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Sächsische Volkszeitung : 02.08.1920
- Erscheinungsdatum
- 1920-08-02
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-192008028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19200802
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19200802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1920
-
Monat
1920-08
- Tag 1920-08-02
-
Monat
1920-08
-
Jahr
1920
- Titel
- Sächsische Volkszeitung : 02.08.1920
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ir.LV4 1». Jahrg. »«» ««HE»«» SW,.».».«. L>. « SöMsche 2. August 1d20 F4,»sP»«ch«» »1«« P«ft§ch,M»»«tor Leipzig «». Lt?M volHMuna Sächsische Volksjeitung erscheint an olle» Wochentagen nachm. - Sprechstunde der Redaktion: 11 bi» li, Uhr vorm. I Fernsprecher aufg.gebene Anzeigen können wir die Verantwortlichkeit s»r tue Richtigkeit de.- -r-r>e» licht bern hmea Russischer Sieg — bolschewistische Niederlage In den folgenden Ausführungen, die uns von einer besonderen Seite zugestellt werden, wird das bolsche wistische System, fußend auf der bisherigen Entwicklung, unter einem anderen Gesichtspunkte, als cs im allge meinen geschieht, betrachtet. Obwohl uns der Verfasser etwas allzu optimistisch in die Zukunft zu blicken scheint, glauben wir dennoch, seine Betrachtungen unsren ^rser» nicht vorenthalten zu dürfen. Ununterbrochen ging in den letzten Wochen der Vormarsch der russischen Truppen vor sich. Im Norden wie im Süden der langen Front setzten sie gewaltige Truppenmassen ein, vor deren Uebermacht die Polen sich zurückziehen mußten. Die glänzende Führung der bol schewistischen Heere überschaute mit strategischem Blick alle Lagen der weichenden Armeen, setzte hier und dort zu Flankenangriffen neue Scharen ein, und unaufhaltsam wälzten-sich die geschlagenen Polen dem Westen zu. An verschiedenen Stellen versuchten die Russell nach deutschem Muster die große Zange, die auch teilweise in Kraft treten konnte. Polens Lage ähnelt heute der des Deutschen Reiches im Oktober 1918. Die Front „gruppiert sich rückwärts", die Heeresbe richte verschweigen große Niederlagen. Aber etwas ist anders: Die Stimmung in der Heimat. Ein« gewaltige Begeisterung hat das Volk ergriffen. Das Vaterland ist in Gefahr, so hallt in der Studierstube, in der Universität, in der Arbeitsstätte, ja selbst auf den Bureaus der sozialdemokratischen Verbände der Ruf. Und alles eilt zu den Waf fen, um zu retten, was noch zu retten ist. Nun werden die ^Fnedensverhandlungen beginnen. Die ersten Meldungen über die bolschewistischen Bedingungen lauten für die Polen nicht günstig. Und dennoch ist nicht zu erwarten, daß sie unannehm bar sein werden. Die Führung der bolschewistischen Außenpolitik ist so sicher vorbereitet und erfolgt in einer — man möchte sagen gerissc- nen — Weise, daß ihre Forderungen nicht maßlos sein werden. Sie werden allerdings so abgefaßt sein, daß für Polens Unterhändler ein ganz genaues Studium auf versteckte Fallen notwendig sein wird. Denn das Ziel der Weltrevolution wird von den ruffischen Volks kommissaren nicht aufgegeben und der Weg hierzu führt über Polen. Kommt ein Frieden zustande, dann beginnt die Unterhöhlung des polnischen Volkes mit bolschewistischen Ideen von neuem. Ein lang samer aber sicherer Weg für Sowjetrußland zur Erreichung seiner Ziele. Wir haben schon darauf hingewiesen, daß der Bolschewismus, wie er heute besteht, fast keine Ähnlichkeit hat mit dem vor etwa einem Jahre. Tie Zeit des großen Freiheitstaumels im russischen Paradiese gehört längst der Geschichte an. Der russische Arbeiter merkte den Weg nicht, den seine Kommissar« schritten und eines Tages war die Pflicht zur Arbeit Gesetz. Und als dieses nichts half, wurde di« Zwangsarbeit verkündet und damit begann für den russischen Ar beiter eine Zeit, die ihn in Fesseln legte. Alle in der ersten Begeiste rung des Sieges der sozialen Revolution vorgenommencn Reorgani sationen gingen den Weg des Vergänglichen, nachdem