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Beilage zur „Sächsischen Volkszeitung" Nr. 108 Der Bischof kommt.... Von Karl Laux, Kriegsfreiwilliger Ein Bild des Friedens. Weißgekleidete Mädchen !harren des herannahenden Bischofs. In den Körben Blu men der Au, seinen Weg zu schmücken, in den Augen leuch- tendcs Feuer der Unschuld, sein Herz zu erfreuen. Das sie dieses Feuers nicht vergäßen, dazu sollte er zu ihnen kommen. Und die Erwachsenen umdrängen die junge Echar, auch von dem Degen zu erheischen, wenn der Bischof kommt. Der Kriegssturm braust übers Land. Die Knaben sind Männer geworden und helfen die Heimat verteidigen. In einem halbzerschossenen Dorfe Belgiens liegen pfälzische Truppen. Eines Tages heißt es: Der Bischof von Speier kommt. Eine Welle der Freude geht durch das Dorf. Denn cr wird Kraft bringen für die Seele, aber auch für das Herz. Tenn ein Stück Heimat kommt mit, wenn der Bischor kommt. ... Der Morgen des Festes ist angebrochen. Der Tag hat nicht gespart mit Licht und Sonnenschein. Auch in Feindesland kann der Lenz so wonnesam sein. Der Bischof betritt, begleitet von Offizieren und Feldgeistlichen, die lannengeschmückte Kirche. Er erscheint am Altar, verrichtet ein stilles Gebet und legt die heiligen Gewänder an. Dann vollzieht er die hehre Handlung, der die Katholiken mit An dacht, die Protestanten, von denen viele gekommen sind, den Bischof zu sehen und zu hören, mit feinem Taktgefühl bei wohnen. Nach dein Evangelium Predigt. Ich habe den Bi- 'ckwf in glänzende» Reden gehört, die voll Geist und Wissen schaft waren. Aber die waren in der Predigt von Honthem ansgeschaltet. Das Herz eines Vaters sprach zum Herzen lies Volkes. Gruß und Dank ans der Heimat bringe er mit. Unsere Heimatliebe soll uns wie ein Schutzengel helfen in schweren Ttnnden. Tenn man darf am Ehrenschild des deutschen Volkes kein Makel sehen. Bei Gott können wir schwören, daß uns der Krieg aufgezwnngen wurde. Aber es ist nicht genug, mit blankem Ehrenschild ansgezogen zu sein, wir müssen auch mit blankem Ehrenschild wieder heimkehren. Ans daß jeder der Braut, der er am Altäre Treue gelobt, j ins Auge blicken kann. Auch den Schützengräben hatte der Bischof seinen Be such abgestattet. Erjagte: Ich komme aus den Schützen gräben von eine»' Regiment, bei dem ich selbst aktiv gedient habe. Ich habe die schwere Aufgabe unserer Truppen ge sehen. Die Kraft dafür geht vom Kreuze aus auf die, die unter der» Kreuze stehen, auf die, die mit dem Hauptmann ihr Eredo sprechen. Und wenn einer sein Gebetbuch ver loren oder seinen Rosenkranz zerrissen hat, dann möge er eine Postkarte nehmen und an den Bischof von Speier sen den. Und auf die Rückseite soll er schreiben: „Schicken Sie mir ein Gebetbuch und einen Rosenkranz!" Und ich werde seine Bitte erfüllen. Am Schlüße der Predigt leuchtete der Gedanke an de» Frieden auf: Wenn wir uns dann später wieder einmal sehen sollten, dann wollen wir dieser Stunde in der zer schossenen Kirche von Honthem gedenken. Und dann wollen wir Gott für seine große Gnade danken. Nach der heiligen Messe. Auf dem freien Platz vor der Kirche wartet alles, dicht gedrängt, ans den Kirchen- sürsten. Da tritt er heraus. Er hat zwar Liebe, aber nicht Hände genug für alle die vielen. So wendet er sich an alle und spricht mit den Vornanstehenden. Gütige, liebevolle Worte, sein herzgewinnendes Lächeln auf den Lippen. Sein letztes Wort: „Auf Wiedersehen, Kameraden!" Darf cs wahr werden? Der Eibherr von Hohenau Roman von H. v. Remagen (35. Fortsetzung) Nachdruck verboten Anna ging Hinalls, kam aber nach wenigen Augen blicken wieder zurück und meldete ihrer Herrin, daß die beiden Grafen einen längeren Spazierritt unternommen hätten und