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Sächsische Volkszeitung : 21.06.1920
- Erscheinungsdatum
- 1920-06-21
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-192006211
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19200621
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19200621
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1920
-
Monat
1920-06
- Tag 1920-06-21
-
Monat
1920-06
-
Jahr
1920
- Titel
- Sächsische Volkszeitung : 21.06.1920
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Montag den 21. ymn ru»» »>„»»<« »»»»,««»>, Nr. US. «eite 2 „Würden sie selbst aber sich an einer Koalitionsregierung Ia> telligen oder überhaupt mir raranvoortlich. sei e« auch t« einer rein sozialistischen Regierung, an der Leitung de» Rache» Mitwir ken. so würden sie selbst bald merken, daß immer nur mit Wasser gekocht werden kann, und daß Tatsachen härter sind als Theorien. Auch sie würden nicht in der Lage sein, di« Versprechungen innezuhalten, die sie jetzt, aller Vem antwortung bar, ihren Wählern geben." Könnte, so bemerkt dazu mit Recht die „Augsburger Postzeitg.", das Gebühren der Kritiker von rechts noch besser gekennzeichnet wer den als durch diese Kritik, die man — auf ander« anwendet? Die Einberufung des ReichswirtschastsrateS (Eigener Drahtbericht der iSächs. volk«,eitnng"! Berlin, 21. Juni. ES steht nunmehr endgültig fest, daß in den nächsten Tagen die Einberufung deS ReichswirtschastsrateS nach Ber lin in das früher« preußisch« Herrenhaus erfolgen wird. Dem Reichswirtschastsrat wird eine Denkschrift über die wirtschaftliche Luge vom Reichswirtschaslsministerium überreicht werden, die vermutlich Gegenstand einer umfangreichen allgemeinen Aussprache werden dürfte. Man kann annehmen, daß die Vollsitzungen des Reichswirt- fchaftSraieS sich auf etwa 14 Tage erstvecken werden. Die Angst vor deutschen Kriegsplänen Berlin. 20. Juni. Durch di« Auslandspresse („Morning Post") vom 2. Juni, ^Jntransigeant" und „Straßburger Neueste Nachrichten") geht folgende Nachricht: die deutsche Regierung wird unmöglich die Genauigkeit der nachfolgenden Information lengnen können: Vor einigen Wochen fand in Berlin ein geheimer Rat statt. Einige Minister wohnten dieser Beratung bei. Im Verlauf der Be sprechung wurde die Möglichkeit eines bewaffneten Konflikts zwischen Deutschland einerseits und Frankreich und Polen andererseits erwogen. Gegen Frankreich könnt, Deutschland 700000 Mann ins Feld stellen, gegen Polen 200 000 Mann. — Nach Rücksprache mit gutunterrichteter Seite ist hierzu das Folgende zu sagen: Wie Dr. Geßler schon am 5. Juni in einem Interview mit Mr, SlunderS, früherem Korreipoad.'nten der „Times", er- klärt bat, ist die vorstehende Nach aäit von Anfang dis Ende in das Reich der Fabel zu verweisen. Insbesondere hat kein Minister einer Besprechung beigewohnt in der auch nur indirekt rder bedingt solche Erörtierungcn gepflogen wuriru. Abermalige Verschiebung -er Spaakonferenz Paris, 19. Juni. Laut „Echo de Paris" wird die Verschie bung der Konferenz von Spaa auf den 15. Juni wegen der Schwierigkeiten der Kabinettsbildung in Deutschland bestätigt, Wie Amerika den Frieden sichert Amsterdam, 18. Juni. Im Unterhause sagte in Erwiderung auf «tue Anfrage der Erste Lord der Admiralität über das Verhältnis der englischen zur amerikanischen Kriegsflotte! An Kriegsschiffen mit Geschützen von 16 Zoll besitzen die Ver. einigten Staaten 16 England keine, an Schiffen mit einer