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Freitag den 26. N«»s«ü>r UttL ZLr. 272 — Gstte 2 SSchfischer Landtag Zweite Kammer. Dresden, 25. November. Die Zweite Kammer trat heute vormittag 11 Uhr bei stark besetzten Tribünen zu ihrer 6. öffentlichen Sitzung zusammen, der im Anfänge Staatsminister Graf Vitzthum v. Eckstädt und Kriegsminister Generalleutnant v. Wils dorf sowie für den weiteren Verlauf Geh. Nat Ministerial direktor Tr. Rumpelt und mehrere Regierungskommissare beiwohnten. Auf der Tagesordnung stand als einziger Punkt der Antrag der sozialdemokratischen Frak - tion, gestellt durch den Abgeordneten Ca st an, be treffend die Wiederherstellung desVereins - undVer sa in in l u n g s r e cht s sowie der Preßfreiheit. Der Antrag hat folgenden Wortlaut: Die Kammer wolle beschließen: die Regierung zu er suchen, im Bundesrate dafür einzutreten, daß das ver fassungsmäßige und gesetzliche Recht der Staatsbürger in bezug auf die Vereins-, Versammlungs- und Preßfreiheit sofort wieder hergestellt wird. Kriegsminister Generalleutnant v. Wilsdorf er klärte hierzu, daß es sich bei der Bekanntgabe des Belage rungszustandes um eine Bekanntmachung der beiden kom mandierenden Generale des 12. und des 19. Armeekorps handle, die diese im Aufträge Sr. Majestät des Kaisers er lassen haben. Hierunter falle auch das Vereins- und das Versammlungsrecht und die Freiheit der Presse. Die Re gierung sei deshalb nicht in der Lage, Stellung zu diesen erwähnten Maßnahmen zu nehmen und lehne infolgedessen auch eine Erklärung hierüber ab. Im übrigen könne dem Anträge auch deshalb nicht entsprochen werden, weil die An ordnung des Belagerungszustandes im Aufträge Sr. Maje stät des Kaisers als obersten Militärbefehlshaber erlassen worden sei, sodaß der Gegenstand des Antrages auch der Beschlußfassung des Bundesrates nicht unterliege. Staatsminister Graf Vitzthum v. Eckstädt und Kriegs- nrinister Generalleutnant v. Wildsdorf verließen hierauf den Saal. Abg. Fleißner (Soz.) nahm hierauf das Wort zur Begründung -es Antrages. Obgleich er zngebe, daß die Bundesregierung es ablehnen müsse, den Belagerungs zustand ausznheben, so müsse er hervorheben, daß der jetzige Zustand auf dem preußischen Gesetz von 1859 basiere, sodaß die Gesetzgebung des 1870 gegründeten Deutschen Reiches eine Lücke anfweise. Außerdem sei zu betonen, daß jetzt der verschärfte Belagerungszustand bestehe, der in dem erwähnten preußischen Gesetz nicht vorgesehen sei. Der Redner kritisierte ferner die Handhabung der Postaus weise, der Pressezensur usw. und braclsie schließlich zur Be gründung des sozialdemokratischen Antrages eine ganze An zahl von Beispielen vor, um dann nochmals am Schlüsse seiner Ausführungen für die Aufhebung des Belagerungs zustandes einzutreten. Abg. Dr. H einz e fnatl.) geht zunächst auf die Aenße- rungen des Vorredners ein. Der Ton der Rede des Herrn Abgeordneten Fleißner sei darauf gestimmt gewesen, als ob die Zustände bei uns tatsächlich jetzt unerträglich geworden seien. Das sei jedoch durchaus nicht der Fall, und der Redner habe jedenfalls den Maßstab dafür verloren, für das, was unsere Truppen draußen im Felde leisten und was wir im Gegensätze hierzu zu leiden haben. Was wir hier infolge des Belagerungszustandes für Anordnungen zu befolgen haben, das sei iin Vergleich zu den Leistungen unserer Truppen überhaupt nicht in Betracht zu ziehen. Der Redner geht nunmehr ans die Rechtslage der in der Rede des Abgeordneten Fleißner geschilderten Zustände näher ein. Zum Schluß beantragt der Redner den von der sozialdemokratischen Partei eingebrachten Antrag an die Beschwerde- und Petitions-Deputation zu überweisen. Abg. Dr. Mangler tkons.) schließt sich dem Stand punkte des Vorredners an und beantragt ebenfalls die lleberweisung des genannten Antrages an die Beschwerde deputation. Er finde, daß die Preßfreiheit