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Sächsische Volkszeitung : 14.06.1924
- Erscheinungsdatum
- 1924-06-14
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-192406141
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19240614
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19240614
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1924
-
Monat
1924-06
- Tag 1924-06-14
-
Monat
1924-06
-
Jahr
1924
- Titel
- Sächsische Volkszeitung : 14.06.1924
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.Eonnabend, den 14. Juni 1024 Nr 131, Heile ^ Die Lage in Griechenland Don einem außenpolitischen Mitarbeiter. Das griechische Volk hat sich durch Plebiszit vom 13. April 1924 mit erheblicher Mehrheit sür die republikanische Staats form erklärt; eine Entscheidung, die nicht nur alsbald von den auswärtigen Negierungen, sondern auch von den Führern der unterlegenen Monarchisten, insbesondere dem General Metaxas, ausdrücklich anerkannt worden ist. Die neue Republik wird sich zwar in französischer Sprache offiziell Republique Hellcniguc nennen, doch in griechisckzer Sprache — vielleicht mit Rücksicht auf die starke monarchistische Minderheit — das Wort Dinw- kratia, das gleichzeitig Republik und Demokratie bedeutet, ver meiden und sich mit der dem Tagesstreit entrückten klassischen Bezeichnung des Aristoteles schmücken: Heleniki Politika -- civitas graeca. Der Präsident der Republik soll de» Titel Kywernitis-gubernator führen. Die republikanischen Blätter betonen den guten Ein druck, den die Einführung der Republik namentlich in Paris gemacht habe. Man Hütte dort mit Komplimenten nicht gespart. Man erwarte in Paris, meint der Eleutheros Typos, das; Grie chenland nun endlich seine diplomatische Unabhängigkeit (von England natürlich) wiedergewonnen habe. Frankreich werde jedenfalls äußerstes Wohlwollen zeigen, der Temps werde die Front wechseln und auch der Matin, der leider sogar Herrn Bcnizelos mit dem verhaßten Lloyd George in einen Tops ge worfen habe, werde seine Leier stimmen. Süds lawien und Rumänien, die aus dynastischen Gründen, nach Behauptung der griechischen Monarchisten, äußerst verstimmt sein sollten, hätten im Gegenteil die Republik bewillkommnet und zu ver stehen gegeben, daß dynastische Rücksichten ihre Politik gegen über Griechenland nicht beeinflussen. Man könne auf baldige Eröffnungen dieser Negierungen gefaßt sein, betreffend den Bei tritt Griccl-enlands zur »Kleinen Entente, der von Frank reich eifrig gefördert iverde. Der Eleutheros Typos hall sogar ein griechisch-französisches Bündnis »ach Analogie des lschechisch- französischen, sür möglich, umsomehr als die ausbliihende grie chisch-französische Freundschaft mit einer starken Ab kühlung der türkisch-französischen Beziehungen zusammenfalle. Hierzu kommt, daß das englische Pfund, das vor kurzem noch auf 300 Drachmen stand, jetzt mit 220 Drachmen notiert wird. Kurz, der außenpolitische Horizont hängt den griechischen Republikanern voller Geige». Fm Innern ist die Stimmung weniger zuversichtlich. Das Kabinett Papanastassiu hat zwar das Loyalitätsbekcnntnis der Monarchisten mit Dank enlgegen- genommen, doch gleichzeitig nicht versäumt, sic gegen mögliche Schwächeanwandlungen zu schirmen durch Erlaß eines Gesetzes zum Schlitze der Republik, das alle mißliebigen Handlungen und Erörterungen