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Sächsische Volkszeitung : 02.02.1904
- Erscheinungsdatum
- 1904-02-02
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-190402024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19040202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19040202
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1904
-
Monat
1904-02
- Tag 1904-02-02
-
Monat
1904-02
-
Jahr
1904
- Titel
- Sächsische Volkszeitung : 02.02.1904
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den Pranger. Zuerst sind sie mit die lautesten Nufer nach ! einer zeitgemäßen Wahlreform. Tie Negierung schlägt eine Neform vor. Die liberalen Parteien verwerfen diese, weil sie keine „großen Gesichtspunkte" anfweise. Nun sollte man meinen, es werden die liberalen.Parteien mit einem selbst ständigen Vorschläge an die Oeffentlichkeit treten. Weit gefehlt! Sie lehnen die Regierungsvorschläge ab und ver langen neue Vorschläge von der Negierung und der konser vativen Partei. Das Verlangen ist sehr naiv und zeugt von der Ratlosigkeit, in welche die holde liberale Theorie angesichts der schweren herrschenden Besorgnisse geraten ist. Reichstag. «. verlin. 22. Sitzung am NO. Januar 1004. Präsident Gcnf Balleslrem eröffnet die Sitzung um I Uhr 20 Minuten und teilt den Einlauf des GeseheutwurfeS über die Entschädigung unschuldig Verhafteter mir. Das Haus ist recht schwach bei'epi. Auf der Tagesordnung steht heute die Interpellation Trim- born-Hitze über die Nechlsfähigteil der Beruisvereine, die Sicherung des .ttoalilionSrechteS und die Schaffung von Arbeit-!-- lammern. Tri mbvrn (Ienlr.) begründet die Interpellation in eingehender Rede. Tie Thronrede enthielt wohl die Ankündigung der Fort führung der Sogialre'orm. aber voll befriedigt hat sie in sozial- polilijchen streifen doch nicht; namentlich über die eigentliche kritische Frage, die rechtliche Stellung und Ocgnnycnion der Arbeiter, ent hält sie nichts, deshalb haben wir die Interpellation cingeorachl. ES steht auf drin Spiel, ob die deutsche Negierung das Vertrauen der ittchlioInIdemokralitchen Arbeiter will oder nicht; das hat der Frankfurter Arbciierkongres; recht deutlich gezeigt. Für die Forde rungen desselben ist das Ientrnm schon feil Jahrzehnten eingelreten- Das zkoaliiionsrechl bedarf in der Tal des Ausbaues und des Schutzes. Der tj IS! der Gewerbeordnung innh erweitert werden. Es vertippt gegen die guten Sillen, wenn mau einen Arbeiter nur deshalb entläs',1, weil er einer Gewerkschaft nngehört. Nur eine Schranke kann noch bestehen; die Aufrechterhalinng der öffentlichen Ordnung. Auch auf dem Gebiete des Vereins- und Versammlungs- rechles inus; mehr den heutigen Verhnltnifien Rechnung getragen werden; in großzügiger Weise hat das Reich diese Materie zu regeln. Soll das ktoaliliousrecht überall ein gleichwertiges sein, so ergibt sich von selbst, auch das Vereins- und Versammlungsrecht einheitlich zu regeln und hier heisch es: „Preußen gewonnen, alles gewonnen!" (Heiterkeit h Für die Rechtsverhältnisse der Veruss- vereine trat der Reichstag feit mehr als >'!0 Jahren ein, leider ohne Erfolg. Hier aber ist der heutige Instand ganz unhaltbar geworden. Man verweigert die Rechtsfähigkeit der Berufsvereine, weil man am liebsten gar leine Vernfsvereine möchte; von dieser veraltete» Anschauung muß sich der Reichskanzler frei machen. Tie Arbeilt-kaminern sind schon in den Felwuarerlniien zugesagt worden; das I,entrinn hat sie seither wiederholt in Anträgen und Inter- pellaiionen gefordert.. Tie große Mehrheit des Reichstag-! hat diesem Wunsche zngesiinnnl. Die eiumülige Stelluugnahine des Frankfurter.