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EMr 135 - szLMWng O»al wöckpentl. Bezugspreis: für Juni 2R.-M. ausschl. Bestellgeld. Berechnung der Anzeigen nach Rent.-Mark. Preise: Die eyigespaltene Petitzeile 30 L>. f. Familien- u. VereinSanz., Gesuche 2« H. Die Petit-Rellamezcile 89 mm breit, 1 Offertengebühr für Selbstabholer -... 20 -Ä, bei Uebersendung d. d. Post außerdem Porto« ^ zuschlag. Preis f. d. Einzelnummer 1V Renten-Pscnnig. Geschäftlicher Teil: Josef Fohmann. Dresden. Donnerstag, den 12. Juni 1924 Im Falle höherer Gewalt erlischt jede Verpflichtung auf Lieferung sowie Erfüllung v. Anz.-Aufträgen u Leistung v. Schadenersatz. Für undeutlich u. d. Fernspx. übermittelte Anzeigen übernehmen wir keine Ver- antwortung. Unverlangt eingesandte u. mit Rückport- nicht versehene Manuskripte werden nicht ansbewahrt. Sprechstunde der Redaktion 5 bis 6 Uhr nachmittags.' Hauptschriftletter: Dr. JosesAlbert. Dresden volfsMung Tageszeitung für christliche Politik und Kultu WcschäftSftell« der Sächsischen «Volks,eituug und Druck und Verlag, Saroiiia-Vuchdruckeret GmbH, ^ Drcsden-A. IS, Holbeinftratze IS, sternrus S27L2, Post. ^ scheckkonwDreSden 11797 >>»!> BW ' Ile Ml »kl M ' Ins IM Lebe« Redaktlon der Sächsischen VolkSzeitung 1 ch Dresden - SU lö. HolbenisNahe IS. gernrin S97L2 und SWM Der Sieg der französischen Linken Die Krni-idlüiir Daiilie»^ Krieg und Friedeil Die soziale Gefahr. Dr. Heinrich Mataja- Wien. Wie die Menschen so leicht gegebene Tatsachen als unabänder lich hinnehmen, so haben wir alle uns mehr ober minder mit der sozialen Zerklüftung abgefunden, die alle Kulturvölker spaltet. Tie marxistische Lehre hat dem tatsächlichen Zustand der riesigen sozialen Unterschiede in bezug ans die Chancen irdischen Wohl ergehens das Ideal der sozialen Gleichheit gegenübergestellt. Sie erblickt den Urgrund dieser Verschiedenartigkeit im privaten Eigen tum an Produktionsmitteln, wodurch de,n durch solches Eigentum Begünstigten der Ertrag der von anderen geleisteten Arbeit zu geschanzt wird. Ihm steht also je nach der Höhe seines arbeits losen Einkommens der materielle und kulturelle Genus; des T-aseiiis offen, während der Vermögenslose ihm von seinem Arbeitseinkom men Tribut zahlen inns;. Die Ausbeuter und die Ausgebeuteten, das sind die beiden Klassen, „die einen mit Sporen, die andern mit Sätteln geboren", die einander im Kampf gcgennberstehen, solange es privates Eigentum an Produktionsmitteln gibt. Die Entwicklung der kapitalistischen Gesellschaft führt eine immer intensivere Konzentration des Eigentums an Produktionsmitteln herbei, so bas; schließlich ganz wenigen Ausbeutern Millionen und Millionen von Ausgebeuteten gegenüberstehen werden, und durch eine geringfügige, ans der Unerträglichkeit dieser Verhältnisse von selbst resultierende Gewaltanwendung wird einst das Eigentum an den Produktionsmitteln aus den Händen der wenigen Ausbeuter auf die Allgemeinheit übergehen. Tann ist im Gegensatz zur kapitalistischen die sozialistische Gesellschaftsordnung erreicht, der Klassengegensatz aufgehoben, die Ausbeutung beseitigt. Diese Ueberzeugung von der Ausbeutung und vom Klassen kampf ist mehr oder minder bewußt in Millionen von Köpfen «in gedrungen. Die Entwicklung des Wirtschaftslebens hat ihm ge waltig Vorschub geleistet. Je leichter der Angestellte (Ausgebeutete', zum Unternehmer (Ausbeuter) aufsteigen konnte, desto weniger scharf war der Gegensatz zwischen beiden. Je kleiner die Be triebe waren, je näher aneinanoer die verschiedenen Glieder eines Und desselben Betriebes lebten, je geringer der Unterschied ihrer Lebensführung war, je mehr der Unternehmer selbst die tat sächliche Leitung seines Betriebes führte, in der Gießerei, im Kontor, im Verkaufsladen selbst anwesend und für seine Angestell ten erreichbar war, desto wen'gsr drängte sich die Idee des Klassen unterschiedes auf. Für zwanzig Angestellte kann der Unternehmer