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Aus Stadt und Land. —* Ter Gesamtvorstand des Verbands sächsi scher I n d n st r i e l l e r billigte in seiner am Dienstag abgcbaltenen Sitzung den Beitritt des Verbands zu der am 17. Mai d. I. begründeten freien Vereinigung der Arbeit geberverbände lind beschloß gleichzeitig, den der Vereinigung Vorsitzenden Gesamtverband deutscher Metallindustrieller zu ersuchen, die Erklärung abzugeben, daß die Vereinigung der von dem Abgeordneten Meuck betriebenen Agitation gegen das Neichstagswahl recht fernstehe und jede Behandlung dieser Frage durch den zu errichtenden Arbeitgeberbuud ent schieden ablehnen werde. -' K n n st a u s stell u u g. Ter Märkische Zentral- Säugcrbuud aus Berlin «450 Sänger), welcher, wie bereits mitgeteilt, am Sonntag zwei Konzerte in der Ausstellung gibt, ist am vergangenen Sonnabend im Zoologischen Gar ten in Berlin ausgetreten und hat mit seinen Darbietungen stürmischen Beifall geerntet. Die hochwürdigen Herren G e i st l i ch e n i n Sachsen werden hiermit vor einem Schwindler dringend gewarnt, der jetzt die Pfarreien besucht. Er trägt blau glaiws, knappes Jackett, schwarzen Hnt und schwarzen Horn klemmer. ist mit den örtlichen Verhältnissen gut betraut, gibt sich als einen vom katholischen Ebaritasverbande Ge retteten und von dessen Generalsekretär bestens Empsohle- ne» ans, der von Berlin durch jenen Verband Anstellung erhalten bat, meldet sich zum katholischen Verein an und bettelt erst nicht. Bald kommt durch einen Boten ein Brief, er bittet um Vorschuß von einigen Mark zur Abbolnng seiner als Eilgut eingetroffenen Sache», die sonst täglich 20 Pfennig Lagergeld kosten. Er gibt an, was ihm andere Geistliche geschenkt baben und bittet, ihm, den Bekehrten und Selbstmordkandidaten, über die letzte Klippe zu helfen: er bittet, nicht eber zu geben, bis man sich allseitig erkundigt babe, drängt aber dann ans Auszahlung. Tie Wohnung gibt er. genau an. Alles ist reinster Schwindel, er hat schon voriges Jabr viele Geistliche beschwindelt. Eigentümlich keit: er spricht und geht gern mit ans den Rücken gelegten Armen. In Leipzig und Wurzen war er und dürfte von da ..Empfehlungen" mitbringen. Seine Festnabme ist sofort zu erwirken. Leipzig. In einer von über 2500 Banbilfsarbeitern besuchte» Versammlung beschloß man, von jetzt ab wegen Lobnfordernngen in Zukunft nur noch mit den einzelnen Unternebmern zu verbandeln und im Falle der Ablebnnng über die betreffenden Bauteil die Sperre zu verhängen. Tie Hilfsarbeiter fordern 45 Pf. Stnndenlohn bis zum I. Juli, von diesem Termine ab 48 Pf. Erimmitschau. lieber Crimmitschau ist die Hnndesperre auf die Tauer von drei Monaten verhängt worden. — Durch eine Bekanntgabe des Vorsitzenden des bicsigen Ge werkschaftskartells, des sozialistischen Stadtverordneten Köh- ler, im „Sächs. Volksbl." wird der Boykott der Mummert- schen Brauerei aufgehoben. Meerane. Seit mehreren Tagen ist von hier der Garn- Agent und Stadtverordnete List verschwunden. List hat Unterschlagungen iir der Höhe von 3000 Mk. begangen, und dürfte sich nach Amerika gewendet haben. Seine Frau und vier Kinder hat er völlig mittellos zurückgelassen. Der Fall ist der Königlichen Staatsanwaltschaft Zwickau über geben worden. Werdau. Durch Nachgießen von Spiritus ans einen noch brennenden Kocher erlitten ein neunjähriger Sohn und eine sechsjährige Tochter der Stnhlarbeiterfainilie Körner gefäbrliche Brandwunden. Crottendorf i. Erzgeb. Ter Gemeinderat beschloß, für unsere etwa 5000 Seelen zäblende Gemeinde eine Hoch drnckwasferleitnng zu bauen. Von der böhmischen Grenze. In erschreckender Weise mehren sich die Klagen über massenhaftes Auftreten der Kreuzottern in allen Gebieten der böhmischen Grenze. Das lieberschreiten von sonnigen Abhängen und das Pflücken von Blumen an solchen Orten ist geradezu lebensgesäbrlich. Zahlreiche