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-rr. <77 — LO. Jatzr«-»» Mittwoch den «. Dezember IVIZ 4- „ mU Ausnahme der Sonn- und Festtagt. »rlchetnt tttglM Bild' vlerteltSbrltch WchUmdÄ» Hau« » »» L- >n ^ «»«,«»« Bote?» An ganz Deutschland frei An? »V 27?nMrich 4^i. -«n,e..Rr. ^ ^um ^VsitinaviibskSstzs swpt ksl-vars» von» sink, dis kmnstsu Osnrv HLI^s2L Lporial-kolrv^su- unä htiitLvn^osodLk«, vrssäsu-^., RiuAstruüv 28 «nvsit «°d° Vidtori»»trallo, a«»?«a<lbsr ävr l-»» stzLoäiüodvQ Üsv^ RvpLrLtursQ unä NsuLukort^unson Unabhängiges Tageblatt Wahrheit, Recht und Freiheit Inserat« werden die «gespaltene Petttzelle oder deren Raum mV »L z, Reklamen mtl SV z die geile berechnet, bei Wiederhotnng« entsprechenden Rabatt. Vnchdruckeret, Redaktion und Lretde«, Ptlluttzrr Etratze 48. — FLrRückgabe »nverlangt. Schriftstücke keine Verpiodttchke - Redaktionr-Sprechitunbe: II btd 18 Uhr. Katholiken - Staatsbürger zweiten Ranges. Mau schreibt unS aus Berlin: oinon, Musterbeispiel wird dieser Tage den deutschen Katholiken vor Augen geführt, was der Liberalis mus mit ihnen vor hat, nnd das ist uns angenehm, das; dieses Schauspiel noch vor den Wahlen vor sich geht. D Mosotriina des Reichskolonialamtes steht vevor. Nach unseren Informationen soll sie erst im Februar er- folMi. andere Blätter sprechen von "nem Welhnach s geschenk an das Zentrum, da Freiherr v. Rechenberg zum Staatssekretär ausersehen sei: das Zentrum habe schon s Monaten in dieser Richtung gearbeitet und der Kau,ler gebe seinen Wünschen nach. Hierdurch soll der konfesstom äe <kmk emvoraepeitscht werden. '^Wie steht die Sache in Wirklichkeit? Sämtliche Staats sekretäre sind protestantisch. Unter allen preußischen Mi nistern befindet sich nur ein Katholik, der als Zentrums gegner seine Karriere machte. Die höchsten Beamten mr Reiche und in Preußen sind mit wenigen Ausnahmen alle protestantisch. Nun ist es nicht ausgeschlossen, daß einmal ein Katholik in eine leitende Stellung im Reiche berufen wir-, sofort wird zum Sturm geblasen. Offen und geheim — letzteres ganz besonders und mit Hilfe von Unter- aMvälten wird gegen diese Berufung gearbeitet nnd zwar mit der teils stillschweigenden, teils offenen Begründung: es darf kein Katholik an diese Stelle kom men! So west sind wir in 40 Jahren deutschen Reiches gekommen. ... ^ < Fragt man nach der Qualifikation des Frerherrn v. Rechenberg, so müssen selbst seine Gegner ihm Aner kennung zollen und zwar uneingeschränkt. Das Organ des Evangelischen Bundes, das zugleich Organ des Hansa bundes ist, gibt offen zu, daß Rcchenberg ein Mann mit starkem Willen ist: seine Arbeitskraft rühmen alle. Wenn die Gegner nicht wollten, so würden die Zahlen reden: unter ihm hat Ostafrika einen glänzenden und unerwarteten Auf schwung genommen: die eigenen Einnahmen haben sich in einer ungewohnten Weise entwickelt. Sechs Jahre lang war Rechcnberg draußen Gouverneur: uicht ein einziger Aufstand fand statt Zum Leidwesen vieler wurden keine militärischen Expeditionen unternommen. Die Zahl der sich freiwillig meldenden Arbeiter hob sich: jeder anständige Pflanzer hat heute genug Arbeitskräfte. Heimische und europäische Kulturen heben sich und die Bevölkerung des Landes hat, von ganz wenig Ausnahmen abgesehen, hohes Vertrauen zu dem bisherigen Gouverneur. Aber trotz all dieser günstigen Zeugnisse, trotz Anerkennung der staats- männischcn Befähigung, trotz des Mangels an geeigneten Männern, trotz alledem heißt es nun in liberalen Blättern: Rechenberg darf nicht Staatssekretär werden. Warum denn nicht? Weil er Katholik ist. Er hat in den Augen mancher d«n schweren Fehler, daß er in Daressalam jeden Sonntag in die Kirche ging, daß er sittliche Ausschweifungen von Beamten nicht duldete, daß er sich seines Glaubens nicht schämte. Dabei hat er die Katholiken nie