Grschindig. ke»t von 33,25 Knoten und mehr besitzen die Bereinigten S'aaten größere Schiffe 6, England keine, Leichte Kreuzer haben die Vereinig ten Staaten 10, England kein», Zerstöret die Vereinigten Staaten 262, England 196. Auf weitere Fragen sagte Lang, die Admiralität sei sich der Möglichkeit der weiteren Entwicklung der Marine de. wnßt und werde nicht ermangeln, für Kriegsschiffe neue Mittel jm Parlament anzusordorn. Eine abermalige Noie an Deutschland Pari», 20. Juni. Der Botschafterrat hat den Text einer Note an die deutsche Regierung wegen angeblicher unterschiedlicher Behandlung bei Ausfuhr und Zollzahlung festgesetzt. D«r Ursmzoss 1« besetzte« vrhetulaub Kable«, «. Juut. Li, NH<inl««d»k»»«tffou tat de« Delegierten für d« R«aftru>»»bqstr L Iffeldorf «nd tzr» Kreide!r- giert« in Mir» da» Recht rrteiü. für rt»en Monat alle versa««l»n,t» «ud ZusnunnenkLust- sowie Me»scheuattsawmlrtnge« « verbiete«, welch« dt« Gicherheit da Truppen p» geftbrd» geeig«« sind. Eben so kann da Aufenthalt aus da Straß« vnboten werden. Zur Vorberatung des Oberst« Rate« Paris, 20. Juni. HavaS erfährt, daß es sich bet der ve, um ktnanzteH« die Entschädignngs. und ische Frage wird erörtert du Grundlage deS vom hen wie die eng. peechuu» in Kolkeftoue ragen handeln wird, vornehmlich um machungSfrage; aber auch die ru werden. Wenn eine ueberelnstimmmig aus liegende» Projektes, mit dem übrigens die lischon Fachverständigen sehr zufrieden seien, in Foilestone und Bou- logne erzielt würde, wäre das ein groß« Fortschritt und würde eins Regelung der finanziellen und da wirtschaftlichen Fragen in einem für Frankreich, England. Belgien, sowie auch für Italien, das durch Annahme des Vorschlages Frankreich und England entaegenkommen würde, günstigen Sinne bedeuten. Der wichtigste Punkt sei, daß das finanzielle Projekt ohne Rücksicht aus die politischen und namentlich innerpolitischen Erwägungen angenommen werde. Die russische Frage sei weniger gut vorbereitet. Von französischer und englischer Seite werde zugegeben, daß auf diesem Gebiete nicht weiter zu lam men sei. Kraflin könne nichts bieten und trachte seinen Aufenthalt nur deshalb auszudehnen, um zu sehen, wie sich die Sache gestalte, wäh rend die Sowjetregisrung ihre Operationen im Orient fortsetze. die für englische Politik sehr kompromittierend seien. Die Tatsache, daß Marschall Fach auf Ansuchen Lloyd Georges an den Besprechun gen teilnimmt, deute an, daß England die militärische Frage aufrollen wolle. Entscheidung über die Entwaffnung Pari», 20. Juni. Die Bots"chafterkonferenz hat die Entscheidung üb« die Frage der Entwaffnung Deutsch lands getroffen. Die Entscheidung entspricht dev der interalliier ten militärischen Kommission und werde dem Regierungschef in Boulogne mitgetcilt werden. Dies« amtlichen Mitteilung fügt der „TempS" hinzu, daß das deutsche Heer bis zum 10. 7. auf 100000 Mann zurückge führt werden müsse. Sollte dieses Heer nicht ge nügen, um die innere Ordnung aiifiechtzuerhalten, so müsse znr Schaf fung einer regionalen Polizeitruppe geschritten werden. Auch die „Bismarck" s Der Dampfer „Bismarck" der Hamburg-Amerika.Linie, 56 000 Tonnen, wird sofort nach seiner Ferrigst-llunq der Wie. dergutmachungskommisfion übergeben werden. Man glaubt, daß er der White-Stav-Linie als Ersatz für den torpedierten Dampfer „Britanic" ausgeliesert wird. Hrerrziperröenbeitraa sofort filr -«eKreisharrpt üorrto ltsip-zry 11S0Z1 «>i>rrck>uichSeir»« SpmrkaffeobLeI-tt««-. Zum