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Sächsische Volkszeitung : 16.09.1923
- Erscheinungsdatum
- 1923-09-16
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-192309163
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19230916
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19230916
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1923
-
Monat
1923-09
- Tag 1923-09-16
-
Monat
1923-09
-
Jahr
1923
- Titel
- Sächsische Volkszeitung : 16.09.1923
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Sonntag. de» >6. September 1923. SWjlhtGkiiitiiidlMlilkn am 18.z>a«kii>bkkIM Die Verhältnisse der sächsischen Gemeinden, dir bisher durch die beiden Städteverordnungen vom 2t. April 1873 und durch die Landgemeindeordnung vom gleichen Tage geregelt waren, haben durch die neue G em e t n d e o r d n u n g vom 1. August 1923 eine völlige Umgestaltung erfahren. Die Unter scheidung zwischen Städten und Landgemeinden ist gefallen, es gibt im Sinne des Gesetzes nur noch Gemeinden. Diese sind nach Paragraph 21, Absatz 1 und 2 des Gesetzes verpflichtet, zur Wahrnehmung ihrer eigenen Gemeiiideangelegenheiten Ge- m e i n d c v e r o r d n e t e zu wähle», deren von der Gemeinde- Verfassung zu bestimmende Zahl ungerade sein und mindestens 7, aber höchstens 75 betragen muß. Nur für Gemeinden mit höch stens 100 Gemcindebürgern läßt Paragraph 22 des neuen Ge setzes die Ausnahme zu, daß die vom Bürgermeister zu be rufende Versammlung aller Gemeindebürger die Gemeindever- ordueten bildet. Für diese Zwerggemcindcn ist also von der Forderung einer Wahl besonderer Gcmcindevecordnelc» abgesehen, in allen übrigen Gemeinden sind am 18. Novein der 1923 Gemeindeverordncte nach den Vorschriften des neuen Gesetzes in allgemeiner und geheimer Wahl nach den Grusiosätzen der Verhältniswahl mit gcbnndenen Listen zu wählen. Die gegenwärtige Zahl der Stadtverordneten und Gcmeindevertrrter ist für die Zahl der erstmalig zu wählenden Gemeinvevertrcter maßgebend. Ist die gegenwärtige Zahl gerade, so gilt die nächsthöhere ungerade Zahl, ist sie niedriger als 7 oder höher als 75, so erhöht oder erniedrigt sie sich entsprechend. Die Stad träte und Gemeinde ältesten sind am 18. November 1923 nicht neu zu wählen, sondern erst »ach dein 1. April 1921. Die Bürgermeister und Gemeittdevvrstände bleiben auch nach dem 1. April 1921 im Amte, fals sie nicht freiwillig ansscheiden oder abbernfen werden. Hierüber bestehen besondere Vorschriften. Die bisherigen Stadt verordneten und Gemeindevertreier bleiben bis zum Tage deS ZusainmcntreienS der »eugewühlien Geineindcverordnetcn, läng stens aber bis zum 31. Dezember 1923, im Amte und werden dann durch jene ersetzt. Die nengewählten Gemeindevertreier amtieren also bis znm 1. April 1921 noch unter den Vorschriften des alten Rechts von 1873. Ihre erste Aufgabe Ivird sein, die Verfassungen und Ortsgcsetze der Gemeinden mit dem neuen Gesetze in Einilang zu bringen und G e m ei n b e v e r f a s s u n g e n dort auzustel- le», wo sie noch fehlen. Das muß bis zum 1. April 1921 geschehen sein. Tie hierzu nötigen ortsgesetzsichen Vorschriften sind in Städten mit revidierter Städtcordnung vom Stadlrat im übrigen vom Bürgermeister, oder Gemeindevorstand, nach Befinden unter Mitwirkung