunterrichte die Grundlage entzogen würde. Um eine Verständigung herbeizuführen, regte der Minister folgende Formel an: „Der Religionsunterricht ist innerhalb des Bekenntnisses der betreffenden Kirche zu er- teilen." Doch fand diese Formel keine Gegenliebe und auch die Bemühungen der Herren Hetttner, Dr. Spieß und Opitz, eine Formel zu finden, die einen Ausweg bieten würde, blie ben ohne Erfolg. So ergab denn die namentliche Abstim mung die Annahme der Deputationsformel mit 60 gegen 27 konservative Stimmen. Die übrigen Teile der 88 1 und 2 wurden ebenfalls voin liberal-sozialdemokratischen Block nach den Anträgen der Zwischendeputation angenom men, mit Ausnahme des zweiten Satzes des 8 1- Dieser Satz lautet: „Die Volksschule soll die natürliche Entwicke lung des Kindes stetig beachten^ diesem eine tüchtige, auf sittlich-rcligiöser und vaterländischer Grundlage beruhende volkstümlickk Bildung vermitteln." Dieser Satz fiel, weil gegen ihn Konservative und Sozialdemokraten stimmten; die Konservativen, weil sie den ganzen 8 1 nur in der Re gierungsfassung annehmen wollten, die Sozialdemokraten aus Gründen, die wir nicht anzuführen brauchen. Die wei teren Bestimmungen über die Schulpflicht, den Schulbesuch und die konfessionelle Trennung der Volksschule ergaben ebenfalls eine Mehrheit für die Tcputationsfassung. Eine lebhaftere Diskussion wurde noch durch 8 7a hervorgerufen, der in der Regierungsvorlage die Kinder der Dissidenten zur Teilnahme am Religionsunterricht einer Religionsge meinschaft zwingt, in der Deputationsfassung dagegen die Kinder vom Religionsunterricht befreit. Der Minister ver teidigte in glücklicher Weise die Bestimmungen der Regie- rungsvorlage, ebenso der Abg. Sckunidt-Freiberg, aber auch dieser Paragraph mußte das Schicksal der übrigen teilen. ' " Mittwoch den 27. November Am Negierungstische Staatsminister Dr. Beck Präsident Dr. Vogel eröffnet die Sitzung um 1l Uhr. Die gestern abgebrochene Beratung über 8 2 Absatz 3 des Volksschulgesetzes wird fortgesetzt. Diese von der Deputation eingefügte Bestimmung lautet: „Der den Kindern der verschiedenen christlichen Glaubensbekenntnisse zu erteilende Religionsunterricht soll im Geiste der be treffenden Kirche phne Bindung an den Buchstaben der Be kenntnisformeln durch lebendige Einführung in das Leben und die Lehre Christi an der Hand der Heiligen Schrift er teilt werden." Abg. Schmidt fFreiberg, Kons.) beantragt nament liche Abstimmung über diese Ziffer. Abg. Dr. Hähne! (Kons.): Die konservative Frak tion hat sich sclpn bei den 88 1 und 2 dagegen ausge sprochen, daß die von der Dcputationsmehrheit beliebten Spezialitäten in das Gesetz ausgenommen werden. Um so tveniger haben wir Anlaß, diesen: Absatz ^ zuzustimmen. Wir sind der Ansickst, daß man die Art und Weise, wie man den Kindern die schwierigen religiösen Fragen vertraut machen will, nicht durch eine solche Gesetzesbestimmung regeln kann Ich halte es doch für nötig, darauf hinzuweisen, daß wir dafür nicht zu haben sind. Abg. Nitzschke (Leutzsch, Natl.): Er trete für die von der Deputation aufgenommene Bestimmung voll ein. Es solle damit einer Ueberspannung im Religionsunterricht vorgebengt werden. Sie richte sich gegen die Dogmen der nachchristlichen Zeit, die als Menßhenwerk zu betrachten seien. Die Ziffer 