vor Einbruch der Nacht nicht zurückkehren würden. „So besorge jetzt mein Schlafgemach und komme dann wieder zu mir." Die Zofe eilte in das Schlufgemach, das auf der anderen Leite des Korridors lag, hinüber und zündete die Nacht kerze an, die in einer Glocke von dnnkelrotem Glase stano. Dann ging sie noch einmal hinaus, um die Limonade zu be reiten, von der die Gräfin jeden Abend, ehe sie sich zur Ruhe legte, zu trinken gewohnt war. Sic brachte dieselbe in einem hohen, geschliffenen Teckelglase von Kristall auf einer silbernen Platte und stellte diese auf das kunstvoll mit Gold und Perlmutter eingelegte Tischchen, das vor dem Bette der Gräfin stand. Kaum hatte sie das Schlafgemach wieder verlassen, um zu der Gräfin zurückzukehren, da ging leise die Tür des an stoßenden Garderobezimmers auf und die Gestalt Wenzels erschien in der Oeffnung. Er horchte mit verhaltenem Atem: es regte und rührte rührte sich nichts. Auf den Fußspitzen schlich er an das Bett der Gräfin und mit Blitzesschnelle goß er den Inhalt einer Phiole, welche er in der Hand gehalten, in das kristallene Glas. Dann glitt er leicht znrück »nd verschwand in der Tür, die sich hinter ihm schloß. Eine Viertelstunde später betrat Hildegard das Gemach: sic trug ein langes, faltiges Nachtgewand von blendender Mittwoch den 12. Mni 1915 Daß bei unserem modernen Betrieb Photograph und — Kinematograph eine große Rolle spielten, braucht nicht eigens erwähnt zu werden. Große Heiterkeit erregte es, als der Kinomann, wie der Bischof durch die Reihen schritt, immer hintennachlief mit seinem Apparat und wie wütend drehte. Habeat sibi! — Wir Pfälzer aber wollen unseren Bischof noch recht lange haben. Und ich weiß, daß das viele schreiben in den Feldpostbriefen, die erzählen von dem Feld briefen, die erzählen von dem Festtag, als der Bischof kam. (Aus der Lillcr Kriegszeitung Nr. 46, 4. Mai 1915.) Reserve-Infanterie-Regiment Nr. 101 in der Mnlerschlacht in der Champagne Bei PertheS war'S, nach blut'gem Ringen. Nach wochenlanger heißer Schlacht. Wo es dem Feind nicht könnt gelingen, Trotz seiner großen Uebermacht Die deutsche Stellung zu durchbrechen. Von Rheinlands Söhnen schwach besetzt, Die Zeit wird manchen Namen sprechen, Wohl auch den unfern nicht zuletzt. Denn Sachsens Regimenter blieben, Nicht fern dem blutigen Gefecht, Nein, hunderteins bis hundertsieben, Reserve, schlug sich da nicht schlecht. Aus ungezählten Feuerschlünden Drang das Verderben auf uns ein Es war, als ob der Herr der Sünden. Der Satan, selbst dabei müßt sein. ES klang wie gellend Hohngelächter. Au» rauchgeschwärztem Höllenschlund. Und unter Deutschlands treuen Wächtern. Erzitterte der Felsengrund. Fürs Vaterland ward viel gelitten Kein Krieg, fast grenzte »s an Mord, Ohn Gegenwehr riß es den Dritten Von unfern Kameraden fort. Nicht Schutz vor diesen schwarzen Katzen, Bot Graben uns und Unterstand, Wie Märtyrer, des Raubtiers Tatzen, Erwartend, an des Grabes Rand. Wenn die Geschichte einst wird lenken, Den Blick aus Heldentod und Ruhm. Mög auch der Sachsen sie gedenken, Wär'S auch uur stilles Heldentum. Doch gingS zum Sturm mit Handgranaten, Drang jeder vor mit festem Mut, Mit Picken, Bajonett und Spaten, Dann floß umsonst nicht unser Blut. Bei PertheS war » — wie fernes Klagen Erklingt eS uns, manch lieber Freund Hat auSgekämPft in jenen Tagen, Mit dem Kameradschaft uns vereint. Bang fragt da» Herz mit heißen Seimen; Blüht in der Heimat uns noch Glück? Fließen um uns noch bist' Tränen? Führt unser Weg nach HauS zurück? Auf all die bangen Fragen treten, Vor un» die blutgetränkten Au'n, Wir lernten dort bei Perthes beten, Drum hoffen wir mit Gottvertrauen. Unter der Bezeichnung „schwarze Katzen" versteht man