der bestehenden gemischten Ausschüsse vorznbereitcn und möglichst bald de» nengewählten Gemeindcver- ordneien vorzulegen, die allein darüber zu beschließen haben. Die Ortsgcsetze und Satzungen bedürfen keiner Ge nehmigung der Obcrbehvrden mehr, sind jedoch vor ihrer Be kanntmachung der Staatsbehörde vorzulegen. Diese kann aber nur dann gegen ein Ortsgesetz Einspruch erheben, wenn der Inhalt des Ortsgesetzcs dem Reichs« oder dem Landes rechte widerspricht oder eine schuldhafte Vernachlässigung der Aufgaben der Gemeinde enthält oder wenn das Ortsgesetz den an ein solches zu stellenden Anforderungen nach Ausbau oder Fassung nicht entspricht. Dieser Einspruch ist spätestens vier Wochen nach der Vorlegung des Ortsgesetzes dem Gemeinderate gegenüber zu erklären und schriftlich zu begründen. Die Ge meinde kann den Einspruch spätestens ll Tage nach Eingang der Einspruchsbegründung bei der G e m e i n d e k a m m e r in D r e sd e n anfechten. Die Entscheidung der Gemcindkknmmer wird endgültig, wenn nicht ihr Vorsitzender innerhalb von fünf Tagen dem Gemeinderale gegenüber erklärt, daß er die Angelegenheit dem Ministerium des Innern zur Entschließung Vorlagen ivird. Dieses kann die Entschließung der Gemeindekammec abändcc» oder ansheben. Seine Entschließung ist endgültig. , In kurzer Zeit stehen unS also in Sachsen Gemeinde« wahle n bevor. Noch nie kam diesen Wahlen eine derartige Bedeutung zu, wie heute, da die neue sächsische Geineindeorb- nung, die der Landtag noch kurz vor den Sommerserien mit aller Hast durchpcitschle, jede einzelne Gemeinde vor die schwerste Entscheidungen stellt. Den »cuznwählenden Mmeindevertrctern ivird die Aufgabe zufallen, nach den „freiheitlichsten" Maximen neue Grundrechte der Gemeinden festzulegcn. Die sächsische Regie rung, solange sie eben eine reine Klasscnregicrung ist, wird dann schon dafür sorgen, daß die Wünsche radikaler Gemeinden rest los in Erfüllung gehen. Was diese Wahlen in ihren Aus wirkungen bedeuten, läßt sich heute noch gar nicht voll ermessen. Die Möglichkeit besteht aber sehr wohl, daß auch in den einzelnen Gemeinden gerade bei uns in Sachsen das bekannt; „sächsisch- demokralischc" System, das wir in der Landespolilik zur Genüge, ansgekostet haben, in noch verstärktem Maße Eingang finden kann, wenn — ja wenn die einsichtigen politischen Kreise weiter- hin so träge wie bisher alles lausen lassen wie es eben läuft. An der G e m e i n d e o r d n u n g, die wir dem jetzigen Landtage verdanken, läßt sich heute nun einmal nichts mehr ändern, wohl aber an der politischen Betätigung der einzelnen Ge meinde». Hier mutz nachgerade die neue Gemeindxordnniig alarmierend wirken, muß die schlasenden Geister ganz energisch aufrütteln und jeden einzelnen an seine Pflicht.gegenüber der eigenen Gemeinde mahnen. Offenbarten nicht gerade bislang die Gemeindewahlen stets die größte Wahlmlldigkeit und Wahl slauheit? Gab man sich nicht gerade bei diesen „kleinen" Wahlen die Blöße einer unverzeihlichen Uninteressiertheit und politischen Bequemlichkeit? Noch ist es Zeit, den radikalen Sinn der neuen Gemeindeordnung zum Guten abzubiegen. Tie Verhältnisse liegen in jeder Gemeinde verschiede». Aber die Pflicht malmt uns alle, jeder an seinem Ort, schon heute alles