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Nr. 2VL — V. 8atzrga«g Freitag de« 2S. Dezember LVR» MjlWviMsmNlM ^ ^ ^I, «.„Vatt-Nk «eM.Mle °r>» derm Raum mU erscheint tögltch »ach«. mU «uknahme der «omi- und Festtage. >»»aai« L.« Mit .Die »eit in Wort und »Ild- viertellLbrll». V Ichch^vlch/» ^UO'U' entsprechenden Rabatt «navyangtges L«»gev»«rr LZ für Wahrheit, Recht und Freiheit U»DSLhe v.r Ohne illustrierte Beilage viertelt. 1,80 Dresden ^ . -- " " ^ vrrvveii d. Voten B.1O In ganz Deutsl »,« - Eiuzel-Nr. 10 ^ ' - Voi-2ü9l«ciie5 Ciik-islbZum-Noniekt ptunS von so n. ,n. l.ebt<uclien, Dk'ezdliei' und ^ümvelgel k,ui«n LI, In k«Iu,nnt«n guten 0u-Kt»t«, »ch ^ei-ling L frOckzti-ok. M«S«risg,n In ,»«n Lts«Itlelten. Der Artikel des Prinzen Max. Dresden, den 21. Dezember 1910. Die Sensationspresse hat seit acht Tagen das unge reimteste Zeug zusammengeschwindelt. Das „Berl. Tagebl." machte mit seiner telegraphischen Meldung aus Rom unterm 14. d. M. den Anfang. Danach sollte der Abt Pellegrini dem Prinzen Max im „Osservatore Romano" den Vorwurf gemacht haben, er habe in die Zeitschrift „Nom und der Orient" einen Artikel „eingeschmuggelt", der „von Ketzereien aller Art strotze"; das sei wahrscheinlich im direkten Auf träge des Heiligen Stuhles geschehen. Nun ging der Hexensabbat los; die Zeitungen ließen ihr Licht leuchten, der Erfindungsgeist feierte Triumphe, jedes größere Blatt ließ sich den Inhalt des Artikels drahten, und doch st/ d hinter jedem das offenkundige: i^noi-amus. Tie liberale „Rheinisch-Westfälische Zeitung" setzte der ganzen Untier- schämtheit die Krone auf, indem sie einen Artikel in Nr. 1393 vom 19. Dezember mit der Ueberschrift versieht: „Die prinzlichen Ketzereien" und mit klassischer Frechheit weiters behauptet: „Wir können heute als erstes deutsches Blatt den Wortlaut des in jüngster Zeit so viel genannten, vom Prinzen Max von Sachsen verfaßten Aufsatzes in der Zeitschrift „Roma e l'Oriente" in Ueber- setzung veröffentlichen." Dann heißt es nochmals: „Nun seien hier die wichtigsten Stellen des Aufsatzes des Prinzen in wortgetreuer Uebersetzung gegeben." Der Ar tikel umfaßt 17 Seiten — die Zeitung aber bringt als „wortgetreue Uebersetzung" — 68 Druckzeilen. Trotzdem diese in Anführungszeichen stehen, sind sie dreist gefälscht. Nicht eine einzige Stelle findet sich in dem Aufsatz des Prinzen, den nünmehr die „Kölnische Volkszeitung" in den hauptsächlichsten Stellen.' wortgetreu übersetzt, veröffentlicht, In der Einleitung des Artikels , wip ihn die „Köln. Volkszeitg." veröffentlicht, betont Prinz Max die vielen vergeblichen Versuche, die zur Lösung der Frage auf beiden Seiten gemacht wurden, und fährt dann fort: „Ein schlechtgeleiteter Wunsch, die Union herbei zuführen, hat die Lateiner zu Gewaltmaßregeln veranlaßt, als sie sich im Orient befanden. Durch Verfolgung der orientalischen Kirche auf alle Art haben sie die Lösung der Frage mehr und mehr fast zur Unmöglichkeit gemacht. Anderseits haben manche Orientalen, gereizt durch die Art, wie Rom die Unionen schloß, die Unterteil verfolgt, wie Rußland es machte bei der Teilung Polens." Prinz Max stellt dann die Fragen, ob es sich nach der geschichtlichen Vergangenheit überhaupt noch lohne, über die Möglichkeit einer Wiedervereinigung sich auszulassen. „Rührt das beklagenswerte