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Nr. 267 — 6. Iahrgaag Sächsische Sonntag den 1L. September IVIV «Ucheinl täglich nachm, mit vurnahme der Sonn- und Iesttnge. ikludaabe t.r Mit »Die Zeit tn Wort und Bild" vierteljährlich- 8,10 In Dresden durch Boten 8,4« ^k. In gan. Deutschland frei Hau» 8,88 MuSaabe Ohne Illustrierte Beilage vierteil 1,8« I, Dresden d- Boten 8.1« In gmiz Deutschland srei Hau» 8.88 - «inzel-liri. 1« 4 - ZeitungrprelSl. Nr. «888. Unabhängiges Tageblatt für Wahrheit, Recht und Freiheit Inserate werden die «gespaltene Petitzelle oder deren Raum m«> 18 4, Reklamen mit 8« 1 die Zeile dcrcmnct. bei Wiederholung»» entsprechenden Rabatt ivuchdrncherei, Redaktion und tSeschästSstellei Dredde», iptllnttzer Strafte 1«. — Fernsprecher I!t«« FürRückgabe unverlangt. Schriftstücke keineVerbiiidltchket« RedasttonS-Svrechslnnne: It —18 Uhr. Vitte pi-obiei-en 5ie Miseren liocliieinen s?ei- pfmics /^ark 1,35. Heriing 8k fsoeÜ5trosi, »esclen. 8>sctsr>L8dN lri sstsr, 8ts6tts»sri. 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Wagte es doch der bayrische Thronfolger Prinz Ludwig, öffentlich zu sagen, daß er glücklich sei, in der wahren Kirche Christi in der römisch-katholischen Kirche geboren zu sein. Sofort wiederholt sich die Hetze der Einpeitscher, um unter den Pro testanten Erregung hervorzurnfen. Nun stellt sich heraus, daß die erste Mitteilung iin „Neuen Münch Tagebl." in sofern unrichtig war, als es sich nicht um eine, sondern um zwei Reden handelte. Die Worte über die Muttergotles- verehrulig sprach der Prinz beim Huldigungsakte der Stadt Altötting vor einer unabsehbaren Volksmenge i» Erwide rung auf die Begrüßungsansprache des Bürgermeisters Stinglhamer. Das Bekenntnis zum katholischen Glauben hat der Prinz später beim Festmahle gesprochen, wo er auf einen Toast des Bischofs von Passau antwortete. Die erste Rede hatte folgenden Wortlaut: „Es ist nicht das erste Mal, daß ich in Altötting weile. Schon bei den verschiedensten Anlässen war ich hier: Heuer schon zum dritten Male. Mir geht es ja geradeso wie so vielen anderen. Auch ich habe Sorgen und Kummer, und ich habe sie niedergelegt vor dem Altäre, dem Mutter- gottesbilde in der heiligen Kapelle. Wir alle sind ja Zeu gen, was im Laufe der Jahrhunderte durch die Fürbitte der allerseligsten Jungfrau, der Mutter Gottes, erreicht worden ist, und wie sie die Wünsche vieler schwerbeladener Seelen erfüllte. Und wenn es jetzt in Aktötting wegen Mangel an Kirchen schwer war, daß die vielen hierher ge kommenen Pilger ihre religiösen Pflichten leicht erfüllen konnten, so soll jetzt ein neues Gotteshaus Abhilfe schaffen. Weil ich die hohe Bedeutung Altöttings anerkenne, habe ich keinen Augenblick gezögert, als ich gebeten wurde, das Pro tektorat zu übernehmen. Möge die neue Kirche zum Segen Altöttings und von ganz Bayern erstehen! Das mein Wunsch." Die viel umstrittene Stelle der zweiten Anspracl>e des Prinzen hatte folgenden, stenographisch genauen Wortlaut: „Ich danke dem lieben Gott, daß ich von katholischen Eltern abstamme und in der katholischen Religion erzogen worden bin. Ich habe mein Leben lang den katholischen Standpunkt vertreten, nicht, um äußere Ehren zu erhal ten und Anerkennung zu fiirden, sondern weil ich über zeugt bin von der Wahrheit und Echtheit unserer katholischen Religion. Die katho lische Religion verlangt nicht Intoleranz gegen Anders gläubige. Es ist durchaus falsch, wenn man von einem guten Katholiken annimmt, daß er Andersgläubigen gegenüber intolerant sein müßte. Es ist ein gutes Zei chen des