bevorzugt; die protestantische Mission hat dies erst dieser Tage anerkannt. Nur der protestantische Prediger in Daressalam ist ihm nicht grün. Der tüchtige Beamte Rechenberg soll nicht i» die für ihn geeignete Stellung kommen, weil er Katholik ist: so fordert es der Liberalismus. Man spricht in diesem Zusammenhang auch vom Zentrum, als gehöre Rechenberg dem Zentrum an. Uns ist davon nichts bekannt, und wir müßten es wissen: er war jahrelang im Auslände, küm merte sich nie um Jnlandspolitik und hat zum Zentrum keine näheren Beziehungen als z. B. zu den Konservativen. Nur sein Glaubensbekenntnis soll ihn zum Staatssekretär unfähig machen. Bei dieser Gelegenheit fällt am meisten auf, wie in der selben Presse, die gegen Rechenberg arbeitet, nun der prote stantisch Gouverneur Dr. Solf behandelt wird, seitdem er provisorisch das Reichskolonialamt leitet. Solange Sols Gouverneur von Samoa war. haben ihn diese Zeitungen -aufs heftigste angegriffen: man scheute sogar nicht vor der unzutreffenden Behauptung der Fälschung von Unter- schriften auf einer Vertrauensadresse zurück: man warf ihm „Engländer vor, man bezichtigte ihn der total falschen Be handlung der Eingeborenen, die sich wiederholt empörten man klagte ihn der Begünstigung der großen Unter nehmungen und der Zurücksetzung der Farmer an. Aber »Var er aus dem Hotel Adlon in das Reichskanzler- Palms berufen worden und kaum wurde Reck-enberg als stm Konkurrent bezeichnet so verstimmten mit einem Schlage alle Angriffe gegen Sols, den man noch vor zwei porrellan Steingut Kristall Oetnsucks- u. lluxus- Qegenstüncle KSnigl. ttokliekorant ^nkäuser vreglten, König-Iobsnn-Str. Monaten als den unfähigsten Gouverneur bezeichnet hatte. Kein Wart des Tadels hat die „Tägl. Rundschau" mehr. Und warum' dem Protestanten Sols ist alles verziehen, den Katholiken Rechenberg kann man nicht angreifen: aber er soll doch nicht Staatssekretär werden. Wie dieser Kampf ausgeheu wird, wissen wir nicht; aber wir werden ihn in allen Einzelheiten verfolgen. Der Reichskanzler hat zu entscheiden, ob das katholische Glau bensbekenntnis bei einem allseitig als tüchtig bekannten Be amten trotz der in der Verfassung festgesetzten Gleichberech tigung ein Hindernis für die Beförderung darstellt. politische Rundschau. Dresden, den 5 Dezember 1914. — Der Reichstag erledigte am Montag eine Reihe von Petitionen. Dann kam man zur ostafrikanischen Eisen bahnvorlage. Staatssekretär Wermuth gab ein sehr er- freuliches Bild des günstigen Standes der Reichsfinanzen, wobei ihn die Abgeordneten Erzberger und Arendt unterstützten. Die Linke wurde sehr unmutig und suchte durch die Abge ordneten Paasche, Gothein und Dr. Müller-Meiningen den guten Eindruck zu verwischen, aber eS gelang nicht. Man hofft, daß der Reichstag am Dienstag geschlossen wird. — Die Petitionen im Reichstag. Am Dienstag be endete die PetttionSkommission ihre Arbeit. DaS PetitionS- recht ist in der Reichsverfassung nicht so ausdrücklich gewähr- leistet wie in der Verfassung einzelner Bundesstaaten. Der Reichstag ist nur berechtigt, die bei ihm etnlaufenden Bitt schriften der Reichsangehörigen, wenn sich ihre Eingaben auf dem Gebiete der parlamentarischen Gesetzgebung und der Handhabung der Reichsgesetze in der Praxis bewegen, dem Reichskanzler mit entsprechenden Geleitsworten mehr oder weniger zustimmender Art zu überweisen. ES gingen im Reichstag ein während der gegenwärtigen Legislatur periode: in der 1. Session 1907/9 9265, in der 2. Session l909/10 1687, in der 3. Session 1910/11 5491 Petitionen, für die ganze Legislatur 15443. In der ersten Session hat die Finanzreform diese ausnahmsweise hohen Zahlen hervorgerusen, diesmal die Reichsversicherungsordnung und das Privatbeamtengesetz. ES sind deshalb auch die meisten Petitonen an die besonderen Kommsstonen zur