die feindlichen Geschosse, die nuter furchtbarem Getöse eine pechschwarz« starcke Rauchentwicklung zeigen. Weiße. Sie sah bleich und angegriffen aus und näherte sich rasch dem Bette. „Der zweite Tag ist vorüber — gute Nacht, mein Waldemar!" flüsterte sie noch; dann nahm sie das Glas, trank es bis zur Hälfte leer und legte sich zur Ruhe. Ihr letzter Blick fiel auf das Kruzifix, das ihrem Bette gegen über an der Wand hing und in der nächsten Minute lag sie regungslos da, wie im tiefsten Schlafe. Da öffnete sich wiederum die Türe des Garderobe- zimmer. und Wenzel schlich, lauschend und spähend, über den Teppich und an das Bett der Gräfin. Er hob das Glas auf und ein Blitzstrahl der wildesten Freude schoß aus seinen Augen. Dann beugte er sich über die Gräfin, sah ihr starr und fest ins Angesicht und näherte sein Ohr ihren Lippen, daß er dieselben fast berührte. Das Antlitz blieb unbeweg lich, kein Atemzug war zu erhorchen. Er trat vom Bette znrück. „Gnte Nacht, Hildegard Rieger!" sagte er kalt und hart. „Morgen wird die Totenglocke des Schlosses erschallen und verkünden, daß die Gräfin von Hohenau gestorben ist — tot — begraben — d» hast deine Rolle ansgespielt." Und wieder verschwand er, wie er gekommen war. Zwei Stunden darauf erhob sich plötzlich ein Lärm ans dem Hofe »nd im Schlosse. Die Zofe der Gräfin erwachte und eilte hinaus, um nach der Ursache zu fragen. „Die beiden Grafen sind vom Spazierritt heimgekchrt," war die Antwort, die sie erhielt. Bald darauf herrschte im Schlosse die Stille der Nacht: auch Anna hatte ihr Lager ausgesucht und war alsdann ein- gcschlafcn. Als sie erwachte, blitzten bereits die Strahlen der Sonne hinter den Jalousien hervor; hatte sie denn die Glocke, mit der die Gräfin zu rufen Pflegte, ganz überhört? Sie eilte in das Vorzimmer und legte ihr Ohr an die Türe, welche in das Schlafgemach der Gräfin führte, aber noch regte sich drinnen nichts. Sie blieb in dem Vorzimmer. Eeite Ein Besuch im Ausstellungslazarett zu Dresden Als geradezu vorbildlich für die Anlage und Einrich tung eines großen Lazarettes darf das im Ausstellungs- palaste befindliche gelten. Durch zweckmäßige Einbamen hat man hier mustergültige Krankensäle geschahen, die zu ebener Erde gelegen, umgeben von dem herrlichen großen Park, reichlich Luft und Licht einströmen lassen. Wir sahen fast überall frohe Gesichter; es ist rührend, wie heldenhaft und geduldig die Verwundeten ihre Leiden ertragen, und auf Fragen nach ihrem Befinden hatten die meisten die Ant wort: „Danke, ganz gut" oder „Tanke, schon viel besser'" Und doch sah man viele mit Krücken einhergehen, viele lagen, die erfrorenen Füße fest umwickelt, in den sauberen Betten. Aber auf jedem Antlitz stand Hoffnnngsfrende und Zufriedenheit. Einer zeigte stolz ein Schrapnell, das ihm am selben Tage ans dem Knie entfernt worden war. Die 13 großen Krankensäle sind zum größten Teile de- setzt; der Hanptsaal faßt allein 120 Betten. Ueber jedem Lager, das ans Strohmatratze, Federkopfkissen »nd Woll- decke besteht, ist der Name, das Regiment, die militärische Charge und der Tag der Einlieferung vermerkt. Alles atmet Frische, Reinlichkeit und trauliches Behagen. Ans den 'Nachttischen, die gan„ aus Metall und Glas hergestellt lind, stehen frische Blumen, liegen vielfach Bücher, finden Photo graphien der fernen Lieben oder vaterländische Bilder Plan. Eine geräumige Liegehalle, in der die Soldaten sich von ihren Fahr- und Liegestühlen an der Maisonne und dem Blick ins Grüne erfreuen, bildet an schönen Tagen einen beliebten Aufenthaltsort. Für diese Rnhekuren werden weitere Fahr- und Liegestühle stets dankbar angenommen; denn bei der großen Zahl der Verwundeten und sonstigen Kränkelt kann nur