(Kongresses in dieser Frage begrüßen wir. Redner geht »ui, auf die Ausgabe der Arbeitstainniern naher ein. Die gesamte Arbeiierschutzgeirtzgebung würde hierdurch gewinnen und manche wruit abgknhnitien; io würde sich die ganze soziale Gesetzgebung rascher und besser euiiebcn. In Holland hat man mit den Ärbeits- lnininern nicht die günstigsten Erinhrnngcn gemacht; aber es liegen ganz besondere Gründe vor. die in Deutschland nicht vorhanden sind. In Holland hnl man die Atbritslninmern zn früh errichtet, bei uns ist dies beute nicht mehr der Fall. In Holland hat man bezüglich des Verhältnisses zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern in den Arbeilsknmmern sehr gute Erfahrungen gemacht. Wann endlich nach l-i Jahren wollen die verbündelen Negierungen hier entgegentoinmen l Schon E-00 ist sn die Ininge erfolgt; deshalb steht das Wort „nunmehr" in der Interpellation! Wir erhoffen i nie sozialpolitische Ktbcil im großen Stil, leine Flickwerkel Fuhren Sie von den verbündeten Regierungen hinan auf das Meer; mit Äolldnmps voran, lpebhaftes Vrnvo.h Ltnnlsselreinr Srni P o in d o w s k h : Die verhündeien Regie- !nagen sind grnndintzlich bereit, den Vernfsvereinen der Gewerbe ordnung uiiterpetilen Arbeitern die Rechlsfnhigieii mit allen Rechten und Pflichte» ,i» erteilen, nur für die Arbeiter in Reichs« und Sinn! A>?t!neben wie in öffentlichen Anstalten sind Ausnahmen nötig. Was die Atbei>s'ain>nern anbelnngt, so ist ein Ansatz zur Arbeiter in» lreluug in is 7a des E-eiveibegerichl-SgesetzeS gegeben: die ver bündeten Regierungen find bereit, dienen Aniny weiter auszub-auen. Was die Schaffung eines Reichsarbeilsamls aubelaugt, so kann es sich nur um die SelbsländigleÜumchuug des Statistischen Amtes mit entsprechendem An-Anw bnudelu: ob und wann da-S ersolgl, hängt von den jeweiligen Ewisberntungeii an. (Bravo! bei den Rativnal- Iibernlen.j G r ö b e r iI.enir.) beantragt die Besprechung der Interpellation. p egi en <Soz.i ist niit dieirr Antwort nicht znsricden. Tann lritisiert er mit einer Reihe von Einjelbeinerkuilgeit die tzlnlivort des Slaiitsielrerärs und greift auch das Iemrm.-i an. ^biaisselretäc Gr,,f P a s n d o!v -:> k h : Preußen hat das Recht und die Veingnis. sein Veieinsrechr so tauge zu ändern, rils eine reichsgeietzi-che Regelung nicht erfolg! ist. Ee. Hieber ltzinl. pib.f: Die Enllärnng des Staatssekretärs über die plechtssn.iiigleil der Bernssverrine ist ;n begrüßen. Fuhr, von R in, t bösen «Koiis.,: Tie tonsrivrilive Partei siehe auch hier ans dem Boden praktischer Sozinlreform. Die Be« rnisve»eine sollen ein Mittel werden, mit dem die Sozialdemokratie die ganze (h.getlfchn'l l'eherrsche» will. Ohne Äauleleu kann ich nicht der üleriilsialiigieu der Berufsveretne znsiiminen. Er- A l> l n >; iFreii. Vollsp.): Gerade uns dem Gebiete der Beruisvereine war die Negierung das Hindernis: der Reichstag lrni liier fördernd lins. v v n 'ln rd orss «Reichsv.) wünscht ein langsameres Tempo in der Sozinliesoinn. Die Erklärung des Grasen PosadolvSky lvar inir zn entgegenkommend. B >. e j s l i (Pole) hält die Erweilerung der .Koalitionsfreiheit für gebolen. Er. S! öcle r lAErisch. Ver.) erwidert Kardorss auf seine Schnrimncheieien. !