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Sächsische Volkszeitung : 19.03.1924
- Erscheinungsdatum
- 1924-03-19
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-192403190
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19240319
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19240319
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1924
-
Monat
1924-03
- Tag 1924-03-19
-
Monat
1924-03
-
Jahr
1924
- Titel
- Sächsische Volkszeitung : 19.03.1924
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lwMet 87 — Wr Dahrgang Kmol wöchentl. verugrprelü für MSrzLLS Rent--Marl Inreigen» Berechnung der Anzeigen nach Rent.-Mark kreise: Die eingespaltene Petttzrile SO«), f. Familien-u. VeretnSanzeigen, Gesucke 15 H. Die Letit-Rellamezrile KV mm breit, 1 Lfleriengebühr sür Selbstabholer 1b<Z. bei Ueberiendung durch die Post außerdem Portozuschlag. frei! sllr Me cinrelnummer io llealen-rlenntg. Eseschäslftchrr^Teil:L Ioses tzodmanu. Dresden Siickllftve Mittwoch, IS. März 1924 Im Kalle höherer Gewalt erlischt jede Verpflichinng cmi Lteierung sowie Erfüllung von Anzeigen-Austrngen und Leistung von Schadenersatz, Für undeutlich und durchFern- sprecher übermittelte Anzeigen übernehme» >vir keine Ver- antwortrmg. Unverlangt eingesandte und mit Rückporto nicht versehene Manuskripte werden nicht ausbewahrt. Sprechstunde der Redaktion 5 bis 6 Uhr nachmittags, tzauptschristleiter: Dr. Aosef Albert. Dresden volHMung Tageszeitung für christliche Politik und k ..eswäftsftr»« der eächstschrn tvolks>rtt»ua nnd ätruct »ud Ve> lag Caxoiila-Buchdnickeret GmbH-, M Dresden-A. is. Holbeinslrnße iS. ßenirnl S27L2, Post- cheiktoiNo Dresden I17M MkkWW m» M»' K MI! »er M » M «Leben Ntedaktton der LachslsNien Volkszeitnug Dresden-A. l«. Holbelnstrnhe 18. gerinnt 327L2 nnd WS38 Men-iirff M die »Slkisthe Religioii Von Dr. Otto Kunz«, München- Vor den Schranken des Münchner Volksgerichts war Luden» borsfs Ausfall gegen den Katholizismus und dessen wirkliche oder vermeintliche politische Fernwirkungen keine Entgleisung noch eine an den Haaren herbeigezerrte Prozeßhilfe. Die sog.! völkische Bewegung mußte sich in ihrem Angriff alsbald an dieser Front festrennen. Tenn hier steht ihr mächtigster Gegner, die katholische Kirche. Sie ist die einzige religiöse Ejrjchtung großen Stils — die einzige Einrichtung fast überhaupt ank Erden — die sich nie dem Staat unterordnete. Tie Kirche weiß sich als neue Menschheit, die übernatürlich abstammt vom zweiten Adam, Jesus Christus, dem menschgewordencn Gott. Darum sind ihre Bande heiliger als die oes Volkes, ihre Ordnungen höher als die des Staates. Den Völkischen ist Staat oder Volk das Absolute, der höchste Wert uno Zweck. Für Religion und Moral bedeutet das Unterwerfung unter oie Politik: oder Religio» und Moral sind Privatsacl>e. Das liberale Zeitalter entschied sich für die zweite Möglichkeit. Unsere Völkischen aber sind nicht mehr durchgängig liberal. Es wäre ja ein Wunder, wenn nicht auch ihre Kreise, ihre Jugend vor allem, vom Drang nach dem Absoluten, Unbedingten, Feststehenden ergriffen wäre, der die ganze Nach» kriegsmenschheit gepackt hat. Der vielfach ähnliche italienische Faschismus erblickt ja im Liberalismus gerade das Alte, dessen Ueberwindung er sich rühmt. — Nun hindert zwar die Ver» lagerung des Absoluten im Volkstum oder Staat die jüngeren Deutschvölkischen, der Religion den ihr gebührenden ersten Play zu geben. Unreligiös aber wollen sie nicht sein: „Wir sind im Gegenteil davon überzeugt, daß oie völkische Bewegung von einer Inneren unbewußten Religiosität mttgetragen wird." So schreibt Heinrich von Gleichen in einem nach verschiedener Hinsicht be merkenswerten Aussatz „Ludenoorff als Politiker" in der von Eduard Stadtler herausgegebcnen Wochenschrift „Gewisse n" (Nr. 10 vom 10. März 1924). Was für eine Religion von Gleichen dorschivebt, führt er in kritischer