Boykott Ungarns Wi«, 20. Juni. Der Boykott gegen Ungarn begann nach de- Blättern heute nacht. Der Standpunkt der ungarischen Regierung zum Boykott ist, wie bi« -Ungar. Korr." erfährt, der, daß Ungown gegen alle Staaten, welche die Blockade tatsächlich durchführen, diesüben Repressalien er, greisen wird, die von den betreffenden Staaten gegen Ungarn ange- wandt ««den. Der Landesverband der christlichen Eisenbahn« hat beschlösse», km Falle der Durchführung de» Amsterdamer BotilottbeschlosseS die Leben-mittelsendungen nach Oesterreich und den übrigen Nachbar staaten aufzuhalten. Dem „Bolksblatt" zufolgS, beschlossen die Vertrauensmänner der nichtsozialistischen Posibeamtengewerkschasten entsprechend den Salzburger Gruppen d« christlichen Postbeamten, mit allen erlaubte» Mitteln den Boykott gegen Ungarn zu verhindern. Die Führ« de« Kapp.Pntsche» nicht in Ungarn Die Nachricht, daß G-n-ral Lüttwitz, Oberst Baue», Major Bischof und Korvettenkapitän Ehrhardt, die sich in Bu dapest ausha'rrn, ist wie kam Nng Tekrgr. Korr..Bureau am lich festgestellt wird, vollständig au S der Lust gegriffen. Nur Oberst Bauer hat sich kurze Zeit in Ungarn ausgehalttn, ist ob« nach wenigenSttmden unbekannt wohin, weitergereift. Ebenso unrichtig sind alle Gerücht« von einer Erleichterung oder Unterstützung der Reise der Obengenannten. Lloyd George zur Bölkerbundssrage Rotterdam, SO. Juni. Wie au» London gemeldet wirb, ha! Lloyd George in i-ln« Antwort an den Bund zur Befestigung de» Kriege» weiter aeiaair Rußland habe sich bereits geweigert, eine Abordnung des Völkerbundes zu euipfang'n. Die drei Großmächte haben alle möglichen Vorstellungen an Polen gerichtet. Nach dm Bestimmungen de» Vö'kerbunbe» kann aber wirtschaftlicher Druck erst bann angewendet werde», wenn bewiesen ist, daß Polen ««recht bat. Frankreich kann kein« Hilf« leisten. E» räumt bereit» Cilic'm, weil e» dort nickt oenug Truppen hat. Wir selbst haben in Kon stantinopel und Palästina alle Hände voll zu tun. Italien hat so viel Schwieriflkeite», wie nur möglich. Amerika hält sich abseits. Wir würden kein Bataillon für den Völkerbund hergeben können. Zwei besondere Schwierigkeiten verhindern, daß der Völkerbund voll in Tätigkeit treten kann; 1. könnten die europäischen Großmächte keine hinreichend« Streilmacht stellen, 2. hat sich die einzige Großmacht, die keine solchen Schwierigkeiten hat. zurückgezogen. Griechenland greift ein Part», SO. Juni. Die Londoner „Sunday Expreß" berichtet. Da» englische Kabinett hat den Vorschlag VentzeloS, griechische Trupp'» zur Verstärkung der englischen und indischen Truppen in die Zone der Meerenge von Konstantinopel zu entsende», angenommen. Die Aren London, IS. Juni. Gütern abend kam e» in Londondenq zu einem wildert Kample zwischen Stnnfetnern nnd Untonisten. Das Gefecht dauerte ununterbrochen zwei Stunden lan». Die Po ui war machtlos. Da» Militär hielt sich bereit, griff ober nicht stn. Die Unruhen dauerten die gaPse Nacht hinsurch an. In drr Stadl Herrichen terroristische Zustände. Eine Gesellschaft zur WieLerausrichlurtg de» russischen Handels Kopenhagen, 20. Juni. Unter den Namen „The International Ctearingbousc" wu de hier eine Gesellschaft gegründet, deren Altiencapnal vorläufig auf > Millionen Kronen festgesetzt nnd z» gleichen Teilen in englischem und dänischem Besitz ist. Die Gesell schaft hat den Zweck die Bestrebungen zur Wiederaufnahme der Handel» zwischen Rußland und den europätfchen Ländern zu