Fälle von Schlangenbiß sind bereits vorge- kommen. Besonders Touristen ist bei Ausflügen die größte Vorsicht zu empseblen. Tie Behörden babe» an manchen Lite» bereits die Fangprämien erhöht. Kaincnz. Das Vergnngnngsetablifsement Vogel in Wieia brannte in der Sonntagnacht vollständig nieder. Ein Tienstmädchen soll bereits verhaftet sein. Banhrn. In der Noseschen Abfallwollspinnerei in Kir schau ist am Montag vormittag der Fabrikarbeiter August Heinrich Müller ans Nen-Callenberg tödlich verunglückt. Müller war verbeiratet und Vater von 4 Kinder». Er stand im 34. Lebensjahre. Vermischtes. V Der Bonifaziusverein für Deutschland, dessen Präsident Propst Nacke ist. hat in einem päpstlichen Breve eine Anerkennung seines segensvollen Wirkens von Pins X. erhalten. Darin heißt es auch: „In eurem Eifer, stets dort tatkräftiger z» helfen. Ivo die Not am größten ist, dehnt ihr mit Recht eure Tätigkeit ans Oester reich und namentlich auf Böhmen aus, wo man möglichst viele Katholiken auf alle mögliche Weise zum Abfall von der röminki- katholischen Kircke zu bewegen sich miss äußerste ansirengt. lind die Erfolge, welche mit reichen Mitteln dort erzielt werden, sind sehr groß. Dem Fortfchreiten des Uebcls, das, wenn ihm nicht rechtzeitig entgegengctreten wird, in kurzer 2,eit zu einem Brande entwachsen wird, der vielleicht nicht mehr gelöscht werden kann — diesem Hebel Einhalt 'zu gebieten, ist nicht bloß eure Sache, sondern all derer, welche die der Kirche dort zugesügten Unbilden und Ver lüste, sowie den Abfall ihrer Brüder beklagen. Wir zweifeln daher nicht, daß die Bischöfe im Bewußtsein ihrer Pflichten als Hirten des Volles eure Anstrengungen in der Abwehr dieser der Religion und den Seelen drohenden Gefahren immer mehr und mehr dmch ihre Autorität und ihr Wohlwollen unterstützen und besonders dafür cintrclen werden, daß euer Verein in den einzelnen Pfarreien ihrer Diözesen eingeführt und. Ivo er bereits Angeführt ist, gefördert werde. Zu allen Katholiken aber, zumal zu den österreichischen, hegen Wir das feste Vertrauen, daß sie nach Kräften euch unter stützen werden- Wenn Wir auch davon überzeugt sind, daß die selben ohnehin bereit sind, für den Glauben einzutreten, wie die Zeitveihältnisse cs erheischen, so möchten Wir doch auch Unsere Stimme erheben und sic cindringlichst ermahnen und bitten, jeden Zwist beiseite zu lassen und mit vereinten Kräften einträchtig gegen den gemeinsamen Feind der Kirche und des Staates zu kämpfen, indem sie in den Dienst eurer Bestrebungen sich stellen." v Religiöser Fanc> tis in u S. Wege » S t ö- r ii n g des tatbolischen Gottesdie n st e s hatte sich dieser Tage der evangelische Pastor Friedrich Krause aus Barinen-Wichlingbausen vor der Elberfelder Strafkammer zu verantworte». Krause batte der „Köln. Ztg." zufolge am zweiten Oslerfeiertage in der katholischen Laurentius- tirche laut gerufen: „Im Namen Gottes! Eure P r i e st e r sind G ötzendiener! Sie betrügen und betören euch! B e t e h r et euch zum lebendi g e u Gotte!" Weiter kam Krause nicht. Es wurde ihm der Mund zugebalten, und er wurde hinausgebracht. In der Verhandlung wurde festgestellt, daß bei den Ausrufen Krauses, die natürlich unter de» Kircheubesucheru eine große Ausreguug hervorgeruseu batten, der Gottesdienst noch nicht begonnen hatte. Krause mußte daher von der Anklage der Störung des Gottesdienstes freigesprochen werden, er wurde aber wegen b e s ch i m pfende » ll u fugs in eine r K irche z n drei T a g e u G e f ä n g u i s verurteilt. Zu seiner Entschuldigung gab Krause au. er habe de» iuuereu Drang in sich gefühlt, seine katholischen Mitmenschen, von denen er überzeugt sei, daß sie sich auf falschem Wege be fänden, aufzutläreu, und sei deshalb vor sie hiugetreteu. Tiefe innere Anregung babe sich ibm so anfgedrängt, als sei sie von Gott. Er werde daher auch jede weltliche Strafe gern ans sich