Stellungnahme zu Luden dorff und zu den katholischen Gegenerklärungen von Marx jund Brauns aus: „TaS Zentrum rettet kein BraunS, kein Marx mehr. Mit dem Zusammenbruche des Weimarer Scheinreickles wird auch dieser Unsegen Deutschlands verschwinden. Wir können nur hoffen, daß dann die Führer der Kirche aus einer freieren, von Parteivorurteilen befreiten Blickeinstellnng das für di« deutsche Christenheit Nottvendige erkennen werden. Hier liegt aber auch eine unbestreitbare Schwäche der Ludcndorffschen Stellungnahme zum Katholizismus, so daß er selbst nicht zu positiven Gedanken und Forderungen vordringt. Während er Recht hat, mit der Zentrumspolitik abzurcchne», und die tief» eingewurzelte Abneigung Roms gegen eine evangelische Dy nastie und Kirche in Deutschland berührt, die Nom als Un regelmäßigkeit und Krankheit betrachtet, rührt er, ohne eS zu wissen, das Problem der evangelischen Kirche selbst an. Ludendorff hat BraunS aus seiner Zurückhaltung herausgelockt, da dieser Ludendorff zum Vorwurf macht, daß «r sich sür ein evangelisches Kaisertum einseht mit den Worten: „Man müßte dafür Verständnis haben, daß das Kaisertum über den Konfessionen stehen sollte." Wir stehen auf dem Stand punkt, oaß wir eine deutsche Kirche brauchen, die die Versöhnung zwischen dem katholischen und dem evangelischen Bekenntnisse bringt. (Stecken hier die obigen Hoffnungen auf die Führer der Kirche? Der Verfasser.) Wir stehen ans dem Standpunkt, daß der Träger />es Staates als Ausdruck seines nationalen völkischen Willens diesen Einheitsgedanken so vertreten und darste'len sollte, wir «inst ein christlicher Kaiser Deutscher Nation. Die evangelische Kirche hat ihren Patron verloren. Sie entbehrt der eigenen Hierarchie. Sie verfügt nicht über eine geschlossene Einheit des Wollens uno Denkens, einheitliche Disziplin und .festeingewurzelte Autorität gegenüber ihrer Gemeinde. Tie katholische Kirche ist in allen diesen Beziehungun überlegen und reicher. Aber obwohl die katholische Kirche nichts verloren, Ihren Bestand behauptet uno ihren Einfluß in der Welt im großen gesteigert hat, macht sie in Deutschland nicht diejenigen moralischen Eroberungen, die sie aus ihrem Machtgefühl sich wohl zutrauen möchte. Sie ist sehr vorsichtig mit ihren Me thoden des propagandistischen Vorgehens geworben. Sie fühlt deutlich die fast blutmäßig zu nennende Gegeneinstellung in den altevangeltschen Landesteilen gegen Rom. Sie versucht die natürlichen Voraussetzungen für den Widerstand, oaß etwa das protestantische Denken mehr dem nordischen Charakter eignet, abzustreiten. Aber indem sie die völkische Bewegung als eine heidnische anspricht, gibt sie diesem Widerspruch doch ge wissermaßen Recht." (Sperrungen von uns.) Es ist gut, wenn das religiöse Ideal der Völkischen so pffen ausgesprochen wird und zugleich auf einer höheren Ebene, als die durchschnittliche Publizistik bietet Wir haben das Zeug nis ohne Zweifel sehr ernst zu nehmen. Von Gleichen verwahrt sich ,tm Zusammenhang dagegen, daß die völkische Bewegung oder .Politik heidnisch sei. Sie sei ja religiös. Das wird ncht be stritten. Auch da« Heidentum ist religiös, kan» sogar viel farbige religiöse Blüten treiben.*) Wir nennen jedoch heidnisch alle Religion, die ein Diesseitiges zu Gott macht: Natur, Volk. Staat, den Menschen oder einen Heros. Unsere Religion ist jenseitig, scheidet Gott von allen Dingen dieser Welt und schreibt in Offen- bannig und Kirche oen einzigen Weg Hu ihm vor. Eine oeutsche Kirche, deutsch auch im Dogma — und das heißt doch: Versöh nung zwischen dem katholischen und evangelischen Bekennt nis — als Beziehung selbst zu einem nicht bloß deutschen Gott Ist hiernach ausgeschlossen. Mit Recht spielt H. von Gleichen auch Nus da- Problem ocr evangelischen Kirche an. Tenn der "religiöse Protestantismus will von einer deutschen Kirche ebenso venig wissen, wie der Katholizismus. Der