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Zweites Blatt Tächstickr BoitS^eil«»q vom 6. Oktober litt" Nr. Zustände in der evangelischen Kirche. «on einem NichlvorcuKttzunarlos.-n. Als die Borromäus-Enzyklika erschien nnd teils unab- sichtlich, teils »vohl auch absichtlich, gründlich mißverstanden wurde, ging ein Zornesschrei durch die weiten deutschen Lande. Ueberall hieß es „Auf den Wall", um den evan gelischen Glauben gegen den „alten, bösen Feind" zu ver teidigen. Heute haben gerade die gläubigen Protestanten es erkannt, daß ihr religiöser Eifer von sehr gewissenlosen StimmungSmachern ausgenutzt ward, die es mit Ibsens demokratischem Redakteur Mortensgard halten, der zu Pastor Rosmer sagt: „Freigeister haben wir schon genug. Herr Pastor. Beinahe hatte ich gesagt, wir haben schon zu viel solche Leute. Was die Partei braucht, sind christliche Elemente, — etwas, das alle respektieren müssen I" Wie gesagt, zu spät haben cs die orthodoxen Protestanten er kannt, daß sie nur Vorspann den Anarcholiberalen leisten sollten, daß man ihren Glauben nur als Reklame gebrauche. Sie werden sich dieser Episode umsoweniger gern erinnern, wenn sie erkennen, wie ihr lobenswerter Eifer sich nicht hätte gegen „Nom", sondern gegen die eigenen inner- kirchlichen Zustände richten müssen, denn diese sind wahrlich mehr als traurige. Zahlen beweisen-, gegen statistische Argumente versagen alle Waffen. Wir wollen daher nur das evangelisch-kirchliche Jahrbuch von I. Schneider-Elberfeld reden lassen, und uns jedes Kommentars enthalten, der in diesem Fall auch ganz überflüssig ist, die Zahlen sprechen nämlich für sich selbst. Drei protestantische Prcdigerseminare in Deutschland müssen vom Staate erhalten werden, obwohl kein ein ziger Seminarist sich auf ihnen befindet! In Braun schweig wurden im Jahre IM noch UV theologische Kan didaten geprüft, 1508 nur 18! In Vrannschweig wnrde die zweite Prüfung im Jahre IM noch von 115 Kandidaten abgelegt, im Jahre 1508 waren es ebenfalls 48! Tie Berliner Universität prüfte 1855 theologische Studierende 58«, 1555 nur 217, Halle Prüfte 1855 735, 1555 nur 271. Jena prüfte 1855 I I.'!. 1555 »nr 55, Erlangen prüfte 1855 255, 1555 nur 135, Göttingen prüfte >850 225, 1555 nur 113. Tie Gesamtziffer aller protestantischen Theologen auf den deutschen Universitäten betrug 18 3 5 noch 4635, 15 15 hingegen nur noch 2325, ein Bestand, der schon 1815 erreicht war! Wobei zu bedenken ist, daß die protestantische Bevölkerung in den 25 Jahren von 1855 bis 1515 sich um viele Millionen vermehrt hat, seit 1815 sich verdoppelt hat! Für diese wenigen Studenten werden aber desto mehr Professoren angestellt. Bonn zählt auf 87 Studenten 15 Ordinarien und 3 Privatdozenten-, Gießen zählt ans 75 Studenten 5 Ordinarien, 1 Ertraordinariat, 2 Privat- dozcnten und 1 Repenten; Heidelberg zählt auf 52 Stn- l-cnten 5 Ordinarien, 2 Extraordinarien und 1 Repenten-, Jena zählt auf 43 Studenten 5 Ordinarien und Kiel zählt auf 45 Studenten 5 Ordinarien und 2 Extraordinarien. In Berlin wurden 1557 noch 17 442 evangelische Trau ungen vorgenommen, 1568 nur noch 5396. In dem einen Jahre ist also die Zahl der kirchlichen Trauungen um 7555 zurückgegangen, wahrend die Zahl der Eheschließungen überhaupt sich vermehrte. 7 Prozent der evangeliscl)en Gemeindemitglieder empfangen nur noch in Berlin (durchschnittlich einmal) das Abendmahl! 