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Sächsische Volkszeitung : 27.09.1921
- Erscheinungsdatum
- 1921-09-27
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-192109277
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19210927
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19210927
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1921
-
Monat
1921-09
- Tag 1921-09-27
-
Monat
1921-09
-
Jahr
1921
- Titel
- Sächsische Volkszeitung : 27.09.1921
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DienStay Len 27. September 182» S > chstlche Volk», «ttung Man hat nun neuerdings gegen das Christentum gesagt, ev habe die Weltkatastrophe nicht verhindern können und sei darum zum Wiederaufbau und zur Wicdererneuerung unfähig. Dieser Vorwurf ist nicht berechtigt, nicht das Christentum hat Schuld an der WelttragSdie des Weltkrieges und an dem sitt» liehen Niederbruch, sondern der sittliche Niedergang stammt aus der Verleugnung des Christentums, au» der Flucht vor den ^christlichen Grundsätzen der Nächstenliebe und der sozialen Ge« rechtigkeit, aus der Verachtung einer christlichen Sozialmoral. Hätten die Völker nach den Grundsätzen des Christentums ge lebt, wäre durch den Weltkrieg nicht so ungeheuer vieles Welt- elend entwickelt worden, an dem wir heute schwer tragen. Aus diesem Elend kommen wir nicht allein durch wirtschaftliche Ver ordnungen, durch neue steuerliche Vorlagen und ourck Teue. rungSbcihilsen heraus, nein, es bedarf einer großen neuer Cin- zeichiuing sittlicher Grundsätze es bedarf einer Ileberwindung einer einseitigen nrdiviualistischen und sozialistischen WirtschastS- moral, es bedarf einer Wiederanwcndung christlicher sittlicher Grundsätze im öffentlichen und im privaten Leben. Das Ver ständnis muß wachsen, daß da? Christentum eine überzeitliche Heilkraft bedeutet Christi Lehre ist ja im Leben der Völker und der Einzelnen nicht bloß auf die Tage des Glückes, des Sonnenscheins zugeschnitten, nein, es ist eines der tiefsten Züge des Christentums, das; es universal ist. das heißt alle die Völker umschließt, aber auch alle Zeiten umfaßt, also auch alle Jahre der Not, der Kümmernis und des Elends in sich auf nimmt. Ja. das Christentum ist ausgesprochen die Religion der Not und gleichzeitig des Wiederaufbaus. Das zeigt seine ganze Jugcndgcschichte, auch sein späterer Entwicklungsgang. Es ist die größte aktive Kraft, die gelvaltigstc Triebkraft der Menschheitsgeschichte gewesen, eS hat sich nie vpn äußeren Verhältnissen und Umständen nieder ringen lassen, sondern eS hat die widerwärtigen Zeitumstände sieghaft bezwungen und mit gewaltiger kultureller Plastik ge- staltct. So war es schon in Bethlehem. So war es in den Katakomben. Damals war das Völkerchaos und die Völkernot und dennoch hat das Christentum die Völker neu aufgebaut. So war es mich bereits in Deutschland, und schon mehr als einmal hat Deutschland trübe Zeiten gesehen und jedesmal wiederum hat das Christentuni die Kraft erwiesen, neues Blut, neue Ideen und neues Leben dem deutschen Volke zuzuführen. Wie war es denn beim Abschluß des dreißigjährigen Krieges? Da mals schien die Volkskraft unter dem langjährigen Elend er schöpft. Die Zahl der Bevölkerung war erschreckend gesunken, gleichzeitig machte sich eine geistige und sittliche Verwilderung geltend, die sich in unsäglichen Rohheiten und Verwilderungen selbst der deutschen Sprache kennzcichnete. Dennoch ist der christliche Idealismus nicht nntergegnngen. Nach