einznsetzen und beizeiten sich zu rühren, daß der 18. November d. Ir nicht ein dunkler Tag in politischer Hinsicht werde, der den politisch ansgcschlachtete» Klasscnkampf und die Diktatur einer Minderheit auch noch über viele einzelne Gemeinden heransbeschwört und den bisherigen Kurs der Ordnung jäh unterbricht. Wir sind der Ueberzengnng, daß unsere Z e n tr u in s a n h 8 n g e r di: Wichtigkeit dieser Wahlen vollauf erkennen und restlos ihr: Pflicht tun werden, nicht zuletzt im Hinblick ans die großen kulturel len Ausgaben, die es im Genieindelebm gerade heule zu vertreten und onrchznsetzen gilt. Wkilcre Lcsscrinm der WtllWsiagt VM-WtMichs Die jüngsten Ergebnisse der österreichischen WirtschastSstatisiik zeigen eine allmählich fortschreitende Besserung der wirtschaft lichen Verhältnisse Oesterreichs. Die Stabilisierung der Währung bleibt nach wie vor der Grundstein des Ge-, snndnngsprozesses. Sie kommt in dem seit Wochen unveränderten Kurs der Nenyorker Devise ln Wien und den ganz unwesentlichen Schwankungen des Dollarlndex zum Ausdruck. Auch die Notie rung der österreichischen Krone in Nenyork zeigt, daß sich die österreichische Krone ans dem für den internationalen Kredit maßgebenden Platze stabil erhalten hat. Das Sinken deS L e b e n s k o st e n i n d c x um weitere 4 Prozent bringt der Bevölkerung im Zusammenhänge mit einem für den größten Teil der Arbeiter und Angestellten unveränderten Lohnniveau eine gewisse Erleichterung der Lebenshaltung. Allerdings erstreckt sich der Preisabbau bisher bloß ans die Mehrzahl der Lebens-i mittel, während die Fleischpreise und die Preise für BekleionngS- nrtikel »och immer ans einem Stand verharren, der den brüten Massen deS Volkes unerschwinglich ist. Der Stano oer Sparein lage» hat sich neuerlich um 56 Milliarden erhöht, woraus geschlossen werden kann, daß der mit der Gesundung der Währung wieder erwachende Sparsinn sich in erhöhtem Maße geltend macht. Auch der Arbeitsmarkt zeigt insofern eine leichte Entspannung, als die Zahl der Arbeitslosen neuerlich um nahezu 5000 znrückgegangen ist. Allerdings dauert die Stag nation in manchen Betriebszweigen, wie insbesonder' in der Metallindustrie, bei den Tapezierern, Tischlern und Schuhmachern noch immer an. Auhreinlirnch und inlttiialioüaltr Handel Die Lehren der Statistik. Das französische Rnhrabentencr hat die wirtscha'tli.he Unruhe, in de ec in Zeichen Europa inlolgc deS WährnugswirrwarrS seit langem steht, noch verschärft. Wenngleich einzelne Industrien in den Ländern unserer Wirtsckastskonknrrenten Vorteil vom Ll nhrein b r n ch haben, zeigt doch ein Versenke» in die Zahlen des Außenhandels der eurovnischcn Länder im erste» Halbjahr 19.P. datz die Nachteile fast überall über wiegen. Was zunächst England betrifft, so leidet die wichtigste Lrilische Industrie, die B a u m w ol l in d u st r i e . unter be deutenden Schwierigkeiten. Mangel an Kaufkraft ist der Grund für den Ausfall deS Absatzes nach Mnie enrooa. Seit Monaten arbeitet daher die englische Bauinwellinüuit'.ie nur nrch mit halber Kraft Die englische Ausfuhr van Eisenwaren nach Australien ist in starkem Anstieg begriffen, — ein Anzeichen für zunehmende Verdrängung der Vereinigten Staaten und Japan? vom austra lischen c Riarkt? — wie infolge