53 Prozent haben hierzu überhaupt kein Be- dürfnis mehr. Die Zahlen sprechen für sich selbst. Aber eins darf man wohl sagen, sie belveisen klar, welche große Arbeit die evan gelische Geistlichkeit auf eigenem Gebiete zu verrichten hat. Vielleicht wäre es daher doch angebrachter, sie zu voll bringen, als „Rom" nur anzugreifeu und in katholische Länder „Los-von-Nom-Prediger" zu sclsicken. Tiese Herren hätten eine große Aufgabe zu erfüllen, wenn sie das Evan gelium in den protestantischen Kreisen lehren wollten, die es nicht kennen oder nicht kennen wollen. Aus Stadt und Laad. (Hoetsetznvy au» de:r Hauptblatt.) —* Tas Eisenmaterial der Hilfsbrücke. >ie cn- läßlich des Abbruches der AugustuSbrück: errichtet werden mußte, sollte bekanntlich im ganzen verkauft werden. Hierzu hat sich jedoch kein Reflektant gesunden, weshalb d:r Rat in seiner letzten Sitzung beschlossen hat. das Material unter möglichst günstigen Bedingungen zu ver kaufen. Eine Verwendung des ganzen EiseugciüsteS oder einzelner Teile bei städtischen Bauten soll nicht stattfi den. Die Hilssbrtic's ist bereit« nahezu zur Hälfte abgebrochen. —' Die den Stellcnvermittlern zukommenden Gebühren sind bekanntlich nach 8 5 des am 1. Oktober 1510 in Kraft ir Enden Reichsgesetzcs über die Srellen- vennittler vom 2. Juni 1510 von den unteren V.-rwal- luugsbehvrdeu scslzuietzcn. Der Rat hat in seiner letzten Sitzung den Einwurf eines GebühreuveizeichuisseS für die Stellenvermittlcr in Dresden zunächst süc die Dauer ciueö Jahres genehmigt. Hiergegen haben die Stelle,'.Vermittler in einer am Soimabcnd stattgesuudcncu staikblsuchten Ver sammlung Protest erhoben. -' Die Entwässerungsanlagen des städtischen A u s st e l l n n g s g r u n d st ü ck e s bedür fen einer durchgreifenden Veränderung und Ergänzung hei Gelegenheit des Anschlusses au die Schwemmkaiialisa- tio». In der letzten Ratssitzung wurden die vom städtischen Tiesbauamte hierüber aufgestellten Planungen genehmigt und die .Kosten in Höhe von 17 355 Mark für Bauten inner halb des Grundstückes auf Grundrente verwiesen, während die auf 15 555 Mark veranschlagten Kosten für die nötig werdende Aeuderung des Straßenkanals auf der Len>l«1- siraße zu Lasten der Anleihe bewilligt wurden. —* Zur Gewährung von N e i ch s b e i h i l f e n an hiesige Handwerker und Gewerbetrei bende zum Besuche der Weltausstellung io B r ü ssel hatte der Not 5555 Mark ans der Position 50 des diesjährigen Haushaltplanes bewilligt. Das Stadt- verordnetenkolleginm hatte bekanntlich diese Summe aus 15 050 Mark erhöht und den Kreis, ans dem die zu entsen denden Personen zu wählen sind, auch ans Handel- und (He- werbetreibcnde. Selbständige wie Angestellte, erweitert. Ter Rat ist in seiner letzten Sitzung diesem abweichenden Beschlüsse beigetreten. Leipzig. Erschossen aufgefunden wurde auf dem Wege zwiscl>en Kettenstcg und Bismarckbrücke ein unbekannter Mann. Es liegt Selbstmord vor. Der Tote — anscheinend ein Handwerker — ist etwa 35 Jahre alt. — In ihrer Woh nung in Leipzig-Eutritzsch erschoß sich eine 48 Jahre alte Gejchäftsinhaberin. Was die Unglücklicl)e veranlaßte, frei willig ans dem Leben zu scheiden, ist nicht aufgeklärt. Riesa, 4. Oktober. Der Monteur Pichiage verunglückte am Sonntage ini Eisenwerke in Gröditz dadurch schwer, daß er von einem herabstürzenden eisernen Träger getroffen »nd vom Baugerüst gestoßen wurde. Besinnungslos und schwer verletzt wurde er nach dem Krankenhaus Riesa ge bracht. wo er gestern seinen Verletzungen erlegen ist. Strchla, 4. Oktober. Bei einem Umbau im hiesigen Gasthafe zum Adler wurde ein Topf mit 265 Silbermünzen gefunden. Tic Geldstücke stammen aus dem 16. und 17, Jahrhundert. Köthr», 4. Oktober. Auf dem Rittergut«: Preußlitz war die Fron des Hofmeisters Becker mit dem Reinigen der Wäsche beschäftigt. Alz sie sich über den großen Kessel beugte, verlor sie das Gleichgewicht und stürzte in das siedend heiße Wasser. In hoffnungslosem Zustande wurde die Frau nach dem KreiSkrankcnhanse gebracht. Vom Gichsfelde, 4 Oktober. Am Sonnabend mußte der