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>Ichstsch« «Slk»»«1tung Gonnabend den 24. September 1V21 Die Katastrophe in Oppau Mannheim, 22. September. Ter Ort Oppau, der etwa 500 Einwahner zählt, bietet ein Bild völliger Verwüstung. Mehrere Bewohner wurden getötet und eine große Anzahl schwer verletzt. Tie Grabsteine sind aus dem Friedhofe heraus geschleudert und die Leichenhalle zerstört. Gendarmerie an der Pfalz, französische Beiatzungstrnppen und Polizei sperrten die Unglücksstelle ab. In Mannheim sind große Schaufen ster in Trümmer gegangen und wertvolle Waren ver nichtet worden. Gestern abend wurde ein Toter und 36 Schwerver- le> ,e sowie 200 Leichtverletzte amtlich sestgrstellt. Da» National- theater sagte die Vorstellung für gestern abend ab, ebenso all« übrigen Vergnügungsstätten. Die Frühgottesdienste der katho lische» Kirchen mußten zum Teil ansfallen, da auch die Kirchen beschädigt worden sind. Ei» ununterbrochener Zug von Krankenwagen und Lastwagen zur Aufnahme der Verwundeten geht über die Rheinbrücke. Die Franzosen üben eine scko.r-'e Kontrolle au» und haben die Unglücksstelle im Weiten Umlreiie abgeipcrrt. In der Nähe derselben liegen »och überall gräßliche Leichen teile, verstümelte Köpfe und Glieder. Franliurt a. M.. 22. September. Ein Mitarbeiter des Frank- fnrier Generalanzeigers, der an der UnglückSstellc weilte, be richtet se'nem Blatte folgendes: Meterdicke Boden Pfei ler sind bollsiändig zu Staub zermalmt. Ter südliche Teil der Fabrik bildet einen Trümmerhaufen, lieber die Zahl der Toten kann man bis ieyt noch kein genaues Urteil abgeben, da das Trümmer'eld »och lange nicht abgesucht ist. Offenbar ist die Explosion in dem Ban Nr. 51 entstanden, in dessen Kellerräumen große Vorräte bon Ammoniak lagerten. Wie heftig die Explosion war, ergibt sich daraus, daß dieser Bau vollständig vom Erdboden verschwunden ist. Es ist ein Explo- sionstrichtcr entstände», der etwa 70 Meter in der Länge und 00 Meter in der Breite mißt. Auf dem Fabrikgrundstück befanden sich auch neun Gasometer, von denen der eine nicht weniger a!S 50 000 Kubikmeter Gas enthält. Diese neun Gasometer sind ebenfalls vollständig vom Erdboden ver schwunden. Ans der Unsallstelle spielten sich erschütternde Szenen ab. Nach den bisherigen Ermittelungen kann man an nehmen, daß die Zahl der Toten annähernd 800 be trägt. Mannheim, 21. September. Tie Bestandteile des einen Gaso meters sind wie zersetztes Papier ans die Straße geflogen. Die meisten Onsir hat es in der Gegend des neuen Viertels in der Anlage des Werkes gegeben. Nach Berichten von Angenzengeu haben dort die Toten buchstäblich in Hansen gelegen. Tie ganze Lust ist von Ammoniakgisten erfüllt. Am Hauptherd der Explosion kann mir mit Gasmasken gearbeitet werden. Auf den am Rhein liegenden französischen Frachtdanwsern wurden zahlreiche fran zösische Soldaten verletzt. Das in der Anilinsabrik liegende französische Wach ko mm ando ist ein Opfer der Ex plosion geworden. 269 Tote geborgen Mannheim. 22. September. Wie die Lnbwigshasencr Po- lizesisie lion mitteilt, wurden bis in die späten Rachmittag»- stnnden 2 00 Leichen geborgen, lieber die Anzahl der Ver wundeten konnten nähere Angaben bisher nicht gemacht werden, da sich der weitaus größte Teil der Arbeiter, der glücklicherweise mit leichten Verletzungen davvngekommen ist, sofort nach dem Unglück nach .Hanse begab, während die schwerer. Verwundeten durch zahlreiche Fuhrwerke nach allen Richtungen in die um liegenden Ortschcisste» und Kranlenhäuscr geschafft wurden. Tie ...Neue Badische Landeözeitnng" bezeichnet' das uiii- laii'eu.e Gerücht, das von 2000 Toten spricht, als weit über» trauen. Bisher