dem dreißigjährigen Kriege sind in den katholischen Teilen Deutschlands jene wundervollen Bauten des Barock zeitalters entstanden, die zu den größten Geschehnissen der deutschen Kultur gehören. Jede dieser Barockkirchen mit ihrem oft wundervollen Raumempfindcn, mit ihren lebensfrohen Or namenten und Figuren, mit ihren Hellen und weißen und golde nen Farben ist wie ein Jubeln und Jauchzen von der Herr lichkeit der Religion inmitten schwerer Verwüstungen. Jede dieser Kirchen ist ein Sursum Corda, ein Ausruf des Gottver- trrniens, ein Sieg des Optimismus, eine Willenstat znm Wie deraufbau. So st eg nach Schritt und Asche des dreißigjährigen Krieges die kirchliche Kultur belebend und vcriüngend wie der auf. Aber auch die Zeit der französischen Revolution und der napoleonischen Fremdherrschaft war für Deutschland eine Z>it der Not und des politischen Zusammenbruch:?. Damals wur den Throne' gestürzt und fremde Besatzungen lagerten iin deut schen Lande. Von 1789 bis 1815 hallte durch Europa der Waf fenlärm. Aber gleichwohl schloß oiese Ze't ab mit einer Festl- gung, Verteilung und Erhöhung des KatlwlßjiLmuS. Dama-s vor hundert Jahren war eS, als feistere Geister und gefeierte Schriftsteller Europas, wie de Maistrc, darauf hinwiescn, es sei notwendig, den Völkern den Begriff der Autorität wieder zu bringen. Damals wurde das Papsttum als eine überragende Autorität empfunden. Damals entwickelte sich in prolcstantischen Kreisen Deutschlands eine Kulturströmung, tie den Katholizis mus bewunderte wegen seiner Poesie, wegen seiner Bauten, wegen seiner Mckkcrci wegen der Geschlossenheit seines Systems und der Großartigkeit seines Weltbildes und schließlich wegen der Harmonie seines Lebens- idcals. Das war die Romantik. Sie war ein Früh ling des Geistes, ein Jungbrunnen deutscher Wissenschaft, Dich tung und Kunst. Und diese Romantik ist unter hervorragender Mitwirkung katholischer Gedankcn und Gcdankenführer gewor den und gestaltet. Sie ist mehr als einmal in der Geschichte unseres deutschen und katholischen Volkes die Not eine Er zieherin zu Gott geworden, gerade die Not hat uns den Blick geschärft für die unverwüstliche Lebenskraft der Religion, für den ewigen Wert des Christentums und der K rche. Und die Not von heute ist ein Ausruf zur Selbstbesinnung und zur Selbstprüfung unseres Volkes. Jeder ernste Mann legt sich also heute die Frage vor, wie kann man unserem Volke sittliche wieder ai.fhLljen, wie kommt es wieder hoch? Nicht durch die Predigten des Pessimismus und der Verzagtheit. Pessimismus ist kufturwidrig. Die Kultur soll den Menschen besser und größer machen. Der Pessimismus macht den Menschen tlnaer als er ist. Der Pes simismus ist christentnmsseindlich. Denn das Christentum ist nicht eine Religion der Verzweiflung und Erschlaffung, sondern der Hoffnung und der Tat, des Glaubens und des Vertrauens. Fort daher mit dem Pessimismus, auch mit dem Buddhismus, der auch als eine Religion der Müden und der Pessimisten an- zusprcchcn ist. Wiederaufbau geschieht auch nicht durch den Materia lismus. Dieser sieht die Welt lediglich an a'L ein Jnein- andergreifen von Kraft und Stoff. Licht un> Wärme, Kommen und Gehen von neuen chemischen Verbindungen und Stoff gruppierungen. Er schaltet aus dem Weltbild die Seele, den Geist, die Ideen aus. Er übersieht, das; der Geist e'wis Künst lerisch-Schöpferisches ist, eine Urkraft, die den Stoff gestaltet. Dieser theoretische Materialismus ans der Mute 'des 19. Jahr hunderts