erste Frübzng der Strecke Leinefelde—NEdcr-Hone kurz vor der Slntion Keffer Hansen halten. Eine Anzahl großer Steine war aus die Schienen gelegt worden. Am Sonntag traf ein K.iminalschutzma m aus Kassel mit einem Polizei hunde am Tatorte ein. Nachdem der Hund Witterung genommen, lies er ins Dorf nnd ohne Umweg' in die Wohnung eines Arbeiters, der aber nicht zu Hause war. Die e »geleitete Untersilchnag wird ergeben, ob der Hund die richligc Fächle angegeben hat. Gemeinde- und Vereinsnachrichlen. * KönigShnin. Nachdem bereits vor den Herbstfecien das geplante Schulfest abgel,allen, aber durch regnerische- Wetter stark beeinträchtigt worden war, wurde am ver gangenen Sonntage das Fest wiederholt, Begünstigt vom herrlichsten Wetter, zogen die Kinder nach beendigtem NachmitlagSgoiietzdiciiste zum Festplatze beim Kretscham. Dort war für Belustigungen aller Art hinreichend gesorgt; Bogelschicßen, Lternschteßen, Bänderspiel, Scheibenschießen, Bauweisen niw. verkürzten alt und jung die Zeit in an- genehmstcr Weise. Mit einbrechender Dunkelheit erscholl das Signal zum Einzüge. Unter Vorantritt der Musik kapelle bewegte sich nun ein langer Lampionzug durch den ganzen Ort. Kaum ein Hans entbehrte irgend eine- Schmuckes, und prächtig schauten die Häuschen in Rot- und Grünfeuer aus dem Laubschmuck der Bäume hervor. Am Kilchbergs augelangt, hielt Herr Kirchschullehrer Reime an die Kinder eine Schlußanspracve, worin er im Namen der Kinder all den zahlreichen Woi.ltät.rn, die das herr liche Fest ermöglichten, den Tank abstattete. Im nahen Schulgarten wurde unterdessen ein Feuerwerk abgebrannt. — 01 — Gewiß hat er Ihnen den Namen anvertraut, wandte sich Sir Edward letzt schalkhaft läcl-elnd an Fräulein Temple. Bitte, befriedigen Sie meine Neugier. Wie sollte ich das können, erwiderte sie mit einem Gesicht, auf dem sich eine gewisse Verwunderung malte. Herr Colledge hat mich nicht zu seiner Vertranten gemacht, mir sein Geheimnis nicht offenbart. Der arme Junge schwitzte Blut, doch zwang er sich zu einer heitere» Miene und schnitt die Sache kurz ob, indem er sagte: Ich denke, Ned, du zeigst uns jetzt das Schiff weiter. Wir haben nicht mehr lange Zeit. Fa, das ist richtig. Also, wenn es Ihnen beliebt, gnädiges Fräulein — er öffnete die Tür — dann bitte. Er schritt mit unserer Begleiterin voran, sichtlich erfreut über die Ge legenheit, sein schönes Schiff von fremden Augen bewundern zu lassen. Eolledge hing sich an mich und flüsterte nur zu: Hören Sie. Tngdale. ich könnte mich ohrfeigen. Glauben Sic, daß Fräulein Temple aus meinem blödsinnigen Benehmen gemerkt haf, daß ich verlobt bin? Ja. Cie müßte nicht so klug sein, als sie ist, wenn sie es nicht erraten hätte. Aber lassen Sie's gut sein; es ist so am besten, Colledge. Sie können nun wieder frei atmen. Sie haben leicht sprechen, brummte er und blieb so in Gedanken ver sunken, daß er von all den Erklärungen, die Sir Edward da und dort gab. sicher nicht viel gehört hat. Als wir wieder oben ankamen, plauderten wir noch einige Minuten, bis das uns erNxirtende Boot an der Fallreepstreppe angelegt hatte. Ich hüte dein Geheimnis, Stefan, während du deine Tiger jagst, neckte noch einmal Sir Edn>ard beim Abschied. Wir schüttelten unS die Hände und stiegen ins Boot; der Leutnant nahm wieder seinen Platz am Steuer; die Riemen blinkten, und fort ging es unter gegenseitigem Schwenken der Hüte. Die Dünung sclieint etwas stärker geworden, bemerkte ich zum Leutnant. Ja, es kommt mir auch so vor, erwiderte er leichthin. Und dann, sehen Sie mal da ganz hinten, reckfls vom Wrack, fuhr ich fort. Was halte» Sie davon? Er schonte in die Riclflung. — Was soll denn da sein? Nun, mir sieht eS dort so aus, als ob ein Sturm