Katholiken, daß er die Ueberzeugung anderer achtet. Wir verlangen aber, daß auch unsere Ueberzeu gung von anderen hochgchalten wird." Ein Vergleich zwischen der ersten Verlautbarung und dieser zweiten ergibt die Uebereinstimmung. Dennoch redet die liberale Presse von Zentrumsschwindel und die „Leipz. N. Nachr." haben die Keckheit, zu schreiben: „Wer den Charakter des Prinzen Ludwig kennt, wird ohne weiteres annehmen, daß der jetzt erst verkündete Wort laut der richtige ist. Um so größer ist die Unverschämtheit in der Zentrumspresse, nicht nur aus zwei Reden des Prin zen unter vollständiger Umkehrung dieser Reden eine ein zige neue zu fabrizieren, sondern noch den Worten des Prinzen jene zelotische Zuspitzung zu geben, die sie auf den Ton und die Tendenz der Borromäus-Enzyklika ge stimmt hat." Ein billiger Anlaß, zum Rückzüge zu blasen. Am 7. d. M. fand das Blatt es unverdaulich, daß der Prinz die katholische Religion die einzig wahre genannt hat. Und doch hat er genau dasselbe nach der zweiten LeSart gesagt. Denn es gibt nur eine Wahrheit, daher ist nur jene Kirche echt, die sie besitzt. Für die Katholiken gelten nämlich die Worte Christi, wo. es heißt: „Auf diesen Testen will ich meine Kirche — nicht Kirchen — bauen." lind wenn nicht alles täuscht, so haben die „Andersdenken den" selbst daS Gefühl, daß es nur eine Kirche gibt, denn ssonst würde ja doch nicht diese eine katholische Kirche sich der fortgesetzten „Aufmerksamkeit" dieser Kreise zu „erfreuen" haben, während es doch eine Unzahl anderer Einrichtungen gibt, die von dieser „Beachtung" gänzlich verschont bleiben. Aber gerade dadurch, daß es immer nur die katholische Kirche ist, init der „man" sich befaßt, wird von den „Anders denkenden" selbst der Beweis erbracht, daß eben nur eine wahre katholische Kirche existiert. Die „Andersdenkenden", die sich durch solche Acußerungen „verletzt" fühlen, sind auch gar nicht so zahlreich, sondern es sind vereinzelte Elemente, die außerhalb jeglichen Glaubensbekenntnisses stehen, meist hinter den großen Zeitungen versteckt sind und die von dem Verhetzen der Konfessionen, auch Nationen, ihr Da sein fristen. Vor einigen Tagen sind dieselben Blätter dem Kaiser gram geworden, weil er von „ehrlichen Christen" gesprochen hat. Jetzt fallen ihnen die Worte des Prinzen Ludwig auf die Nerven. Trotz allen Hohnes, womit man besonders die katholische Religion überschüttet, diesen Mut des Thron folgers! Wenn sich Prinzen um Rennpferde, Automobile, Theater und Luftschiffe kümmern, dann sind sie in den Augen der Liberalen große Helden und Genies: wenn aber ein Prinz über die dauernde Grundlage der Volkswohl fahrt, die Religion, sich ausläßt, wird er angebellt, wie wenn er gemeingefährlich sein würde. So will der Liberalismus erreichen, daß man jedes öffentliche religiöse Bekenntnis unterdrückt. Von allem soll mau reden dürfen, nur nicht von der Religion. Ter unduldsame Freisinn fordert, daß die religiöse Ueberzeugung im Herzensschrein verborgen bleibe, daß man seine Religion nicht bekennen dürfe. Der Stifter der Kirche aber sagt feierlich: „Wer mich vor den Menschen bekennen wird, den werde auch ich vor meinem Vater bekennen, der im Himmel ist!" Der bayrische Thron folger schätzt die Worte Christi höher als die Vorschrift des Freisinns, er tut gut daran. Es ist überhaupt bezeichnend, daß fast nur solche Zeitungen gegen die Rede Vorgehen, die stark unter jüdischem Einflüsse stehen: da macht sich das Freidenkertum breit, das dem Katholizismus den Krieg er klärt hat. Einer Anzahl liberaler Blätter gefällt es gar nicht, daß