Resultat einer fast neunhundert jährigen Arbeit vom mangelnden Wunsch nach Wieder vereinigung, vom fehlenden guten Willen auf der einen oder anderen Seite her?" Er stellt nun fest, daß man auf beiden Seiten von aufrichtigem guten Willen beseelt war, daß man aber bei derselben Sache auf einem durchaus verschiedenen Wege zum Ziele kommen wollte. Der erste Schritt, ohne den die Verwirklichung des Planes überhaupt nicht zu erhoffen wäre, müsse in der „Definition bestehen, was man unter dem Namen Union verstehe, und der Verständigung, wie sie bewerk stelligt werden solle. Das Habs man niemals getan. Die lateinische Kirche . . . hat der orientalischen ihren Begriff von der Union auferlegt, ohne lange zu fragen, ob diese Auffassung die Billigung ihrer Schwester finde. Sie hat sich immer auf den Standpunkt gestellt: Ich habe die Gesetze zu machen. . . Für die abendländische Kirche war die Union immer gleichbedeutend mit völliger Unterwerfung. Die morgenländische Kirche wurde immer als rebellische Tochter der römischen Kirche angesehen . . . Für die orien talische Kirche aber ist die Union Freundschaft, Eintracht, Schwesterlichkeit, nicht Unterwerfung. Sie betrachtet die zwei Zweige der Christenheit als zwei Schloestern, gleich einander an Würde und Recht. Sie hat auch die Auffassung, daß, um zur Wiedervereinigung zu kommen, man auf den Ausgangspunkt zurzeit der Trennung zurückgehen müsse. Die beiden großen Hälften der Christenheit müßten die- selben Wahrheiten glauben, welche sie vor der Trennung ge glaubt haben . . . Die orientalische Kirche betrachtet die Lehren des lateinischen Mittelalters und außerdem die im 19. Jahrhundert dogmatisierten Wahrheiten als Ab irrungen ... Es würde also nötig sein, daß die abend ländische Kirche sich frei mache von den Lehren, welche der Union und der schwesterlichen Eintracht hindernd im Wege stehen. In dem Augenblick, in welchem sie dieses Opfer bringen würde, würde die Einigkeit, welche sie durch diese Neuheiten zerstört hat. wiederhergestellt sein." Prinz Max führt nun weiter aus, daß man auf der einen Seite den Stolz der Griechen, auf der anderen Seite den Stolz der Päpste für das Scheitern der Union verant- wörtlich mache. „In Wahrheit sehen wir. daß die morgenländische Kirche fast immer die römische Auffassung von der Union anzunehmen sich geweigert hat, welche ihr unannehmbar erschien. Nur unter dem Einfluß sehr dringender poli tischer Umstände hat sie einigemal Neigung gezeigt, das System anzuerkennen, welches Nom wünschte und welches ihr odios erschien . . ." Der Verfasser verbreitet sich sodann des näheren über die Auffassung des Namens Union. „Ich verstehe nicht unter dem Nainen Union eine voll ständige Unterwerfung, welche als ein Widerspruch gegen den Begriff selbst erscheinen würde. Selbst im Abendlande hat man nicht vollständig den Gedanken verloren, daß die Wiedervereinigung der morgenländischen Kirche mit der abendländischen sich anders vollziehen müßte als die Rück kehr von gewissen Häretikern . . . Die Union darf keines wegs betrachtet werden als eine Beugung der morgen ländischen Kirche unter das Joch der lateinischen . . . Diese zwei Zweige des Christentums sind durcl>aus Schwestern, die eine der anderen gleich in jeder Beziehung Es existiert kein Privileg, kein Recht der Gesetzgebung der