deS weitgehenden Ausfalles der 'deutschen Lieferanten auch der südamerikanische Markt für Eng land wieder aufnahmefähiger ist. Die stärkste Nückwirtuirg de» Ruhreinbruches ans England stellt die Steigerung der englischen Kohlenansfnhr dar, die -ast aiusschlietzlich ans Deutschland, Frank reich und Belgien entfällt. Der Außenhandel Englands mit Deutschland im ersten Halbjahr 1923 zeigt, datz die englische Ausfuhr nach Deutschland, abgesehen von Kohlen und Eisen- Waren, infolge d?r Rnhrbesctznng bedeutend z » rückging ; besonders empfindlich für die au sich schwer kämpfende Banmwoll- induslrie ist die weitgehende Absperrung deS verarmten deutschen Konsnmenten von elastischen Banmwollprod'.lkten. Die Ausfuhr Von Baumwollgewebe» nach Deutschland ist auf gegenüber dem ersten Halbjahr 1922 gesunken Die Schweiz, welche ihren Kohlenbedarf beim Versagen TentschlandS infolge der Ruhr. besetzung schon im ersten Vierteliahr 1923 anderweitig zu decken Wusste, bat im zweiten Vierteljahr ihre Kohleneinfuhr sogar fast ans VorkriegShöhe steigern können. In der Tschechoslowa kei war infolne der Rnhrkonjnnktnr die Ausfuhr an Eisen und Eisenwaren in, zweiten Vierteljakr 1923 dreimal so groh als im letzte» Vierteljahr 1922. Schweden hat in Deutschland durch de» Nnhreinbrnch seine» grössten Eiscnerzabnekmer verloren. Es wurden zwar dafür andere Eiwnabsatzmärkte erschlossen, doch waren gleichwohl erhebliche Betr.ebscinschränkungen in den Minen notwendig. Die Bereinigten Staaten Italien zwar eben>'nllS die Rückwirkung der verringerten Kaufkraft Europas als Folge der französischen Polit-k zu spüren bekommen doch haben sie anderseits infolge ihrer Kapilalkrasi ihre außereuropäischen Absatzgebiete erweitert. Der amerikanische Handel konnte in den Absatzgebieten, in denen der Preisabbau noch nicht zum Abschluß gekommen war. erfolgreich den Wettbewerb aufnehmen, der durch die Störung der europäische» Wirtschaftsbeziehungen bcgünstlgi wurde. Der n or d a >» e r i k a n i sch c Außenhaut»?! bat im Verlauf der Jahre 1922/23 an llmfang stetig z »genom men. An der Zunahme der AnSsnhc waren infolge der Nnhr- blockade Steinkohle, Koks und von Metallen, Eisen und Stahl be sonders beteiligt. In der amerikanischen Preisbewegung lrat di? Belebung der GeschäflSkonjunktnr in einem ununterbrochenen langsame» Ansteigen der Preise, besonders indiistrieller Erzeug-, »isst, bei mäßig anziehenden LebenSmsttelxreisen hervor. Aus aller Wett ' ch Tie Einäscherung der Opfer in Japan. „Times" ertahren ans L lala, das; laut einer Mitteilung des Magistrat? von Tokio bis zetzt insgesamt 81114 Leichen in den Straße» der Hauptstadt anfgciescn wurden. Aus Furcht t'Iar Pestgeftihr beschleunigt man außerordentlich die Einäscherungsarbeiie». Jeden Tag wer den ivngefähr 4000 Leichen in den Einäs.hernvgSöken von Honjo verbrannt. Die Wiederaufbauarhesten schreiten rüstig fort. In die Nalioiiakhilfskasse» sind bis jetzt 20 Millionen illen emgezablt worden. Tie Eisenbahnlinien sind nahe;» völlig wiederhergestellt. 