in einzelnen Fällen ausgenntzt worden sei zum Schaden des Burg friedens, den der Redner gewahrt wissen möchte. Seine Fraktion lehne den Antrag grundsätzlich ab und stimme der lleberweisung desselben an die Beschwerde- und Pe- titzivnS-Deputation zu. Abg. Brodaus (Fortschr.) betont, daß die sächsische Bevölkerung willig sich dem Kriegszustände von vornherein gefügt habe, auch ehe der Belagerungszustand verhängt worden war. Daher sei eine zu strenge Bevormundung des Volkes durch die Behörden nicht angebracht. Abg. Dr. Zöpbel (natl.). Als Vorsitzender des Industrie-Schutzverbandes erwähnt der Redner, daß dieser Verband im Interesse des Burgfriedens seine Hauptätig- keit aufgegcbcn habe, um sich der Arbeitsvermittlung zuzu- wenden, die auch den Invaliden zugute komme, also im vaterländischen Interesse sei. Er bittet, daß die Gewerk schaften ihre unberechtigten Angriffe auf den Verband auf geben möchten. Abg. Seger (Soz.) betont, daß die vorgebrachtcn Beschwerden über die jetzigen Zustände nicht nur in Sachsen, sondern auch in anderen deutschen Bundesstaaten erhoben worden seien. Im übrigen bewegen sich seine Ausführungen in denselben Bahnen, wie die des Abgeordneten Fleißner. Abg. Fleißner (Soz.) rechtfertigt seine früheren Ausführungen durch einige Ergänzungen und betont noch mals die gesetzliche Möglichkeit der Aufhebung des Belage rungszustandes. Hierauf erfolgt die Abstimmung über den Antrag des Abgeordneten Dr. Heinze, der beantragt hatte, die Kammer wolle beschließen, den Antrag betreffend die Vereins-, Ver sammlungs. und Preßfreiheit an die Beschwerde- und Petitionsdeputation zu überweisen. Die Kammer beschließt einstimmig demgemäß. Präsident Dr. Vogel teilt vor Schluß der Sitzung noch mit. daß für Freitag und Montag keine Sitzungen anbe- räumt werden. Nächste Sitzung: Dienstag den 30. November vor mittags 10 Uhr. Tagesordnung: Allgemeine Vorberatung des Staatshaushalts-Etats für die Finanzperiode 1916/17. » Dresden, 26. November. Die Gefetzgebungs- deputation setzte die Beratung über die Anträge in der Volksernährungsfrage fort und nahm folgende von dem nationalliberalen Abgeordneten Langhammer vor geschlagenen Richtlinien an: 1. Sind Bestands- aufnahmen von Nahrungsmitteln noch notwendig und zweckmäßig? 2. Welche Nahrungsmittel müssen noch im Interesse der Volksernährung beschlagnahmt werden? 3. Bei welchen Nahrungsmitteln muß noch die Frage der gerechten Verteilung erledigt werden? Wo sind Höchstpreise noch notwendig und welche Höchstpreise müssen noch im Interesse der Volksernährung ermäßigt werden? Diese von der Deputation einmütig angenommenen Richtlinien wer den hinfort die täglich weitergeführten Beratungen zweifel los so fördern, daß es möglich sein wird, die Wünsche des sächsischen Landtages in der Volksernährungsfrage noch vor dem Zusammentritt des Reichstages an Bundesrat und Reichstag gelangen zu lassen. Der Weltkrieg Der amtliche deutsche Tagesbericht (Wiederholt, weil nur in einem Tesi der gestrigen Auflage enthalten.) (W. T. B. Amtlich.) Großes Hauptquartier. 25. November 1915. Westlicher Kriegsschauplatz. Es hat sich nichts von Bedeutung ereignet. Lestlicher Kriegsschauplatz. Heeresgruppe des Generalfeldmarschalls v. Hindenburg: Bersemünde ist fest in unserer Hand. Die Zahl der Gefangenen hat sich auf 9 Offiziere, 750 Mann, die Beute auf 3 Maschinengewehre erhöht. Bei den Heeresgruppen des GeneralfeldmarschallS Prinzen Leopold von Bayern und des Generals v. Lin singen ist die Lage unverändert. Balkan-Kriegsschauplatz. Bei Mitrovica wurden von Truppen der Armee Koevetz etwa 10 000 Serben gefangen genommen, 19 Geschütze er beutet. In den Kämpfen um Pristina und an der Sitnica fielen 7400 Gefangene und 6 Geschütze in unsere Hand. Die Beute an Kriegsgerät und Vorräten ist erheblich. Ober st e Heeresleitung. Der österreichisch-ungarische Tagesbericht