war es der Direktion der Badischen Anilin- und Sodambrilen nicht möglich, Angaben zu machen. Das Blatt regt zu Sammlungen snr oie Lppancr Kinder hinsichtlich der' Belieidnng an. Tic ans dein Lande in nirnüttelbarer Nähe der Uuglnclsstelle arbeitenden Feldarbe iter s i n d s ch r e ck l i ch z n g e r ,' ch ! e t. Man vermutet unter den Trümmern deS Wer kes noch etwa 100 Tote. Auch unter den Trümmern der O p p a n e r >si änser sind noch Tote und Verwundete anzuneh- men. Groß ist die Zahl der verwundeten Kinder von Oppau. In den NachmittigSstnnden wurde die Absperrung der Unglncks- stätte verstärkt. Fm Laufe des hcniizen Tages wird diese teil weise von srau',mischen Truppen übernommen werden. Wer von den Arbeitern an die Unglücksstelle will, muß sich morgens um 8 Uhr melbeu. Mannheim. 22. September. Tie Direktion der Badischen Anilin- und Sodafabrik teilt zu dem Unglücksfall mit: Nach den uns geheim abend zngegangenen Nachrichten sind bis jetzt insgesamt 244 Tote zu beklagen, mit einer weiteren Ver mehrung der tödlich Verunglückten ist zu rechnen, zumal ungo» sähr 7 0 Leute vermißt sind. Die Mitteilung, daß die ganze Fabrik Oppau zerstört ist, ist unrichtig. Die eigentlichen Fabrilationseinrichtnngcn sind verhältnismäßig wenig beschädigt. Wir hoffen aber üie Herstellung von Amnivnialwasscr schon in wenigen Monaten wieder ausuehmen zu können. In dem Weck Ln.wigSliasen taufen die Betriebe ungestört weiter. Im Dorfe Oppau sino 200 bis 300 Häuser zerstört bezw. unbewohnbar, also 75 v. H. de» ganzen Dorfe». Der ganze Ort muß ne« auf gebaut werden. LS ist bereits eine große Hilfsaktion für deni Wiederaufbau des Dorfes im Gange. Beileid der Reichsregierung Berli«. LS. September. Ter Reichspräsident richtete an die Regierung in Speher da» nachstehend« Telegramm: „Tief erschüttert durch die Nachricht von dem furchtbaren Unglück in den Oppaner Werken, spreche ich den bedauernswerten Hinter bliebenen der getöteten Arbeiter und Angestellten meine herz lichste Teilnahme aus. Ich hoffe, daß es ärztlicher Hilfe und Pflege gelingt, die so zahlreichen Verletzten, deren ich in ans, richtigem Mitgefühl gedenke, zu retten. Der materiellen Not lage der von dieser schweren Katastrophe Betroffenen vorzu- beugen. Wird dringende Aufgabe der Reichs- und Staatsbehör den und der menschenfreundlichen Hilfe der Volksgenossen sein." Der Reich»kanzler hat im Name» der Reichsregternng an die badische Staatsregierung, an den Regierungspräsidenten in Speyer und an die Stadt Mannhetm, anläßlich de» schweren ExplostonSunglück» iü Oppau, Beileidstelegramme ge richtet. Der Reichspräsident bat den Reichskanzler, mit tunlichster Beschleunigung eine Hilfsaktion für die Opfer der Kata strophe in die Wege zu leiten. Die H»"ssal«tion in, Reich Berlin, 22. September. Der Reichskanzler hat an den bayrischen Ministerpräsidenten ein Telegramm gerichtet, da» u. a. besagt: Zur Linderung der Not der durch das Oppaner Unglück Betroffenen werden von der Rcnhsregie- rnng 10 Millionen Mark beim NeichÄratc uns be.m Reichs tage angefordert. Die Reichsrcgierung ist bereit, der bayrischen Stantsregierung sofort im voraus Beträge zur Berjügung zu stellen. Die Teilnahme der sächsischen Regierung Das Gesamt,ninifterlum des Freistaates Sachsen hat in einer Sondersitzung beschlossen, der badischen und der bayrischen Regierunq die TeilnahmedessSchsischcn Volkes an dem schweren Explosionsunglück von Oppau telegraphisch übermitteln zu taffen. Gleichzeitig hat der Ministerpräsident für die bedauernswerten Opfer deS Unglücks ans seinem Dispositionsfonds 10 000 Mark zur Verfügung gestellt. Peileidskundgebiti'gen des Auslandes Berlin, 22. September. Ter