>r Polthoss (Frei). Ver.j fordert AnSbnn des Konliiion-s- rechtes und des Vereins- und Versnuimlniigsrechles. D r i m b o r n iI.enlr.-: Die Arbeiter des Frankfurter Kon gresses sind und bieit'en cini)ilich und national. (Bravo!) Diese Preise soll inan nicht hoffnungsvoll and unzufrieden machen. So dann niininl er Stellung zn der Erklätimg des Staatssekretärs. Die Anlwnrt lasse einen we'enllichen Fonschrilt erkennen. (Bravo!) Rääisle Sitzung Millwoch. :!. Februar, l Uhr, mit der Tages ordnung: Fortsetzung der sozialpolitischen Debatte nebst Beratung der Resolution. Politische Mttttdschan. Deutsch!««!». — Des Kaisers Dank. Der Reichsanzeiger veröffentlicht in seiner Sonnabend-Ausgabe folgenden Allerhöchsten Er las;: Zahlreicher, denn je, sind die Glitch Segenswünsche gewesen, die Mir ans Anlas; der Vollendung Meines l.'>. Lebensjahres ans allen Ganen des Deutschen Reichs in tiefeinvjnndenen Worten ans telegraphischem nnd schristlichem Wege zngegangen sind. Behörden, Anstallen nnd Vereine aller Arl, Alt und Inng. Hoch nnd ^iiedrig haben mit einander geioetteiseit. Mir an Meinem Geburtstage ihre Freiide über Meine durch Gottes Gnade erfolgte glückliche Gen esnn g und herzliche Wünsche für Meine nnd der Meinen serneriveite-; Wohlergehen znm Ausdruck zn bringen. Auch im Auslände ist der Tag vielfach in festlicher Weise be gangen worden, und es haben sich zn den srendigen Kund gebungen der in der Herne weilenden Deutschen auch solche von Angehörigen fremder Länder und Zungen ge- sellt. Ich bin durch alle diese Aeußerungen treuer Teil nahme und liebevoller Anhänglichkeit hoch beglückt worden. Bei der Unmöglichkeit, eine Beantwortung der Mir zu teil gewordenen Glückwünsche im einzeln ins Auge zu fassen, will Ich Allen, welche Meiner an Meinem Geburtstage so freundlich gedacht haben, hierdurch Meinen wärmsten Dank autzsprechen. Solange Gott der Herr Mir Leben und Gesundheit schenkt, werde Ich nicht aufhören. Meine Kräfte in den Dienst des Vaterlandes zu stellen und auf das Wohlergehen des deutschen Volkes in allen seinen Schichten und Berufen von Herzen bedacht zu sein. Ich ersuche Sie, diesen Erlaß alsbald zur öffentlichen Kenntnis zn bringen. Wilhelm, l. U. — Im deutschen Reichstage kam es wieder zu einer Erörterung des Streiks von Crimmitschau. Der National- liberale Lehmann kam auf eine Aenßernng zu sprechen, die der sozialdemokratische Abgeordnete Fischer getan hatte, als er einen Artikel des protestantischen Pfarrers von Crimmitschau erwähnte, der über das Verhalten der Arbeiter ungünstig geurteilt hatte. Der Abgeordnete Lehmann sagte: Herr Fischer hat gestern geäußert: Es hat in der Welt geschichte noch keine Infamie gegeben, über die nicht ein Pfaffe den Segen gesprochen hätte. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Präsiden! Graf Balle st rem erklärte entschieden: Ich bitte Sie, sich solcher empörenden Aeußernngen zn enthalten. Ich weiß nicht, wer da gerufen hat, daß es sehr richtig wäre. Jeden falls sind solche Aenßernngea im deutschen Reichstag unzu lässig. (Große Unruhe bei den Sozialdemokraten.) — Abgeordneter Lehmann lsortfahrend«: „Ich erkläre zu dieser Aeußerung, daß mir kein parlamentarischer Ausdruck zu Gebote steht, mir ein solches Vorgehen zu brandmarken. Außerhalb dieses Hauses würde ich dieses Vorgehen als bodenlose Gemeinheit bezeichnen. (Große Unruhe bei den Sozialdemokraten.) Der Antisemit G'räfe wendete sich gegen die Sozialdemokraten und bemerkte: „Wenn Tis sagen, es giebt keine