Wien. (W. T. B.) Amtlich wird verlautbart den 25. November 1915: Russischer Kriegsschauplatz. Keine besonderen Ereignisse. Italienischer Kriegsschauplatz. Die erbitterten Kämpfe iin Raume zwischen der Wippach-Mündung und San Martina dauerten Tag und Nacht fort. Nördlich des Monte San Michele griff der Feind unaufhörlich mit starken Kräften an. Mehrmals gelang es ihm, in unsere Gräben einzudringen. Immer jedoch, zuletzt in viclstündigem Nachtkampfe, war fen die braven alpenländischen Infanterie - Regimenter Nr. 7 und Nr. 27 ihn wieder hinaus. Ein Angriff der Italiener auf den Monte San Michele scheiterte gleich allen früheren. Auch bei San Martino wogte der Kampf den ganzen Tag hin und her, bis es schließlich spät abends den bewährten Honved-Truppen gelang, auch hier unsere Stellungen v o l l st ä n d i g z u r ü ckz u g e w i n n e n und zu behaupte n. Der Brückenkopf von Görz, der Südteil der Stadt und die Ortschaften Savogua und Nupa standen unter heftigem Artilleriefeuer. Mehrere feindliche Bataillone griffen bei Oslavija an. Sie wurden zurück- geschlagen, zwei Kompanien vernichtet. Zwei unserer Flieger warfen Bomben auf Tolmezzo ab. Südöstlicher Kriegsschauplatz. Die Montenegriner werden auch östlich von Foca znrückgeworfen. Südwestlich von Sjönica überschritten wir die montenegrinische Grenze. Bei der gestern mitgeteilten Einnahme von Mitrovica haben die k. u. k. Truppen 10 000 Serben gefangen genommen und 6 Mörser, 12 Feld geschütze, zahlreiche Fuhrwerke, Munition aller Art, 7 Loko motiven, 130 Waggons und viel anderes .(kriegsgerät er beutet. Eine österreichisch-ungarische Kolonne gewann, über Mitrovica hinausriickend, die Gegend von Vucitru. Süd lich davon sind deutsche und bulgarische Kräfte iin Begriffe, die Sitnica zu überschreiten. In den Kämpfen von Pristina sind 6800 Gefangene eingebracht, sechs Feldgeschütze erbeutet. Der Stellvertreter des Chefs des Generalstabs: v. Höfer, Feldmarschall-Leutnant. Amtlicher bulgarischer Kriegsbericht Sofia. Der amtliche Bericht vom 23. November besagt: Seit zehn Tagen waren erbitterte Kämpfe um Pristina im Gange. Nachdem unsere Armee heute endgültig die Serben im Norden, Osten und Süden um zingelt hatte, unternahm der Gegner die äußersten Anstrengungen, um sich in Pristina zu halten. Er kannte jedoch unseren Truppen nicht widerstehen und wurde aus seinen letzten Stellungen geworfen, worauf er ge zwungen war, den Rückzug nach Westen anzutreten. Um 2>H Uhr nachmittags rückte zuerst ein Reiterregiment in die Stabt ein, dem unsere Truppen von der Nordsront und Abteilungen der benachbarten deutschen Kolonnen folgten. Die Zahl der Gefangenen ist noch nicht ermittelt. (W. T. B.) Flucht der serbischen Regierung nach Skutari (Reuter.) Die „Times" erfährt aus Paris: Einem amtlichen Telegramm aus Pritzresid zufolge begibt sich die serbische Regierung nach Skutari. Skutari gehört zu Albanien, es wurde jedoch zu Be- ginn des Krieges von den Montenegrinern besetzt. Nach dieser zweifellos richtigen Meldung hätten wir recht gehabt, als wir dem Gedanken Ausdruck gaben, daß die serbische Regierung nicht nach Saloniki, sondern nach Albanien flüch- ten würde. Von dort aus ist die Flucht nach Italien leichter. X Oesterreichischer Umrechnungskurs Wien, 25. November. Der Umrechnungskurs für Zahlungen nach dem Deutschen Reiche ist bis auf weiteres auf 100 Mark gleich 140 Kronen festgesetzt. Wiederaufbau in Galizien Budapest, 25. November. Die Landeskommission für den Wiederaufbau der im Kriege zerstörten Wohnstätten hielt heute unter dem Vorsitz des Grafen Karl Khuen- Hedervary eine Sitzung ab. Aus dem Kommissionsbericht geht hervor, daß 94 Ortschaften und mehr als 5000 Häuser und Nebengebäude durch die In vasion zerstört worden sind. Die Kosten der Herstellung wer den auf 7,7 Millionen Kronen veranschlagt. Bis her sind 3,5 Millionen eingeflossen. Der