einer verhältnismäßig geringen Anzahl dieser Genuß gewährt werden. Mehrere Tagesrämne. deren Wände geschmackvoll »nt hübschen Bildern geziert sind, und wo Tische und Ttülile zum Rasten einlade», dienen bei schlechtem Wetter als Ver sammlnngszimmer. Hier werden Karten- und andere Sviele gemacht: hier schmaucht mancher sein Pfeifchen oder bläst die blauen Ringe einer Zigarre oder einer Zigarette in die Lust. Gelesen und geschrieben wird eifrig. Eine reiche Bibliothek, deren Bestand aber durch gute katholische Zeit scbristen und Bücher noch ergänzt werden kann, verwrgr die Soldaten mit passendem Lesestoff. Spenden hierzu nimmt Herr Hofkaplan Feßler in seinem Sekretariat, Antonstr. 7. gern entgegen. Der westliche Seitenflügel enthält das Laboratorium, die Dnnkelkammern für Nasen und Ohrenunterstichnna m, cin Röntgcnkabinett. zwei Operationszimmer, einen Orerili sier-, einen Vorbereitungs und einen Verbandsranm, reiner die WäscheanSgabe. Gute Kameradschaft besteht zwischen den Leidens genossen aus allen Teilen Deutschlands. 'Neben dem gemüt lickien Sächsisch hört man da bayerische, westfälische, rheiu ländische Laute: sa selbst das ferne Ostpreußen bat Vertreter hergesandt, die zum Teil das Polnische besser verstehen als das Deutsche. Wenn die Besuchsstunden naben, herrsch: be sonders frohe, erwartungsvolle Stimmung. Man kann da ganz reizende Szenen beobachten. Hier haben alte Ellern die weite Reise von Süddentschland nicht gescheut, nur dem Sohne persönlich znm Gebnrtstage zu gratulieren: dort sitzt eine sehr junge hübsche Frau mit ihrem Kindchen, und stolz blickt der Gatte und Vater auf sein Liebstes. Wer keine Angehörigen hat, die nach ihm sehen können, der findet gnte Freunde unter de» Kameraden, mit denen er sich unter halten kann. Wie oft spricht einei dem anderen Mut zu, und wie manche Freundschaftsbande knüpfen sich zwischen mn des ersten Rufes der Gräfin gewärtig zu sein: sie wartete aber vergebens. Es verging eine halbe Stunde nach der anderen und noch immer regte sich nichts in den: Dckllas- geinach. „Ter gestrige Rnndgang durch das Dorf bat die Gräfin zu sehr angestrengt," sagte sie zu sich selbst und harrte weiter. Als aber die Schloßuhr die elfte stunde schlug, da wurde die Stille unheimlich: sie öffnete leise die Tür des Schlafgemaches und steckte den Kops hinein. Kein Laur, keine Bewegung, kein Atemzug! Ta erfaßte sie eine plötz liche Angst, sie betrat das Zimmer und näherte sich dem Bette. Bleich und starr lag die Gräfin da, einem Marmor- bilde gleich: die großen, blauen Augen waren weit geöffnet und hafteten auf dem Krnzifir au der gegenüberliegenden Wand. Aber sie waren regungslos, ihr Blick ohne Inhalt, ohne Lebe». Nur um die Lippen schien ein leichtes Lächeln zu liegen. „Gnädige Frau — Frau Gräfin!" schrie das Mädchen in Hellem Schrecken aus. Es erfolgte keine Antwort, kein Zug in dein bleichen Gesicht peränderte sich. Das Mädchen ergriff ihre Hand — ein Schauer durch rieselte sie; die Hand lvar kalt, wie die Hand einer Toten. Das Mädchen stürzte auf die Knie und horchte aut das 'Atmen der Brust, auf das Schlagen des Herzens der Atem ging nicht, das Herz stand still. Da sprang sie auf und stürzte hinaus, und gellend hallte durch die Gänge des Schlosses ibr Weberns: ..Herbei zu Hilfe — die Gräfin ist tot!" In einem Augenblicke hatte das Jammergeschrei des Mädchens das ganze Schloß in Bewegung gesetzt; von allen Seiten stürzten die Männer und Frauen herbei. schrecken und Entsetzen lag ans jedem Angesicht. Auch zu Wenzel und Michael, die in dem rechten Flügel des Schlosses wohnten, mußte die traurige Kunde schon ge drungen sein. Auch sie waren schon da, auch sie schauten be stürzt, verstört- drein. (Forts, folgt.) 1