man eingesehen hatte, wie sie nicht nur Nichtausbauen, sondern vollkommene Zerstö rung nach sich ziehen. Und so begann langsam die Erholung, nachdem man vorher mit einem einzigen Schlage alle Werte vernichtet hatte. Wenn nun die Verhandlungen zu einem wirklichen Frieden füh ren, dann ergeben sich zwei günstige Folgerungen für den allgemeinen Weltfrieden: Polens Imperialismus ist dahin. Seine begehrlichen Augen werden vorläufig nicht mehr auf Litauen, auf der Ukraine, auf Weißrußland und auf Teschen liegen. Es ist gestraft, nachdem sich die Verzettelung seiner Kräfte nach allen Richtungen hin schwer ge rächt hatte. Und das zweite günstige Ereignis ist der Zusammenbruch des Bolschewismus. Oben haben wir bereits darauf hingewiesen, wie das, was bisher viele unter uns als das rein Bolschewistische be- zeichneten, hinweggefegt wurde von der Entwicklung der Wirtschaft. Ist dieser Kampf gewonnen, dann wird Rußland an den weiteren Ausbau seiner Wirtschaft Herangehen. In der Zwischenzeit werden ja nach verschiedenen Richtungen hin kleinere kriegerische Operationen stattsinden, schon um die Roten Truppen zu beschäftigen, deren sofortige lieberleitung in das Wirtschaftsleben nicht ganz möglich sein wird. Bei dem Neuaufbau wird dann noch manches von dem schwinden, was unter bolschewistischer Herrschaft eingeführt sich nicht bewährt hat und wird sich so loskristallisieren vom Urbolschewismuss. Vorausge setzt, daß nicht neue schtvere Erschütterungen irgend welcher Art durch andere übersoziale und übernationale Phantasten eintretcn, dürste sich ein Rußland entwickeln, das als Musterbeispiel für die soziale Reor ganisation aller Staaten dienen kann. Soweit wir die russische Volksseele kennen, geschieht das unter einer außerordentlichen Erstarkung des christlichen Gedankens. Es werden noch schwere Zeiten dahin gehe» über das russische und auch über andere Völker, bis allmählich sich der Stern der christlichen Idee leuchtend und strahlend zeigen wird. In ihm aber geschieht dann der soziale Ausbau, der dann weder auf sozialdemokratischen Ideen irgend welcher Art noch auf bolschewistischer Grundlage sich entwickeln wird, sondern der aus dem Gedanke» des Solidarismus geboren wird. Was heute Rußland tut, um dieses Ziel zu erreichen, ist nichts anderes, als den Schienenstrang der zur Endstation führt, vor sich selbst anfzureißen, um die schnelle Entwicklung aufzuhalten. Der Ge schichte der Welt und der Völker sind die Bahnen vorgeschrieben. Da nutzen keine Bremsklötzen und Unglücksfällc. um diese Entwicklung auszuhalte». Ex oriente lux. Rußland beweist eS und sollte unseren Phantasten zu denken geben. Weite Kreise, die sich nationale neunen, erwarten heute unge duldig das Eindringen bolschewistischer Truppen in unser Vaterland. Sie fußen in ihrer Zustimmung zum Bolschewismus auf den Eintritt russischer nationalistischer Kreise in die Rote Armee. Daß jene diesen Weg beschritten nicht aus Begeisterung für de» Bolschewismus, son der» um durch ihr Mitwirken dem Vaterland zu dienen durch Ver wirklichung ihrer Anfbaugcdanken, deren Notwendigkeiten sich die heutigen Kommissare nicht verschließen, bleibt unseren Nationalbolsche wisten verborgen. Sie wünschen den heutigen Bolschewismus und sehen nicht, daß auch wir dann erst alles das zerschlagen müßten, was >e Arbeit zu tun und so die er- chuld erst lange Zeit später in noch vorhanden, um dann überfli wünschten Zustände durch eigene Kraft treten könnten. Der alte Bolschewismus bricht zusammen. Sein heutiges Wesen zu stärken durch sehnsüchtiges Herbeirufen und ihm damit andere Wege öffnen als jene, die seinem Abbau jetzt gegeben sind, heißt nicht nur Zusammenbruch auch unseres Vaterlandes, sondern ist ein Ver brechen an allen Völkern, deren Zukunft durch die Ereignisse, die in Rußland heute sich vorbereiten, bestimmt wird und die dem christlichen Solidarismus aller Länder den Wegweiser bilden werden. Die Auswanderung nach Rußland In der deutschen Techniker- und