Staubwolken auf wirbelte. Nichts als Hitze, lachte er. Wer ein paar Monate an der afrikanischen .Küste zugebracht hat. kennt das. Für mich bedeutete es immer „Chinin schlucken". So wie wir beide uns über See und Wetter unterhielten, so unter hielten sich Colledge und Fräulein Temple über den Aufenthalt auf der Korvette. lliclfl wahr, mein Vetter ist ein netter Kerl, hörten wir Colledge sogen. Er hat nur die infame Manier, immer die Leute zu foppen, um auf ihre Kosten lacl-en zu können. Da ich das an ihm kenne, antworte ich ihm schon gar nicht mehr auf seine Neckereien. Trotzdem freue ich mich doch jedeSmal, — 61 — . Ich schlcnderte nun nach dem Fallreep, wo das Voot inzwischen angelegt hatte. Die schmucken Burschen Ivaren eifrig über dem ihnen vom Kapitän geschickte» Flaschenkorb her, schenkten sich munter ein und spannen ein rich tiges Seemannsgarn mit unseren Leuten, die dicht aneinander gedrängt «ms der Schanzkleidiing hockten. Es wurde viel gelacht; offenbar war der Besuch für das ganze Schiff ein frohes Ereignis. Noch etwa einer halben Stunde erschien der Kapitän mit seinem Gaste, Tonte und Nichte, sowie Eolledge wieder auf Deck und letzterer teilte mir so gleich mit. daß der Leutnant uns mit Vergnügen mitnehmcn und auch Wiede«- zurnckbriiigen wolle — aber — fügte er, mich fast schüchtern ansehend, hinzu, was weiden Sie sagen — Fräulein Temple will mit. Hm, machte ich etwas betroffen. Auch noch andere Damen? Er zog eine Grimasse und flüsterte: Nein; der Leutnant schien zwar die größte Lust zu haben, auch Fräulein Hudson einzuladen, aber ich bot ihn, davon Abstand zu nehmen, weil dann Fräulein Luise entschieden zurückgeblie ben wäre. Sie wissen ja, sie macht sich nicht viel aus den Damen an Bord, »nd mir liegt daran, sie mit meinem Vetter bekannt zu mack>en. Sehen Sie. fuhr er, mich verschmitzt anblinzelnd, fort, er sucht doch jedenfalls meinen Vater zu -Hanse auf, nnd da wird er ihm natürlich von ihr erzählen. Das ist so ein kleiner Hintergedanke von mir. Weiß Fräulein Temple, daß Sie mich anfgefordert haben? Versteht sich. Das habe ich ihr gleich gesagt. Und wie nahm sie die Mitteilung auf? Mit Begeisterung, schrie er. - Kann ich mir lebhaft vorstellen, lachte ich. Aber ich gehe trotz ihrer Be- geisterung mit. Unsere Unterhaltung wurde hier durch einen lauten Aufschrei iinter- brochen. Fra» Radcliffe hatte ihn auSgestoßen: sie stond bei ihrer Nichte, und diese hatte ihr, wie sich gleich ergab, von ihrer Absicht, mitzufahrcii, erzählt. Davon kann gar keine Rede sein, rief die alte Dame in Todesangst. Ich verbiete es dir ans das beslinimteste. Ach, sei doch nicht so ängstlich, Tante, hörten wir weiter, das Meer ist doch so ruhig wie ein Teich. Wenn auch. Nein, nein, ich mag nichts davon hören. In dem kleinen Boote! Ich bitte dich, um Gottes willen I Es kann umkippcn, und du kannst ertrinken. Ich erlaube cs unter keinen Umständen! Bedenke doch, was würde deine Mutter sagen! Die würde es mir gewiß erlaube», davon bin ich fest überzeugt. Mache mich doch nicht lächerlich, Tante, und sei mir nicht böse, aber ich fahre. Es ist wirklich ein harmloses Vergnügen bei der See. Also sei nicht töricht, Tantchen. — Die alte Dame appellierte nun in ihrer Angst an den Kapitän, der mit dem Kopfe wiegend etwas zweifelhaft den Horizont ringsum betrachtete, aber zu keiner Antwort kam, da jetzt der Leutnant um die Briefe bat und sich empfahl . Der Kapitän und viele, die die Abfahrt des BooteS mit ansehen wollten, begleiteten ihn zum Fallreep. Dann auf einmal, ich weiß nicht mehr, wie es kam, saßen wir drei im Boote, der Leutnant ergriff das Steuer, der Bugriemen stieß ab, die anderen Riemen senkten sich, und unter -en kräfti- ? IS ^Tie Goidinlfl,'