3 sei ein Sicherheitsventil gegen alle Ueberspannung sowohl von orthodoxer wie von radikaler Seite. Abg. Dr. Mangler (Kons.) hält das Recht der Ständekammer, eine solche gesetzliche Bestimmung zu tref fen, für zweifelhaft. Zum mindesten habe die oberste Kir- chenl>el)örde ein wesentlkches Mitbestimmungsrecht. Er bitte aus sachlichen und formellen Gründen um Ab lehnung. Kultusminister Dr. Beck: Die in Rede stehende Be stimmung gehört zu den allerwichtigsten und ernstesten des ganzen Gesetzes; deshalb wird ihre Fassung für die Re gierung von einer ausschlaggebenden Bedeutung sein. Zu Absatz 3 darf ich betonen, wie hocherfreulich es ist, daß aus dem Haus heraus so warme Töne für die Erhaltung unse res Religionsunterrichtes laut geworden sind. Ich hoffe, daß der vom Abgeordneten Löbner ausgesprock-ene Wunsch in Erfüllung geht und wir uns eventuell heute noch aut eins Fassung verständigen können, die uns die Möglichkeit gibt, das, was wir alle wollen, einwandfrei und zweifels frei zum Ausdruck zu bringen. Auch die Negierung erkennt ebenso wie das Landeskonsistorium und die Synode an, daß die Früchte unseres Religionsunterrichte? in der heutigen Zeit nicht den großen Mühen und Anstrengungen und dem eifrigen, ernsten Streben gewissenhafter Lehrer entsprechen, daß sich die Mühe der Kirche und Schule nicht in dem ge- ivünschten Umfange belohnt macht. Deshalb muß es unser Streben sein, Mittel und Wege zu suchen, um bessere Er folge zu erzielen, und darüber sind wir uns ja alle einig. Auch in formeller Beziehung hält die Negierung daran fest, daß es sich um eine Lehrplanfrage handelt, die vom Staat im Einvernehmen mit der Kirche zu erledigen ist. Wenn der Abgeordnete Hettner gestern hervorgehobcn hat, daß das Landeskonsistorium vor vier Jahren in erfreulicher Weise sich über Erteilung eines bekenntnismäßigen Unterrichts durch die Lehrer gcäirßert hat so ist diese Aeußerung doch unter der Herrschst der bisherigen Vorschriften erfolgt. Wollte Gott, es wäre heute noch so, wie damals, dann könnte die Frage deS Religionsunterrichtes eine sehr viel leichtere und für uns angenehmere Lösung erfahren. Heute aber liegen mir Stimmen führender Lehrer vor, die anders lauten. Die uationallibcrale Fraktion sagt in der Polemik mit der Sächsischen Evangelischen Korrespondenz, daß der Religionsunterricht innerhalb des Bekenntnisses der Kirche zu erteilen und der einzelne Lehrer keinesfalls berechtigt sei. die Kinder nach seiner persönlich» Glaubensanschauung zu unterrichten. Damit wäre ohne weiteres eine Brücke ge geben für eine Fassung, mit der die Regierung sich ein- verstanden.erklären könnte. Wenn Sic bereit sind, diesen Weg mitzugehen, so sind wir auf diesem allerwichtigsten und schwierigsten Gebiete zu einer Verständigung gelangt. Ich bitte die konservative Fraktion sich dieser Verständigung anzuschließen. ES würde vor dem Lande bekundet, wie die großen Ordnungs-Parteien in llebercinstimmung sind, wenn es gilt, unserem Volke den Religionsunterricht in der Volks- schule zu erhalten. Abg. Dr. Zöphcl (Natl.) kritisiert den Wert des Dog- mas und verteidigt die Pfarrer Traub und Iatbo gegen- über den Ausführungen Opitz'. Redner erklärt nochmals was die Mehrheit mit den Worten „ohne Bindung an den Buchstaben der Bekenntnisformel" meine. Die