Arbeiterschaft wird jetzt von kommunistischer Seite eine durchaus nicht erfolglose Propaganda für die Auswanderung nach Rußland gemacht. Auf Ersuchen äußerte sich darüber daS R ei ch s w a nd e ru n g s a m t der „Kölnischen V o l k s ze itu n g" gegenüber folgendermaßen: Es ist richtig, daß Sowjetrußland Ingenieure, Techniker, Hand werker und gelernte Industriearbeiter braucht; es kann sie jedoch erst dann beschäftigen, wenn die nahezu gänzlich verwahrlosten russisch?» Industriebetriebe mit den allernotwendigsten Maschinen, Maschinen ersatzteilen, Werkzeugen. Chemikalien usw. beliefert werden. Noch nötiger braucht Rußland technische Kräfte für die Wiederherstellung deS völlig zusammengcbrochenen Eisenbahnwesens, aber auch hier fehlt eS an allem. Rußland will daher erst Lokomotiven, Eisenbahnwagen und sonstiges Eisenbahnmaterial, ferner Ausrüstungen für die Eisenbahn- iverkstätten usw. haben, denn bevor nicht die inneren Transport- schwierigkeiten behoben sind, kann cs weder die eigene Industrie noch das Ausland mit Rohstoffen versorgen. Anderseits ist sowohl die deutsche Industrie als auch diejenige anderer Länder, mit Ausnahme vielleicht von Amerika (das die Lieferung von 1000 Lokomotiven über nommen haben soll, nicht in der Lage. Maschinen und dergleichen Jndustrieerzeugnisse nach Rußland abzugeben, solange letzteres höchstens Gold oder Platin, aber keine Rohstoffe anbieteu kann. Für Bankbeamte sowie für Kausleute sind die Aussichten weniger günstig, da der Handel voraussichtltch von den bäuerlichen Wirtschalts- genosstnschasten beherrscht werden wird. Eine landwirtschaftliche An siedelung wird in absehbarer Zeit ebenfalls nicht in Frage kommen können, da die landhungrige russische Bauernschaft, die in Sowjet rußland das Wort führt, von der Abgabe von Ländereien an Aus länder nichts wissen will. Nicht weniger schwierig ist die Frage des Transportes nach und von Sowjetrußland. Für den Wasserweg nach St. Petersburg oder Odessa fehlt es sowohl Deutschland wie Rußland an dem notwendigen Schiffsraum, während tkr Landweg über die östliche» Randstaaten führt, die sich, beeinflußt und untelstützt durch die Entente, gegen die Errichtung einer Transportverbindung zwischen Deutschland und Ruß land anflehncn. Bis es gelingt, alle diese Fragen zu klären, dürste noch geraume Zeit verstreichen. Jedenfalls kann von einer Auswanderungsmöglichkeit nach Rußland einstweilen noch nicht gesprochen werden, zumal es im Hinblick auf die ablehnende Haltung der östlichen Randstaattn und auch Rumäniens keine Einreisemvglichkeit dorthin gibt. Außerdem liegen die Verhältnisse in Sowsetrußland derart ungünstig (keine Zn- fuhr von Lebensmitteln zu den Städten und Juduslrieorten, daher eine all unsere Begriffe übersteigende Knappheit, auch an Bedarfsartikeln jeder Art, Teuerung — fast überall wüten verheerendst Krankheiten, wie Hungertyphus (Skorbut), Flecktyphus, Pocke», Cholera, während es an Aerzten, und vor allem an Arzneimitteln fehlt, so daß die ivstni- gen Acrzte sich nicht einmal selbst vor diesen Krankheiten schützen können — das Bandenunwesen nimmt eher zu als ab, dazu Bauernaufstände und Revolution ohne Ende), daß es keinem friedliebende,,, arbeits freudigen Menschen zngemulet. geschweige denn angcraten werden kann, auf etwaige Arbeitsangebote der russischen Sowjetregierung einzugehen, solange nicht wenigstens die anaemessene Unterbringung in nicht ver seuchten Räumen und ärztliche Versorgung, ferner Schutz gegen Neber- griffe auf Leben und Eigentum und für Freiheit der Betätigung tat sächlich bieten kann. Eisenbahntechnikern, Maschinenschlossern usw. wird ein Tagelobn von 150 Rubel Papiergeld versprochen, bei Belieferung mit Lebens mitteln und Bedarfgegenstünden aus Karten. Letztere sind jedoch wert los, da es keine nennenswerten staatlichen Vorräte gibt, während im Schleichhandel zum Beispiel ein Pfund lein russisches Pfund gleich 402.50 Gramm) Brot bis 60 Rubel, für einen Hering bis 600 Rubel, für