der Thronfolger die Wahrheit der katholischen Religion so entschieden betont hat. Sie sagen aber ihren Lesern nicht, daß der Kaiser zum Beispiel in Württemberg und in Mansfeld auch für den Protestantismus offen eiugetreten ist. Ter Liberalismus sucht aus den Worten des Prinzen Ludwig einen Angriff auf die Nichtkatholiken herzuleiten. Das bringt nur Böswilligkeit und Verdächtigung fertig: denn selbst der „Vorwärts" muß schreiben: „Daß die katholische Religion von dem Thronfolger für die einzig wahre gehalten wird, ist dabei nicht auf fallend. Denn jeder Anhänger einer Religion ist über zeugt, daß die seine die wahre ist, sonst würde er eben nicht gläubig sein. Die Ausstellungen der liberalen Presse, die gegen dieses Bekenntnis zu Felde ziehen, scheinen uns nicht stichhaltig." Stimmt Da der Prinz Katholik mit Herz und Sinn ist, muß er seine Religio» als die einzig wahre halten, so wenig wir es einem überzeugten Protestanten verübeln, daß er für die Wahrheit seiner Lehre cintritt: es muß jeder iin Denken schon weit heruntergekommen sein, wenn er zn- gibt, daß eine der eigenen religiösen Ueberzeugung ent gegengesetzte Lehre auch wahr sei. Jede Wahrheit ist eben intolerant, inem sie vom Irrtum sagt, daß er nicht wahr ist. 2X2 'st 4 und niemand kann kommen und fordern, daß man aus Toleranz zugebe, daß 2X2 auch 5 sein könne. Wenn man als Katholik die Lehre seiner Kirche als tvahr hält, kann man protestantische Anschauungen nicht auch vis wahr ansehen, soweit sie vom katholischen Dogma ab- N'eichen. Mit Neckst hat Prinz Ludwig auf diese alte Wahr heit aufmerksam gemacht. War er deshalb verletzend gegen Andersgläubige? Mit keinem Worte. An sein religiöses Bekenntnis knüpfte er die Forderung der Toleranz für Andersgläubige, wie er sie für sich selber in Anspruch nahm. Was will man also? Prinz Ludwig ist ganz und gar konsequent und gibt die Grundlagen für den konfessionellen, Frieden: denn dieser ist nicht dadurch gesichert, daß man nach einer ver schwommenen Mittellinie sucht, sondern nur dadurch, daß Katholiken und Protestanten fest auf dem Boden ihrer religiösen Ueberzeugung stehen: dann können sie sich die Hand zu gemeinsamer Arbeit reichen. Der Katholik kann und darf nichts aufgeben von seiner religiösen Ueberzeugung und jene Ansichten sind falsch, die da meinen, wenn man Abstriche am Katholizismus mache, dann käme man voran. Im Gegenteil: das ist der Weg auf der schiefen Ebene. Nur wer auf dem Felsen steht und festen Boden unter den Füßen hat, kann große Werke vollbringen: wer im Sumpfe arbeitet, wird von diesem verschlungen. Politische Rundschau. Dresden, den 10 September 1910. — Dem Wirklichen Geheimen Rat. Ecbobcrlandmund- schenken im Herzogtum Schlesien und Freien StandeSherrn Dr. Jag. Guido Grafen Henckel v. Dounersmarck auf Neudeck im Kreise Tarnowitz ist das Grohkreuz des Noten Adler- ordenS verliehen worden. Nochmals der November 1908. Vor einigen Tagen haben wir im Anschluß an Meldungen der „Kreuzzeitung" festgestellt: „Der Kaiser hat sich in der ganzen Interview-Ange legenheit vollkommen einwandSfrei und staatsrechtlich korrekt benommen: auch ist nicht er es gewesen, der der eng lischen Königin die beabsichtigte Intervention Rußlands und Frankreichs im Burenkriege zuerst mitteilte, sondern der Geschäftsträger der deutschen Botschaft zu London hat auf Anweisung des Reichskanzlers Bülow in amtlicher Form der englischen Negierung hierüber sofort berichtet. Für diese alles sagende Tatsache haben wir den Beweis in Hände» und können ihn jederzeit führen." Eine Reihe von Blättern hat darauf hin