summarischen Erledigung überwiesen worden. In dieser Session hatte die PetttionSkommission für sich allein 1722 Eingaben zu erledigen; 1009 müßten als ungeeignet zur Erörterung im Plenum bezeichnet werden, 79 bleiben als unerledigt zurück gestellt. In der ersten Session dieser Legislaturperiode hatte die Petitionskommisston 3569 Petitionen zur Erledigung im eigenen Schoße überwiesen erhalten, in der zweiten 719, also zusammen in der 12. Legislaturperiode 6010 Petitionen. Die Kommission hat diese Petitionen fast restlos aufgearbettet, eine Tatsache, die bisher nie zu verzeichnen war. Wir danken dies besonders dem Eifer des Vorsitzenden, Abg. Dr. Beizer und den Berichterstattern. Vom Zentrum haben besonders eifrig mitgearbeitet die Abg. GieSbertS, Wallen born. Dr. Marcour, Pütz usw. Die Arbeiten dieser Kom mission werden leider nach außen gar nicht so geschätzt, wie sie es verdienen. — Eine neue Flottenvorlage? Der „Wescrzeitung" wird aus Berlin geschrieben: „Daß dem nächsten Reichstage eine Flottenvorlagc zugehen wird, darf als ziemlich sicher gelten, fraglich dürfte nur sein, ob dies schon in der ersten Session, also unmittelbar nach den Wahlen geschehen wird. Es handelt sich um zweierlei. Während wir bisher jährlich vier Kriegsschiffe auf Stapel legten, und nun bei der Durch führung unseres Flottenbauprogramms an dem Punkte an- gelangt sind, wo wir nur noch zwei auf Stapel zu legen brauchen, möchte die Marineverwaltung die gesetzliche Er mächtigung erhalten, jährlich drei auf Stapel zu legen. Damit würde die Vollendung des Banprogramms wesent lich beschleunigt und ein Ersatz der älteren Schiffe zeitiger herbeigeführt werden können, ja wenn man damit bis zum Ende 1916 — dem Endtermin des jetzigen Bauprogramms — fortfllhre, würden wir über einige Schiffe mehr als die bisher vorgesehene Höchstzahl verfügen. Das Hauptgewicht würde inan wohl auf den Mehrbau großer Kreuzer legen. Ztveitens ist eine vermehrte Indien st Haltung ver langt. Statt der bisherigen zwei vollbesetzten Geschwader, die immer kriegsbereit sind, sollen in Zukunst drei Ge schwader in Dienst gehalten werden und nur noch ein Ge schwader in der Reserve bleiben. Alle diese und andere Er wägungen sind natürlich noch nicht abgeschlossen, überhaupt wird man sich gegenwärtig halten imissen, daß die Vorbe reitungen der neuen Flottenvorlage sich erst im Anfangs stadium befinden. Darüber hinaus wird — allerdings vor wiegend in der Presse — der Gedanke erwogen, ob es nicht möglich sein würde, mit England einen gewissen Be- harrungszustand in den gegenseitigen Rüstungen herbei zuführen — soweit Linienschiffe, große und kleine Kreuze in Betracht kommen. Der Mehrban eines großen Kreuzer:- und die geplante Jndiensthaltung eines der beiden Reserve geschwader würde sicherlich jährlich miirdestcns 50 Millionen Mark kosten." Diese Pläne werden tatsächlich gehegt, aber nur mr Reichsmarine.mite; der Reichskanzler hat dem Plane noch nicht zngestimmt und der Bundesrat noch weniger. Eins solche Flottenvorlage kostet auch mehr wie 50 Millionen Mark im Jahre, denn diese Summe reicht nicht einmal aus, um ein Schiff mehr zu bauen. Die Strafgcsetzbuchilvvrlle darf als gesctst-itert an gesehen werden. Ans eine Zcntrumsanregnng hin haben Mitglieder aller Parteien darüber verhandelt, od aus der Strafgesetzbuwiiovelle das zu retten wäre, was alle Parteien an ihr freudig begrüßt hatten: das waren Milderungen bei einer Reihe kleiner Delikte, insbesondere bei Hausfriedens bruch, bei Unterschlagung nnd Diebstahl geringfügiger Gegenstände sowie Gleichstellung der Entwendung von Gegenständen des hauswirtschaftlichen Verbrauches mit Mundraub und Erhöhung der Strafminima für Mißhand lungen von Personen unter 18 Jahren nnd Erweiterung des Begriffs der Tierquälerei. Es ergab sich nach dem „Vorwärts" eine große