niederländische Gesandte Baron Gebers hat heute nachmittag persönlich dem Reichspräsidenten im Austrage der Königin der Niederlande deren tiefes Beileid an der Oppaner Katastrophe ausgesprochen. Der König von Dänemark hat telegraphisch seine herzlichste Teilnahme über mittelt. Der Ncichsregiernng sind weiter von einer großen An zahl ausländischer Regierungen Beweise der Teilnahme zngegan- gen. Nahezu sämtliche hier anwesende fremde Diplomaten spra chen zu diesem Zwecke auf dem Auswärtigen Amte vor; einer der ersten war der französische Geschäftsträger, der auch beanstragt war, dem Reichskanzler das Beileid des Ministcrpräsidcten Briand und des Ministerrats zu übermitteln. D e Umformung der Regierung in Preuhen Berlin, 22. Scvt. In bezug auf die Umformung der Negierung will man, wie verlautet, zunächst Prcußen den Vor tritt lassen, imem man hsir die Dcut che Volks Partei und die SoHaldciuolrot-n ouin mmt, Im Reiche daacgen wäre, wie erklärt wird, emc Autnahme der Deutich n VockSpaite! vor Lösung gewisser eußci politischer Fragen nicht zweckmäßig. Stegcrwald bat bei Dr. Porch angesragt, ob er gewillt wäre. dnS preußische Ministetpräsidium zu iibcrnchmen. Porsch zeigte 'päsir Abneigung, für dielen Posten zu kandcdicrcir. Stegcrwald selbst hat, wie bcrcitr beider tckten Rcaiernngsbodimg nachdem er sich »cht einmal al» Land» tagStandiLat hat auistclleu lassen, die Absicht, gänz aus kcr Regicrüng hc-aiiSzugcheii und sich Wiktor den christtichen Gewerlschaitcn zu wiomen. Bon einer Ausschiffung Stegettvalds aus dem Kabimtt kann jedcittalls nickt gesprochen werden. Nach dem „Lolaianceiger" wird er nur beim Borticgcn ganz besonderer Notwendigkeiten in der Regierung verbleiben, dann aber tcinckwegS a>S Ressortminister, sondcrn höchstens als Ministerpräsident. Eine Beruiung in» Kultus» in nistcrinm ist schon deshalb ausgeschlossen, weit das Zentrum Hier tür nicht in Bestacht kommt. Besprechung «wischen dem Reichskanzler und Mitgliedern der Zentiurnspartei (Eigener Drahtbericht der „Sachs. V o l kS z e i t g.") Berlin, 28. Scpt. Gestern nachmittag fand eine Bespre chung mit dem Reichskanzler Tr. Wirth und Mitgliedern der Zrntrumspartei statt. Man beriet die politische Lage und er- vrter e alle schwebenden Fragen. Bon amtlicher Seite wird betont, daß alle die Gerückte, die von einen. Gegen satz zwischen Dr. Wirth und dem rechten Zentrum sflüge. wissen wollen, unzu- trc; send wären. In der gestrigen Beratung wäre volle Einmütigkeit erzielt worden. «r LSI. Test« k> Der Reichs Kanzler über Oberschlsslen Berlin. 22. September. In der neueste» Nummer der Europäischen Staats- und Wirtschaft? oitniig sagt der Reichs- kanzler Dr. Wirth unter der Ueberschrist Oberschlesien un - ser größte Sorge u. a. folgendes: Solange nicht die Ent scheidung über das Schicksal gieses Landes gefallen ist, solange können wir alle nicht ausatmen. Wie dann die politische Lag« sein würde, wenn die letzte Entscheidung im Gegensatz zu Recht und Gerechtigkeit ge'ällt wird, das kann heute kein Mensch mit Sicherheit sagen. So viel ist aber.sicher, daß dann die Zu kunft für das oberschlcn'cke und das deutsche Volk überaus trübe werden wird. Der Kaimler verweist dann auf die einleitenden Worte der BölkerlmndSsapung, die eS al- wesentlich bezeichnen, Gerechtigkeit herrschen zu lassen, und fährt .fort: Wenn sich der Bölkerbnnd-rat bei seinen Borschlägen von diesem Grundsätze leiten läßt, so tann die oberschleiische Frage gelöst werden. Wir wollen nichts andere» als Gerechtigkeit; nur Gerechtigkeit, die ans dem Selbstbestimmung-rechte der Völker ruht, kann dem oberschlesischen Volke den Frieden geben, den es dringender ats alles andere