Infamie, über die ein Pfaffe den Segen nicht gesprochen hätte, so sage ich. es giebt kein ! politisches Verbrechen in der Weltgeschichte, keinen ! Mord, welcher nicht von ihnen verherrlicht nnd sanktioniert wäre. «Gelächter bei den Sozialdemokraten.) Präsident Graf Ballestrem: „Herr Abgeordneter, Sie dürfen dos anderen Abgeordneten un deutschen Reichstag nicht vorwerseu." Jedenfalls hatten die Herren Sozi di? entsprechende Antwort ans ihre Infamien. — Die Bettelsuvpe des Dr. Hitze hat in der FreitagL- sitznng des Reichstags der sozialdemokratische Abgeordnete F r ü ßdorf erwähnt und damit eine alte und schon widerlegte Verleumdung wieder aufgefrischt. In dem Büch lein „Das häusliche Glück", das aber gar nicht von den: hochverdienten Professor l)n. Hitze stammt, sondern von dem verstorbenen Kaplan Ließen, finden sich nämlich Koch- rezepte mit Angaben darüber, wie Arbeiterfamilien mit geringen Ausgaben in momentaner Not sich doch noch eine j krustige Suppe Herrichten können. Nirgend? ist gesagt, daß ! sie so zu leben haben; wer genug Geld besitzt, braucht ! allerdings keine Anleitung darüber, wie er auch mit wenig Geld schmackhafte Speisen Herstellen kann; aber gerade ! dieses Büchlein hat in tausenden von Arbeiterfamilien un gemein segensreich gewirkt; trotzdem greifen die Sozial demokraten immer .wieder den Professor Hitze mit der „Beltelsnppe" an, obwohl derselbe den Kochrezepten völlig ferne steht. Aber das Ausfallendste au diesem Vorgehen liegt darin, das; diese Legende immer und immer wiederkehrt. Ter Abgeordnete De. Hitze hat schon wiederholt im Reichs tage den wahren Sachverhalt dargelegt und doch kommen immer wieder die alten Ladenhüter. Iin preußischen Abgeordnetenhaus wurde am Sonnabend die zweite Beratung de-S Etats der Domänen- verwaltung vorgenommen. Hierbei kommt der Abg. Speck (Zentr.) aus die Aeußerung de-S Ministers o. Hammer- stein den Polen gegenüber zu sprechen. Er sagte: „Wir traben zu besetzten nnd Sie tzatzen zu gehorchen." Redner j protestiert dagegen. In dieser Allgemeinheit könne ein ! solches Wort mir da-u dienen, auch die gutgearteten Polen zn verbittern. Redner macht de-s weiteren das HauS darauf aufmerksam, das; die Gesetzgebung der letzten Jahr- zehnte eine fortgesetzte steigende Tendenz zur Verstaatlichung zeige. Wenn das so weiter gehe, werde der Traum des Herrn Bebel mit Hilfe dos Staates mit der Zeit doch in Erfüllung gehen. Der Rest des Ordinarinms nnd das Ertraordmarinm des Etats wird hierauf ohne wesentliche Debatte bewilligt. — Es folgt sodann die Beratung des Etats der Forstverwaltnng. — Tic Aultsniederlegung des Vizepräsidenten von Leistner in der bayerischen .Kammer wurde von der liberalen ! Presse als Heldentat ersten Ranges gefeiert. Lobeshymnen ans ihn und Entrüsinngsslürme auf den Präsidenten iE. Ol lerer wurden loSgelasseu. In der Kammer aber ging es mit so ruhiger »er. Die Liberalen selbst schienen schon einzusehen, daß sie einen dummen Streich gemacht hatten. Am Freitag fand nun die Neuwahl des Vize präsidenten statt, da auch der liberale Schriftführer Schund von seinem Amte znrückgetreten war. Tie Sozialdemo kraten lehnten eS ab. sich an der Konstituierung des BureauS zn beteiligen, da die herrschende Partei, des Zen trum, die Verantwortung tragen würde; er habe zu er klären. daß sie an Vereinbarung, das Präsidium nach der Stärke der Parteien zn besetzen, sesthalten und bereit seien, eilten von den Liberalen präsentierten Präsidenten