unter, stützen. Von den ru fischen kooperativen Gesellschaften traf ein größerer Betrag in Got» ein, wie verlautet, 4 Millionen Kronen, die in der Nattonatbank deponiert werden. Die sechs Matties Roman von Jgna Maria (12. Fortsetzung.) In diesem Wechsel von gewandter Diplomatie und dickköpfiger Bauernzähigkeit errang keine der beiden Parteien den endgültigen Sieg. ^Lassen Sie Theres entscheiden," schlug Frau von Berg vor, ,sie allein hat ja das Hauptwort dabei zu sprechen. Sie, als Vormund, hätten doch gewiß keine Bedenken einzuwenden gegen meine Bitte?" wandte sie sich liebenswürdig an den Bürgermeister und entwassnete ihn vollends. „Für die LhereS wäre es ja gut, wenn sie eine Zelt lang in fremde Umgebung käme," sagte Amon Brennecke, als er mit feiner Frau alleine war. „Das Kind grämt sich zu viel, immer wird sie an den toten Vater erinnert. So gern ich unsere Theres auch bei «nS sehe, aber Mutter, nicht wahr, wir wollen nicht egoistisch fein «nd nur denken, wie es für das Kind am besten ist." „Ja, Anton, sie wird uns sehr fehlen, dir und mir, nnd am meisten Hannes, aber, wenn sie will — in Gottes Namen —" Theres war wie benommen, als sie hörte, daß Frau von Berg ihretwegen dagewesen. „Ick möchte es tun und auch wieder nicht; ach, Tante Rosa, rate du mir. An: liebsten möchte ich etwas Rechtes lernen, damit ich mir mein Geld verdienen lamr; ich kann doch nicht immer so mir nichts dir nichts bei euch bleiben." „Sage so etwas nicht, Theres. Du weißt, daß du längst unser Kind bist, und dereinst Brenneckcs Hof dir und Hannes gehört. Mit dem Brotverdienen ist Unsinn. Du heiratest den Hannes, damit basta. Hier handelt eS sich nur, willst du mit Frau von Berg fahren, bann bisse alle falsche Scham beiseite nnd sage es auch. Wir'alle können verstehen, daß ein junges Mädchen, besonders, wenn es so viel Schweres hinter sich hat wie du, sich nach Abwechslung sehnt. Vater meint, schaden könne es auf keinen Fall. Schließlich lannst du ja so. sott wieder nach Hause kommen, wenn es Dir dort nicht paßt. So, nun überlege es der gründlich, bis heute abend sagst du uns Be scheid." Hannes war absolut nicht erbaut und wünschte Frau von Berg ins Pfefferland. Gewiß würde Theres mitgehen, das Anerbieten war ja zu verlockend. Dann saßen sie da ohne ThereS, ohne Sonnen schein in dem großen HauS... Hannes behielt recht, am Abend noch lief ThereS zur Obev- fkrstsrei und brachte ihr« Zusage. Drei Tag« daraus hieß es Ab- sched nehmen von Vrenneckes Hof, der nach Mutterkens Tod ihr Elternhaus gewesen. Von d« Eltern Grab brach sie ein BuchS- baumzwelglein, das nahm sie mit In die neue Heimat. . „Wir werden auseinande gerissen," klagte Hans beim Abschied, erst Sybilla, jetzt du. Ostern komme ich nach Tudcvstadt, dann ist nur Bertha noch hi« mit den beiden Kleinen. Vergiß du uns nur da draußen nicht nnd schreibe nicht so spärlich, wie Sybilla es tut Ostern kommt auch Peterken zur Schule. Bleib nicht so lang weg und vergiß nicht, daß wir zusammenziehen wollen, wenn Ich Lehrer bin." Hannes brachte Theres zrrr Bahn. „Nun kommt eS. wie ich Immer befürchtet Habel Ach, ThereS, wie leer «nd öde ist es letzt auf dem Hof — wer weiß, wann ich dich nun mal wirdestsehe. Werde nur leine Dame, und wenn es dir nicht gefällt in der Stadt, depeschieve, dann hole ick dich wlederl" TS war ein traurig« Abschied, der Hannes viel Herzwels Machte. „Lebe wohl, Hebe, liebe ThereSl — Vergiß uns nichtl" Sie küßten sich. „Lebe wohl, lieber Hanne»!" Gke