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VN" Nr. LOS — LO. Jahrgang Sonnabend den L3. Mai LSLL MisMeWks Erscheint tSgllch nachm, mit Ausnahme der Sonn- und Festtage. Il»-aab» 1 mtt .Die Zeit in Wort und Bild» vtertcljLhrtich » SV An Dresden durch Boten 2 t« In ganz Deutschland stei Haus 2,5» in Oesterreich 4.4» L. »»»gäbe v ohne illustrierte Beilage dlerteliShrlich 1,8« An Dresden durch Boten 2,1V An ganz Deutschland frei Hau» 2,22 in Oesterreich 4,«7 X. - Einzcl-Nr. 1« Nnabhängiges Tageblatt für Wahrheit, Recht und Freiheit Inserate werden die »gespaltene Petitzeile oder deren Raum mit 15 4. Reklamen mit 5« 4 die Zeile berechnet, bei Wiederholungen entsprechenden Rabatt. Bnchdruckerci, Redaktion nnd Geschäftsstelle! Dresden, Pillnitzer Ltraste 4». — Fernsprecher I»«« Jur Rückgabe unverlangt. echriftstiickekeine>verbi»dlichket« Redaktions.Sprechstunde: II bis 12 Uhr. Oeffnet eure Herzen! Zum Margaretentage verstumme jede Klage, Ls öffne euer Herz sich weit Und stille Schmerz und teid. Die große Not zu lindern Gilt heut es — armen Kindern Zst ja der Tag zum Segen, Drum muß sich jeder regen. Kauft viele Margaritten, Erfüllet all die Bitten, Gebt überall und jederzeit Am Tage der Barmherzigkeit. 8. Die reichsländische Verfassungsrevisi n. Dresden, den 11. Mat löil In der gestrigen letzten Sitzung der Verfassungsberatung wurde eine Verständigung wegen der noch vorhandenen Differenzen gefunden. Alles schien sich in Wohlgefallen auszulösen, bis der von freikonservativer Seite eingebrachte Sprachenparagraph § 24b mit Stimmengleichheit abgelehnt worden war. Da änderte der Freikonservative seine Haltung und stimmte bei der über das ganze Gesetz erfolgenden Schlußabstimmung dagegen. Mit 13 Stimmen gegen 12 Stimmen wurde das Gesetz abgelehnt. Wenn man aus der Abstimmung auf das Schicksal des Gesetzes schließen wollte, so käme man zu keinem Resultate. Vier Kon servative, je ein Mitglied der Reichspartei und der Wirt schaftlichen Vereinigung, ein Pole,- die Elsässer Delsor und Hautz und vier Sozialdemokraten stimmten gegen das Gesetz. Für das Gesetz stimmten außer sechs Zentrums abgeordneten der Hospitant der Nationalliberalen, der Lothringer Gregoire, daS elsässische Mitglied der Reichs- Partei Dr. Hoeffel und vier Mitglieder der Fortschrittlichen Volkspartei, während sich dreiNationaliberale derAbstimmuug enthielten. ES fehlt daher an sicheren Stützpunkten. Nach der Stärke der Parteien zu urteilen, ist der Sieg auf Seite des Gesetzes. Denn hinter den beiden Elsässern stehen höchstens 10 Stimmen, während hinter den sechs Zentrumsabgeordneten über 100 Stimmen stehen. Nach unserer Ansicht darf die Annahme der rcichs- läudischcn Verfassungsrcvision als gesichert gelten, da mit der Regierung auch bezüglich der Ersten Kammer eine Einigung erzielt worden ist. Danach soll diese Kammer bestehen ans 0 Vertretern der Landgemeinden (nach dein Entwürfe 3), 2 Vertretern der Handwerkskammern (1), 1 Vertretern der Handelskammern (3), im übrigen nach den Vorschlägen der Regierung ans 4 Vertretern der Städte, 6 Vertretern der kirchlichen Gemeinschaften, einem Ver treter der Universität Straßburg und einem des Ober- landesgcrichtes in Kolinar. Das sind insgesamt 23 Mit glieder gegen 18 des Entwurfes; dazu kämen dann noch ebenso viele vom Kaiser zu ernennende Mitglieder. Eine liberale Erste Kammer wird dies freilich sein, aber dafür erhält die Zweite Kammer weitgehende Volksrechte, sie hat namentlich ein freiheitliches Etatrecht und ein sehr gutes Wahlrecht. Die Wahlkreiseinteilnng soll nach den poli tischen Bezirken erfolgen, so daß das Elsaß 40 Abgeordnete und Lothringen 20 Abgeordnete erhält. Innerhalb der Kreise will man sich an die Kantone halten, so gut es geht. Diese Einteilung erscheint