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Zweites Blatt Sächsische Volkszeitung vom 24. Mai 1911 Nr. 118 Zur Wirkung des neuen Tabaksleuergesetzes. Koch lebhaft ist in Erinnerung, wie bei der Finanz reform und selbst ein volles Jahr später fast täglich von so zialdemokratischer wie auch liberaler Seite die schärfsten An griffe gegen die Tabaksteuererhöhung gerichtet wurden. Die Sache wird so dargestellt, als ob nun das ganze Tabakge werbe auf Jahre hinaus einer schweren Krisis überliefert wäre. Die Entwickelung der Steuer hat aber ein ganz an deres Bild ergeben. Trotzdem nun amtlicherseits entschie dene Feststellungen gegenüber derartigen unwahren Be hauptungen gemacht worden sind, gehen auch heute noch solche Artikel zuweilen durch die Presse, die geeignet sind, den Anschein zu erwecken, als ob die Lage im Tabakgewerbe infolge der Steuer noch sinnier eine sehr traurige wäre. Demgegenüber muß au; die wirkliche Entwickelung der Steuer hiugewiesen werden. Dabei muß man, insofern man ehrlich sein will, das Tabakgewerbe als Ganzes betrachten, nicht etwa diesen oder jenen Betrieb. Daß einzelne Betriebe weniger florieren, kommt jederzeit und in jedem Gewerbe vor. Von schlimmen Wirkungen der Steuer könnte man nur dann sprechen, wenn das Gewerbe als Ganzes gelitten hätte, wen» dir Konsum dauernd stark zurückgegangeu wäre; das ist ater nicht dir Fall gewesen! SelbstveZiändlich dar? man ferner nicht das erste Jahr nach der Steuercrhöhung, also die Zeit von August 1909 bis August 19U>, als Graomesier für die Wirkung der Steuer annehmen. Dieses Iahe war für das Tabakgcwerbe Voll koni neu anormal, da eine kolossale Vorversorgung einge- treten war. Dieser Tatsache konnte sich selbst der „Vor wärts" in Nr. TB vom 7. Oktober 1910 nicht verschließen, wo er schrieb: Tab-ei ist >m Aiwe zu behalten, daß im vergangenen Fahre in der Zeit ' or Eintritt der Steuererhöhung unter 7lnfbi''tung aller Kräfte gearbeitet wurde, galt eS doch, „och möglichst viel niiversieuei:"!' Rohstoff zu verarbeiten. Denn schon das ganze Jahr bsiidurch waren damals die Bezüge von Nvbtabak aiißercrdentli.h gesteigert worden. Wie gewaltig die Vorversargung in damaliger Zeit war, geht am leite» aus bei Tatsache hervor, daß in den eichen siebe;' Monaten de: Zolles 1907 im ganzen 382 000 Tvppelzeiirner. >n den e'.sicu ''w en Monaten von 1909 da gegen 500 0<v Der > ei, i rlncr Talak aus dem Auslande ein- gcsiihrt wurden. June,lall einer Zeit von etwas mehr als einem halben Jal ie lctiuii also die Mehreinfuhr allein 1>8 00i Dovt elzentne!. 1908 und 1909 wurden zusammen 19)069 Dor pelz: ntw c über den normalen Durchschnitt ein- aesichrt. Wenn aber >-> dieser Weise auf Vorrat gearbeitet wurde, so konnte es gar nicht ausbleiben, daß ein Rückschlag rintrat. Ja, selbst wenn die Tabaksteuererhöhnng abgelehnt worden wäre, wäre das Tabakgewerbe unvermeidlich von einem sehr starken Rückgänge befalle» worden. Die Hauptfrage ist also die: Hat ein starker Konsum- rückgang stattgefundcn, hat derselbe angehalten, und ist er chronisch geworden, oder ist bereits im zweiten Jahre nach der Steuererhebung eine Besserung zu bemerken gewesen? lind da mußte selbst der „Vorwärts" in der genannten Nummer im vorigen Herbste zugeben, daß tatsächlich schon sin Juli 1910 eine Erholung eintrat. Am deutlichsten aber geht die Lage des Tabakgewerbes hervor aus den Einfuhr- »lengen. Nach den amtlichen Mitteilungen hatte die Ein fuhr von ausländischem Tabak schon gegen Anfang Septem ber 1910 den durchschnittlichen Normalstand erreicht. In den ersten Monaten des Jahres 1911 stand die Einfuhr schon wieder weit über dem Durchschnitte. Während nor malerweise mit 50 000 Doppelzentner Einfuhr monatlich ge rechnet wird, wurden im