Widerspruch orr Alt- ntheraner gegen die Union mit den Reformierten in oer alt- preußischen Landeskirche steht als achtbarer Beweis da. Ein *) Dr. P. Erhard Sch lun b, Neugermanisches Heidentum heutigen Deutschland. München 1924. Verlag Dr. Franz .Pfeiffer,«, Lo< Der Streit um die Neparationssilmme Der entgegengesetzte Standpunkt Frankrelch» und Englands —Die volle Leistungsfähigkeit Deutsch land» im Jahre 1928 erreicht? Die MeiniiiiWtrlMeilliciten der Schmstäiidigk» Paris, 18. März. Nach dcm Ncuhork Herald glauben die Mitglieder der beiden Sachverständigenansschüsse, daß Deutschland im Jahre 1928 seine volle Leistungsstthigkcit znrnckcrlangt habe,, werde. Die Sachverständigen seien sich jedoch nicht schlüssig, wcl. chcn Betrag Deutschland in diesem Augenblick auf Rechnung der Reparationen zu entrichten in der Lage sein werde. Tie fr an. zö fischen Delegierten behaupten, daß daS Reich einen Höheren Betrag, als das Londoner Zahlungsabkommen vorsieht, zahlen könne. Die britischen Sachverständigen hatten sich jedoch auf eine weit geringere Summe fcstgelegt. Gewisse Meinungsverschie denheiten herrschen unter den Sachverständigen auch hinsichtlich der Besteuerung der Industrielle» vor. Man habe berechnet, daß diese auf Grund der Markentwcrtnng einen Gewinn von mindestens zehn Milliarden Golbmark erzielt Hütten. Im Hotel Astorial gibt man sich der Erwartung hi», daß in den nächsten Tagen eine be friedigende Lösung dieser Fragen erreicht werde, wahrscheinlich Im Zusammenhang mit den industriellen Pfandverschreibungen, die für einen längeren Zeitraum mit 5 Prozent Zinsen ausgenommen werden sollen. Man verspricht sich von Ihnen bedentcndc Ein künfte nnd erwartet, daß sich auch tteberschüsse zur Zahlung der Reparationen ergeben werden. Gestern wurde im Hotel Astoriak versichert, baß die Schlufibcrichte der beiden Ausschüsse bis znm 1. April an die NeparationSkommission gelangen werden. l standen. Mit der Feststellung dieses Tatbestandes ist die große wirtschaftliche Bedeutung oes 15. April zweifellos dargetan. Jetzt ist die Sack)« so, daß wenn die Befürchtungen, die sich auf wirt schaftlichem und politischem Gebiet an den 1b. April knüpsen, sich tatsächlich erfüllen, die Neuwahlen sür den Reichstag unter oer Einwirkung einer außerordentlich starken wirtschaftlichen nnd politischen Depression statlsinden müssen, also genau das Gegen teil von dem eintritt, was man ursprünglich hat eigenlich ver meiden wollen. Daß Wahlen zu Zeiten wirtschaftlicher Depression stets zugunsten der Opposition ansschlagc» müssen, ist eine Tatsache, die nicht näher bewiesen zu werde» braucht. Soviel steht fest: der 15. April kann unter Umständen zu einem kritischen Tag erster Ordnung werden, nicht nur sür das deutsche Reich,'! sondern auch für die wirtschaftliche Lage Europas, aenn die! Hang mit dem gesamten Reparationsproblem, mit dem gesamten Ncparationsproblem. Der Killer-PraB !>er 15. April Der Ablauf der sogenannten Mikum-Verträge beziv. deren Ni'chtenlcuerungcn am 15. April hat in de» Besprechungen der Partei während der letzten Wochen vor Auflösung des Reichstag« eine bedeutende Rolle bei der Frage gespielt, ob eine baldige Auflösung und schnellste Neuwahlen des Reichstages erfolgen sollte. Tie Bedeutung dieser sogenannten Miknm-Verträge liegt darin, daß sie nach Beendigung des Rnhrabwehrkampfes der Wiederanbahnung geordneter wirtschaftlicher Verhältnisse im Ruhrgebiet und darüber hinaus im übrigen besetzten und unbe setzten Deutschland herbeiführen sollten. Das ist trotz der ge waltigen Belastung, die die Ausführung der Miknm-Verträge für das deutsche Wirtschaftsleben beoeutsi, bis zu einem gewissen Grade gelungen. Die Arbeitslosigkeit hat wesentlich abgenommen und das Wirtschaftsleben im besetzten Gebiet insbesondere im Ruhrgebiet hat zweifellos eine», wenn auch bescheidene» Auf schwung erfahren. Dabei ist allerdings zu beachten, daß