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H-r. L84 — LO. Jahrgang S-nutag den v. In« 1VLL täglich nach«, mit klurnahine der Sonn, und Festtage. An.1,«,>r » uül .Die Zeit in Wort und Bild- viertelsilhrlich 4.1-» In Dresden durch Bote» ».40 In ganz vetischiand srci Haus ».8» 4t; in Oesterreich 4,4L I' Ilii.''„be » ohne illultrierte Beilage Anabhängiges Tageblatt WäMNWWWK.4 stk Wahrheit, Recht «nö Freiheit Nnserat« werden die "gespaltene Petttzeile oder deren Raum mit 48 Reklame» mit 80 4 die geile berechnet, bei Wiederholungen entsprechenden Rabatt, Vnchdrnilerri, Redaktion nn» GeschiiftSfteN»: Dresden, PIllnItzer Ltrah» 4». — Fernsprecher I»0« gSrRülkgade unverlangt. Schristftü^e »eine Verbindlich»»«« Redakttons-Spremitunoe: »I bi» 1» Uhr, Lssto Lsru^vqusUs! Vor-S«llol.v Lvuv und xvdrsnoIrLv, ldlls Lolsr- und 3LLI»rLvQ sozvis naed^violtnrurx IL^LAOA IIsZlH von »0 Lt-crlc «m Lisaigs Luavvalrl, xltUütig« 2alilvsi»e, dod, Laxaonradatt l Illvt-I'lano» I Sodanll-llsoegen-XUo« IS Lrfrisckencl un«l laben«!! vredo-^is-vrops > , pkunrt IS k>«. kerliax ä koclcstroli, vresäsii. kllectorlsgen in allen Ltsälloilen. Porzellan Ltelngut Kristall Osbrsuebs- u. lluxus- Qegenstüncio Xönigl ttoklieteraot r^nkäuser Dresden, Xön>g-ckoksnn-8tr. Verschärfung der Marokkoangelegenheit. So lange das kleine Kanonenboot „Panther' in Agadir lag. blieb die auswärtige Presse ruhig. Man hat den Ein druck. als ob iu der Entsendung des kleinen Kreuzers „Ber lin" eine gewisse Nervosität die anderen Mächte befallen hätte. Es mag dazu beitragen der Umstand, daß eine ganze Reihe von Näuberdepeschen aus Agadir versendet werden. Hierzu muß man die Meldung rechnen, daß bereits äOOO deutsche Soldaten in Agadir gelandet seien. In der deutschen Presse hinwiederum und in der deutschen Politik zeigen sich Erscheinungen, welche die Aktion des Auswärtigen Amtes erschweren müssen. Dazu rechnen wir z. B. die Iutervellation der Sozialdemokraten in der württem- bergischen Abgeordnetenkammer. Man hat aus den Ver handlungen in London ersehen, wie wenig die Minister jetzt sagen wollen. In Paris hat mau die Beratung der Interpellation immer wieder vertagt. Was soll nun da der wnrttembergische Ministerpräsident antworten? Er könnte gewiß sehr viel reden, denn er ist recht genau orientiert, aber inan müßte ihm jede diplomatische Ader absprechen, ivenn er in der jetzigen Situation in eine lange und breite Erörterung eintretcn würde, d. h. man würde für das Aus land arbeiten, seine besten Trümpfe aus der Hand geben und die Karten frühzeitig aufdecken. Tie Besprechung einer Interpellation in jetziger Zeit bedeutet eine Erschwerung der gesamten internationalen Lage. Ganz dasselbe Resultat würde die Erfüllung eines in der sozialdemokratischen Presse geäußerten Wunsches herbeiführen und daß sofort der Reichstag zusammenberufen werden müsse. Was soll denn der Reichstag jetzt tun? Eine solche außerordentliche Session des Reichstages würde der Aktion iu Agadir die Bedeutung eines drohenden Krieges beilegen. So sind es wiederum die Sozialdemokraten, welche als angebliche Friedenspartei nur schwere Verwickelungen schaffen wollen. Hand in Hand mit ihnen arbeiten die Alldeutschen, Sie könne» nicht laut und heftig genug die Hissung der deutschen Flagge in Marokko fordern. Der Abgeordnete v. Liebert spricht sogar von Dcutsch-Marokkanien und zeigt damit den Franzosen nur, wie wertvoll einmal Agadir für uns werden könnte. Daß er damit den Preis, den Deutschland zahlen muß, wesentlich in die Höhe treibt, icheint er in seiner nationalen Liebe gar nicht zu bemerke». Daß ein solcher verfrühter Siegeshymnus die Opposition der Mächte steigert, ist ganz selbstverständlich. Herr v. Liebert hat be reits schon ein festes Programm für diese