hat gerade in unserer Z:ft e:ne grauenhafte praktische Formulierung gesunden. Er führt unser Volk »n Nacht und Eis, in Elend und Granen. Mit diesem Materialismus ist ke.n Wiederaufbau möglich. Ein anderer Teil der Deutschen denkt jedoch ernster. Er meint, Deutschlands Erneuerung kann nur durch die Arbeit erfolgen. Es ist etwas Nichtiges daran. Die schwere wirtschaft liche Verschuldung, die passive Zahlungsbilanz, die ungeheuren Lasten der Reparation zwingen uns za einer gewaltigen Ar beitsleistung. Es ist auch richtig, daß e:ue Arveitspflicht für jeden als sittliche Pflicht besteht. Dennoch erschöpft sie nicht Len ganzen Lebensinhalt des Menschen, cs ist immer noch ein Nest, der unbefriedigt bleibt. Dieser Nest ist das Streben nach einer Erhebung über die Arbeit. Das hat der Sozialismus übcrsehen. Er ist verfeinerter Materialismus. Er unterstützt das Geistige, das Sittliche, das Seelische. Die Weltgeschichte ist ihm vorzugsweise die Abwicklung von wirtschaftlichen Kräften und Prozessen. Er übersieht die gestaltende Kraft de: geistigen Kräfte und Mächte, der Persönlichkeiten und seelischen Energie. Von diesen Voraussetzungen aus ist es ein begreifticheS und doch wiederum verhängnisvolles Wort, wenn der Sozialist Friedrich Ebert bemerkte: „Die Arbeit ist die Re- ligion des Sozialismus." Dieser Ausspruch atmet eine große ArbeitSfreredigkeit, enthält aber nach der grundsätz lichen Seite einen ernsten Irrtum. Daß nämlich trotz aller Arbeit ein gewisser Nest bleibt, eine Sehnsucht nach eine: Er hebung über die Arbeit, dos hat mit seltener Deutlichkeit Erwin Rohde, der feinsinnige Heidelberger Gelehrte, der hervor ragende Kenner der Antike, zum Ausdarck Gebracht, er hat näm lich in den siebziger Jahren in einem Briefe an Friedrich Nietzsche einmal geschrieben: „Wir tragen alle den Zwirspait in uns, wir arbeiten wohl und finden auch wohl ein momentanes Glück in der Arbeit, aber wir sind doch eigentlich nur betäubt stopfen uns Wachs in die Ohren und nie sind wir ganz und gar auf die Dauer wahr andächtig. Luch wer doch die rechte, reine Andacht hätte." Das ist ein ergreifendes seelisches Geständnis, im Grunde genommen, ein Sehnsuchtsschrci nach dem christ- lichen Sonntag. Wir brauchen in der Tat Menschen mi» Feier- tagSglanz in den Augen. Wiederum ein anderer Teil der Deutschen will den Wiederaufbau im Zeichen der treuen Pflichterfüllung und lehnt sich dieserhalb an den Philosophen Kant an. Kant spricht in der Tat mit elementarer Wucht ein „Du sollst!" Tie Pflicht ist ihm ein ehernes sittliches Gesetz, aber Kant hat den Pflichtbegriff isoliert, nicht genügend unterbaut, er hat über sehen, daß die Pflicht nicht etwas rein Menschliches ist, säubern ein Funke von Gott. Pflicht ist nicht etwas rein Subjektives. Der Mensch allein darf nicht Gesetzgeber sein. Er kann irren. Er braucht objektive Lehren und Weisungen, Offenbarungen eines Vernünftigen Weltgrundes. Er braucht über sich eine Autorität, die seinen Willen bindet. Das Pflichtgefühl bei Kant hat etwas Rauhes und Herbes. Neben dem Pflichtgedankcn und der Pflichterfüllung besteht noch ein urgewaltiges Gefühl nack Glück, nach Beseeligung. nach Ruhe. Neben dem „Du sollst" hat das Evangelium noch ein beglückendes „Du wirst in das Himmelreich eingehen". So lehnen wir die bisher behan delten Weltanschauungen ab, also den Pessimismus, den Mate rialismus, den Sozialismus und die Lehre Kants. Dagegen ist die ewig alte Rcformkraft: bas Christentum. Aber das Christentum