immer erreichbar sein, da kennen die Arbeiter noch den inngen Herrn Karl oder Franz, wissen, was die Frau für eine Geborene ist und ob es zu Mittag in der Suppe Leberknödel gegeben hat. Bei hundert Arbeitern verschwindet das allmählich, bei zehntausend ist jeder persönliche Kontakt ausgeschlossen. Der Unternehmer ist nicht mehr eine Person, er ist ein Begriff. Zwischen den Unternehmer und den Arbeiter schiebt sich der Angestellte, die Beamtenschaft, das Kollegium der Direktoren ein. Die Möglich keit des Aufstieges auch nur um eine Stufe ist gering. In diese Atmosphäre fällt nun die unabhängige Propaganda des ausgezeichneten sozialistischen Apparates; dein Arbeitseinkom men verpraßt der Aktionär in den unerreichbaren paradiesischen Gefilden, aus deiner Arbeit hat er seiner Frau das kostbare Edelsteinkollier gekauft, von dem in allen Zeitungen zu lesen ist, dein Hirn und deine Muskeln, werden verschachert, wenn die Kurse der Aktien im Vörsensaal ausgeschrien werden. Du kannst dir dieses Pfund Fleisch nicht kaufen, dieses Buch nicht anschaffsn, ,dein krankes Kind nicht aufs Land schicken, weil jene den Glanz und die Pracht des Lebens auf deine Kosten genießen. Haß loht auf gegen die Ausbeuter der Klassenkampfgedanke marschiert. Tas ist der Zustand, in dem alle europäische» Staaten! sich be finden. Während die Nationalisten der verschiedenen Länder von dem Krieg gegen eistander träumen, schwillt in den Proletariern der Wille, das Joch der Ausbeutung abzuwerken, nicht wieder die Handgranate nach dem fremdsprachigen Klassengenossen zu werfen, sondern mit ihr das eigene wirtschaftliche und soziale Recht zu erobern, das ihnen vorenthalten wird. Und statt nun diese,, Zustand als unhaltbar, als in höchstem Grade gefährlich zu erkennen, denken die Nationalisten der verschiedenen Länder noch daran, dem „Riesen Proletariat" mit einer neuen Kriegs erklärung das Signal zur Schilderhebung zu geben. Sie können es, scheint's nicht erwarten, bis die bolschewikische Petarde die Tore ihrer Städte sprengt. Tenn daß sie diese Gefahr nicht sehen, oder daß sie ihre Tragweite nicht verstehen sollten, wäre kaum zu begreifen. . Will man den Versuch machen, die soziale Gefahr wirklich zu iVmnen, die Unerträglichkeit des gegenwärtigen Zustandes che cabzumindern, so muß man sich vor allem drei Dinge fzuc Richtschnur machen: Man muß, welchem Stand immer man fangehört, praktische Arbeit für die Allgemeinheit leisten, man ^inutz an der wirtschaftlichen und kulturellen He rbling der unteren sozialen Schichten auch um den iPreis etgner Opfer Mitwirken; man muß »azu bei. stragen, eine Organisation aufzubauen, die der D.rgantsation des Klassenkampfes gewachsen ist. Khechic Ueberzeugung von diesen drei Dingen nicht die Gegner Paris, 1. Juni. Die Wahl beS neuen Präsidenten brr Republik wirb jedenfalls am Freitag um 1 Uhr mittags in Ver sailles stattfiudcn. Morgen werden die Parteien der Mehrheit von Kammer und Senat eine Vorabstimmnng vornehmen. ES fragt sich, ob das Kartell der Linken »och weitere Abgeordnete zu dieser Handlung zuzirhcn werde. Rach dem Echo de Paris sollen alle die hinzngezogcn werden, die dafür gestimmt habe,, daß die An trittsrede des Kammerpräsidenten Painleve angeschlagen wird. Bis jetzt spricht man nur von der Kandidatur P a i n l e v e s. Die Blätter der Mittelpartcien halten auch die Kandidatur deS Senats- Präsidenten Toumergne für möglich. Einzelne sprechen auch von einem Außenseiter. In Verbindung hiermit sind bereits zwei. Namen genannt worden, die Senatoren Pams und Nene Nenonld. Dir Blätter des Linksblocks jedoch nehmen an, daß der ein stimmige Kandidat der Mchrheitsparteien Pain > eve sein werde. Rach der Verfassung führt bis zur Installierung des neuen Präsidenten der Republik und bis zur erfolgten Ernenn»»,, seines ersten Kabinetts daS Ministerium Marsal die Geschäfte weiter. DaS Kabinett hat also nur formell seine Demission cingcreicht. Tic