Februar 65 000 Doppelzentner und nn März trotz eines erwarteten Rückganges abermals 61 000 Doppelzentner Auslandstabak eingeführt, und dabei sind die Einkaufspreise von Rohtabak in dieser Zeit ziemlich hoch gewesen. Seit Oktober vorigen Jahres hat die Einfuhr von Rohtabak das Normalmaß um ein ganz bedeutendes über schritten, woraus zu ersehen ist, daß nicht eins Konsumab- »ahme, sondern eine Konsumvermehrung eingetreten ist Auch die Ergebnisse des Tabakzolles weisen darauf hin. Der Tabakzoll hat den Voranschlag um 18 Millionen überlroffeu und selbst gegenüber dem Gesamtbeträge, der nach den neuen Abgabesätzen aus dem Tabakzolle im Beharrnngszustande erwartet wurde, weist das Einnahmeergebnis von 1910 noch ein Plus von etwa 8 Millionen auf. Daraus möge man ersehen, was von den Angaben der linksliberalen und sozialdemokratischen Presse zu halten ist. Diese entspringen demselben Bedürfnisse, das auch sonst bei Zoll- und Steuerfragen bei dieser Presse so offenkundig zu tage tritt, nämlich dem Bedürfnis der Volksverhetzung und des Kampfes gegen das Phantom des sogenannten „schwarz blauen Blockes"! Gemeinde- und VereinsnnchriMe^. 8 Dresden. (Kath. Kasino.) Am Sonitag den 28. Mai findet der erste Nadr.usflng statt. Tieffpu sit nachm. 2 Uhr Königsknücker Straße Ecke König Georg- Allce vor dem Restaurant znm Sächsischen Heer. Die Fahrt geht durch die Dresdner Heide (ohne Automobil- Plage) nach Ullersdorf, Radeberg usw. Einer zahlreichen > Beteiligung wird entgegenqesshen. 8 Dresden. Der N o r d o st d e u t s ch e Gauver- band der K a t h. kaufmännischen V e r e i n g n n - gen wird während der Pfingstfeiertage in unserer Stadt tagen. Am Pfingstsonntag den -4. Juni findet abends 9 Uhr die Begrüßung der Delegierten und Gäste im kleinen Saale des Hotels Palmengarteu (Musenhaus), Pirnaische Straße 29, statt. Am zweiten Pfingstfeiertage ist vormittag? i/sB Uhr Hochamt zur Anrufung des heiligen Geistes in der Kö niglichen Josephinenstiftskirche, große Plauenscbe Straße 16 lStraßenbalin. Nr. 6, Postplatz-Bergkeller). Sodann folgt vormittags schl! Uhr der Beginn der Beratungen im gro ßen Saale des Hotels Palmengarten. Für die Damen, so wie die an den Beratungen nicht teilnehmenden Herren fin det eine Rundfahrt durch Dresden statt (Mailcoaches). Treffpunkt 1 l Uhr am Theaterplatz, gegenüber der Hof kirche. Für die Damen ist die Fahrt frei. Mittags 1 Uhr werden' die Beratungen durch sin Gabelfrühstück unter brochen, danach Fortsetzung der Beratungen bis zum Schluß. Nachmittags 6 Uhr findet das Festmahl mit Damen im gro ßen Saale des Hotels Paliucngarten (Gedeck 3 Mark), im Anschluß daran: Fesilwll bis 12 Uhr statt. Am Dienstag den 6. Juni vormittags 8 Uhr: Seelenmesse für die ver storbene» Mitglieder des Verbandes in der Hoikirche, vor mittags 9 Uhr Dampferfahrt nach der Bastei (Sächsische Schweiz), Abends Schlußkommers in Schandau. — Wir sind überzeugt, daß nicht nur die hervorragende Schönheit Dres dens und seiner Umgebung einen Anziehungspunkt bildet, sondern daß ganz besonders die Besichtigung der Inter nationalen Hygiene-Ausstellung einen mächtigen Ansporn bieten wird, die Tagung in der sächsischen Residenz zu besuchen. 