katholische Kirche hat dasselbe Bekenntnis wie die evangelische, es wird nur anders ausgelegt. Den Unterschied macht also nur der „Geist der Kirche". Wenn wir also Religionsunterricht „im Geiste der Kirche" verlangen, so verlangen wir konfes sionellen Religionsunterricht- Wir verlangen tveiter, daß der Lehrer verpflichtet sei, das, was die Kirche gemeinsam mit dem Staate als Inhalt des Religionsunterrichtes ver einbart hat, zu lehren. Wir können nur bestimmte Grenzen stecken, innerhalb deren sich der Religionsunterricht -v h. wegen hat. Abg. Dr. Spieß (Kons.): Nach den Ausführungen des Kultusministers befinden wir uns doch vielleicht an einem Wendepunkt unserer Verhandlungen, der zur Eini gung führt. Wenn der Religionsunterricht im Sinne des Absatzes 3 erteilt werden soll, wird immer eine subjektive Meinungsäußerung des Lehrers möglich sein. Das jetzige Geschlecht ist ja noch unter der Vckenntnissormel ausge wachsen; wenn nun aber von jetzt ab der Religionsunter richt „ohne Bindung an den Buchstaben der Vekenntnis formeln" erteilt werden soll, so wird die Folge sein, daß mit der Zeit die Vekenntnisformeln dem Volke überhaupt fremd Norden. Wenn nun dem künftigen Lehrer selbst die Vekenntnisformeln fremd sind, wie soll er dann imstande sein, den Religionsunterricht „im Geiste der betreffenden Kirche", also konfessionell, zu erteilen? Dadurch kommen wir zu einer Verflachung unserer Religion, wir befinden uns im Nachteil gegenüber der katholischen Konfession. Das ist auch in positiver Beziehung bedenklich. Unser Staat ist auf christlicher Grundlage aufgebaut. Durch eine Ver flachung der Religion wird auch die Basis, auf der der Staat ausgebaut ist. schwach. Und das würde wesentlich zur Stärkung der Sozialdemokratie dienen, deren Weizen dort blüht, wo Religionslosigkeit herrscht. Ich schlage vor, die Worte „ohne Bindung an den Buchstaben der Bekennt- nisformcln" aus Absatz 3 zu streichen. Auf diese Weise ließe sich vielleicht ein Ausn>eg aus dem Labyrinth finden. Ich bedauere, daß der Vorredner diesen Ausweg nicht als gangbar bezeichnet hat. Für den Absatz 3 in der Fassung der Mehrheit können wir nicht stimmen. Abg. Günther (Fortschr. Vp.): Wir verstehen die Bestimmungen im Absatz 3 so daß der Religionsunterricht im Sinne der Zwickauer Thesen erteilt werden soll, und der Minister hat sich früher selbst in dieser Weise geäußert. Ich warne vor dem Vorschläge des Ministers, daß der Re ligionsunterricht innerhalb des Bekenntnisses erteilt wer den soll. Der Willkür würde dann Tür und Tor geöff net sein. Abg. Hettner (Natl.): Der Minister hat gestern er klärt, daß die Annahme der Bestimmung in Absatz 3 für die Negierung unannehmbar ist. Meine Freunde geben nicht so weit, von der Annahme dieser Bestimmung unsere Stellung zum ganzen Gesetze abhängig zu machen. Nach dem Kirchengesetz von 1873 ist die Leitung des gesamten Religionsunterrichts Sache des Staates, und nur die Auf sicht steht dem Landeskonsistorium zu. Glaubt das Kon sistorium, sich bei einer Entscheidung des Ministeriums nickt beruhigen zu können, so steht ihm die Berufung an dis in Lvangelieio beauftragten Staatsminister zu. Daniit ist klar bewiesen, daß die staatliche Behörde die letzte In stanz in der Frage des Religionsunterrichtes ist. Wenn der Minister uns einen Vorschlag