im allgemeinen objektiv nnd sach lich zu sein. Das Zentrum fordert kein Vorrecht, sondern »nr die Möglichkeit freier Entwicklung, nnd diese scheint ihm gegeben zu sein. Um das Zustandekommen der bedeutsamen Vorlage hat sich der Zentrnmsabgeordnete Fehrcnbach ein erhebliches Verdienst erworben. Zu bedauern bleibt, daß die reichs ländischen Abgeordneten, verstärkt durch einen in Straßburg wohnenden Abgeordneten, eine nicht ganz gerechtfertigte Opposition gegen die Vorlage einnehmen; nur der Abge ordnete. Vonderscheer, der seit Jahren im Reichstage für sein Heimatland stets gearbeitet hat, steht ganz auf dem Boden dieser Beschlüsse. Wir hoffen aber, daß man im Volke selbst ein volles Verständnis für die Verfassung liat und daß in kurzer Zeit man in den Neichslanden diesen großen Fortschritt anerkennen wird. Um dieses Werk voll zu würdigen, muß man nur lesen, was die stillen und offenen Gegner desselben schrei ben. Graf Posadowsky hat im „Tag" auch das Wort ge nommen und recht zutreffend gemeint: „Wenn man die Elsässer auf Herz und Nieren prüfen wollte, welche Staatsverfassung sie sich am liebsten wünschen, so würden sie sich wahrscheinlich in ihrer großen Mehrheit sür eine Art schweizerischer Kantonverfassung aussprechen unter dem Neutralitätsschutz der europäischen Mächte, je doch selbstverständlich mit der Freiheit, ihre persönlichen Neigungen auch äußerlich den westlichen Nachbarn zuzu- wenden. Tie Elsässer sind ein sehr tüchtiger, geistig aufge weckter, betriebsamer, aber kein leicht zu behandelnder Volksstamm." Stimmt. Die reichsländischen Abgeordneten haben noch vor 4—6 Jahren Anträge im Reichstage gestellt, die weit hinter dem Zurückbleiben, was heute dein Lande gegeben wird. Da nun die Gabe reichlicher allsfällt, soll sie nichts mehr wert sein? Eine sonderbare Taktik! — Man höre den Grafen Posadowsky weiter: „Wird Elsaß-Lothringen Bundesstaat, so hat man auch im Laufe der Zeit auf ein nur deni Lande, nnd zwqr vor zugsweise dessen oberen Klassen entsprossenes Beamtentum zu rechnen, wie dies voll dem Abgeordneten Preiß ziemlich deutlich unterstrichen ist nnd im übrigen den Verhältnissen anderer Bundesstaaten entspricht. Ebenso hat man mit einer Landesvertretung zu rechnen, mit deren Mehrheit der Statthalter sich nicht dauernd in Widerspruch setzen kann, ohne scharfe innere Kämpfe herbeizuführen. Das sind zwei Gewichte, deren Schwere man bei einer Verfassung für Elsaß-Lothringen sorgfältig abwiegen muß. Der Ent wurf bietet noch manche andere Bestimmungen für solche Erwägung. Andernfalls möchte es für den Statthalter vielleicht schwierig werden, um mit den Worten des Reichs kanzlers zu reden, „denjenigen Elementen, welche in Presse, Vereinen und Versammlungen gegen den Anschluß an Deutschland schüren und Hetzen, die Hand des Gesetzes mit allem Nachdruck fühlen zu lassen". Die Regierung, die jetzt dem Lande eine Verfassung gibt, durch welche ihm ein wesentlich höheres Maß von Selbständigkeit eiiigeräumt wird, übernimmt vor dem deutschen Volke, vor unserer ge schichtlichen Vergangenheit und nnsercr politischen Zukunft eine dauernde Veranwortung, die ihr durch keinen Mehr heitsbeschluß des Reichstages abgenommen werden kann." Mag sein, aber die Regierung kann getrost in die Zu kunft schauen; denn in kürzester Zeit ist ihr das Reichsland dankbar und das deutsche Volk mit, das in diesem Werk- die beste Verkettung der Reichslande mit dein Reiche erblickt. Deutscher Reichstag. Sitzung vom 11. Mai 12 llhr 20 Minuten. Die zweite Lesung der Reichsversichernngsordnnng wird fortgesetzt bei der Krankenkasse nnd zlvar bei dem 8 330: K a s s e n o r g a n c. Es werden damit verbunden die Paragraphen über die Angestellte n in den Kassen nnd die Halbierung der Beiträge. Abg. Graf Westarp (Kons.): Tie Sozialdemokraten nennen uns Trappistenbl-.n!; aber die Trappistcn rufen sich ein Wort zn: inaincnio i >rl! Bedenke das Ende! (Große Heiterkeit.) So soll es auch den Sozialdemokraten gehen. Tie Sozialdemokraten be. ätze» die Kassen für ihre poli tischen Zwecke. Die Macht der Sozialdemokraten rnht ans drei Stützen: politische und gewerkschaftliche Organisation, daneben die Krankenl w m. Dem letzteren Mißbrauche treten wir entgegen. (>!' w wir branchen keine einzelnen Fälle hier vorznbringen. Auf jeden Einzelfall würden die Sozialdemokraten mit langen Reden antworten nnd die Verhandlungen hörten nicht auf. Diese bequemen Ansrede mittel geben wir den Genossen nicht. Reiches Material für den sozialdemokratischen Mißbrauch ist vorhanden. Redner bringt eine Anzahl von Material ans dem Buche von Möller vor, das diese Frage behandelt. (Tic Sozialdemokraten lärmen ganz gewaltig; der Präsident erteilt mehrere Ord nungsrufe.) Das Muster des sozialdemokratischen Ange stelltenvertrages schlägt allen Gesetzen nnd der öffentlichen Ordnung ins Gesicht. Friedrich der Große wäre mit dein Krückstock gekommen nnd mit der Festung. Wir halten fest an dem Grundsatz der Reinlichkeit nnd der Sauberkeit im öffentlichen Leben. Wir halten fest an dem Grundsatze, daß nur unbescholtene Männer in öffentliche Aemter kom men. Die auf Grund dieses Gesetzes erhobenen Gelder dür fen nur für die Krankenversicherung verwendet werden. (Beifall.) Wir stehen auf dem Boden der Kommissionsvor- schläge, die dem Arbeitgeber in der Anstellung der Bamten dasselbe Recht geben wie den Arbeitern. Was 1883 den Arbeitern gegeben worden ist, kann heute infolge des Ver haltens der Sozialdemokraten nicht mehr aufrecht bleiben. Ter Klassenhaß hat Arbeitgeber nnd Arbeitnehmer aus einandergerissen. Wir greifen nicht in die Selbstverwal tung ein, sondern wollen diese schützen vor jedem Mißbrauch. Heute ziehen sich die Arbeitgeber von den Kassen zurück, da sie gar keinen Einfluß haben und zur Minderheit verurteilt sind. Kommt jetzt das neue Wahlrecht mit dem erhöhten Einfluß, dann werden die Arbeitgeber gerne Mitarbeiten. Die Militäranwärter sind am besten geeignet, diese Stellen zu besetzen. In F r e i b e r g i. S. hat nach den Feststellungen des Gerichtes der sozialdemokratische Kassenvorstand den Rendanten Grasscr förmlich in den Tod getrieben, weil dieser kein Sozialdemokrat war. Man hat den Beamten ans politischen Gründen auf die Straße, gesetzt. (Hört!) Man kann verschiedener Ansicht sein, ob die Kommissions- keschlüsse ausreichend sind oder nicht; sie sind sehr mäßig; aber bedeutsam ist, daß sich alle bürgerlichen Parteien auf diesem Boden zusammengefunden haben; das garantiert 1>otr nocst nie ckaxevvesener iLakkee - ireuerunx kostet unsec be liebter, vorrügliclier ^arnillen-Kafkee nur 150 PL. <Zss k>kunä. kerliiix L kockslroli, vresäeo. dlieclsrlrixsn in allen Ltacktteilen. schon, daß wir den richtigen Weg gefunden haben. Wir wollen die Krankenkassen zum Schutze der Arbeiter erhalten wissen. (Stürmischer Beifall rechts und im Zentrum.) Abg. Eichhorn (Soz.): Die Konservativen mögen nach dem Trappistengruß nur das Ende bedenken. Es han delt sich um eine Entrechtung der Arbeiterklassen, um ein Ausnahmegesetz gegen die Sozialdemokratie nnd die Ar beiter. Wo ist die Regierung mit ihrem Material? Dis Negierung muß unbedingt ihr Material herausgeben. Heraus damit! (Beifall links.) Was sollen die dunklen An deutungen über das Material? 