ist kein automatisches Heilmittel. Es verlangt ein mehr als äußerliches Begreifen und Verstehen, es verlangt geistige Mitarbeit. Vor dem Krieg haben manche da* Christentum als etwas Selbstverständliches betrachtet. DaS will besagen: Wir haben uns seinen Besitz hier und da zu leicht gemacht. Darum veranlaßt uns die Not der Zeit, das Christen tum tiefer zu erfassen. Erste Grundlage eines sittlichen Wie deraufbaues ist darum die ernste Selbstbesinnung auf den Lebenswert und auf die Grundkräfte der Religion. Das ist also eine Selbstbesinnung auf die Urquellen unserer Kraft, das ist der erste Anfang einer wirkungsvollen seelischen Reform des deutschen Volkes. Wie oft wird das Wort Religion mißver- standen und sein Inhalt mißdeutet. Religion ist mehr als Ge. fühlsleben eines Expressionismus. Religion ist vor allem Wissen und Erkennen, Besitz eines bestimmten Weltbildes, Erkenntnis eines überzeitliche» Weltgrundcs und Verknüpfung und Ver bindung des Weltgrundes mit dem einzelnen Ick. Religion Ist aber auch geschichtliches Wissen um die Wclterlösung und d>e Geschichte der Kirche. Eine der wichtigsten Aufgaben der Zeit ist nun die religiöse Fortbildung. Bei uns muß auch das Ver ständnis dafür wachsen, daß die Religion eine Lebensmacht im Privathaus wie im öffentlichen Leben und in der öffentlichen Meinung bedeutet. Es ist ein Grundirrtum des Sozialis mus, Religion lediglich als Privatangelegenheit zu bebandeln. Die ganze Menschheitsknltur protestiert dagegen und erklärt die Religion als ein öffentliches Kulturelement. Religion ist zu allem sittliche Tat und die vraktische Anwen dung der einmal erkannten Grundsätze, Religion bedeutet darum auch das Streben nach einer sittlich starken Persön lichkeit. Das ist nämlich eine der Bedingungen des deutschen Wiederaufbaues, daß starke christliche Persönlichkeiten vorhanden sind, die Persönlichkeit ist nicht bloß ein Kulturbe griff, sondcrn'auch eine echt christliche Sozialvoritellnng. W'e arm ist der marxistische Sozialismus, daß er die Persönlichkeit auSsckaltet, indem er die Weltgeschichte in Masienentwicklung und Massenbewegung auflösi. Wie wundervoll ist doch die christ liche Religion, die jedem Mitglied das Recht und die Pflicht der Persönlichkeitsbildung zuerkennt, ein starkes und stolzes Ich zu werden, daß ein Vergleich zuläßt zu dem ganzen KoSmoS der umgebenden Welt. Erinnern wir uns an das biblische Wort, was es dem Menschen nütze, wenn er die ganze Welt ge winne, aber an seinem Ich, also an seiner Persönlickckcit, Scha den leide. Man darf natürlich den PersönlickkeitSgedanken nicht übertreiben. So baben Rousseau und Nietzsche getan. Es ist die Eigenart der christlichen Sittenlehrc, daß sie die Gegensätze meidet, daß sie den Weg der gesunden Mitte hält, daß sie den Menschen zur Persönlichkeit aufruft, aber diese Persönlichkeit in die Gesamtheit, in die Mesellscliift hineinstellt. Die christliche Lehre verbindet also mit dem Aufruf zur Selbstliebe den Aufruf zur Nächstenliebe. Auch die Nächstenliebe ist ein Eckstand des deutschen Wiederaufbaues, sic erschöpft sich nicht in der Zugehörigkeit zu einem katholischen Verein. Sie ist Gemeinschaftsgefühl und Gemeinschaftsleben. ,Jm alten - Deutschland hat uns viel Gemeinschaftsgefühl gefehlt. Wir hatten zu viel Zaune und Gitter und Schranken und Stäbe, die uns trennten. Wir brauchen eine Erneuerung des Gemeinschaftslebens. Wir brau chen die Verneinung des Einzclcgoismus, aber auch des Mas- scnegoismus. Das Volk soll