braucht. Mir wetteifern nicht um die Gunst irgendeines Vertreters im Völlerdnndsrat und im Obersten Rat. Wir hoffen ans Gerechtigkeit, weil das ganze deutsche Volk ohne Unterschied der Partei vom Gedanken unseres Rechtes erfüllt ist. Eine Enttäuschung dieser Hoffnung wäre einfach unerträg lich, und zwar nicht nur für da» deutsche Volk allein, sondern sür alle, die noch an einen Sieg deS Rechtes in der Welt glauben. Unruhige Lage in Oberschlcsien (Eigener Drahtbericht der .Sachs. Volk»-tilg.") Berlin, 23. Sevt. Die St mmung in einem Teile de» ober- scblesi'chcn Bbstimmunakgebitte» ist. wie au» unterrichteten Kreisen mstoctcckt wird, acgenwärtig wieder unruhig. In Hindenbnrg. Bculmm, Frirdenshiiile und anderen Orten ianden in den letzten Tamn p oße DewonftrationSzüqe statt. Die Arbeiter verlangen von d.n Tiicttioncn d r Werke erneut die bereit» mehrmals abaelebnt« so:,, anilte Putschzulafle. Wie weiter erklärt wird, scheinen die Be wegungen auf kommunistische Umtriebe zuriickjnfShren sein. Kabineltssttzung in Berli« Berit«, 22. Scpt. In der heutigen Sitzung de» Reich»kablnett> erstattete der Reichsminister für Wiederaufbau Dr. Rat he »au Belicht über deu Entwurf de» Wiesbadener Abkommen» mit de« französischen Wirderaufbauministrr Louchcur. Die Beratungen über diesen Gegenstand werden fortgesetzt werden. Hamburg als wichtigster Reparaturhafen London, 22. September. „Morning Post" erzählt folgende Geschichte aus SchisfahrtSkreisen: Ein ausbessernngsbedürstiges, nach Cardiff gehörendes Fahrzeug sollte nach einem Angebot einer englischen Werft für 50 000 Pfund Sterling in sieben Wochen wieder hergestellt werden. Die Reeder nahmen ein Ham burger Angebot an; dort wurde die Arbeit so beschleunigt, daß sie nur einen Monat in Anspruch nahm und nur 8000 M. kostete. Hamburg ist jetzt sür Reparaturen der wichtigste Hafen in Europa. Nachträgliche Genugtuung sür Argeminien Kiel, 22. September. In Erfüllung eines der argentini schen Regsiruirg vor vier Jahren gegebenen Versprechens fand hcute mittag auf dem im hiesigen Haren siegenden Linien- schikk „Hannover" die feierliche Hissung der argen» tiniscken Flagge statt. Der Akt, dem ein« argenttnische Abcrli'iing unter Führung des argentinischen Gesandten in cBriin Molina und eine denische Komusisiion unter Führung des Ministerialdirektors Siinson, des Vertreters der deutschen Reichs: ccncrung, beiwohnten, war gedacht als nachträgliche rit- tcrüme Genugtuung für die V e r s e n k u n g zweier argen ifniscner Dampfer durch deutsche ilnterieeboote während des K'icges. Der Vertreter des Auswärtigen Amtes hielt eine Ansprache, in der er ausführte' Bereits damals war der argen tinische» Regierung zum Ausdruck gebracht worden, daß diese Unfälle nicht im geringsten auf einem Mangel an Achtung vor der argentinischen Landetflagge beruhten, die als Hoheitszeichen eines befreundeten Volkes von allen Deutschen geehrt und geachtet werde. Der seinerzeit eingegan« gencn Verpflichtung unterzieht sich die deutsche Regierung um so steter, als es sich darum handelt, einer Nation, die bis zum Schluß des Krieges Deutschland gegen- über volle Neutralität bewahrt hat. eine berech- täte Genugtuung zu verschaffen. Der ursprünglich gehegte Wunsch, ein deutsches Kriegsschiff in argentinische Gewässer zu ensenten, ließ sich leider nickt verwirklichen. Die Ehrenbezei- pung, die der argentinischen F'agge statt dessen in heimischen Gewässern erwiesen wird, kann dadurch an Bedeutung nicht feisteren. Möge sie ein weitere? aBnd bilden für die engen, fce»ndschaftlichen Beziehungen, die stets zwischen Argentinien und Deutschland bestanden haben! Sächsische Voikszeitnng — Nr. 221 — 24. September 