neue Kolonie: „Wir wollen keinen Flottenstützpunkt, der verteidigt werden muß, dessen Behauptung eine Teilung der deutschen Kriegsflotte beanspruchen muß. sondern ein Land, das sich auf seinen Raumvcrhältnissen selbst verteidigt wie die übrigen deutschen Kolonien. Ter Himmel gebe, daß wir keiner Soldaten dortzulande bedürfen, sonder», belehrt durch das Auftreten der Franzosen, die entgegengesetzte Politik befolgen. Die Erinnerung an Süd westafrika genügt. Keine Soldaten, ein äußerstes Minimum von Beamten, und nur solche, die gelernt haben mit Mo hammedanern , Arabern, überhaupt Orientalen, umzu- aehen und nicht durch allzu großen Schneid die Stimmung verderben. Wie verlautet, gehört das Wad-Sus- und daS Hinterland von Agadir völlig dem Maghzen, ist also Rc- gierungsland. Der Uebergang in deutsche Hand zu Kultur zwecken ist dadurch außerordentlich erleichtert, praktische Ge schäftsleute sind dort jederzeit am Platze. Für das deutsche Volk kommen zwei Momente in erster Linie in Betracht. Südmarokko ist durch Klima und geographische Lage des günstigste Land für Baumwollbau und es birgt große Schätze an Eisen und Kupfer." So muß man ungefähr schreiben, dann weiß man aber sicher, daß Deutschland Agadir und das Hinterland nicht er hält. Warum nicht mehr Ruhe halten und die wohl- vorbereitete Aktion des Auswärtigen Amtes bis zum End punkte abwartcn? In diese Aktion des Auswärtigen Amtes gehört es nicht, eine neue internationale Konferenz über Marokko einzuberufen. Dentschand beschreitet den Weg von Algeciras unter keinen Umständen mehr. Es läßt sich nicht aufs neue majorisieren und hänseln. So wenig Frankreich von seinen Aktionen, die außerhalb der Akte von Algeciras liegen und mit ihr in Widerspruch stehen, sich an die Mei nungen anderer Mächte gekehrt hat und nach eigenem Gut dünken schaltete, würde das Deutsche Reich auch das tun, was es in seinem Interesse als unabweisbar, ensieht. In diesem Vorgehen wird Deutschland ermuntert durch das Verhalten des natürlickfen Erben von Marokko; :n Spanien macht sich nämlich eine ungemein deutsch-freundliche Stim mung geltend. In allen Blättern, ohne Unterschied der Par tei, kommt die Freude darüber zum Ausdruck, daß Deutsch land in dieser Weise vorgegangen sei. Spanien müsse sich aus dein unwürdigen Joche Frankreichs in der Marokko politik endgültig befreien, müsse sich mit Deutschland ver ständigen, da beide Mächte keine entgegengesetzten Inter essen in Marokko hätten, sondern Hand in Hand mit einander arbeiten könnten. Es ist namentlich die katholische Presse des Landes, welche einen auffallend warmen Ton gegen Deutschland anschlägt. Alle ihre Kundgebungen sind auf den Grundton gestimmt: los von Frankeich um jeden Preis. Man sicht eben jetzt in Spanien immer deutlicher ein, daß man sich schon 1W6 mehr an Deutschland hätte an- lchnen sollen. Wir sehen aus dieser neuen Stellungnahme, wie sehr das deutsche Vorgehen in Marokko begründet ist. Man sieht auch, daß es höchste Zeit war, daß Deutschland eingriff; in ein oder zwei Jahren hätten die Franzosen Marokko zur französischeil Provinz gemacht, und dann hätte man »ns auf alle Vorstellungen in Paris frenudüch lächelnd gesagt: „Zu spät!" Jetzt müssen selbst französische Blätter aner kennen, daß Deutschland den geschicktesten Zeitpunkt für sein gesamtes Vorgehen ausgesucht hat. Es handelt sich jetzt nur darum, daß die deutsche Presse geschlossen hinter der Re gierung steht, damit die begonnene Aktion erfolgreich zu Ende geführt werden kann. „Willkommen Gustav-Adolf-Leute!" So grüßte mich eine bekränzte und bewimpelte Tafel inschrift gleich am Bahnhose, als ich, auf einer Studien fahrt durch die schöne Lausitz begriffen, zum ersten Male den klassischen Boden der Lessingstadt Kamenz