eine wirkliche Lebensgemeinschaft und SchicksalSverlmudenheit werden. In dieser Gemeinschaft ist der Einzelmensch die Urquelle, die Familien bezeichnen die engereu, die Bcrufsstände die weiteren Lebenskreisc, und die Nation die umfassenden Lebenskreisc. Wenn das Gemeinschaftsleben neu aufgebaut werden soll, brauchen wir Familiensinn nnd Familicnpflcge großen Stils. Gerade wir deutschen Katholiken sind berufen, die Wiedergeburt der christlichen Familie in die Hand zu neh men. Gerade wir Katholiken besitzen in unserem Glauben die großzügigste Auffassung der Ehe, daß sie etwas Heiliges und Unauflösliches bedeutet, und nicht der Laune und dem Wechsel des Gefühls unterliegt. Gerade wir Katholiken sehen in der Ehe auch eine soziale Einrichtung, aus der als steter Quelle die Erneuerung der Gesellschaft fließt. Gerade wir Katholiken haben von der Elternwürde die denkbar höchste Vorstellung. Bei uns ist die Mutterschaft geehrt und angesehen durch die Erinnerung an die Mutter des Herrn. Bei uns ist das familiäre Zusam menleben geadelt durch die Erinnerung an das Haus zu Naza reth. Bei uns Katholiken liegt über den Familiengedenktogen, wie Taufe, Erstkommunion und Firmung und Hochzeit, eine besondere Weihe und ein besonderer Glanz, weil die Religion so viel Licht und Wärme und Innigkeit und Poesie beisteuert. Katholiken Deutschlands, seid stolz darauf, daß Ihr eine Fa- milieukultur besitzt, die aus der Religion so wunderbare lebens- spcndende Kräfte ziehen kann. Wie arm steht doch der mar xistische Sozialist da, wenn er die Kinder in frühester Jugend der Familie entreißt und in Erziehungsanstalten unterbrin gen will. Ich fasse zusammen: Ueber dem Deutschland von heute liegt eine unendliche Not, es bedarf einer ernsten Zusammen raffung aller Kräfte, cs bedarf vor allem jedoch einer Erneue rung seelischer Werte und Energien. Walter Natbcnau hat mit Recht bei unserem Zusammenbruch bemerkt: „Nun ist eS Zeit zum Anbruch der Seele." Gerade wir Katholiken sind berufen, dem deutschen Soziallcben wieder zahlreiche seelische Werte zuzuführen. Alle die gewaltigen großen Organisationen der Gegenwart in Verbänden und Kartellen und Trusts sind nur äußere Formen der dcuischcn Kultur. Wichtiger als der äußere Nahmen dieser Organisationen ist der Geist der großen sozialen Nächstenliebe, der in sie einzichen muß. Unsere Zeit fordert vor allem die Bruderliebe, die sich nicht in Almosen erschöpft, sondern die große Opfer bringt. In dieser Hinsicht ist auch der SozialiS« muS lehrreich. Er ist nichk bloß Klassenkampf, er ist nicht bloß Angriff auf den Glauben. Er ist nicht bloß eine Erscheinungs form einer machtvollen Organisation, er ist nicht bloß in Presse und Parlament Wille zur Macht, sondern er ist auch Masten- . Nr. 223, Seite » schrei nach Liebe. Ein Maffenschrci von Millionen, denen e» vielfach nicht vergönnt war, die Religion und das Christen:.u,i in seinem edelsten Erscheinen kennen zu lernen. Wo dieser Massenschrei nach Liebe durch unsere deutsche Kulturwelt g-ljt, da ist eS Pflicht für jeden Katholiken, daß er das wunderbare Programm der sozialen Liebe in sich auSprägt, das Paulus der Urgemeiude in Korinth übermittelt hat und das da laiint; „Wenn ich mit den Zungen der Engel und der Menschen rede, aber die Liebe nicht habe, so bin ich wie ein tönerndeS Crz, oder wie eine klingende Schelle geworden, und wenn ich die Gabe der Weissagung habe und wenn ich alle Gebeiinnissc und alle Wis. senschaslen und allen Glauben habe, so