nehmen. Tie sächsische Presse hat bis auf die „Zitt. Morgen Ztg." und die „Bantzener Nachr." von der Sache nichts gebracht. Wie anders wäre es gewesen,hätte ein katholischer Geistlicher in einer protestantischen Kirche sich so ansgeführt, wie der Protestant in der katholischen Kirche, so hätte diese Presse nicht schnell genug den Mann als Typus „nltramontanen Fanatismus" an den Pranger stellen können. So weiß sie gar nichts dazu zu sagen! v E i n e P rinz e s si » b a r m herzige S cb w e st e i. In der Klosterkirche der Barmherzigen Schwestern ans der .Kleinseite in Prag legte dieser Tage in Anwesenheit des Kardinals Fürslerzbischof Freiherrn von Skrbensky, der Frau Elisabeth Fürstin zu Windischgrätz und der Mitglieder der fürstlichen Familie Jsenbnrg-Birstein die Prinzessin Adelheid ,;» Jsenbnrg-Birstein, Tochter des Für slen zu Isenburg Birstein und seiner Gemahlin geborenen Frau Erzherzogin Maria Louise Annnnciata, das Ordens gelübde als Barinberzige Schwester ab. > „ I» <> I >> Ein Bauer a»S Frechen bei Köln, so erzählt der „Kölner Lokalanzciger", führte bei dem Ober landesgeriebte einen Prozeß wegen Auslösung eines Kauf- geschästs. Er verlor ihn, da nachgewiesen wurde, daß er seinen Vertragsgegner bei dem Kausabschluß durch Ver schweigen wesentlicher Mängel arglistig getäuscht hatte. Beim Lesen des schriftlichen Urteils, das ihm von seinem Anwalt zugesandt wurde, war ihm die häufige Erwähnung des „Tolus" höchst anfsällig, der wohl, wie er herausfand, für die Entscheidung ausschlaggebend gewesen sein mußte. Taß er selbst diesen Toi ns geschaffen batte, davon ahnte er — 40 — durch gänzlich rehabilitiert sein mich aber wird man vor das Kriegsgericht stellen und mir den Prozeß wegen sozialdemokratischer Umtriebe machen." „Das wird man", sagte Eisold mit fürchterlicher Stimme. Er hatte plötzlich die Tür geöffnet und die letzten Worte gehört. Alte fuhren sie herum und starrten ihn an, als hätten sie einen Geist gesehen. Kurz nachdem Frieda von der Tür geflohen und sich weinend wieder an den .Küchentisch gesetzt batte, war Ebristine mit den gefüllten Wassereimer znrückgekehrt. „Herr Gott, Freileinchen". rief sie aus, „nu weinen S' gar ' na, der Herr Administrator ist eben wieder heimkommen - - dem tun S' nur Ihren Kummer mitteilcn. Er is a strenger Herr, aber auch a guter Herr. Ter Herr Verwalter ist bei ihm." So war es. Brandt war. nachdem er nach dem Bahnhof telephoniert, unruhig in seinem Zimmer hin- und hergelaufen und als die Zeit der Rück tunst des Administrators ungefähr gekommen, war er hinausgegangen, über den Hof, und hatte dann den Birkenfclder Landweg eingeschlagen, den er ungefähr fünfzig Meter weit verfolgte. Tann kehrte er zurück und am Gute angekommen, wandte er sich wieder um, bis er in der Ferne Räder- rolleu vernahm. Ta blieb er am Endpunkte seiner Wanderung stehen und wartete. Als der Wagen heran war. bat er den Administrator, halten zu lassen und auszustcigen. den Wagen aber langsam folgen zu lassen, damit das Rasseln seine Ankunft nicht verrate. Tann berichtete er seinem Ebel haarklein die Sachlage, so weit er sie selbst kannte. Eisold tobte innerlich, rasch schritt er aus und stürmte die Treppe hinaus. Ta trat ihm an der obersten Stufe Frieda entgegen und sagte mit fliegen dein Atem: „Herr Administrator, um Gottes willen, ein Wort — " und zog ibn in ihrer Erregung am Arm in die Küche. Erstaunt und unwillig ob des Aufent haltes folgte er ihr und nun legte sie, nachdem Brandt und Christine sich zurückgezogen, ein volles Geständnis ab. Das brachte den Alten völlig außer sich. Mit den Worten: „Verlassen Sie sich darauf, mein Kind, Ihnen soll Genugtuung wer den", stürmte er an ihr vorüber nach dem Wohnzimmer und stand im nächsten Augenblick den drei dort Anwesenden gegenüber. 