nicht all« mit der Mtkum geschlossenen Verträge am 15. April nb- lanfe». Eine ganze Reihe von Verträge» sind wesentlich später abgeschlossen und werden über den 15. April hinaus Geltung behalten. Aber die wichtigsten Verträge, d. h. die zwischen der deutschen Industrie und der Mikum abgeschlossenen Verträge, fin den am 15. April ihr Enoe, wenn nicht eine Erneuerung der selben erfolgt. Das scheint aber nicbt der Fall sein zu sollen. Tie deutsche Industrie hat wiederholt erklärt, daß sie bei der außerordentlichen Belastung, die die Ausführung der mit ihr abgeschlossenen Verträge sür sie bedeutet, nicht in der Lage ist, dieselben zu erneuern. Nach Meldungen Pariser Blätter sind vor läufig auch keine Anzeichen dafür zu bemerken, daß die franzö sische Regierung durch irgendwelche Angebote eine Verlängerung der Mikum-Verträge zu ermöglichen gedenkt. Das vorausgesetzt, würde also am 15. April ein verlragloier Zustand eintreten, der möglicherweise die chaotischen Zustände wieder herbeiführen kann, oie während des Ruhrkampses und unmittelbar nach demselben im alt- nnd nenbesetzten Gebiet be- MUnchen, 18. Dkirz. In der M o n t a g v e rh a u d! n u g drS Hitlerprozesscs wird als weiterer Zeuge Sanitätsrat Dr. Pit- tinger vernommen, der erklärt, er habe mit Pöhner gesprochen. Dieser habe schwere Bedenke» gehabt, weil er glaubte, daß Kahr doch die nötige Aktivität nicht hätte, die man in dieser Zeit vom Generalstaatskommissar erwarten müßte. Ich habe Ausscß ge beten, Kahr t» meinem Aufträge folgendes zu sagen: Die Stim. miing in den vaterländischen Kreisen ist keine gute, weil von sei ten des Gcncralstaatskoinmissars die Erwartungen auf Behebung der allgemeinen Not nicht erfüllt werden. Ich sehr heute schon den Tag komme», wo die Stimmung dazu führt, daß die Ver bände, die treu zu Kahr stehen, ihr Trcueverhältnis lösen. Ich werde das niemals mitmackien und werde mich dann lieber voll, ständig anS der Bewegung zurückzichen, als in Gegensatz zn Kahr zu kommen. Es eiitspinnt sich dann eine längere Auseinandersetzung zwi schen den Angeklagten Pöhner und Dr. Pittinger. Hit- ler gegenüber erklärt der Zeuge, die Unzufriedenheit sei ganz allgemein in die vaterländische Bewegung hineingedrängt nor den. Aus dem Gedanken heraus, daß die Währungsfrage vou Bahern aus nicht gelöst werden konnte, entstand der Vorschlag der Bildung einer rechtsgerichteten Ncichsregierung. Rechtsanwalt Holl schneidet dann die Frage nach der Ur heberschaft der -v wciß-blanen Broschüre an. Zeuge Pittinger verliest einen Brief, aus dem hervor geht, daß weder Kahr »och Lossow, noch Scisser die Broschüre ver- faßt, noch der Verfasser in dienstlicher Anhängigkeit von den drei Herren stehe. Die Nennung deS NanwnS wird mit dem HinmelS auf das Berufsgeheimnis abgelchnt. Der Rechtsanwalt aber be steht ans der Namensnennung und fordert einen Gerichtsbeschluß, der Aurückgestellt wird. Dr. Pittinger: Für mich war es, als ich die ersten Nachrichten vom Bürqerbräukeller hörte, von vornherein klar, daß die drei Herren unter einem gewissen Zwange ge handelt haben müssen. Justizrat L u e tg e b r » n e macht folgende Feststellungen: Lnbendorff habe stets die Auffassung vertreten, daß man I» Deutschland augenblicklich dringendere Aufgaben habe, als sich um die Stnatsform und die Staatsversassnng zu kümmern. Als Zeuge dafür soll Ingenieur PräioriuS aus Dresden geladen wer den. Ferner habe sich Ludendorff bis in den November 1928 auf den Siandvnnkt gestellt, daß anch eine Aenderung der NegierungS» art durch Berlin nicht durch Putsch, sondern durch eine durch legale Gewalt nnterstttbtc Bewegung erfolgen müsse. Auf Ver langen LossowS und .KahrS habe Ludendorff noch am 7. und 8. No. völkischer Kulturkampf richtet sich also auch gegen die gläubige» Protestanten. Lndenborffs Stellung zur Religion weicht von oieser sniigvölkischen merklich ab. Von einer deutschen Kirche spricht