8 Leipzig West. Am 13. Mai feierte der hiesige Kath. Sängerkreis sein zweites Stiftungsfest, das einen sehr guten Verlauf nahm', fast von allen katholischen Ver einen waren Gäste erschienen, um den jungen Verein in seinem Unternehmen zu unterstützen. Tie Darbietungen, namentlich die Männerchöre, fanden gute Aufnahme bei den Teilnehmern. Als Glanznummern galten die von Fräulein Anna Zirm gesungenen Sopranlieder: „Mein Liebster ist ei» Weber" von Hildach, „Dem Herzallerliebsten" von Tau- bert, die die Sängerin zu einer Zugabe zwangen, und nicht endenwollender Beifall lohnte ihre Mühe. Dasselbe gilt auch von Herrn Organist Hagedorn, der in liebenswürdig ster Weise die musikalische Begleitung übernommen hatte. Von drei jungen Damen wurde der Einakter „Groß-Reine- machcn" flott gespielt. Auch Herr Strohbach, der Dirigent des Vereins, hat durch seine opferwillige Hingabe viel Ab wechslung geschaffen. Tie Schlußnuminer des Programms bildete ein humoristisches Terzett, das von drei Mitgliedern schneidig gespielt wurde. Möge der Verein in seinen Be strebungen fortfahren: wir wünschen ihm ferneres Blühen und Gedeihen. Sport. 5-i>. Dresden, 22. Mai. Dis Teilnehmer an der ersten großen Internationalen Radfernfahrt „Quer durch Deutsch land", welche die Strecke Breslau Aachen (1500 Kilometer) umfaßt, passierten gestern Dresden. Die ersten Fahrer trafen gegen 2 Uhr auf der Radeberger Straße ein. wo sich das Ziel der ersten Etappe befand. Als erster passierte Hans Ludwig-Sossenheim auf einem Opelrade das Ziel. Zweiter war Paul Suter Zürich auf Presto und dritter Gustav Schulze-Trebbin. Bis gegen 3 Uhr waren mehr als die Hälfte der Teilnehmer eingetroffen. Sie befanden sich trotz der ziirückgelegten 26.5 Kilometer langen Wegstrecke fast alle verhältnismäßig frisch. Heute früh 5 Uhr saßen sie bereits wieder im Sattel, um die zweite Etappe bis Erfurt zu be ginnen. Vermischtes. V O diese Fremdwörter! In Schöneberg, Stiibenrauchstraße 10, wurde kürzlich ein Geschäft eröffnet, über dessen Eingang die Inschrift „Hygienische Milchhalle" prangt. Rechts und links der Türe befinden sich ganz hübsche Schilder, deren rechtes aus Glasbuchstaben lautet: „Kolo nialwaren, Hülsenfrüchte, Konserven, Weine renovierter Häuser." — In der „Türener Zeitg." zeigt ein größeres — 80 — die dumme Gans, die so verliebt die Augen verdreht. Du warst mir ein Spielzeug, eben noch gut genug für müßige Stunden!" Mitz ist bis in die Lippen erblaßt. Sic hat ja längst gewußt, daß sie dem Holländer nur ein Werkzeug seiner dunklen Pläne und ein Spielzeug seiner frivolen Laune war. Aber daß er offen mit brutalem Hohn ihre Mädchenwürde in den Schmutz tritt, verwundet sie im tiefsten Herzen. Vor ihren Augen flimmert es, während es in ihren Ohren hämmert: Spielzeug eines Schurken! Eine Schwäche überkommt sie, und sie ist nahe daran um- Msinken. Da sieht sie ein paar funkelnde Augen in einem grinsenden Teufelsge- ücyt. das sich zu ihr herabbeugt. Entsetzt wehrt sie ab: Fort! Fort! Aber die Augen nähern sich, und ein heißer Atem schlägt gegen ihr Gesicht . . . Nun faßt sic die Todesangst: Fort, nur fort von diesem Menschen! Mit einem wilden Aufschrei stürzt sic davon, das Entsetzen beflügelt ihre Schritte. Fort, nur fort! Wohin sie rennt, sie gibt sich keine Rechenschaft dar über. Nur aus der Hand und Macht des Holländers! Sie hört eine fremde .menschliche Stimme sie anrufen: sie glaubt die Stimme des Verfolgers zu Der nehmen. Und weiter treibt sie die wilde Angst, kreuz und guer durch die Heide. Der Mann, der sie anrief, sieht ihre Kleider im Nebel flattern: „Ist das ?,n Mensch?" fragt er sich. Ein wirres Lachen tönt durch den Nebel aus der Gegend, wo Mitz verschwunden ist. Und der Mann bekreuzt sich: „Alle guten Geiscer loben den Herrn! — 's ist ein Gespenst!" Da schlägt aus der entgegengesetzten Richtung der kurze Laut eines Hundes und schwaches Hilferufen an sein Ohr. Der Mann entschließt sich den Stimmen nachzugehen. Ein überraschender Anblick bietet sich ihm dar, als er an der Stelle an langt, wo Mitz den Holländer verlassen hat: Auf dem Boden liegt ein Mann und über ihm steht ein Hund, der die scharfen Zähne an der Kehle seines Opfers hat, bereit, sie bei der geringste» Bewegung hineiuznsenkcn. Hektar »ber dem Holländer! Das brave Tier hat den