Vorsitzende er wähnte schließlich, daß die Wiener und Berliner Ungarischen Vereine an die Hilfsstation für die zerstörten Karpathen dörfer teilgenommen haben und sich auch in Deutschland für diese Aktion reges Interesse kundgibt. Brrwundetenaustausch Vlissingen, 25. November. Am 6. und 7. De zember wird wieder ein Austausch von verwundeten deut schen und englischen Kriegsgefangenen über Vlissingen statt finden. Die Dumatagung Petersburg, 25. November. (W. T. B.) „Rjetsch" erfährt, die Sitzungen der Duma sollen nur 2—3 Wochen dauern, um das Budget zu beraten. Der Minister des Innern wird eine kurze Regierungserklärung verlesen. Vor der Einberufung der Duma soll im Ministerium ein Wecksiel geplant sein. Russische Erfindung Wie W. T. B. von zuständiger Seite erfährt, ist die in der ausländischen Presse verbreitete Nachricht, daß ein deutscher Kreuzer von 3000 Tonnen Große und 200 Mann Besatzung durch russische Torpedoboote zum Sinken gebracht worden sei, völlig frei erfunden. 300 000 Mann australisches Hilfsvolk Reuter berichtet aus Melbourne: Die australische Re gierung hat beschlossen, weitere 50 000 Mann Verstärkungen aufzustellen, so daß das australische Kontingent bis zum 6. Juni auf ungefähr 300 000 Mann steigen würde. Diese Meldung dürfte auch in das Kapitel vom eng lischen Bluff gehören. Italienische Truppenlandungen in Albanien Kopenhagen, 25. November. Nach einem Lon doner Telegramm aus Nom hat die Landung italienischer Truppen in Albanien nunmehr begonnen. Der Landungs platz ist in dem Telegramm nicht genannt. VeutsÄe» Reich — In der bayrischen Kammer der Abgeordneten wurde wiederum die Frage des Reverses der Eisenbahnverwaltung verhandelt. Der Ministerpräsident erklärt, die bayrische Staatsregierung habe den Eisenbahncrrevers auf gehoben und durch die bereits mitgcteilte Bestimmung er setzt. Ob die Teilnahme an freien Gewerkschaften den staatlichen oder dienstlichen Interessen nicht zuwiderläuft, kommt auf das Verhalten der Gewerkschaften an. Die Ne gierung erwartet, daß die Gewerkschaften die besonderen Pflichten der staatlichen Verkehrsanstalten anerkennen. Unter dieser Voraussetzung werde dem Beitritt zu freien Gewerkschaften nichts in den Weg gestellt. Diese Erklärung gelte auch für den süddeutschen Eisenbahnerverband. — Die Vcrfassungs- und die Finanzkommission des Altenburger Landtages nahmen einen Gesetzentwurf über die einjährige Verlängerung der Landtagswahl und der Finanzperiode einstimmig an und stimmte auch der weiteren Regierungsvorlage zu, daß Staatsbeamte, staatliche Arbeiter und Volksschullehrer mit einem Jahreseinkommen von weniger als 4000 Mark eine allgemeine Kriegssteucrbeihilfe von jährlich 160 Mark erhalten sollen. — Die Landwirtschaftliche Zentralgenossenschast des Bayerischen Bauernvereins in Regensburg (1. Direktor Dr. Georg Heim) hat bis jetzt 7400 Zentner Kartoffeln und Kraut an verschiedene Städte zur Verteilung an arme, bedürftige Familien unentgeltlich zur Verfügung gestellt. — Die badische Regierung beschloß, den staatlichen Ar- beitern und Beamten, die ein Monatseinkommen von nicht mehr als 175 Mark erhalten, eine Teuerungszulage bis zum Kriegsende zu gewähren. — Ocle und Fette sind bekanntlich beschlagnahmt und durch Bundesratsverordnung, vom 8. November 1915 ist dem Kriegsausschuß für Oele und Fette die Aufgabe über tragen worden, die Vorräte zu verteilen. Die Arbeiten hierzu sind nahezu beendigt. Der Ausschuß gibt nur noch Oele und Fette an die Margarine- und Speisefettfabrikanten ab, wenn sie sich folgenden Höchstpreisen fügen: «) Bei der Abgabe an den Verbraucher: Margarine 1,10 Mk. das Pfund. Speisefett aller Art mit 100 vom 100 Fettgehalt, wie Milchmargarine, Pflanzenfett, Rindsfett, Kunstspeisefett usw. 1,64 Mk. daS Pfund. d) Bei der Abgabe an den Großhandel und an Wieder verkäufe!: Margarine 1,28 Mk. für 100 Pfund franko, Oele,