zu wühlen; auch ohne solche Präsentation würden sie einen Liberalen wählen." Doch diese und die Banernbündler folgten dem Beispiele der Sozialdemokraten und erklärten, keine Stelle im Präsidium anznnehmen. Daraufhin wählte das Zentrum im ersten Wahlgang den Liberalen von Landmann, n ährend alle anderen Parteien weiße Zettel abgaben; von Landmann nahm die Wahl nicht an. Im zweiten Wahl- gang wurde unter Stimmenthaltung der anderen Parteien Fuchs (Zentrum) gewählt. Als Schriftführer wurde Frank (Zentrum) gewäblt. Die bayerische Abgeordnetenkammer tzat somit wieder ihr Präsidium und die Geschäfte können ruhig weitergehen. Die Reue wird sehr bald dem törichten Streiche folgen. WaS haben die Liberalen jetzt von der Affäre? Blamiert sind sie mit dem Simplizissimns nnd von den parlamentarischen Geschäften haben sie sich selbst aus geschlossen. Im deutschen Reichstage haben vor 6 Jahren die Konservativen und Nationalliberalen die erste sich ihnen bietende Gelegenheit benützt, um wieder in das Präsidium zn gelangen und sie sind dessen sehr froh; in Bayern wird es nicht viel anders kommen und dann wird man erst recht über dieses Vorgehen sich amüsieren. — Der Kölner Streit zwischen Aerzten und Kranken kassen hat nunmehr mit dem vollständigen Siege der Aerzte geendet. Die Sachlage ist, im Zusammenhang dargestellt, folgende: Es ist zunächst von den Behörden festgestellt worden, daß hinsichtlich der Versorgung der Kassen mit Aerzten ein offenkundiger schwerer Notstand bestehe. So dann har es, um diesen Notstand zn beheben, die Aufsichts- behörde für ihre Pflicht gehalten, selbst die Beziehungen zwischen den Krankenkassen und den Aerzten zn ordnen. Diese Ordnung ist nach dem Verlangen der Aerzte auf dem Boden der freien Arztwahl erfolgt. Die Aerzte haben sich verpflichtet, im Nahmett der freien Arztwahl die Tätig keit bei den Kassen wieder cmfzuuehmeu. Sie erhalten 5 jährige Verträge bei einem Honorar von 5 Mk. auf den Kopf und das Jahr für jeden ledigen Versicherten und l.ö Mk. für Oie versicherte Familie. Es werden gemeinsame Schiedskommissionen eingesetzt. Ter Verein der freigewählten Kassenärzte in Köln übernimmt die Gewähr, durch be sondere Vorkehrungen dafür zn sorgen, daß die Finanzen der Kaffe durch die freie Arztwahl nicht geschädigt werden. Tie von den Kassen in den letzten Wochen angenommenen auswärtigen Aerzte scheiden ans ihren' Verhältnisse zu den Kassen ans und werden entschädigt. — Elektrische Schnellbahnen. In der Budgetkommission deL Reichstages kamen Freitag die elektrischen Schnellsahrten zur Sprache. Minister Budde erklärte, das Prinzip der elektrischen Schnellbahnen befinde sich erst im vorbereitenden Stadium. Bei den Erwägungen komme das Prinzip der Schwebebahnen wie auch der einschienigen sogen. Reiter bahnen in Betracht. Bei den Schnellsahrten sei man über die allerersten Versuche nicht hinanögekommen. Er könne nicht die Verantwortung übernehmen, Reisende auf solchen Bahnen zn befördern. Auch sei cs noch durchaus unklar, ob wirtschaftlich die Schnellbahnen ausführbar seien. Die Versuche werden vorsichtig weitergesührt; ans der Strecke Berlin-Grvß-Lichterfelde ergebe der Versuch sehr günstige Resultate. Man werde bald auch praktische Versuche mit der elektrischen Stadtbahn in Hamburg sehen. Die Preußische Verwaltung werde zur Zeit den möglichsten Nutzen aus den Ergebnissen ziehen. — Der sozialdemokratische Rcichstogsabgeordnete Schippe! unter den Rädern! Genosse