Menschen, als er die fliehende Mitz verfolgen wollte, angesprungen und niedergestreckt. Kalter Angstschweiß bricht den an allen Gliedern Zitternde» aus den Poren, und nur schwach tönt sein Hilferuf, aus Furcht vor den Zähne» des reißenden Tieres. Aber die lleberraschung des Hinzugekommenen ist noch größer, als er einen Blick au> den Daliegenden wirst: und keine angenehmen Empfindungen lind es, die der Blick auslöft: „Mannus!" DcS Holländers Augen weiten sich vor Entsetzen: „Du?!" stöhnt er qualvoll. ,Ja, ich! Endlich finde ich dich, nach dem ich ganz Holland abgesucht tzade. Jetzt entgehst du mir nicht mehr!" „Rette mich vor dem Hunde!" winselt der Holländer. „Dich rette»? Ja! Der Hund soll dich nicht zerreißen. Die Strafe wäre zu gnädig für solch Scheusal. Auf dein Schafott sollst du enden!" Sie schlägt die Hände vors Gesicht, um gleich darauf wieder aufzu fahren: „Aber jetzt hat's ein Ende. Durch mich!" Lisa ist voll stiller Freude, daß nun endlich der Verdacht auf den Bruder auch der Oeffentlichkeit genommen wird. Es hat sie lange gedrückt, daß ihr Mund versiegelt war. Anderseits schmerzt sie die Selbstanklage der Freundin, wenn sie auch überzeugt ist, daß sie keine weiteren Folgen haben wird: hat sie doch nur in der Notwehr die Tat vollführt. Mit innigein Trostwort spricht sie ihrer Pflegebefohlenen zu. Und sie muß es geschickt anfangen, denn bald lockt sie wieder ein Lächeln auf die ver grämten Züge. Doch ein Lächeln ist es wie der flüchtige Sonnenstrahl, der eben auf die herbstliche Landschaft fällt, müde und matt, trübe und traurig. Kaum hat auch dieser letzte Tagesbote sich hinter die Wolken zurück gezogen, so steigen die Nebelfrauen aus den Sümpfen und lassen die feuchten Schleier flattern. „Laßt uns heimgehen," malmt Lisa, „der Abend kommt." Fanohme sieht die Heimkehrenden nicht eher, als sie ihn überfallen. „Nettes Sonntagowetter!" brummt er. „Der Nebel läßt keine zwanzig Schritt weit sehen." ,Ter Winter naht," erwidert Lisa: „was kann man da viel erwarten? Fm Winter, wenn die Heide im Schnee liegt und kein Vogel singt, wird eZ hier still sein!" Das leise Bedauern, das in den Worten mitklingt, gilt der kranken Freundin. Wird die Einsamkeit ihr liebet nicht verschlimmern? fragt Lisa sich mit bangem Zweifel. Fanohme läßt die Worte nicht gelten: „Tie Heide im Schnee — auch sie ist schön. Der reine weiße Schnee deckt alles zu, waS es Hätzlicktes und Schmutziges gibt! Der Strauch steht nicht mehr kalt und kahl wie ein Ge rippe, wohlige Schneewolle hüllt seine Blöße. Die Pfützen und rümpel sind verschwunden, der Schnee hat ein Laken über sie gebreitet. Still ist's frei lich. Feiertagsstill. Gottesfriede der Natur, der auch Frieden in die Menschenbrnst trägt! Ich liebe den Schnee, der das Blut kühl, und die kalte Luft, die die Auge» frisch und den Kopf klar macht." E> stopst seine Pfeife und entzündet sie: „Modome, wenn Ihr meint, es wäre hier zu einsam, dann seid Ihr auf dem Holzwege. Wenn'-s draußen so bitterlich friert, daß der TaäiS sich lies im Bau verkriecht, dann kommen unsere Wintergäste: Vögel die Menge. Freie Kost haben sie hier und wenn die Trabanten sich auf das Futter stürzen, das Mitz ihnen streut, dann gibt's einen Heidenspektakel. So 'n Piepmatz, je schwächer sein Magen ist. desto stärker seine Lunge. Und lachen muß man über die balgende Bande. Nicht, Mitz?" Kindliche Freude leuchtet dem Manne mit dem Kinderherzen aus dem rauhbärtigen Gesichte. Die Gefragte will eben antworten, als ein durchdringender Käuzclien- schcei sic verstummen und erbleichen läßt. Auch Lisa hat den Vvgelschrei verstanden: Der Holländer war in der Nähe, cr rief seine ehemalige Geliebte . . . Wird sie dem Rufe des Nichtswürdigen folgen? »1 ! lieber Wasser."