Mehrheit für einen Kompromiß, der dahin ging: 1. die Beleidignngs- nnd Erpressungs paragraphen sowie auch die in zweiter Lesung angenommene Vorschrift, wonach daS Betteln in unverschuldeter Notlage straflos sein soll, sind aus dem Gesetze zu scheiden; 2. den Vorschriften über Tierquälerei ist eine Vorschrift anzu fügen, nach der unbeschadet sonstiger landespolizeilicher Verfügungen religiöse, Schlachtmethoden nicht auf Grund des neuen Reichsgesetzes bestraft werden dürfen. Trotz einer großen Mehrheit für dies Kompromiß war die bei der Ge schäftslage des Reichstages erforderliche Voraussetzung für diese Einigung nicht zu erzielen, daß alle Parteien auf längere Diskussion verzichteten. Die Wirtschaftliche Ver einigung und ein Teil der Nationalliberalen nahmen an der Vorschrift über eine religiös vorgeschriebene Schlacht- Methode Anstoß. Die Tierqnälereivorschriften völlig aus- znscheiden, glaubte das Zentrum nicht verantworten zu können. Die Wirtschaftliche Vereinigung wollte aber auch nicht auf längere Reden über das Schächten verzichten. Die Antisemiten sind also daran schuld, daß nach wie vor der Richter gezwungen sein wird, z. B. wegen Entwendung einiger Kohlenstücke unter Umständen auf mindestens drei Monate Gefängnis zu erkennen. Wir bedauern dies sehr, da das Gesetz eine große Wohltat bedeutet hätte. — Bei den Stadtverordnetenwahlcn in Limburg hat das Zentrum in allen drei Wahlklassen einen vollständigen Sieg errungen. Ihr Ergebnis ist die Niederlage des Liberalismus. — Mit dem falschen Grundsatz: Politik ge höre nicht aus das Rathaus, muß überall gebrochen werden. Es gibt heute noch eine Menge von Gemeinden mit ganz überwiegend katholischer Bevölkerung und mit ausschließlich liberaler Gemeindevertretung und die Katholiken mästen es erleben, daß sie sich von den Beamtrnstc-lle» der Gemeinde bis zum Nachtwächter ferngehalten seben, und daß Liefe- rnngen für die Gemeinde nur in die Hände von Portei- oder ReligionSgenosten der Gemeuideväter kommen. Daher ist es nötig, daß dir Katholiken und ZentruinSanhänger den Gemeindcwahlen größere Aufmerksamkeit als bisher zürnenden. — Die Mctallarbritkraussperrung in Berlin. Nicht viel weniger als 120 000 Metallarbeiter sind in der Reichs hauptstadt vorhanden. Die Aussperrung von 60 Prozent der Arbeiter trifft mindestens 70 000 Köpfe. Die Ursache» der Aussperrung lagen in Forderungen, die die Arbeiter gestellt hatten. Insbesondere forderten die Former eine Herabminderung der Arbeitszeit auf täglich 9 Stunden; Sonnabends sollte eine Stunde früher geschlossen werden^ Für die Hilfsarbeiter wurde ein Stundenlohn von 15 Pf. verlangt. Namentlich am letzten Punkte scheiterten die Eini- gnngsversuche. Die Former traten in den Streik, und 6000 Dreher und Fräser schlossen sich ihnen an. Am 17. No* veinber kam dann der Aussperrungsbeschluß des Verbände- der Berliner Metallindustriellen. Einstimmig wurde im Interesse der vom Streik betroffenen Gießereibetriebe be* schlossen, 60 Prozent der Arbeiterschaft am 30. November 1911 nach Schluß der Arbeitszeit wegen der vom Mctall- arbsiterverbande veranlaßten Sympathiestreiks sowie lvege» Mangels an Guß zu entlassen. Durch Vermittelung deS Magistratsrates v. Schulz wurden darauf neue EinigungS- versuche cingeleitet; es kam auch zu einer Einigung der beiderseitigen Deligierten; aber die Arbeiter lehnten teil* weise mit großer Mehrheit die Vorschläge ab. Daß es auckj diesnial den besonnercn Elementen und ordnungsmäßigen Führern der Arbeiterschaft nicht gelang, die Führung zu behalten, daß sie von den: Ungestüm der Mehrheit über den Hansen gerannt wurden, das ist das Typische auch an diesem Riesenkampfe. — Tarifkündigungen. Die im Schneidergewerbe be* stehenden Arbeiterorganisationen kündigten am 1. Dezember dem Allgemeinen Deutschen Arbeitgeberverbande für daß