mit drakonischen Strafen bedroht. Eine Maßregel, die natürlich die Monarchislep aufs äußerste ver. stimmt l>at, und die wenig geeignet erscheint, die angestrebtr Beruhigung der Gemüter herbeizusiihre». Einer der streitbarsten Monarchisten, der frül-ere Außen minister Streit, ist übrigens — im Gegensatz zum General MetaraS — nicht »ach Griechenland zurückgekehrt. Er war langjähriger Berater des Königs Konstantin, begleitete ihn 1917 in die Verbannung nach Zürich, wo er seine 1922 erfolgte Rück kehr betrieb, überließ jedoch dann den Borlritt aus der poli tischen Bühne Gunaris, sich selbst ans den Kulisseneinsluß be schränkend. Die gegenwärtigen Machthaber überwachen ihn argwöhnisch und Hallen es für möglich, daß er mit wohlwollender Förderung Italiens ivie früher auch erneut einen monarchisti schen Umschwung organisiert. Doch dies ist eine spätere Sorge. Zunächst wird Herr Papanastassiu. dessen Mäßigung lind Versöhnlichkeit gerühmt wird, und seine Zivilkollegen durch die Haltung der militärischen Mitglieder seines Kabinetts: Kondnlis, Pangalos und Hadjikiriakos lebhaft bekümmert. Sie und ihr Anhang im Osfizierkorps waren die Leiter, aus der er 'mn Thron eniporstieg. Nun bedarf er ihrer nicht mehr und möchte sie in ihre eigentlichen Obliegenheiten wieder einsperren, wozu sic aber um so weniger bereit scheinen, da sie gewohnt sind, mehr auf dein politischen als auf dem militärischen Schlacht feld <z. B. gegen die Türke») zu siegen. Eine weitere Sorge Papanastassius ist die Haltung seine» Amlsvorgnngers Kasandaris, der sich zwar Republikaner nennt, doch die Art mißbilligt, ivie die Republik zustandegekommen ist, und bemüht ist. seine Ungetreuen wiederzugewinnen, die kürzlich ins Lager Papanastassius übergeschwcnkt sind, um dann den Kampf gegen diesen zu eröffnen. Hierzu kommt, daß Herr Venizelos, der in heftigem Groll gegen den abtrünnigen Papanastassiu vor zwei Monaten aus Griechenland schied, »m das undankbare Land endgültig seinem Schicksal zu überlassen, sich nach den Versicherungen seiner Anhänger seelisch und kör perlich genügend erholt hat. um das Athener Klima wieder zu vertragen. Er soll mit Kasandaris verhandeln über die Re organisation der etwas ramponierten als venizclistischen (liberalen) Partei, und Kasandaris soll bereit sei», seine gegen wärtige Führerschaft dem Meister wieder abzutreten. Auch Oberst Plastiras, der frühere „Chef der Revolution", der bei Venizelos in Paris wohnt, soll sich zur Heimkehr anschicken. Hiernach scheint es, daß die vom Volk ersehnte innere Ruhe durch die gegenseitige Eisersucht und Machtgier der Prominenten auch in Zukunft gestört werden wird. fassnng im Sinne Spenglers. Wir tränen allerdings der Reli gion deS Gottmcnschen zu, daß sic auch knltnrschöpferisch eine Quelle von unversiegbarer Kraft ist und »'löst kulturell er schöpfte» Völkern wieder neues Lebe» einflößen kann Oder was beweist sonst die Geschichte Rom-Italiens? „WaS unserer Zeit mangelt/' heißt es weiter in den „Chem nitzer Neuesten Nachrichten", „ist die Schule der Konzentration, der Versenkung, die auch eine Art mystischen Aktes, doch kein Geschenk der Gnade ist. Sie gibt dem Menschen, wenigstcns für Stunden, die Einheit, aus der heraus allein schöpferische Tat möglich ist. Weil aber unser Leben zersplittert, unsere Tage von Aeußerlickkeitcn atomisiert sind, weil