mackst, i>er unseren Wün- scheu entspricht, dann sind wir zu einer Verständigung bereit. Mg. Heyinann (Kons.) führt aus, daß ini Absatz 3 das Wort „soll" („Der Religionsunterricht soll im Geiste der betreffenden Kirche... an der Hand der Heiligen Schrift erteilt Norden") in „muß" umgewandelt werden müßte und die Worte „an der Hand" zu streichen seien. Kultusminister Dr. Beck weist ans Grund der Laud- tagsakten aus dem Jahre 1009 nach, daß das, was die Na- tiopallrberalen damals erstrebt hätten, im vorliegenden Entwürfe Aufnahme gefunden und auch Abg. Hettner da mals sich mit den Ausführungen des Ministers zufrieden- gestellt erklärt habe. «. Abg Opitz (.Kons.): Wir würden bereit gewesen sein, mit der nationalliberalen und auch mit der fortschritt lichen Fraktion wegen einer Verständigung ins Vernehmen zu treten. Nachdem aber der Abgeordnete Hettner.den Vor schlag deS Ministers abaelehnt bat, ist die Sache erledigt. Mir müssen aber auch erklären, daß uns Absatz 3 in seiner jetzigen Fassung unannehmbar ist. Abg. Hettner stellt nochmals den Standpunkt der Nationalliberalen, besonders zum zweiten Teile des Ab- iatzes 3, dar, worauf längere Schlußworte der Mitbcricht- erstatter Lange (Soz.) und Dr. Schanz (Kons.), sowie des Berichterstatters Dr. Seyfert folgen. Hierauf erfolgen die Abstimmungen. 8 1, der von der Ausgabe der Volksschule handelt, be antragt die konservativ-- Minderheit nach der Regierungs vorlage anzunehmen. Dieser-Antrag wird gegen die Kon servativen abgelehnt. Ein Antrag der sozialdemokratischen Minderheit findet gleichfalls Ablehnung. Absatz 1 des 8 1: „Die Volksschule hat die Aufgabe, durch Unterricht, Arbeit und Erziehung, sowie durch Leibesübungen die geistigen und körperlichen Kräfte des Kindes wirksam zu entfalten," wird gegen die Stimmen der Konservativen angenommen, da gegen der zweite Satz: „Sie soll, die natürliche Entwickelung des Kindes stetig beachtend, diesem eine tüchtige, auf sittlich religiöser und vaterländischer Grundlage beruhende volks tümliche Bildung vermitteln" gegen Konservative und So zialdemokraten abgelehnt. (Großer Lärm in der Mitte deS Hauses. Abg. Hettner gestikuliert lebhaft mit den Armen und ruft, zu den Konservativen gewendet: „Großartig! Großartig!" Sballendes Gelächter. Wiederholte Hammer schläge des Präsidenten.) 8 2, der von den UnterrichtS- gegenständen handelt, wird in der NegierungSfassung gegen die Konservativen abgelehnt, dagegen der Mehrhcits- antrag gegen die Konservativen angenommen. Der von der Deputationsmehrheit angefügtc Absatz 3, der den Religionsunterricht betrifft und der vom Kultus minister als unannehmbar bezeichnet worden war, findet in namentlicher Abstimmung mit 60 gegen 27 Stimmen A n - nähme. Dagegen stimmen die Konservativen und Abg Dr. Löbner. 8 3 der Regierungsvorlage behandelt die Gestattung der Volksschule Da diese in den 88 18 und 19 anderiveit geregelt wird, beantragt die Deputation den Wegfall deS 8 3, was ohne Debatte einstimmig erfolgt Die 88 1 4 rr und 6 enthalten die Bestimmungen über die Schulpflicht Die Paragraphen werden in der Devuta- tionsfassung einstimmig angenommen. 8 6 handelt vom Schulbesuch. In seinem Absatz I ver langt er, daß die Eltern und Erzieher die Kinder zum regel mäßigen Besuche der Schule und auch der Schulfeiern an-