tatsächliche Demission deS Kabinetts kann erst erfolgen, wenn die Neuwahl des Präsidenten der Republik vollzogen ist. Paris, 11. Juni. Wie der Matin berichtet, werde Präsident Millerand morgen in seine Villa in Versailles übcrsiedcln und seine Tätigkeit als Advokat wieder anfnehmen. Im übrigen werde er sich um den durch den Tod des rechts sichenden Ab geordneten Etitier frei gewordenen Kammersitz bemühen. Die klillchtidkli-kn Miingki, Der Rücktritt Millerands und des Kabinetts Marsal. Paris, 11. Juni. Die Kammer trat am Dienstagnachmittag um drei Uhr zusammen. Der neue Ministerpräsident Francois Ntarsal hat die Botschaft des Präsidenten Millerand verlesen, in der es heißt: Als die Nationalversammlung mir die Ehre gab, mich mit 695 Stimmen an die Präsidentenstelle des Landes zu berufen, wußte die Nationalversammlung durch meine vorher verlesene Erklärung, daß ich die Würde, ins Elysce zu gehen, nur übernehmen würde, um eine nationale Politik des so zialen Fortschritts, der Ordnung, der Arbeit und der Einigkeit zu verteidigen. Die Verpflichtung, die ich vor dem ganzen Volke feierlichst übernahm, habe ich auch treu gehalten. Indem ich mich daraus berufe, daß der Präsident der Republik von de» beide» Kammern nur dann zur Verantwortung gezogen werden kann, wenn er sich des Hochverrats schuldig gemacht hat, halte icy daran fest, daß ich auf sieben Jahre gewählt worden bin. Durch poli tische Voreingenommenheiten dürfen das nationale Interesse und der Fortbestand der Verfassung nicht gefährdet werde». Ich hoffe, daß Sie die Verfassung Hochhalten werden. Wenn Sie sie aber nicht achten, oder wenn künftighin eine politische Mehr heit den Präsidenten der Republik veranlassen kann, sich zurück- zuziehen, dann wird der Präsident der Republik nur ein Spiel ball der Parteien sein. Es sind Kräfte am Werk, die versuchen, im Interesse ihrer Parteien die neue Legislaturperiode mit einer Handlung im Sinne der Revolution zu beginnen. Diesen staats feindlichen Bcmühungegn darf die Kammer nicht stattgeben. Wie ich im Bewußtsein meine Verantwortung übernommen habe, so ist jetzt die Stunde gekommen, in her auch das Parlament die Verantwortung zu tragen hat. Auf Verlangen der Minderheit wurde alsdann in die De batte eingetreten. Die Linksparteien blieben ihrer Taktik treu, weder an der Debatte teilzunehmen noch sie durch Zwischenrufe zu ver längern. Inzwischen wurde in der Kammer bekannt, daß der Se nat sich für die Vorlegung einer von den Freunden Millerands eingebrachten Tagesordnung mit 1S4 gegen 114 Stimmen ausge sprochen hatte. — Alsdann verlas Marsal eine Regierungs erklärung: Die Regierung ist nur gebildet worden, um es den beiden Häusern zu ermöglichen, die Debatte über die Verfassung, welche seit einigen Tagen außerhalb des Parlaments imgange ist, innerhalb des Parlaments zu führen. Wir stellen uns deshalb der Kammer nicht mit einem Regierungsprogramm vor. Die Entscheidung, die hier bevorsteht, zieht auf's höchste die Zukunft unserer Verfassung in Mitleidenschaft. Die Ach tung vor dem Gesetze ist die Garantie unserer republikanischen Einrichtung und für die Erhaltung der öffentlichen Freiheit. . . . Hierauf verliest der Kammerpräsident folgende von Her- riot eingebrachte des Klassenkampfes in ihrer Gesamtheit beherrscht, ist an eine Zurückdrängung der Klassenkampfidee nicht zu denken, und mag der sozialistische Gedanke in der Praxis noch so gründlich versagen, die natürliche Opposition gegen die allzu krasse Ungleichheit und der Trieb nach Aufstieg und kultureller Erhebung wird ihn oder eine andere revolutionäre Bewegung immer wieder auslebcn lasten. Resolution des Linnskartells. Die Kammer ist entschlossen, mit einem Ministerium, das durch seine Zusammensetzung die Verneinung der Rechte des Parlaments darstellt, nicht in Verbindung zu treten, lehnt die verfassungswidrige Debatte, zu der sie ausgesordert wird, ab und beschließt, jede