wir eS zumeist verlernt haben, einer Idee hingegebcu zu lebe», darum leiden wir am Tasein, nicht aber weil uns irgendein Glaube fehlt." Eine Kultur wie die Dantes besteht nicht darin, baß ein zelne sich auf irgendeine Idee konzentrieren, sich in eine solche versenken, und so ans einer wenigstens für Stunden be stehenden Einheit schöpferische Taten vollbringen können. Gibt es das heute denn nicht auch ? Wie anders entstehen denn ionst Kunstwerke oder bedeutende Werke überhaupt? Und wenn durch eine planmäßige Schulung eine mechanische Steigerung der Kon zentrationsfähigkeit zustande gebracht würde, was wäre damit gewonnen? Mehr Großtaten einzelner vielleicht. Aber das wäre nur ein künstlich gesteigerter Jndividalismus. Ein Emporschießen einiger überragender Türme verschiedenartigster Struktur ans chaotischen Niederungen, die, je großartiger sie wären, die innere Zerrissenheit nur um so drastischer zum Ausdruck bringe», die bestehenden Spannungen nur vergrößern, die nationale Zerrissen- heit nur vertiefe», den Kamps nur ins Grandiose steigern würden. Was uns fehlt, ist ein einheitlicher Kultur i n h a l t. Eine gemeinsame, in allen Seelen wurzelnde, die tiefsten Tiefen des Menschenherzen erfassende Idee. Und diese alle Zweige menschlichen Schaffens erfassende Zentralidce jeder bis her dagewesenen Hochknltur ist immer eine ge meinsame, in ihrer Einheitlichkeit und Anto- rrtät starke Religion gewesen. Und die Religion des Mittelalters, das war der Boden, aus dem Tante seine Krast zog, der ihn gehoben, ist der Gipfel, auf dem. er jetzt noch die Jahrhunderte überragend und erleuchtend als weithin sichtbarer Leuchtturm und Wegweiser steht. Das ist eigentlich Sache rein objektiver» kulturgeschichtlicher Erkenntnis. Aber freilich, Religionssragcn sind Glaubeusfragen. Glan- bcnsfragen führen aus das Gebiet subjektiven Ermessens. Und Güter wie Glaube und Gnade kan» man nur schätzen, wenn inan sie ans Erfahrung kennt. Hier ist der Punkt, wo bei der Kritik die persönliche Ucberzengnng zu Worte kommen darf und soll. Das schasst die Möglichkeit einer Anssprache und Klärung. Wie wen entfernt aber trotz anderer Weltanschauung der Bericht erstatter der „Chemnitzer Neuesten Nachrichten" von persönlicher Voreingenommenheit ist, beweisen seine Schlußworte: „Ter Vortrag, Werk eines Mannes von Geist und Herz, von Souveränität, Humor und seiner Ironie, Krast und Eleganz der Rede, hatte tiefe Wirkung." Alles in allem befleißigt sich die Berichterstattung einer Ob jektivität, die man noch vor 10 Jahren einfach nicht sür möglich gehalten hätte. Und diese Unvoreingenommenheit, trotzdem der Evangelische Bund nach P. Przhwaras Auftreten in Chemnitz, besonders Lic. Bräunlich hierher bemüht hatte und trotzdem jetzt am Sonntag vorher die Sachscntagung des Evang. Bundes im nahen Stollberg wieder scharf gegen Rom eingeheizt hatte. Wir wollen gern daraus erkennen, daß auch auf der anderen Seite die Erkenntnis in weiten Kreisen Fuß gefaßt hat, daß nnscrem Volke allein damit gedient ist, wenn die chinesische Mauer lahrhundcrtelang gezüchteter Vorurteile und Gehässigkeiten endlich abgebaut und herüber und hinüber freie Sicht geschaffen wird. Wären wir schon am Ende einer solchen Entwicklung, die komme» muß, dann wäre eine wesentliche Ursache deutscher Zwie tracht beräumt, die uns in den letzten vier