4 Moskauer Großschiebcrlnm. Dir Wiedereröffnung de) prunkvollen Restaurants . Empire' im Mittelpunkte Moskaus- wird von dcr Sowjetpresse mit starkem Mißfallen besprachen. Tie Gelage der durch nnlantere Machenschaften emvorgekommeuen „Trillionnre" mit ..kaum bekleideten Damen", ihr lärmendes- und herausforderndes Gebaren beim Ausbruch in soäier NaclNstunds — das alles sei zwar „ganz wie in Europa", müsse aber das schwer arbeitende Proletariat heransftwdern und Ausbrüche der Volkswnt dürften nicht wundernehmen. ß Ein neues Meerwnnder. An den Strand von Miami, ans Florida, haben die Wellenl jetzt einen Fisch gespült, der in der Fauna des Meeres bisher unbekannt war. 2,30 Meter lang, 1,10 Meter hoch und nur 30 Zentimeter breit, wiegt das Tier 500 Kilo. In dem halbkreisförmigen Kovs sitzt ein sehr kleines Maul und dicht daneben, in fast der gleichen Höhe, liege» die Augen. Die Haut gleicht der des Haifisches. Er ist mit 4 Schwimmflossen versehen, die nur einige Zentimeter lang sind und die Schwanzflosse, ähnlich einem Schiffsstencr ist so beweglich, daß der eigentümliche Fiich äußerst heftige Wasser-' Wirbel damit erzeugen kann. -f Wie vixl Meerwasscr verdunste, jährlich-' Vbvstkalischs Versuche haben bisher nie einwanofiei die VerdunftungSmenge des Meerwasscr?- ermitteln können. Ein dänischer Gelebricr bat nun experimentell feiigestellt, datz die Wasscrmenge die an-) den Mcerwasserschichten verdunstet, je nach den Breftegrade» und den herrschenden Winden erheblich von einander abweicht. Für die höheren nördlichen Breitegrade ergibt sich nun eine Jahresver- dnnstung von rund 50 Zentimeter» der M::rwasier'.hicht. Diese VerdnnstungTmxnge wird bekanntlich der Atmosphäre einverleibt, von den Winden über den Konlinent geiragen und stillt als Regen nieder. — Ans der genau»!, statistischen Ermitrclnng der Mceres- vecdttiistnng und der Lehre vom Wind wers-n künftighin die Be- rechnunge» über eintretende „nasse" uns „trock-uie" Jabre wesent lich erleichtert werden, und damit wird die WakrscheinliebkeitS. bcrcchnung über den voraussichtliche» Er.iteerlrag in der Land wirtschaft eine neue Stütz»,lg erfahre». kolci mfientzol ° MMg mit -Immer mit «alt« unü Wärmwasser ,0 voller kreise mäßig lonleren-M <Die Schwarzen und die Roten Von Konrad ton Bolanden. 153. Fortsetzung.) .Ein Faß Aktienbier?" „Falsch! — Eine prächtige Kellnerin, ein herrliches Geschöpf. -Sie werden sich wundern!" — und tierisch glänzt.'» die Augen des Gebildeten. „DaS erregt Anstoß," sprach Heinrich, den Blick senkend. „Ganz und gar nicht! Unsere Bedienung ist schlecht. TaS habe ich dem Ochsenwirt bewiesen. Er sträubte sich gegen die Mannheiincr Bödinung, fürchtete Geschrei, üble Nachreden und allerlei dummes Zeug. Auf mein Verspreche», die Kellnerin zu bezahlen, ergab sich der Bhann. Sie kehen auch an diesem Falle, Freund Heinz: — Eleld regiert die Welt!" Mitzstimmt verließ Heinrich di? Villa. Weingenutz und Ferdinands Unterhaltung bändigten nur vorübergehend den her ben Schmerz. Als er jetzt den Hügel herabst-eg. durchbrachen die angeschmollenen Fluten alle Damme. Sein ganzes Lsbens- glück lag vernichtet in wüsten Trümmern vor ihm. Obschon an- gclockt von einer Bildung, die keine Verantwortlichkeit -»gestand Vor Gott und Gewissen, schauerte er doch vor dem Gedanken, das reine gläubigfromme W?sen Helenas zu ersehnen. Es dünkte ihm das ein schrecklicher Betrug, ein Verbrechen gegen Helena. Hatte ja selbst Ferdinand, der leichtf:rtige, gewissenlose Freund, die Unmöglichkeit