Entscheidung zu vertagen, bis sich eine Regierung vorstellt, die im Einvernehmen mit den sou veränen Rechten des Landes gebildet ist. Das Ergebnis der Abstimmung war folgendes: 329 Stim men für den gegen Millerand gerichteten Antrag des Abg. Herriot, mit der jetzigen Regierung nicht in Kontakt zu treten, und 214 Stimmen für Millerand. Die Kommunisten stiinmien bei Verkündung des Ergebnisses die Internationale an, auch die Minderheit der Rechten veranstaltete ihrerseits lärmende Kund gebungen. Das Kabinett verließ inmitten des Tumults die Kammer und begab sich ins Elysee, um dem Präsidenten der Republik das Abstimmungsergebnis mitznteilen. Paris, 11. Juni. Von der Präsidentschaft der Republik wurde abends 8,3V Uhr folgendes amtliches Kommunique ver öffentlicht: Der Ministerpräsident Marsal hat sich heute abend in Begleitung seines Kabinetts ins Elysee begeben, um den Präsidenten Millerand vo» den Ereignissen in der Kammer in Kenntnis zu setzen. Millerand dankte Marsal und seinen Kolle gen auss herzlichste. Der Ministerpräsident unterbreitete Mil lerand seine Demission. Millerand erklärte daraus, daß er sich aus Grund der Abstimmung in der Kammer zurück- zichen werde und bat den Ministerpräsidenten, provi sorisch die Geschäfte weiterzuführen. Der Temissionsakt des Präsidenten würde am nächsten Tag in den beiden Kammern ver lesen werden. Da die Neuwahl des Präsidenten 48 Stunden nach der De mission erfolgen mutz, wir^puf jeden Fall am Freitag die Nationalversammlung in Versailles den neuen Präsiden ten wähle», denn die Demission Millerands wird erst heute nachmittag drei Uhr bei der Verlesung im Parlament ossiziell sein. Weile über MiM London, 11. Juni. Der Berliner Berichterstatter des „Da i l y - T e l e g r a p h" schreibt unter Hinweis darauf, daß schon der Beginn der Freilassungg der Ruhrgefangs.ien als eine Rechtfertigung der Politik des Kabinetts Marx angesehen würde: In Kreisen, die mit der französischen Botschaft in Fühlung stehen, verlautet jetzt, daß alle Hossnung auf eine endgültige Regelung des Konfliktes zwischen Deutschland und der Entente bestehe. — Der Berliner Berichterstatter der „Westminster- Gazette" schreibt: Die Hauptaufgabe des Kabinetts Marx sei, das Zusammenwirken mit der gegenwärtigen englischen und der neuen französische» Negierung zur Vereinfachung einer Lö sung des chronischen Neparationsproblems. Selbst seine bitter sten politischen Gegner würden es kann; wagen, sein Werk zum Scheitern zu bringen. Er habe den Mut, das alles zu versuchen, ohne eine dauernde "Mehrheit im Reichstage hinter sich zu haben, weil die Erfahrungen der letzten Tage ihm gezeigt hatten, daß seine Hoffnungen auf Sieg berechtigt seien. Die Freilassung der politischen Gefangenen London, 11. Juni. Daily Telegraph beglückwünscht die belgische Regierung zur beabsichtigten Freilassung der politischen Gefangenen in der besetzten Zone und ist der Ansicht, man könne sich darauf verlasse», daß die kommende französische Negierung ein gleiches Vcrsahre» ver folgen werde. Die britische Regierung werde Belgien siir seine Haltung dankbar sein, die wie man glaube, eine rasche Besserung in den Beziehungen zwischen den Alliierten und Deutschland zu stande bringen werde. Erfolge Mussolinis Mailand, 11. Juni. Die neue italienische Kam,»er Hai der Regierung mit 381 von 488 Stimmen das Vertrauen ausgesprochen. Paris, 11. Juni. Eine Havasnote von heute morgen be sagt, daß Macdonald der Einladung Mussolinis, nui ihm in der Schweiz eine Begegnung- zu haben, nicht annchmcn wird. Macdonald zieht es vielmehr vor. Mussolini nach London einzuladen, da seine Arbeiten es ihm augenblicklich nicht ge- statten, sich von London zu entfernen. London, 11. Juni. Durch das sog. Iubaland-Abkommen zwischen England und Italien erhalt Italien einen bedeutenden Zuwachs an Gebiet, darunter auch den Hasen von Kis- maja und einen entwicklungsfähigen Zugang zum Hasen von Dnrnford.