daß ich Berge versetzen kann, die Liebe aber nicht habe, so bin ich nichts. . . . Alles erträgt sie, alles glaubt sic. alles hofft sie, alles übersieht sie." Die Liebe übersieht in der Tat die Krisen in den einzelnen Fa- milicn und die schweren Augenblicke des Abschiediiehmens. Sie hilft auch die Krisen im Leben der Völker überwinden, auch eie Weltkatastrophe des Weltkrieges. „Alles Übersicht sie." Das .st für uns Katholiken ei» tröstliches Wort, befreiende Zuversicht, ;a, eine stolze Gewißheit. Das ist für uns erlösendes Licht >m dunklen Nembraudibild der Gegenwart. Stürmischer Beifall dankte dem Redner für seine Irrst, lichen, tiefen Ausführungen. Das zweite Referat batte der bekannte Kämpfer ,Lr die Bekenntnisschule Herr Rektor Gottwald übernommen, der zu seinem Thcnia: „Religion, Schule und Volk" folgende Ausführungen machte: Wenn ein Laie zu Ihnen über Religiös» spricht, so wer- den Sie am ihm nicht eine Predigt über ihre übernatürliche Be« deutung erwarten. Er würde damit dem Geistlichen unlauteren Wettbewerb schaffen, und müßte dieses Vorgehen durch ci»'. unausweichliche Niederlage büßen. Gestatten Sie mir also, für die Wertschätzung der Religion mit den Mitteln zu werten, die eirvrn Schulmann, der in, Nebenamt Politiker ist, zu > e- bote stehen. Die Religion besitzt auch eine hohe natürliche »» dcntniig. Sie steht so weltenfern hinter der übernatürlichen zurück, wie die Ewigkeit unserem kurzen Erdenlcben überlegen ist. Daher wird sie nicht selten ganz übersehen, so daß selbst Gläubige manchmal den Gedanken nicht unterdrücken können, die Religion sei gut für das Sterben, aber es lasse sich ohne Neli- gion leichter und bester leben. Da ist es kein Wunder, wenn Angriffe gegen die Religion sie als lebensfremd bezeichne». Auch im Schulkampf zeigt sich diese Erscheinung, die konscssto. nclle Schule, die unser Ideal ist, wird als minderwertig >e- zeichnet; selbst unter ihren Anhängern wird hin und wieder dir Ansicht vertrete», man müsse die religiöse Grundlage der ken. fessiouellcn Schule mit einem Fehlbetrag an Wissen und Köm nen, an Ausrüstung für das irdische Leben bezahlen. Es gereicht unserem katholischen Volke zur hohen Ehre, daß solche Befürchtungen eS nicht von seiner Wertschätzung der katholischen Schule abbringen. Aber derartige Gcdankcngänge sind durchaus irrig. Die Erhabenheit und der göttliche Ur sprung der Religion zeigen sich auch darin, daß sie für das Crdenlchcn jeder anderen Lehre weit überlegen ist, daß Anhänger also allen Grund hätte», sich als Werkleute beim Wiederaufbau unseres verwüsteten Volkstums zu fühlen, daß sie alle. Apostel sein müßten, die den gedrückten Menschen frohe Botschaft verkünden, ein Heil, das auch ihre Erdcuschmerzcii zu lindern und zu beseitigen geeignet ist. Frei und froh, stark und tatkräftig macht die Religion den Menschen. Die Behauptung, der religiöse Mensch sei iin wahrsten Sinne des Wortes ein freier Man:,, ruft nicht scll'i Heiterkeit hervor. Die konfessionelle Schule wird ja gerade bekämpft, weil sie die Menschen unter Zwangsherrschaft brin gen soll; die Herrschsucht der Kirche und der Geistlichen soll der Hailptgruiid sein, aus dem sie überhaupt mit so starken! Nach- druck gefordert wird. Wir stimmen mit unseren Gegnern darin überein, daß i r die Freiheit dem Menschenleben Wert verleiht! Aber ist denn unter der Herrschaft moderner Freiheit die Wertschätzung des Menschenlebens gestiegen? Im steigenden Maße sehen . die Menschen unserer Tage an der