Jahrhunderten un endlich viel Gut und Blut und Kraft gekostet hat. Ungeheuer viel können Vorträge dieser Art dazu beitragen, wo Andersdenkenden Gelegenheit gegeben wird, unsere Führer, unser ganzes Denken und Fühlen, unsere Weltanschauung tennen- zulcrncn. Sich kennen lernen, heißt ja so oft schon, sich ver stehen; und sich verstehen oft, sich achten und schätzen. Solche Gelegenheiten sind auch die Katholikentage. Wenn auch diese als Veranstaltungen nur für Katholiken gedacht sind, haben doch immer Andersgläubige daran tcilgeuommen. Und stets wird ja der Presse Gelegenheit gegeben, über die Haupt versammlung zu berichten. Wir wünschen gerade der Gemeinde Plauen, die in der äußersten Ecke der Hochdiaspora des Süd- wcstens Wache hält, wo katholisches Leben noch so neu und wenig wurzelfest ist, daß es ihr gelingen möge, am 27. bis 29. Sep tember ein Leuchtfeuer katholischen Lebens anznzündeu, das weit hin das Lob katholischer Eintracht, katholischer Kultur, katho lischen Opfer- und Betenuermntcs, aber auch katholischer Nächsten liebe verkündet, die nicht halt macht an den Grenzen des eigenen Bekenntnisses, sondern den anderen Mitbrüdcrn in Christo freudig die Bruderhand reicht zu gemeinsamer Abwehr gegen den Un glauben. Tenn dieser und nicht der Katholizismus ist der Tod feind, der an der Wurzel unseres Volkes sitzt. Wer mit seinen christlichen deutschen Mitbrüdcrn ernstlich Eintracht halten will und tapfer der Gottlosigkeit znleibe rückt, ganz gleich, von welchem Bekenntnisboden aus, der, aber auch nur der ist ein guter Deut scher, ist cm wahrer Freund seines Volkes, ist wahrhaft national. » H. Kr. Pater Friedrich Mackermait«, 5. im Spiegel der Chemnitzer Presse Am 3. und 4. Juni war nach Zittau, Bautzen und Dresden Chemnitz an der Reihe, Muckermann hören zu dürfen. Wäh rend sich am ersten Abend knapp 300 Personen eingefmiden hatten, war die Zahl am zweiten Abend auf über 350 gestiegen, so daß der schöne Festsaal der Technischen Staatslehranstalten gefüllt war. Wiederum, wie bei Przywara, weit über die Hülste Nichtkatholike», diesmal wohl noch mehr wie damals vorwiegend Intelligenz. Ten Eindruck der meisterhaften Ausführungen muß man erlebt haben. Zn Anfang eine gewisse scheue Erwartung. Auch unter den Katholiken. Freilich aus anderen Gründen. Tann atemlose Spannung bis zum Schluß. Am ersten Tage der Beifall säst zaghast. Am nächste» Tage schon mehr Vertrautheit, mehr persönliche Fühlung, Man hielt schon ein herzliches Lachen nicht mehr zurück, wenn Muckermann seinen seine» Humor spielen ließ. Etwas Betretenheit und Bangigkeit nur, wenn er auf Kon- sesjivncllcs zu sprechen kam, und zwar auf beiden Seiten. Aber es ging alles gut. Und am Schluß ein unbcrhaltener, ehr lich begeisterter starker Beifall und Genugtuung und freudige Fcicrtagsstimmung aus allen Gesichtern und vielleicht auch so ein leises Schwingen von Hoffnung anf eine bessere Zukunft, ohne die unselige deutsche Zwietracht, wie es das „Chemnitzer Tageblatt" am Schlüsse seines einspaltigen Berichtes anklingen läßt: „So wird Tante und insbesondere sein unsterbliches Werk der Kathcdrnlbau, unter dessen die Sterne streifenden Kuppel sich all«, die guten Willens sind, Katholiken und Protestanten und sonstwcr, die Hände reichen können in einer gemeinsamen Sehn sucht als Menschen; wird er der Geist Dantes sein, der