betrat. — Will kommen Gustav-Adolf-Leute! Wie seltsam mich dieser Willkommengruß berührte! Gleichsam durch einen Zauber- schlag erweckt, stand plötzlich jene ferne Vergangenheit leben dig vor meinem Geiste, da ich, der neunjährige Ouartaner- knirps, all di? Schauer auf meine KindcSfeele wirken ließ, die das gewaltige weltgeschichtliche Drama, in dessen Mittel punkt wir den „frommen" Schwedenkönig erblicken, darin auslöste. Obgleich hier gewisse profanhistorische Reminis zenzen vielleicht am Platze wären, will ich dennoch über Dinge mit Stillschweigen hinweggehen, die einen zu weiten Raum benusprnchen würden, und von denen man überdies voranssetzen darf, daß sie jedem halbwegs gut unterrichteten Deutschen nicht unbekannt sind. Die Gustav-Adolf-Leute des dreißigjährigen Krieges waren in unserem lieben Vaterlande nichts weniger als willkommene Gäste, und jedes Schulkind weiß, daß gerade die schwedische Soldateska es war, die Jahrzehntelang den Schrecken und alle Greuel eines Nernichtungskampfes durch deutsche Gaue trug. Wenn uns Katholiken zum Vorwurf gemacht wird, daß wir in deni Träger der Tiara zu Rom unser geistliches Oberhaupt verehren, jo sind wir in der Lage, nachzuweisen, daß er, der mit der dreifachen Krone geschmückte Priester- greis auf dem Stuhle Petri als höchster Sachverwalter der Gnadenschätze des Heils unserer vollen Hingabe und lie benden Verehrung wert und würdig ist. Er, der Statt halter Ehristi, hat niemals seine gepanzerte Faust ausge streckt, um unseren Vaterland? tiefe, blutende Wunden zu schlagen, und ivenn Schiller seinem Mortimer den Allsruf in den Mund legt: „ W i c w a r ' s i» i r d a , a l s i ch i h n sah, den Papst in seiner Pracht das Hochamt halten und die Völker segnen!" so zeichnete er mit wenigen Strichen das erhabene Bild des Friedensfürstcn jenseits der Berge, dessen irdisch-himmlischer Beruf in der Aufgabe sich erschöpft: das ihm vom Heiland aufgetragenc hohe Hirtenamt — weide meine Lämmer, weide meine Schafe — getreu zu verwalten und die Völker zu segnen. Mit unseren irdischen Interessen wurzeln wir Katho liken — gleichviel welcher Nationalität — fest und treu im vaterländisckren Boden, und jene, die uns lokalen Gemein sinn absprechen, oder unseren Patriotismus in Zweifel zu ziehen sich unterfangen, sie gleichen Blinden, die über Farbenwirkung reden wollen, in Fällen, nämlich, wo nicht Bosheit, sondern Unkenntnis das Wort ergreift, nm Ka tholizismus mit Vaterlandslosigkeit zu identifizieren. Das bei den Gegnern so beliebte Schlagwort „Ultra montanismus" akzeptieren wir Katholiken gern als einen Ehrentitel inscweit, als derselbe in prägnanter Weise auf unsere Zugehörigkeit zu jener Glaubensgemeinschaft hin deutet, die jenseits der Berge — ultra montan — ihre Zentrale, ihren Angelpunkt hat, und ist es dem Widersacher gelungen, uns Katholiken echte ultramontane Gesinnung im Glauben und Leben nachzuweisen — freuen wir uns dessen; denn dieser Nachweis ist ein sicheres Zeichen dafür, daß wir durch Gottes Gnade ein Plätzchen ini Schifflein „Petri" gefunden, in dieser Arche der Ausertvählten, die, von Stürmen und Klippen umdroht, schon seit zwei Jahr tausenden zielsicher dem Hafen der Verheißung zusteucrt, und die, wenn dereinst unser letztes Erdenstnndlein ge schlagen, uns glücklich und selig landen lassen wird aus dem Tabor, dem Berge ewiger Verklärung. „Katholisch bin und bleibe ich — Nichts soll von dieser Kirch' mich trennen. Sie ist mir Mutter, liebet mich — Froh bin ich, mich ihr Kind zu nennen. Hier ist der sichre Tugendpfad, Hier hoffe ich durch Gottes Gnad', Daß ich nicht werd' verderben! Katholisch ist gut sterben." Das Programm des großen Gnstav-Adotf-Festes in Kamenz, dem beizuwohnen ich das Vergnügen hatte, bot des Bemerkenswerten