1921 Aschenbrödel Or'gina.raman von Er.ch Eben st ein Eopnc'ghi >9Iö bv Grein-r u. Comp., Berlin W. 80. z49. Fortsetzung.) „Leider also ohne dich!" sagte sie, nach einem Blick in ihre» Sohnes Gesicht, betrübt. „Ich lese es in »'.eines Sohnes Mie ne», das; du cs cbgelehnt lxrst, unk zu begleiten und das tut mir — aus vielen Gründen leid! Aber zwinge» können wir dich natürlich nick:. Eines aber will ich noch tu», che ich Europa d-n Rücken kebre; ich hoffe, du lmsi nichts dagegen, Liebling?" Sie hielt Brigitte eine .Handvoll zerrissener Papierfetzen vor die Augen. „Diese Beweise deines Rechte» nebme ich mit mir. Die bringe ich morgen diesem sauberen Herrn Oppach, damit er sich überzeugt, daß er seine Existenz einzig und allein deiner Großmut verdankt. Wissen wenigstens sollen sie es beide, er und seine stolze Tochter, daß wir die Mittel in Händen hatten, sie zu vernichten!" „Wozu das Tante Anna?" „Daß er sich wcnigslcn sein Leben lang in Grund und Boden schämt und dir dankbar ist!" „Ich glaube, er wird weder da- eine noch das andere tun, Tante Anna. Aber wie d» willst." 2 6. Kapitel. Oppach hatte die zwei letzten Tage in einer an Wahnsinn grenzenden Unruhe verbracht. Denn wie dreist »nd kaltblütig er Fra» Percz gegenüber auch alles geleugnet hatte, wie sorg los er scheinbar auch ihre Drohung mit einem Prozeß ausgenom men — im Grunde wußte er doch ganz gut, daß, wenn es wirk lich dazu kam. er verloren war. Seine Taktik war einfach gewesen, sie durch zur Schau ge tragene Sicherheit einznschüchtern. Sie sollte glauben, daß ein Prozeß keinerlei Aussicht ans Erfolg hätte. In Wirklichkeit aber logen die Dinar anders. Zwar war Joe Brite, sein Stroh mann. in der Tat seit vielen Jahren tot. Aber seine Witwe und sein Sohn lebten in Nenyork und in ihren Händen befanden sich noch beute die Dokumente, die Oppach seinerzeit von Helene Eckardt erhalten und dem alten Brite eingehändigt hatte, da nn' er auf Grund der Pläne sine Goldminen ausfindig machen und als selbstentdeckie der Aktiengesellschaft anbieten konnte. Brite, ein mit allen Hunden gehetzter überaus schlauer Winkeladvokat, hatte auch einen Menschen ausfindig gemacht, der Von Zeuaen als „Edgar Eckardt" identifiziert, ihm in aller Form den Landstrich, auf dem sich die Minen befanden, wiedervcr. kaufte, so daß Brite später als rechtmäßiger Besitzer aufireten konnte. Oppach war einer jener „Zeugen" gewesen. Schon das allein hätte ihm den Hals brechen müssen, denn eö konnte ihm im Falle einer Untersuchung sehr leicht nachgewiesen werden, daß er damals bereits genau wußte, Eckardt sei gar nicht mehr ani Leben. Dazu kam, daß der alte Brite, obwohl er es vorher versprochen gehabt und seinen Gewinnanteil bar ausgezahlt be- kommen batte, später nie mehr dazu bewegen gewesen war, die Papiere Oppach zurückzustellen. Auch seine Erben waren weder durch gute Worte noch Geld dazu zu bringen. Da sie das Verbrechen nicht selbst begangen und sich immerhin auf ihren „guten Glauben" auSreden konn ten. außerdem sehr geldgierig waren, so lag die Möglichkeit nahe, daß sie Frau Perez gegen entsprechende Entschädigung diese Beweise des Betrugs ausfolgen würden. So oft Alfred Qppach in seinen Gedanken so wett gekom men war, trat ihm der kalte Angstschweiß auf die Stirn. WaS dann? Selbstmord oder — Zuchthaus war dann die einzige Wabl. die ihm blieb. Er fühlte sich so unwohl, daß er seine Villa nicht verließ und seit Frau Perez' Besuch nicht mehr im Bureau gewesen war. Ruhelos trieb es ihn herum. Er konnte weder essen noch schlafen, am wenigste» aber Isoldes forschende Blicke ertragen. Ihr gegenüber schob er alles auf eine Erkältung, schloß sich in sein Zimmer ein und