gab ihm die Hand, « sah sie durch die Sperre mit Frau von Berg gehen, in ein 2..Klasse-Abteil einsteigen. Der Stationsvorsteher hob die rote Scheibe — ein Ruck — der Zug fuhr davon. Theres' Taschentuch winlte die letzten Grüße — Abschiedsgrüße. Langsam ging Hannes die Landstraße zurück. Er schlug einen Feldweg ein und weinte bitterlich Nach einem halben Jahre hätte Theres Matties gerade so gut ThereS von Berg heißen lönnen, so gut hatte sie sich den neuen Ver hältnissen ejngepaßt. Lily von Berg erregte mit ihr Aufsehen, sie hatte Theres vollständig neu ausgestattet. Theres besaß Dinge, von deren Vorhandensein sie bisher leine Ahnung gehabt. Neuerdings hielt Frau von Berg einen Lehrer, der mit Theres Englisch und Französisch sprach. Die lluge Frau hatte längst gefühlt, daß ThereS nicht auf einen Bauemhof paßte. Es war erstaunlich mit welchem Geschick Theres sich in die neue Lage fand. Ihr „Böglern im Walde", das die ländlichen Spaziergänger oftmals erfreut, entzückte ihre Pflege mutter so sehr, daß sie ihr Gesangstunden geben ließ. Das war nun durchaus nicht nach Theresens Geschmack, denn als es als unumstößliche Tatsache galt, daß sie „Stimme" besaß, ging die Quälerei an. Sie sollte den Ton vom nehmen und nicht mit der „Kehle" singen. ^Nascnresonanz entwickeln, liebes Kind," sagte der Maestro, der sich die Gesangstunde mit einem Goldstück honorieren ließ. „Nicht so flach singen. Die Tonleiter langsam nehmen, nicht schmierenl" Theres wirbelte der Kopf. Sie sollte Triller üben, ohne daß sie die Kehle bewegte. Ja, leid« saß aber der Triller in der Kehle und nicht in der Nase. „Nicht immer mit dem Hals singen!" Theres wurde mullos und verzagt. Bis sie das endlich alles begriff, was der Lehrer ihr immer und immer wieder vorpredigte, war sie so alt wie Methusalem. Dabei dieses ewige fade „do, re, mi, sa, so, la. si, do" singen, wo. bei man sich "absolut nichts vorstellen lonnte und den Ton Noch „spinnen" sollte! Sie atmete jedesmal erleichtert auf, wenn die halbe Stunde zu Ende war. Danach hieß es Harmonielehre studieren. Allord« auflösen, Tonarten transponieren. Oftmals wünschte sie, sie läge auf Bürgermeisters Wiese und starrte in den blauen Sommer- Himmel. Endlich, nachdem sie mit bewunderungswürdiger Ausdauer die Hebungen des Concone und der Stockhausenschen GesangStechnik „ohne Hals" gesungen hatte, durfte sie Schumanns „Marienwürm chen" versuchen. Voller Freude sang sie drei Strophen. Ms sie ge endet, sah der Lehrer sie spöttisch an. Sie sind natürlich entzückt von Ihrer Leistung! Dabei haben Sie me hohen Tön« gequetscht und alles viel zu schwer genommen. Mit dem Kraftaufwand können Sie Isoldes Liebeslied nngestrichen singen." ThereS war dem Weinen nohe. „Sie verekeln mir jedes Lied!" stieß sie zornbebend hervor. „Daß es noch nicht mustergültig ist, weiß ich auch. Aber Sie brauchen nicht Immer zu höhnen . . ." „Ja, liebe Kind, die Kunst ist lein Spielzeug! Die will ernst genommen sein, besonders die GesangSkunstl Und wer, wie SI«, von HauS auS solch prächtiges Material mitbringt, hat die Pflicht und Schuldigkeit, mit seinem Pfund zu wuchern! — So, nun singen Sie „Marienwürmchen" noch einmal, aber mit leichtem Ansatz und leich tem Ton. Sie müssen mit den Tönen spielen rönnen, ab« die Töne dürfen Ihnen Nickt im Halse festkleben." Das „Marienwürmchen" mußte gar oft noch nach Nachbar- Kind fliegen, «he der Maestro sich zustieden gab. Bel einem Gartenfest in der Bergschen Villa sang