Last ihres Daseins leiden, sie suchen sich der Oual des Lebens zu entziehen, indem sie es als wertloses Gut beiseite weisen. Die Freudlosigkeit unser r Zeit ist die Schwester ihrer Unfreiheit. Uebcrall fühlt man den Druck des TageS. Ein abgerissener Knopf, eine eingebrannte Speise, eine verregnete Landpartie, die abfällige Bemerkung eines Neidhammels erhalten die Bedeutung von Schicksalsschlä gen, die Stunde, Taae, oft Wochen hindurch schmerze». Das Leben des frommen Menschen ist voll Freude, weil er unab hängig ist von den Gütern, die ein vergänglicher Schmuck dcS Lebens sind. Sein Leitstern sind die Lilien des Feldes, die Sa lomens Pracht übertrcffen, ohne sich mit irdischen Sorgen m belasten, sein Vorbild ist der hl. Franz von Assissi, der di sc? Lilienlebcn iuS Menschentum übertrug und in seiner Armut einer der fröhlichsten Menschen war, die je die Erde trug. Aber die Religion verleiht auch Kraft und Starte. Le sind abhängig von leiblicher und geistiger Gejundheit und .mr durch Selbstbeherrschung zu erringen. Wer in seinem Frei heitsdrang alle natürlichen Regungen als gut betrachtet u»d ihnen freies Feld gestattet, läßt eine wilde Meute los, die ihn körperlich und geistig zu Tode hetzt. Gewiß ist das Wort: „Aus Gemeinem ist der Mensch gemachtI" Ausfluß einer erregte» Enttäuschung und ebenso falsch wie die Verkündigung: .Alles ist gut, wie eS aus der Hand des Schöpscrs hervorgehtl" Gutes und Böses wohne» vereint in der Menscheubrust, kein Mensch lebt, an den nie der Versucher hcrautrat. Daß auch glaubens lose Menschen ihn abzuwehren vermögen, ist Tatsache. Sie schaffen sich dann Bedingungen oder bewahren sie als Erbe einer gläubigen Vergangenheit. Die Mehrzahl der Menschen ist daz l nicht in der Lage. Ihre Ueberwindungskraft und Selbstbeherr schung bedarf übernatürlicher Beweggründe, sie erwächst mit dem Boden der Religion. Das christliche Sittengesctz ist nicht Ausfluß eines herrschsüchtigeu Willens, der Sklaven untcrwerse.i will, es ist Warnung des liebenden Vaters, der die Abgrünoe kennt und seine Kinder vor ihnen zu bewahren sucht. Lo bleibt die Schuld das größte Uebel auch für das Erdenleveu, und die Sünden der Väter belasten die Söhne und Enkel. Kraft und Stärke und die Gewohnheit des Hrrrschriis über sich selbst sind dir Grundlage für eine Beherrschung dcr Welt, soweit sie jm Bereich des religiösen Menschen liegt. Und die Religion verpflichtet, diesen Herrschaftsbereich auszudehiien. Das Heilandswort: „Was nützt es dein Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, aber an seiner Seele Schaden leidet!" bedeutet nicht Verzicht ans die Welt, es verlangt nur. daß der Welteroberer seine Seele unbefleckt bewahrt. Aber ans dem Gebot der Nächstenliebe folgt, daß dcr fromme Mensch sich die Mittel verschafft, Machtvolles im Dienste der Menschheit zu wirken. ES ist nicht der Wille Gottes, daß alle Kommerzien räte ungläubig, alle Zeitungsschreiber Gottesleugner, alle Staatsmänner Kirchengegner sind. Nur sündhafte Nachlässig keit kann den Gegnern die Beherrschung der Welt überlassen. So verleiht die Religion dem einzelnen Menschen Ade! und Würde; sie trägt aber auch die menschliche Gemeinschaft. Denken wir nur an die Zerrüttung der Familie. Die Kinder- Detektiv „Kux" 14 (L»kkoo Löoiß) I0SS7 Mknenoinmiepte finm« sün ruvenüZssige 7iq kpinitllongen, keodscktungen un6 Sescksffung von veiveismstenlal. Eigenen Sekisg »nsinienlen keisedrieltauden»
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