ein Pfund Fleisch bis 2500 Rubel, für ein Pfund Butter bis 9500 Rubel und mehr bezahlt werde» müsse». Wenn die Sowjetregiening ihren Beamten Gehälter» bis 50 000 Rubel monatlich und darüber hinaus zahlt und zahlen muß so beweist daS zur Genüge, welche Sum men nir Bestreitung des Lebensunterhaltes notwendig sind, weil eben das Papiergeld so gut wie gar keinen Wert mehr hat. Ein Arzt nimmt von seinen Patienten kein Geld an. sie müsse» ihm Lebens mittel bringen. Der Bauer will wiederum keine Lebensmittel für Geld herri-beii. sondern Bedarfsgegenstände (Nägel. Schrauben. Messer, landwirtschaftliche Geräte usw.) dafür haben, die ?r ebenfalls für Geld nicht bekommen kann. Die deutsche Botschaft in Rom Die Wiedererrichtung der deutschen Botschaft in Rom steht unmittelbar bevor. N»S diesem Anlaß dürfte ein Rückblick auf die Geschichte unserer Vertretung in Rom von allseitigem Interesse sein. Der Palazzo Casfarelli, der alte Sitz der deutsche» Botschaft in Rom auf dem Kapitol, ist bei Ausbruch des Krieges mit Italien von der damaligen italienischen Negierung als italienisches Staatseigen tum eingezogen worden. Die geschichtlichen Eriiinerungstn an das alte Rom, die sich an den Platz dieses Palazzo knüpfen, gaben den Beweg grund für diese dem Völkerrecht widersprechende Maßnahme ab. Die damalige italienische Regierung war sich des Rechtsbruchs wohl be wußt und gab der Schweizer Gesandtschaft, die mit der Wahrnehmung der deutschen Interessen beauftragt war, die bestimmte Erklärung a», sie Werde nach der Herstellung geordneter diplomatischer Beziehungen zwischen Deutschland und Italien dasnr sorgen, daß Deutschland ein anderes geeignetes Gebäude sür die Botschaft erhalte. Die Einrichtung des Palazzo Casfarelli blieb unangetastet. Nach Abschluß des Friedensvertrages wollt« nun die italienische Regierung ihr Versprechen einlösen, und als Herr von Hersf. unser vorläufiger Geschäftsträger in Rom, eintraf, wurden die Verhand lungen eröffnet. Die Krankheit Herrn von Hersss, die dann auch seinen Tod herbeisührte, und die in ganz kurzen Zeitabstanden auf einander folgende» drei Krisen des Kabinetts Nitti verzögerten di« Verhandlungen. Graf Sforza, der neue Außenminister im Kabinett Giolitti, hat bei seinem Amtsantritt die Frage der deutschen Botschaft auch aus politischen Grnüden als sehr dringlich erkannt. Er mußte aber zunächst zur Konferenz nach Spaa reisen und konnte sich de» Botschaftersrage erst widmen, nachdem er nach Nom zurückgekehrt war. In einer Besprechung zwischen dem Ministerpräsidenten Gio litti, dem Minister des Aeußewn Graf Sforza und dem zu politischen Beratungen nach Rom berufenen italienischen Botschafter in Berlin de Martina wurde beschlossen, die Angelegenheit mit größter Be schleunigung abznschlicße» und dazu auch wieder die Teilnahme der deutschen diplomatischen Vertretung zu erbitten. Schon Minister präsident Nitti hatte mir mehreren Besitzern vom Palazzo Verhand lungen gepflogen, doch waren diese an den übermäßigen PreiSsordc- rungen gescheitert, so daß die Regierung aus den Gedanken kam, eines der schon in ihrem Besitz befindlichen Staatsgcbäude an Deutsch land zu überlassen. Keines dieser Hauser aber konnte als geeignet bezeichnet werden. Es blieb daher nichts übrig, als doch wieder nach einem Privatgebäude Umschau zu halten. Nunmehr sind neue Verhandlungen nach mehreren Seiten ausgenommen worden, und es besteht, wie erwähnt, begründete Aussicht, daß eine oder die andere in den nächsten Tagen zum Abschluß gelangen wird. Gleichzeitig sind zwischen der Rcichsregierung und der italieni schen Regierung auch Verhandlungen wegen Entsendung eines deutschen Botschafters nach Rom wieder ausgenommen worden. DaS Agrement der italienischen Regierung für ein« geeig nete Persönlichkeit ist in kürzester Frist zu erwarte». Aus dem Reichstage Berlin, 31. Juli Die S o n n a b en d s i tz u n g hebt mit einer Jndiszipiin an. Im Aeltestenrat war nämlich beschlossen worden, die eiste und zweite