vielleicht rinmal wieder eine einige Kirche erstehen läßt. Prophetische Worte waren diese letzten, die den auf sehr hoher Warte stehenden Voclrag ins Seherische hoben und ihm tiefste Wirkung und nachhaltigen Beifall sicherten." Und nun zu den Berichten selbst. Alle drei bürgerlichen Zei tungen beschäftigen sch ausführlich mit Mnckermcinus Vorträgen, lieber den Dostojewski-Abend berichteten nur die „Allgemeine Zeitung" und das „Chemnitzer Tageblatt", letzteres scheinbar nicht ganz unabhängig bvni erstcrcn. In beiden Berichten spiegelt sich zunächst eine gewisse, schon oben erwähnte Reserviertheit Wider. So beginnt Max Roßberg in der „Allgemeinen Zeitung" seinen Bericht: „Es war interessant sür den Hörer beider Redner, nach der geistvollen, durchaus wissenschaftlichcr .Klarheit Pfarrer Mensings (der kurz vorher in vier Vorträgen über Dostojewski gesprochen hatte) am Dienstagabend den Jesniteupater Herrn Mucker,nan» mit der Klugheit des katholischen Priesters auch über Dostojewski sprechen zu hören." Auch das Tageblatt stellt „die geistvolle Klarheit und wisjensehastliche Objektivität" Pfarrer Mensings heraus. Pfarrer Mensing-Drcsdcn hat einen Namen als Literarhistoriker und Redner. Und es liegt nur durchaus feyn, seine Bedeutung nur irgendwie aniasten zu wollen. Aber gerade das Hcrvorheben solcher Vorzüge schasst für Mucker,nanns Leistung einen leeren Raum, der nnansgefüllt bleibt, auch wenn das Tageblatt andererseits von „blendender Beredsamkeit" und die Allgemeine Zeitung von „geistreichen" Ausführungen" spricht. Ich gehe darauf nicht deswegen ein, weil ich etwa durchaus unseren Mnckermaiin als den bessere» hinstelle» möchte, also sozusagen ans gekränkter Eitelkeit, sondern, »m zu zeige», warum Muckermann seinen Vortrag anders baute. Ick habe leider Pfarrer Kcnsing nicht hören können, spreche also ohne jede Beziehung. Rein zufällig erwähnte Muckermann vorher, daß er keinen wissenschaftlichen Vortrag halten wolle. Er verschmähte also mit Vlbsicht eine streng logische Analyse, wollte also dein Greisen Dostojewski nicht vorerst Schwingen, Schwanz, Kops und Beine abschneidcn. nm sie einzeln vorzuzeigen und sic bann wieder ihübsch säuberlich zusammen,zustellen. Sein Vortrag woltte nicht wissenschaftliche Konstruktion sei», sondern liebenswürdige Instruk tion. so etwa wie ein feinsinniger Künstler in das Verständnis eines Gemäldes einsührt. Er zeichnete da? Land, das Volk, in seinem Charakter, feinem Glauben, seiner Geschichte, und ließ fchier unmerklich Zug nm Zug, Farbe um Farbe den Geist des großen Dostojewski ans denr Dunkel hervortreten, bis er natur wahr m russischer Umwelt als Vollrnssc mit seinem Glauben »nd Zweifeln, Lieben und Hassen plastisch vor uns stand. Oder sollte diese Methode nicht auch ctwa-Z für sich haben? Ja, ich möchte no»y weiter gehe». Dostojewski ist kein Tnnie. Sein Werk ist kein stilvoll konstruierter Van mit hiinmel-- stnrmender Kuppelkröming. Dostojewski ist wie sein Rußland, wie sei» Volk, wie seine Religion: leidenschaftlich interessante, slächcnhaste Wellenbewegung, linabgcüchlossciiheit, llngesormtyeit, Problem. Und Probleinstellnng nur wurde dein Redner Dosto jewski für den zweiten Abend. Dante war die Antwort auf die Frage des ersten. Tante ist Shnthese, ist stilvolle Konstruktion. Und stilvolle Konstruktion wie Dantes Werk war am zweiten