8. „Ludwig!" rief Marie erschrocken, „Verwünscht!" entfuhr es den Lippen des Salmes, als er den Vater plötzlich vor sich sah. „Ja", sagte der Vater, der sich an der Bestürzung der anderen geweidet und nun sah. daß er Herr der Situation war-, das half ihm einer maßlosen Aufregung, in die ihn Brandts und Friedas Bericht versetzt hatte. Herr zu werden und seine Haltung wicdcrzugewinnen. „ja", sagte er, voller Holm zu seinem Solmc gewandt, „das glaub ich, daß dir das unerwünscht kommt. Indessen", fuhr er streng fort, „hier bandelt es sich nicht um deine Gefühle auch nicht um die meiuigen. Hier liegt cs mir zunächst ob. meine Pflicht zu tun: Im Namen des Gesetzes, ich verhafte dich!" „Tu — mich?" brauste nun Ullrich auf — „weshalb? Und mit welchem Rechte?" „Ta, Freileinchen, esten S' halt a bisil. Das wird Ihnen gut tun." Obwohl Frieda die Teilnahme des einfachen Mädchens von Herzen wohl tat, war cs ihr doch nicht möglich, einen Bissen herunter zu bringen. Tic Unterredung da drinnen dauerte ja so lange, io furchtbar lange, wollte gar kein Ende nehmen. So tagte sie denn mit einem schwachen Versuche, zu lächeln, zu Christine: „Wie gut Sie sind wie danke ich Ihnen! Aber ich bin nicht hungrig!" „Versuchen Sie's schon, cs wird schon geben", tagte jene gutmütig, ..un behalten's halt den Kopf oben, Freileinchen 's gebt alles amal vorüber." Frieda dankte nun mit einem schwachen Lächeln und hing wiederum ihren Gedanken nach. Ta wurde cs der guten Christine unheimlich in der Gesellschast des schweigsam vergrämten Elastes und sie ging hinaus, einen Wassereimer erfassend, um ibn am Brunnen zu füllen -- nicht, als ob es nötig gewesen wäre, sondern lediglich, um binweg zu kommen. Sobald sie sich allein sab, schlüpfte Frieda zur Küchenlür hinaus nach der Stube. Als ihr aber von dort durch die Spalten der Tür eine fremde Stimme emgegendrang. stutzte sie, und anstatt anznklopfcn und einzutreten. wie cs anfangs ihre Absicht gewesen, legte sic das Obr an die Türwalte. „Sie haben", fuhr der Pfarrer drinnen fort, „ebenfalls schwer gefehlt, Frail Eisold. Ich weiß ja nicht, ans welchen Gründen Sie einst Ihrem Pflegevater die Hand am Altar reichten, während Sic dessen Sobn liebten und das werden Sie doch nicht bestreiten wollen. Was ich da börte nnd iah - " „Ich bestreite es auch nicht", sagte Marie ruhig und fest, „aber ich will Ihnen auch meine Beweggründe enthüllen —" Weiter börtc Frieda an der Tür nichts. Vor ihren Augen tanzte es. in ihren Obren ertönte ein Sainen. das Blut strömte zu ihrem Herzen und die Kehle war ihr wie zngeschnürt sonst hätte ne wob! einen lauten Schrei ansgcsioßen. So eilte sie mit fliegenden Gliedern in die Küche zurück, barg ihr Gesiebt in die Hände und schluchzte herzbrechend, bitterlich. ..Mein Vater", fuhr indessen Marie drinnen ruhig fort. ..batte nach Beendigung seiner Tienstzeit gleichzeitig mit meinem 'Manne einen Posten im Magistrat erhalten und wurde alsbald dem Hauprkas''enrendanlen als Hilfsarbeiter überwiesen. Ein anderer, ebenfalls in diewm Bureau be schäftigter Beamter ließ sich zur Unterschlagung einer größeren Tumme ver leiten und der Verdacht siel auf meinen Vater. Nur En'olds Bemühungen war es zu danken, daß der wirklich Schuldige ermittelt und die Ebre meines Vaters wieder hergcstellt ward. Aber nicht spurlos waren jene entsetzlichen Tage an ihm vorübergcgangcn. er kränkelte und starb bald — der Verlust seiner Frau, die starb, als sic mir das Leben gab, bat den Verlaus der Krankheit beschleunigt. In liebevollster Fürsorge nahm sich Eisold auch kier seiner an und versprach, für mich zu sorgen, wenn das Ende kerankommen sollte. Ta nahm mein Vater, als er die kommende Auslösung unabwend bar herannahcn fühlte, Schreibzeug und Papier und schrieb nieder, was ich Ihnen soeben erzählte. Ten Bericht versiegelte er und schrieb am den Um schlag: „Meine letzten Worte an mein Töchtcrchen Marie — idr uneröffnel am Tage ihrer Einsegnung zu übergeben." Als ich nun das Siegel nur