erört?rt, die Geliebte zu besitzen. Und was jener unberührt gelassen, daS stellte sich abschreckend vor Hein richs Seele: die Verworfenheit, ein glaubenSeisrigeS Mädchen unglücklich zu machen durch den »»christlichen, glaubenslosen Galten. So stieg »r hinab, zernagt von Vorwürfen, im Bewußtsein namenlosen Elende-. Al» der Pfad in der Nähe der (Gartenmauer Schröter» hinzog. hörte er seinen Namen rufen. Helena- Hauvt ragte über der Mauer, ihre Hand winkt? ihn lebhaft heran. Sr folgte dem Winke, nicht eilig »und froh, sondern widerstrebend und oebrochen; denn Rechtlichkeit g-bot. Helena in seine gottentfrem dete Seel« blicken zu lassen. Die schrecklich« Folge diese- Blickes war Ihm kar. Sie muhte sich abwenden von ihm, ?ntsetzt und voll Abscheu, wie von «ine«, Ungeheuer. Wie er aber vor ihr stand, in daS schöne Antlitz sah und die treue» Augen teilnahmsvoll ibm entgegenleiichteten, da überfiel den jungen Mann ein wilde? Wehe. Er legte den Arm aus die Niauer, verbarg darin sein Gesicht und heftige Stöße brachen her- vor- an» seiner Brust. Sie redete liebevoll zu ihm, jedoch ohne günstig« Wirkung Der lauste Klang ihrer Stimme, d>« Zartheit ihrer Worte und der kindlich reine Geilt der Rede vermehrten nur Heinrich)» 8-assevngSlosigkeit. Tie Stöße wurden heftiger und Dresüeii-Altjtaüt Lchloßstraße ^ L«S» Säglich »a» bekannt« vorzüglich ««»erwählte Aonditoreibüsett zu ioliden prellen rascher, den kräftigen Bau erlchülternd, wie fällend? Axtstreiche eine junge Eiche. Bald löste» sich die Stöße in ein ebenso wilde? Weinen auf. Sein Leib wand sich krampshaft, die Arme fuhren verzweisluicgsvoll in der Lust umher, die Knie wankten, und dann wieder verbarg er unausgesetzt weinend. daS Gesicht in beiden Händen. Helena betrachtete tief ergrüftn das Opfer eines erschrecken den Schmerze«, und sie wußte, daß er nur ihretwillen litt. Auch ihr wollten Tränen hervorbreclw», aber ste drückte die übermal lende Enrpfindung krältig nieder und sah gcöngstigt umher nach Zeugen von Heinrichs Echwäckzen. Niemand weilte in der Näbe. Tief herabhängende Aesle schwer tragender Obstbärime schützte» gegen neugierige Blicke, Endlich halt: der unbändige Schmerz auSgerast. Helena durfte hofft», Gehör zu finde». „Ich weiß alles. Heinrich'" sprach sie traut und liebevoll. „Wie du fort warst, hat mir der Vater alles erzählt. Du sollst dich aber deshalb nicht krümmen wie ein Wurm. Ich babe dir ja nicht da- HauS verboten, und mein Vater wird alles der- gessen wenn du megbleibst vcn den Frohsinnigen. An Ferdinand liegt die ganze Schuld. Er hat den Leichtsinn unter die Burschen gebracht in daS Dorf, und auch dich hat er verplaudert. Ick» weiß ia, Heinrich, datz dm vor Gott eine» schweren Fehltritt nicht be gangen hast. Dein Herz ist rechtschaffen geblieben. Du hast un bedacht gehandelt, aber nicht bösartig. — darum bin ich dir gut." Er stand gesenkten Haupt:-, hörte seine Rechtfertigung, sah in baS reizende Antlitz, fand sich dieser Jungfrau unwürdig, und neuerdings verbarg er beschämt daS Angesicht. Helena erkannte bald. deS Vater? Verbot sei nicht einziger Grund von H?inrichS Schmerz. Sie bat um aufrichtige Erklärung. „Schließe dein Herz vor mir ans, Heinrich, laß mich hiiiein- schcn!" bat sie schmeichelnd. „Schenk- mir doch