ThereS zum ersten Male vor An« Gesellschaft, ab« sie fühlte sich keineswegs be fangen oder geniert. Mit fröhlicher Unbefangenheit sang sie Loemes „Und niemand hat'- gesehn". „Man meint, man hört die Lucca," sagte ein alter Geheimrat. „Herrgott, hat das Mädel eine Stimme. Die hat Gold in der Kehle! Sie sollte zur Bühne gehen, hübsch ist auch, dazu Figur, die würde Karrisre machenl" Lily von Berg heimste mit strahlendem Lächeln die Komplimente und das Lob über Theres ein. „Und sie ist so lieb," sagte sie, „daS Mädel muß heiraten, die war viel zu schade für die Büynel" Dabei dachte sie aber nicht an Hannes Brennecke. — Theres sah in ihrem gelblichen Sommerlleid mit den echten Brüssel« Spitzen ganz entzückend aus, und die jungen Referendare uird Assessoren machten ihr aus Leben und Tod den Hof. Besonders Kurt Hardegg, den störte nur d« fatale Umstand, daß Theres keine geborene von Berg war. Donner ja, als einzige Äbin von Lily von Berg, dazu pikant, rassig — was hätte Kurt Hardegg sich wohl noch wünschen lönnen? Leider fehlte die Hauptsache — der goldene Hintergrund! DaS hinderte ihn aber keines keineswegs, der Siebzehnjährigen nach allen Regeln der Kunst gehörig den Kopf zu verdrehen. Seit ihrem Weggange von Brenneckes Hof, seit anderthalb Iah. ren, hatte Theres die Geschwister und Brenneckes nicht Wieder sehen, sie spürte auch gar kein Verlangen danach. Sie schrieb regel mäßig ihre Briefe i» das Harzdorf, aber einmal hinzulahreu kam ihr gar nicht in den Sinn. Auch die Depesche, auf die Hannes Bien, necke immer so sehnsüchtig wartete, hatte sie längst vergessen. — Frau von Berg sah den kleinen Flirt zwischen Assessor Hardegg und Theres nicht ungern. Hardegg würde schon vorwärts kommen, wenn er die Theres ernstlich liebte, und wenn die Sache zurecht kam. wollte sie Theres ausstaiten, als sei sie ihr eigenes Kind. Di« llra» Oberförster war nicht wenig erstaunt, als sie für einige Wochen zu Besuch weilte, in der wohlerzogenen jungen Dame die einstige ThercS Matties wieder^ufinden. „Du hast mied« einmal Recht gehabt, Lily. Hut ab vor deiner Menschenkenntnis! Aber für Brenneckes Hof ist diese Englisch »nd Französisch parlierende Dame mit den weichen Samthändchen kaum die geeignete Bäuerin." „Laß nur den Spott, Thea," lachte Lly von Berg, „es denkt niemand mehr an diese Kinderei. Hast du sie übnigenS schon singen hören? Das ist ein Genuß. Wenn sie nachher zurückkommt, soll sie Gounods Frühlingslied singen." Der Assessor Tr. jur. Hardegg spaziert« mal wieder „zufällig" die Straße entlang, als ThereS aus der Gesangsstunde kam. „Tag, gnädiges Fräulein, das nenne ich ab:r gusalll Dars ich rin Stück mlitgehen?" „Freilich, wenn Sie nichts Besseres kn tun habenl — Ein nette« Kerl, der Hardegg, konstatierte sie im Stillen, das Einglas sicht ihm famoSI DaS Mädel sieht aus — zmn Anbeißrnk philosophierte « leinrr- soitS, dabei sprachen sie ganz korrekt und wohlerzogen über Welte« und Gesangsstunden, aber was der Mund verschwieg, redeten die jungen, lcbenshungrigen Augen. , , „Machen Sie das Picknick der Baronin Veith mit? Es wird, glaube ich, recht hübsch werden, besonder» da, wie r» scheint, da» Wett« sich hält." „Natürlich, ich freue mich schon darauf. Ts ist mein erstes Picknick, im vergangenen Jahre durste ich nicht teilnehmen, da «»< ich noch nicht in die Gesellschaft ringrführt, zudem hatte ich auq Trauer mn Batrrken." - ' .... (Fortsetzung folgt.)
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