Beratung des Entwurfes eines Gesetzes über die Entwaffnung der Be völkerung als einer durch die Beschlüsse von Spaa zur Sclbstver-, ständlichkeit gewordenen Vortage ohne Aussprache zu erledigen. Doch der Aeltestenrat denkt und Herr Ledebour lenkt. Die Unabhän gigen hatten es sich nun einmal in den Kopf gesetzt, diesen Beschluß zu sabotieren. Sie wollten also zu diesem Gesetzentwurs im Plenum nicht schweigen. Sie haben es je nicht nötig, sich den Beschlüssen des Aeltestenrates unterzuordnen. Wozu sind diese auch da? Jedenfalls nicht sür die Unabhängige,i. Sie brauchen ja diese Debatte zur Auf- puischung ihrer Massen, sie halten ihre ewig langen Anklagereden, da mit sie in fetter Druckschrift der „Freiheit" die Aimosphäre des Un willens und deS revolutionären Willens überall verbreiten und wach erhallen. Also muß auch über diesen Punkt debattiert werden. Ter Minister Koch kündet an. daß er jede Waffengewalt, die etwa bei Durchführung dieses Gesetzes angewendet würde, mit Waffengewalt unterdrücken werde. Im übrigen streiten sich Rechte und Linke in gegenseitiger Beschuldigung darüber, wo oie Mehrzahl der Waffe» ver borgen gehallen werde. Die Rechte beschuldigt die Linke, die Linke beschuldigt die Rechte und so geht die Katzbalgerei hi» und her. Man spricht über die Einwohnerwehren, man untersucht ihre Notwendigkeit, man weist ihre Ueberflüssigkeit nach. Bayern mischt sich in die De batte. Der bayerische Gesandte erklärt unter dem wütenden Ansturm der Linken, die Einwohnerwehr habe in Bauern gute Dienste geleistet. Doch Bayern werde sich den Forderungen des Reffbes nach dieser Rich tung hin nicht entziehen, im NcichSrat habe c§ dem Entwurf mge- slimint. Der Unabh. U u t e rl e i d n e r, als in Bayern gewählter Abgeordneter, erhebt stärkste Zweifel an diese» Erklärungen des baye rischen Gesandten Niemals, so ruft e? aus, wird die Durchführung dieses Gesetzes ohne Widerstand erfolgen. Im übrigen greift er den bayerischen Miniitervräsidenten von Kahr äußerst heftig aii. Ilm weist der bayerische Minister Hamm in seine Schranken zurück. Während der Rede des Abg. Tr. Rösicke von der Teuischnatioualen Volks partei kommt es zu lärmenden Zwischenrufen, Der Präsident ruft die Abgg. Kcppler und Wolf zur Ordnung Der Gesetzentwurf wird schließlich an den Ausschuß oeiwicsen. Weiterhin weiden zwei Gesetzentwürfe zur Aenderung der RitilA 168 und 178 der Rcichs- versassung durchberaten. Sie tonnen in 3. Lesung nicht erledigt wer de». weil die dazu erforderliche Zweidrittelmehrheit der Abgeordneten nicht zugegen ist. Es folgt als letzter Punkt der Tagesordnung die Fortsetzung der Statsbcratung, und zwa: an erster Stelle die Beratung des Etats für das NeichSposlministerinm. Im Mittelpunkt steht eine Rede dc§ Ncichssinanzmiiiisters Tr. Wirtb. der unter großer Auf merksamkeit des Hanfes auf die durch die Forderungen der Cisenbakn- vrganisation geschaffene Lage cingeht. Wo alles in Ordnung gebracht sei, hätten diese Organisationen der Regierung nnnmebr de» Dolch in den Rücken zu stoßen gesucht. Dis EtatSberatnngen werden, in denen zumeist nur Redner der Unabhängigen svreche». weiter fort gesetzt. Der Aeltestenau § schuß des Reichstages be schäftigte sich in einer Sitzung am Sonnabend vormittag eingehend mit der Geschäftslage des Ham'es. Er kam zu dem Resultat, daß man hof fen könne, die noch vorliegenden Arbeite» bis einschließlich Dienstag beendigt zu haben. Auch »Rr den Wiederzusammeiitritt des Neichs- tages^iach den großen Ferien fand ein Meinungsaustausch statt. Es ist vorgesehen. Ansang Oktober wieder msammenzutreten. In Anbe tracht der Konferenz von Genf, deren Verhandlungen und deren Re sultat bis z»m ursprünglich geplanten Reichstagsjzusanimentritt nn Anfang Oktober eine in allen Punkten endgültige Festlegung des Etats unter Umständen nicht znlassen, ist schließlich'damit zu rechnen, daß der Reichstag erst zu einem späteren Termin znsammentriit,
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