wunderte dort stundenlang ans und nieder, Isolde, nie eine besonders zärtliche Tochter und gegenwär tig ganz von ihrer bevorstehenden Hochzeit erfüllt, kümmerte sich auch nicht viel »m sein verändertes Wesen. Sie wurde erst anf- n crksam, als ihr eines Morgens der Diener meldete, Senngra Perez sei hier »nd wünsche Herrn Oppach unter allen Um ständen zu sprechen. „Haben Sie der Dame denn nicht gesagt, daß Papa krank ist?" „Gewiß, gnädiges Fräulein. Die Dame wußte dies auch bereits, denn sie sprach schon mehrmals vergeblich im Stadt- burean Por. Trotzdem besteht sic darauf, vornelassc» zu werden." Isolde überlegte. Weshalb verlanatc Frau Perez so drin gend Palm zu ivrecben? Handelte es sich vielleicht um Brigitte? „Haben Sie Patm den Besuch gemeldet, Friedrich?" „Selhstverständlkck. Doch ließ der Herr Direktor sagen, er fable sich zu angegriffen, um Besticke zu empfange». Darauf schickte mich die Dame zum gnädigen Fräulein." „G»t. Ich werde kommen." Frau Perez ging »»geduldig im Salon auf »nd ab. Op pach? Weigerung, sic zu empfangen, batte sie zuerst empört. Dann aber dachte sie: Gut, wenn er cs nicht anders will, so werde ich ihm meine Botschaft durch seine Tochter senden. Es wird der hochmütigen Prinzessin, die Brigitte stets zum Aschen brödel erniedrigte, gar nicht schaden, zu erfahren, wem sie ihren Reichtum verdankt. Frau Perez war weder unedel noch bösartig. Hätte sie in ihrer Unterredung mit Oppach nur eine Spur von Neue oder Gefühl für Brigitte in ihm entdeckt, sie wäre lieber gesior- be» als einem Vater diese Schmach vor seinem Kinde anzulu». Aber seine kalte, herzlose Selbsttucht hatte sie aufs äußerste er bittert. Dazu kam noch ihres Sohnes mißglückte Werbung und Brigittes unverständliche Großmut. Sie war gereizt, ärgerlich und enttäuscht. Ihr Wunsch war mir, sobald wie möglich wieder zurück in ihr Heim zu ko»,, me». Vorher aber muhte sie diese» Oppach» noch ihre Meinung sagen und sie von ihrem Hochmutsthron Herabstürzen. Das schien ihr wie eine Naturnotwendigkeit und — auch die geringste Strafe, die sie verdient hatte». Beide, Vater und Tochter. „Frau Perez?" sagte Isoldes Stimme hinter ihr. Die Mexikanerin wandte sich rasch um. Sie sah ein wnn- dcrschönes, junges Geschöpf, das sie neugierig betrachtete mit den kalten Augen des alten Oppach. Und diese Augen erstickten den letzten Rest zögernde» Mitleids in ihr. „Ja, Fräulein Oppach, die bin ich. Es tut mir leid, Sie stören zu müssen, aber meine Angelegenheit duldet keinen Auf schub und Ihr Vater weigert sich, mich zu empfangen." „Er ist krank." „Das mag ja sein. Obwohl ich mehr zu der Ansicht neig«, daß cs bloße Furcht vor mir ist, was- ihn z» dieser Weigerung veranlaßt." Isolde richtete sich hochmütig auf. „Ich verstand Sic wohl nicht richtig. Frau Perez? Furcht? Weshalb sollte mein Vater vor Ihnen Furcht haben?" „Weil er sehr genau weiß, daß ich nicht nur den Willen, sondern auch die Macht habe, ihm die Maske des Ehrenmanne» und — des reichen Mannes, die er zwei Jahrzehnte lang fälsch lich auf Kosten seiner Nickte, Brigitte Eckardt, trug, vom Ge sicht zu reißen!" antwortete die Amerikanerin trocken. Isolde saß steif und kerzengerade in ihrem Stuhl, die Au gen starr auf Frau Perez gerichtet. War diese Frau wahnsinnig? Sie versuchte wegwerfend zu lächeln. „Rh, Sie kommen in Brigitte? Namen? Das erklärt ia manches. WaS will fl« denn noch? Sic verließ uns doch freiwillig. Aber e» scheint» daß wm dieses Mädchen nie los werden können!" „Nein. Sie werden sie wirklich nie los werden, Fräulein Oppack, wenigstens insofern nicht, als Sie zeitlebens daran den ken werden müssen, daß Sie es ihr verdanken, wenn Sie nicht Bettler werden I"