Abend Muckcrmanns Vortrag. Hat Meister Muckermann gar daran gedacht, sein Kunstwerl jeweils im Baustile seines Helden zu gestalten? Ten Bericht der „Allgemeinen Chemnitzer Zeitung", der Pater Muckermann in hervorragenden Worten würdigt, brachten wir schon gestern. Ebenfalls sind die anerkennenswerten Schluß worte des „Chemnitzer Tageblattes" oben verzeichnet. Eine mehr kritische Stellung zu den Ausführungen Mnckermanns über Dante nimmt Dr. H. Müller in den „Chemnitzer Neuesten Nach richten" ein. Er schreibt: „Der Priester Muckermann mag das Ucbcl der Zeit in der herrschenden Glanbenslosigkeit erkennen wollen; uns bedeutet der Abstand des Jetzt vom Ideal des Einst nichts mehr noch weniger als de» Niedergang aus den Höhen der Kultur in die Täler der Zivilisation, die Erschöpfung kultur- schaffender Kräfte überhaupt." Materialistische Geschichtsanf- Ein Epilog In der Restauration deS Reichstags liegt der Standpunkt, von dem aus die Vorgänge im Plenum beurteilt sein wollen. Auch dort müßte eigentlich Krieg herrschen. Niemand würde erstaunt sein zu höre», daß Henning und Scholem sich dort Biergläser an die Köpfe geworfen hätten. Nichts davon. Die Stätte leiblicher Stärkung zeigte auch in der letzten Kra» kvallwoche nur Bilder tiefsten Friedens; bei Kaffee und Streusel- knchen waren die Gegensätze der Parteien verschwunden. Das wütende Gegeneinander in den Sitzungen, die groben Be schimpfungen und großen Worte, hier schweigen sie. Ten» hinter den Kulissen hatte man keinen Grund, das dem Deutschen Volke vorgesptclte Theater sortzusetzen. Uns als Angehörigen dieses Volkes aber ist es vielleicht nützlich, den Sinn der Schaustellung zu bedenken, in der nun mehr bis zum 24. Juni eine Erholungspause eingetreten ist. „Die Decke schlägt man, das Pferd meint man". Dies Sprichwort paßt hier sehr schön. Nicht der Außen politik der Negierung allein gelten die Angriffe, nicht Marx und Stresemann allein sind die Personen, gegen die der Snrin- angrisf von rechts und links angesetzt ist. Ein« Regierung Tirpitz würde da- Gutachten genau glatt annehmen. Und selbst wenn Koenen und Katz statt Vol'Sbelusttger BolkSbeauftragte wären, würden sie nicht weniger gern abschließen als Trotzki in Brest- Litowsk abgeschlossen hat. Tie Opposition gilt vor allem der Wirtschaftspolitik des neu bestätigten Kabinetts, der Name deS umstrittenen Mannes aber ist in den Debatten noch nicht einmal genannt worden; es ist der Rcichsbankpräsident Tr. Schacht. Ganz gelegentlich ist in der großen zweitägigen Rede schlacht deS Reichstags diese Unterströmnng bis zur Oberfläche gedrungen. Ter Nationalsozialist H enning sagte es am 4. Juni mit aller Tentlichkeit: ^Wenn die Herren Stresemann »nd Marx die Wirtschaftspolitik unentwegt wcitertreiben, die daS deutsche Bol. zum Erliegen bringen muß, so sind auch sie vaterlandslose Männer." Und sein Fraktionskollege Grase »erstieg sich am Tage darauf sogar zn der Behauptung, die Hochflut der In flation im Oktober 1923 sei kein Unglück, sondern der Anfang zu nencm Aufstieg gewesen. Ruth Fischer, die Sprecherin der Kommunisten, hat in derselben Sitzung mit dem Pathos ihrer rundlichen Persönlichkeit ausgesprochen, ihre Partei sei gegen das Gutachten, weil die ans ihm sich ergebenden Lasten doch nur auf die Schultern der Arbeiterschaft gewälzt werden würden. Daß wir die Last der