gefordert, daß eine amtliche Klarstellung unbedingt erforderlich sei. Diesem Wunsche schließen wir uns in jeder Hinsicht an: auch wir wünschen eine solche. Diese aber kann nur die volle Bestätigung unserer Feststellung bringen und nichts anderes. Unser Beweismatcrial ist so vollständig und so lückenlos, daß es gar nichts abzustreiten gibt. Die Oeffent- lichkeit aber hat ein Anrecht darauf, zu erfahren, wie man sie in jenen Tagen täuschte. Sollten die amtlichen Blätter schweigen, so können unsere Leser sich selber sagen, daß von unseren Mitteilungen eben nichts in Abrede gestellt werden kann. — Auswärtsbewegung im Tabakgcwcrbc. Nach den schweren Zeiten, die die Tabatindustrie seit der Einführung der Steuer durchgemacht hat, scheint sich nun langsam, wie selbst der „Vorwärts" zugibt, wieder eine Besserung an bahnen zu wollen. Seit dem ersten Monat nach Eintritt der Steuer, dem August 1909, hat noch kein Monat einen geringeren Andrang gebracht als der Juli dieses Jahres. Auf je 100 offene Stellen kamen im Neichsdurchschnitt Ar beitsuchende: Januar Fe^-r. März April Mai Juni Juli 1909 205 193 134 123 154 N4 100 1910 880 1365 891 572 52« 486 271 ÄlkgLN 1909 "i- 65u -i- 1172 -l- 757 -i- 449 -i- 370 z- 352 -l- 171 Vom Februar ab geht die Verschlechterung Monat für Monat zurück. Dabei ist im Auge zu behalten, daß im ver gangenen Jahre in der Zeit vor Eintritt der Steuer- erhöhung unter Aufbietung aller Kräfte gearbeitet wurde; galt es doch, noch möglichst viel unversteuerten Rohstoff zu verarbeiten. Denn schon das ganze Jahr hindurch waren damals die Bezüge von Nohtabak außerordentlich ge steigert worden. Die Einfuhr von Rohtabak erreichte in den ersten 7 Monaten 1909 eine Menge von 499 981 Doppel zentnern gegen 416 675 Doppelzentner in der Parallelzeit 1908 und 382 472 Doppelzentner 1907. Im laufenden Jahre bleibt nun freilich die ausländische Nohstoffzufuhr äußerst stark hinter der vorjährigen zurück: sie beträgt nur 319 672 Doppelzentner gegen 72 267 Doppelzentner im Juli 1909. Die Zurückhaltung der Nohstofshändlcr resp. Verarbeiter ist um so mehr zu verstehen, als die Tabak preise allmählich wieder auf einem teilweise ungewöhnlichen Stande angelangt sind. Deutscher Tabak steht überhaupt so hoch im Preise wie kaum zuvor. Das ist ei» Vorteil der neuen Steuer, welche den einheimischen Tabakbau stark be günstigt. Tie Reichstagsmehrheit ging bei der Verab schiedung der Steuer davon aus, daß in einem Jahre die Wunden geheilt seien, und das hat sich nun im allgemeinen, wie selbst das sozialdemokratische Blatt zugcben muß, als wahr hcrausgestellt. In einzelnen Gegenden mögen die Nachwirkungen noch länger anhaltcn, aber die Industrie als solche ist über dem Berge. — Eine Unterredung mit Freiherrn v. Stengel hat -ein Reporter des Berliner Tageblattes gehabt, der seinem Blatte folgenden „sensationellen" Bericht schickt: „Freiherr v. Stengel erklärte ganz offen, daß er die schwierige Situation seines Nachfolgers nicht noch schwieriger gestalten wolle, darum setze er die Worte sehr vorsichtig. Das Not wendigste sei — so meinte er — das versprochene Spar- system auch durchzuführen. Gelegenheiten hierzu gebe es vielfach. Was die Erbschaftssteuer betreffe, so sei es selbst verständlich, daß er als ihr Schöpfer noch immer dafür sei. -Db bei den ausschlaggebenden Parteien heute mehr Ge neigtheit für sie bestehe, darüber könne er sich nicht äußern, da er mit den Führern der Parteien keine Fühlung mehr habe, ebensowenig, wie mit dem Reichsschatzamte und den übrigen höheren Reichsstellen. Es fei aber seine ehrliche.