weniger, als ich mir gedacht und vor- gestellt. Gern sei zunächst konstatiert, daß die Ansprachen der Stadtbehörden, auf einen versöhnlichen Ton gestimmt, auch den außerhalb des Vereins Stehenden überaus wohl tuend berührten. Diese Begrüßungsansprachen gipfelten in dem Wunsche, daß die ganze Tagung getragen sein möge vom Geiste der Toleranz: „Frieden den Katholiken, mit denen wir hier in der Lausitz im besten Einvernehmen leben." Ein schöneres Zeugnis konnte Wohl nicht ausgestellt werden für die Eharaktertreue und Gesinnungstüchtigkeit beider Rcligionsparteien, die in ihrem Alltagswirken auf einander angewiesen, alles Trennende beiseite stellend, ihr Tun und Lassen dem Gesetz segenbringender Harmonie untcrordnen. Der gute Eindruck dieser Introduktion wurde auch nicht verwischt durch die temperamentvolle Ansprache Sr. Magnifizenz des Herrn Oberkonsistorialrates Dibelius. der nicht umhin konnte, aus seiner augenblicklichen Gustav- Adolf-Stimmung heraus eine kleine Brandrakete in die Ge müter zu schleudern: „Mag auch der PokoniSmus und Mtramcntanismus alle Kanonen donnern lassen—das Wort desHerrn bleibt ewig." Die aus allen Richtungen der Windrose herbeigceilten Diaspora-Pastoren befleißigten sich in ihren Ansprachen im großen und ganzen einer wohltuenden Mäßigung: Schwert hiebe gegen die bösen „Römlinge" blieben aus. obgleich cs an Nadelstichen, die ein katholisches Herz schmerzlich genug treffen, nicht mangelte. Der aufgewärmte Schülerkrawall in Wreschen (Posen) und all die anderen Geschichtchen, Anekdoten und Witze, die gleich Schmarotzerpflanzen auf dein internationalen Boden des katholisck>en Volkslebens ge sammelt, deni Gustav-Adolf-Versiu als ein Urquell des Blödsinns präsentiert wird, das, meinen wir, hat nicht das Mindeste zu schaffen mit einer derartigen Veranstaltung, es sei denn, man empfindet dort das Bedürfnis, durch der artige tendenziös gefärbte Legenden katholisches Leben und Wesen lächerlich zu machen, lieber ein solches, wenig rühm liches Gebaren aber sollte» gebildete Männer, die als „Kul turträger" geachtet werden wollen, sich erhaben fühlen. Schließlich möchten wir Katholiken wie Protestanten das schöne Wort des Patriarchen Jakob mahnend zurufen: „Zanket euch nicht auf dem Wege!" Der Jatho- sturm, der in diesen Tagen das protestantische Deutschland durchbraust, die lutherische Kirchcngemeinschaft in ihren Grundfesten erschütternd, dieser Samum des Unglaubens, der immer weitere Kreise in der protestantischen Welt er greift, er sollte auf alle, die noch gläubig gen Golgatha schauen, anregend einwirken, daß sie im engeren An- einandcrschluß die Kraft suchen zur Abwehr der dem Gottesglauben drohenden Gefahr. Katholiken — Protestanten, ihr alle, die ihr noch im Glauben aus Ehristi Erlösungswerk euer Seelenheil be denkt. schart euch um die Fahne des Kreuzes! Bildet eine treue Kampfgenossenschaft gegen den gemeinsamen Feind — den Unglauben. Zanket euch nicht auf dem Wege zur ewigen Heimat! Politische Rundschau. Dresden, den 8. Juli «Sil. — Der Kaiser unternahm vorgestern um 5 Uhr eine Fahrt an Land, besichtigte in Stavanger den Dom und fuhr dann mit den Herren der Umgebung nach den Aussichts punkten. die ein herrliches Bild über die Landschaften gewährten. Der deutsche Konsul wurde zur Abendtafel geladen. DaS Wetter hatte sich leider eingetrübt. Gestern früh 8 Uhr erfolgte nach einer Fahrt in den Lysefjord die Weiterreise nach Bergen, wo die Ankunft Freitag abend 9 Uhr stattfand. An Bord ist alles wohl. — DaS Befinden de« Prinzen Joachim von Prenßen hat sich soweit gebessert, daß er sich vorgestern zum ersten Male in Begleitung des Generalarztes Dr. Junker zum Roten Kreuz begeben konnte, um mit dem verletzten Knie medikg. mechanische Uebungen vorzunehmen.