Schippet hat bekannt lich im Reichstag nnd im „Vorwärts" bestritten, daß der Bericht über seine ketzerische Rede znm Zolltarif zutreffend sei; er meinte auch, daß ec nur im engeren Kreis gesprochen habe, sagte aber nicht, was er eigentlich ausgeführt hat. Wenn schon dies recht verdächtig ist, so kommt jetzt der Berichterstatter des „Vorwärts" und erklärt, daß sein Bericht zutreffend sei und Schippe! mit keinem Worte gesagt habe, daß er nur gegnerische Ansichten mitteile. Nun passiert ihm aber das weitcre Mißgeschick, daß der Partei gelehrte Kantsky im „Vorwärts" eine ganze Anzahl von Stellen ans Schippels Buch „Gnmdzüge der Handels politik" zitiert, die mit dem Berichte dcS „Vorwärts" fast wörtlich übereinslimmei!. so daß Kantsky zn dem Schlüsse kommt, daß der Bericht des „Vorwärts" in den ent scheidenden Punkten doch richtig ist. Welches Schicksal droht mm Schippei? Qestvr'.vich-Nngacn. — Zur innerpoütischen Lage. Diese Woche wird eine hochpolitische werden. Am Mittwoch tritt in Wien die parlamentarische Kommission des Iungtschechenklubs zu sammen, um sich die vertraulichen Berichte der Unterhändler mit der Regierung verlegen zn lassen. Das Schicksal der Verffändigmigsaktion wird wesentlich von den Entschließungen alchängen, welche die parlamentarische Kommission fassen wird. — Aber auch der Vorstand der Deutschen Volkspartei wird sich nächster Woche versammeln, um eine der kritischsten Sitzungen seil dem Bestände der Partei mitziimachen. Wenn eS nicht gelingt, ÜB'. Derschatta ans dem Obmannplatze zn palten — und die Voraussetzung wäre die schwer zn er reichende Billigung seines Vorgehens — dann ist die lang same Auflösung der Partei nicht mehr auszuhalten. In der kommenden Woctze treten auch die beiden Delegationen wieder zusammen und man kann nicht wenig darauf ge spannt sein, welche Aufklärungen Ritter v. Pitreich den ungarischen Delegierten über das Ausmaß der Zugeständ nisse, namentlich in Frage der HeereSbildimgsanslalten, geben wird. England. — Der Tarif,nlsschns;, der sich ans Anhängern Ehamberlains gebildet hat, sandte an alle Fabrikanten im Vereinigten Königreich Fragebogen über den Einfluß der ausländischen Tarife ans die Verhältnisse der heimischen Industriezweige. Die eingehenden Antworten sollen als Unterlage für weitergchende Erhebungen dienen, bei denen auch mündliche Vernehmungen erfolgen sollen. Dänemark. — Ter König entband Inftiz«inister Alberti von seiner Funktion als Minister für Island und ernannte den Stadthauptmann von Isafjord Hannes Hnfstem, einen ge borenen Isländer, zn seinem Nachfolger vom 1. d. M. ab mit den Befugnissen, wie sie im neuen Verfassnngögeselr für Island vorgesehen sind. Balkan. — Eine Mitteilung der Pforte besagt, Sarafow habe in Oesterreich große Quantitäten zusammen mit türkischeil Uniformen europäischen Wilajets verteilt werden sollen, damit die von dieseil verübten Attentate türkischen Soldaten zugeschoben würden. In der Mitteilung heißt eS ferner, daß in Vranza und anderen Orten Serbiens Dynamit und Bomben angefertigt würden, die in den WilajetS verwendet werden sollten. — Es wird immer offenbarer, daß die Mitteilungen der Pforte über Kämpfe türkischer Truppen mit Jnsnrgeiitcnbanden ans Bulgarien lanziert werden, uln die Wahrheit, daß zeitweise türkische Posten die bul garischen Posten angreifen, zu verschleiern. Kürzlich haben FeS angekanft, die an Bulgaren in den
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