der General nicht. Er gehört noch dem älteren Geschlecht an, das die Religion dcm einzelnen überläßt und vom praktischen Leben absondert. So konnte er sagen, er achte die Segnungen der katho lischen Kirche so hoch wie die oer evangelischen: und so konnte sein persönlicher Freund, General von Hildebrand ihm vor Ge richt folgendes bezeugende: „Ich habe ferner gelesen, daß man den Ausführungen Ludendorfss unterstellt Hai, als habe er von einer katholi schen Gefahr gesprochen. Ich bin in der Lage, auch darüber seine Ansichten äußern zu können. Lndenborff hat oie beiden Konfessionen, die katholische und die protestantische, vollkom men gleichgestellt. Ich erinnere mich genau, daß er vor Mo naten zu mir sagte, er stehe ans dem Stcindvuiikte Friedrichs des Großen, jeder werde nach seiner Fasson selig. Ludendarsf ist von einer außerordentlich tiefen Frömmigkeit, wie ich sie viel leicht bei allen meinen Kameraden nie wieder gesehen habe. Ich habe kaum eine Rede von ihm gehört, in der er nickst von Gottvertrauen sprach nnd damit war es ihm tief ernst. Lnden- dorff hat aus christlichen Gründen niemals die Katholiken hinter die Protestanten gestellt, im Gegenteil, er wertete oft Segnungen be-dcr Konsessionen gleich." (Bericht der „Münch.- Augsb. Abendzeitung" Nr. 63 vom 9. Marz 1924.) H. v. Gleichen vermißt denn auch in Ludendorfss Steslnng- nahme das eigentlich Positive. Und wir fragen: Wie erklären sich jetzt die heftigen Angriffe des Generals ans katholftck,« kirch liche Instanzen und seine Verdächtigung katholischer Politiker als nicht national? Es ist, blickt man tiefer, der altliberale und alt- preußische Verdacht wider jenseitig verankerte Religion. Die In stinkte des Kulturkampfes der 70er Jahre leben noch und finden ein lautes Echo in den Massen der liberalen Spftßbürgev. Nicht in der besseren völkischen Jugend. Auch der Jungdent- s.chs Orden ist in einer Knnd.gebnng seines Hochmeisters»Artur Mahraun von Ludendorfss Ausfällen abgerückt. Ein paar Worte noch, um das Problem Religion und" Volkstum zu klären. Das Streben der Jungvölkischen, aie Vaters lnndsliebe religiös zu verankern, ist recht und gut. Aber es darf nicht auf Kosten der Reftaion aehen. Der katholisch« Stand-, Punkt ist neuerdings theologisch wissenschaftlich bargeleqt worden.*) Man kann sogar von einer Heiligung des Staates sprechen. Der Staat wird dabei nicht vergottet, sondern in die religiöse Sphäre gehoben, wie etwa die Familie ourch den Charakter der Ehe als Sakrament. Ein Beispiel ist jede Krönung mit kirchlicher Weihe," vor allem die Krönung der alten römischen Kaiser deutscher Nation! oder der Könige von Ungarn. Gerade die ungarische Stevhans- krone ist heute noch daS lebendig empfundene und heilig ge haltene Symbol des Staates. Anderswo ist es ein himmlischer Schützer, wie St. Wenzel in Böhmen, die Jungfrau von Orleans in Frankreich oder Maria als Patron« Bavaria in Bayern. J»k Anschluß an letzteres prägt Franz Wetzel (Bayerns deutscher! Beruf, Allgemeine Rundschau, München 1923, Nr. 481 den Sah, jedes Staatswesen, wenn es nicht durch ausnahmsweise günstig« natürliche Verhältnisse eine geschlossene Gemeinschaft darslclle^ müsse eine Art Theokratie sein. ..Wo nationale Gesinnung sich mit religiös-sittlscher. Iml Transzendenten wurzrlnorr GlaubenSkrast zur AnschauungS- nna Tateinheit verbindet, dort Ist scann schöpferischen Staatsmann«! «In Ewigkeitskit» für seine Schöpfung in die Hand gegeben."! Die völkische Formel von der deutschen Kirche gagegen odee Ludendorfss Ansicht von den Segnungen des Christentums alL Mittel zur Staatserziehnng sind der Too der Religion. Denn Re^ ligion kann auf die Dauer nur herrschen oder absterben. Nnd wenn sie abstirbt, was nützt sie dann Staat oder Volk? *) Dr. P. Erhard Schlund, Katholizismus und Vaterlands München 1923, Dr. Franz A. Pseisfer u. Co,
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