Reparationen auf uns nehmen müsse», steht außer Frage. Aber wie wir sie tragen sollen, darum wird der Streit mit allen Mitteln ausgefochten. — Was will die Regierung? Gleichmäßige und gerechte Verteilung der Lasten, die sich anS dem Gutachten ergeben. Dabei werden auch die „schwachen Schultern" nach Kräften zu tragen haben. Doch nicht sie allein. Am stärksten wird in Anspruch genommen wer den müssen, iver die größte Leistungsfähigkeit besttzt: Kapital und Industrie. — Das unerbittliche Verweigern übermäßiger Kredite, das Dr. Schacht an die Stelle der nachgiebigen Kredit politik seines Vorgängers Havenstein gesetzt hat, stellt mit aus reichender Klarheit fest, welche Unternehmungen tatsächlich als lebenskräftig gelteil können. Alle wirtschaftliche» Gebilde, die nur den Papiermarkkreditcn der Reichsbank und der JuflationS- zeit ihr Entstehen verdanke», werden die heute einsetzende Wirt schaftskrise nicht überdauern. Schacht lianidiert das neue Unter nehmertum, das sich in und nach dem Kriege entwickelt hatte. — Hier also ist der Versuch, nach dein die Linksparteien so oft gerufen habe», hier ist der Griff nach den Sachwerten, die Belastung der großen Einkünfte. Interessant, daß sich ansgerechnet die Kommunisten diesem Versuche in den Weg stellen. Einsichtsvolle .Kreise der Unternehmerschaft dagegen haben die Wirtschaftspolitik de» Kabinetts von Anfang ir» gebilligt. Ter „Reichsvcrband der Tculschcii Industrie" hat ans seiner Märztagniig die Annahme des Gutachtens besürwortct. Er hat damit erklärt, daß der Industrie mehr an sicheren und klaren wirtschaftlichen Verhältnissen gelegen sei» müsse als an der Erhaltung all der einzelnen iudnstriellen Unternehmnngcn, die heilte in der Treibhausluft der Geschästsanfsicht noch existieren können. — Dieser heroische Entschluß hat die Einheit des Ver bandes gesprengt. Unter dem Rainen „D eutsche I » dnstrie l- l e n-V c r e i n i g » n g" hat sich in den letzten Wochen ein Kreis von Unternehmern zusammengeschlossen, die gegen An nahme des Gutachtens sind, angeblich aus vaterländischen Mo tiven. Diese Motive wollen wir den Herren nicht abstreiten. e« darf aber sestgestcllt werden, daß hier ein Samuielvlatz sür alt die Unternehmer geschaffen ist, die von den Folgen des Gut achtens sür ihre Existenz fürchten. Tic Sache dieser Gruppe im Unternehmertum führen (gleich gültig ob bewußt oder unfreiwillig) die Parteien, die heute gegen Marx und Stresemann Sturm lausen. Unbegreiflich von der Linken: denn die Regierung Marx ist die einzige, die ver hindern kan», daß die Arbeiterschaft einen übergroßen Teil der Reparationslast aufgcbürdet erhält. Unbegrcislicker noch von der Rechten: Tenn das Vaterland sollte doch auch in der Tat de» privaten Interessen vorangehen. Tie Wähler werden sich zn überlegen haben, ob sie daS nächste Mal ihre Stimmen diesen Leuten der lärmenden und nichts leistenden Opposition geben wollen. Tie ?om- inende Zeit wird eine ernstere Form der Auseinandersetzung erzwingen, als daS Komödienspiel der letzte» PnrlamcntStagnng. Und die Schwere der Lasten, die wir auf uns nehmen müsse», eine bessere Einheitsfront der Volksvertreter fordern als jene, die nach dem wüsten Lärm der Plenarsitzung bei Kaffee und Streuselkuchen in der Restauration des Reichstags hergestellt wir». Dok.
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