5000 Kassen und ihre Vor stände werden der Korruption angeklagt. (Zuruf: Es gibt kein Material!) Natürlich gibt es kein Material. Und wenn etwas vorkommt in Junnngskrankenkassen, rührt sich die Negierung nicht. Der Handelsminister hat die Verträge gekannt und nichts dagegen getan. Man suchte eben die Beamten sicher zu stellen durch bestimmte Bestimmungen. Ganz harmlose Verträge sind es nur; der gute Glaube läßt sich gar nicht in Abrede stellen. Ich stehe hier nicht als Ver teidiger der Kassen. Für die Nationalliberalen wird diese Politik der Entrechtung zum Verderben führen. (Beifall links.) Staatssekretär Delbrück: Die Kommission folgte im wesentlichen der Vortage, gegen welche die Linke scharf vorging. Von einer Vernichtung der Selbstverwaltung darf man nicht sprechen. Diese Frage ist nicht zu lösen durch cine Menge von Einzelfällen. Diese kann man nicht prüfen. Unsere Vorschläge sind aufgcbaut auf der gesamten Ent wicklung des Krankenkassenwesens. Die Erfahrung eines Menschcnalters steckt in ihnen. Aus kleinen Fabrikkasseu sind nun riesige Ortskrankenkassen geworden. Tie Dezen tralisation ist rapide schnell vor sich gegangen und mit! einem gewissen Rechte. Diese Kassen bilden eine Macht, dis das ganze Vaterland umfaßt. Diese Macht kann auch zu anderen Zwecken gebraucht werden, als zur Krankenversiche rung. Tic Verhältnisse von 1883 und heute sind tatsächlich verschieden. Tie heutige Staatsaufsicht genügt nicht mehr. Man muß die Garantie haben, daß die ans öffentlichen Mitteln bezahlten Beamten auch ihres Amtes unparteiisch walten: das ist unser Vorschlag, der gut begründet ist. Wir wollen verhindern, daß ungeeignete Personen eingeschobeu werden. (Sehr gut!) Die ganze Entwicklung der Kranken kassen habe dahin geführt, daß man die Angestelltcnfrage so regelt, wie sonst auch bei Selbstverwaltungskörpern. Das ganze Musterformular von 1006 hat uns zu solchen Vor» schlügen gezwungen. Ter Inhalt dieser Formulare Ivar einfach gegen die guten Sitten. Die Aufsichtsbehörde mußts eingreisen, daß die Kassen ihre Gelder zu fremden Zwecken mißbrauchen. Wie man Staatsbeamte aus ihrer Stellung entfernen kann, so soll es auch bei Krankcnkassenbeamten gehalten werden und nicht anders. (Beifall.) Abg. M a n z (Frs. Dpt.) schließt sich den Kommissions anträgen an, wünscht aber, daß die Landkrankenkassen ihren Vorstand ebenfalls selbst wählen. Ministerialdirektor Caspar teilt einige Fälle des Mißbrauches der Krankenkassen mit, z. B. in Kiel, Braun schweig nsw. Abg. Becker-Arnsberg (Ztr.); Tie Sozialdemokratie benützt die Krankenkasse als Agitationsmittel gegen poli tisch Andersdenkende. Andere Arbeiter müssen diese Miß- stände sehr oft am eigenen Leibe erfahren. (Sehr gut!) Die Arbeiter haben vor wie nach das Recht auf Festsetzung der Rente, nnd das ist entscheidend. Welches sind die vor handenen Mißstände? 1. Tie Sozialdemokraten haben die Wahlen zn den Krankenkassen zn politischen Wahlen ge macht. 2. Tie Sozialdemokraten wählen die Beamten nicht' nach sachlichen Gesichtspunkten, sondern ans Parteirück- sichten. 3. Die sozialdemokratischen Kassen schließen mit diesen Beamten unerhörte Anstellungsvcrträge ab, die gegen die guten Sitten verstoßen. 1. Diese Beamten miß brauchen ihr Amt zur Gewinnung von Mitgliedern für die sozialdemokratische Partei nnd Gewerkschaften. 6. Diese Beamten mißbrauchen ihr Amt zu parteiischer Behandlung der Kasscnmitgliedcr. Für alle diese Anklagen habe ich die besten Beweise. Tie Sozialdemokraten fragen nur ihre eigenen Beamten und diese leugnen alles ab. Aber man kann das Material hier nicht alles Vorbringen, denn die sozialdemokratische „Polksstimme" von Mannheim hat schon angekündigt, daß man in Prozessen jene Leute heraus bringe, welche das Material geliefert haben, Angesichts solcher Ankündigungen und solcher Drohungen kann man sein Material hier nicht preisgeben niit Rücksicht auf die uichtsozialdcmokratischcn Kasscnbeamten. Die Sozialdemo» kraten haben zuerst die Krankenkassenwahlen zu Partei» Wahlen gestempelt. Wir wollen gewiß keine Beamten wegen