Vertraue». — -ch verdiene eS qanz gewiß »m dich. Du hast »och eine andere lirsach', weshalb du so ganz auseinander bist. Sag' »lir'ö, Heinrich, waS cS ist!" „Helena." begann er kämvfnid, „ich kann dich nicht hinter- gehe» daS wäre schlecht. — darum Zollst du alles- erfahren Tu meinst, ich wäre mir leickilsinnig, hätte dagegen bei den Froh sinnigen keinen Schaden g.still-n. DaS ist leider falsch. Ver dorben bin ich, — ganz und gar verdorbenk Ick, babe SpotteeLen über daS hingenommcn, ma? dir heilig ist Ferdinand Hai in der Gesellsckjaft aus Büchern vo,gelesen über die Religio» uud nach- aewiesen. daß alles von Len Geistlichen erfunden ist. In einem Geschichtsbuchs, das noch dazu ein Prälat geschrieben, hat cr mir gezeigt, die Beichte sei von den Päpsten erdacht und der Ablaß damit sie Geld bekämen und die L?ute am Gänaelbandc der Be törung sichren könnten. Auch das- Abendmahl sei erst im drei zehnten Jahrhundert eingesetzt worden. Auch den Rena» bal>' »ch gelesen, ein Buch, worin Jesnö hingestellt ist als- bloßer Mensch iund seine Religion als Betrug. Und daS alles hat ans wich ge wirkt. Ich bin ungläubig, ich bete »immer, ich kan» das- nickst für heilig halten, was dir heilig ist. Ich bin e!» Aufgeklärter, Helena, — der weiß, alle- ist Natur, es gibt keinen Go,i. jede Religio» ist Menschenwerk. Siebst du, deshalb iit mein Schnurz grenzenlos: denn ich Hab' dich verloren. Ich kömile m:eh zwai besser stelle», als ich bin, ich könnte heucheln und dich hinterqeben. Aber daS wäre schleckst, und ich wäre der elendeste Mensch, p ürde ,ck> ein so reines, unschuldiges Mädchen, wie dich, betrüge». Aber meine Liebe zu dir kan» ich nicht anS den, Herzen beraus-reißen, — darum bin ich grenzenlos unglücklich für mein Lststag." Sie stand mit gefalteten Händen, mit weit offenen Angen, bleich und erstarrt, wie eine Bildsäule. „JesuS — Maria!" sagte sie tonlos. „Helena, — sprich, liebst dm mich nach?" S e wandte sich ab und mächtig stürzten ihre Träne» beruor. „Helena, tue mir den Gefallen: schimpfe über mich, ver stoße den Aufgeklärten von dir mit harten Warle». Siebst d». ich verdiene tue gröbsten Vorwürfe, dir gegenüber bin ich ein Elender. Sei rücksichtslos-, Helena. — verdamm.- mich, — das Wird Mich trösten. Wenn du aber über mich we.nst. statt mir zu zürnen, dann treibst du mich in die Helle Verzweiflung hinein." „Ich zürne dir nicht, — verstoße dich nick», — ich lau» es nlck>i! Beten will ich,— Gott und die heilige Jungfrau anrusen für dich." „DaS ist all?S umsonst!" sprach er finstw. „Gibt eS einen Galt und Heilige im Himmel, dann bin ich viel zu eie») und ihrer Hilf« unwert." „Wenn du dich elend und verirrt erkennst. Heinrich, warvm m-rfsi du die schlechten Grundsätze nicht vo» dir?" „Weil ich eS nicht vermag! Kann der Mensch sein Wesen ansziehen wie ein Kleid? Wenn ich zu dir sagt:' Helena, werde eine Aufgeklärte, verachte deinen Glaube», werde wie ich. —' vermöchtest du das? Sieh, ebensowenig kan» ich meine G.-llo- nnng ändern. Der Glaube ist eine Gnade, b 'ßt s ,m Kat'cknd. mnS »nd ich Hab' diese Gnade verloren. Ich kann nicht me!r glauben, mit kein besten Wilftn nicht." „Du irrst. — wolle mir recht und bitte Gott um Beisto- d." sForrietznng sol-gi),
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