abendländischen Kirche als solche." Jni einzelnen führt der Verfasser dies nun ans und fährt fort: „Die kirchliche Verfassung, wie sie sich heute darstellt, ist wohl verschieden von der, wie sie im Altertum war." Als Beispiel führt Prinz Max das Verhältnis des hl. Petrus zum Völkerapostel an und die Stellung der Bischöfe der Urkirche Rom gegenüber. „Seit dem 9. Jahrhundert ist die kirchliche Verfassung von Grund aus geändert worden im Abendlande. Die Kirche wurde eine absolute Monarchie und wurde ähnlich einem Staat, welcher in Provinzen geteilt ist . . . Dieses System hat teilweise seinen Ursprung genommen aus den Dekreten des Pseudo-Isidor, welche in jener Zeitperiode erschienen sind. Dieses System war gewiß gut und nützlich im Abendland. Es hat die Einheit und Einigkeit der Sitten gestärkt, aber man wollte es von Anfang an der morgenländischen Kirche aufdrängen, und dieses war sicher lich eine der Hauptursachen, welche zur Trennung der Kirchen führte . . . Wenn man vom christlichen Alter tum redet, stellt man sich immer dieselbe Gestaltung vor, welche die kirchliche Verfassung von heute hat. Wenn man den Orientalen auf der eim n Seite ihre Riten läßt, unter wirft man sie gleichzeitig vollständig der päpstlichen Juris diktion und selbst der einer römischen Kongregation. Sie müssen vielen ausschließlich lateinischen Gesetzen folgen und der ganzen lateinischen Theologie in jeder Beziehung. Sw sind in Wirklichkeit nichts als Lateiner mit griechischer Ge- Wandung — manchmal nicht einmal mehr in dieser — und mit orientalischen Gebeten, aber keineswegs vollgültige Vertreter der wahren orientalischen Kirche. Sie sind eine lebendige Verneinung der ganzen Kirchengeschichte des Altertums und des Orients. Weit entfernt, die Frage der Union überhaupt zu fördern, dient das Vorhandensein dieser Unierten vielmehr dazu, sie zu verzögern." Prinz Max ergeht sich darauf des näheren über die linierten und erklärt die Erhaltung der jetzt Gewonnenen für notwendig. „Aber um die morgenländische Kirche in Wirklichkeit zu gewinnen, muß man ein ganz anderes System als das bisher verfolgte befolgen. Die orientalische Kirche mutz wirklich bleiben das, was sie ist . . . Es ist eine ungerechte und jeder Geschichte widersprechende Auffassung, in der orientalischen Kirche nur eine Fraktion, eine Provinz der römischen zu sehen . . . Die Beziehungen Rom gegenüber müßten wieder solche lverden, wie sie bestanden im christ lichen Altertum vor der Trennung. Die orientalische Kirche würde sicher nicht zögern, dem römischen Papste die Rechte zuzuerkennen, welche er gehabt hat und ausübte in jener Zeitperiode." Im Anschlüsse daran stellt der Prinz die Forderung, daß Rom auf das Taxenwesen den orientalischen Kirchen gegenüber verzichten müsse, damit den Orientalen nicht die Meinung käme, Rom handele aus Selbstsucht, und sucht dies des näheren zu begründen. Der schwierigste Punkt, uni zu einer Einigung zu gelangen, liege in der Regelung der dogmatischen Differenzen, welche seit Jahrhunderten zwischen beiden Kirchen beständen. Als solche führt er an die Lehre vom Hervorgehen des hl. Geistes aus dem Sohne, die Lehre vom Fegfeuer, die unbefleckte Empfängnis Mariä usw., und stellt die Frage: „Ist es gerecht, daß man seiner morgenländischen Schwester Gedanken aufdrängt, wie es die abendländische Kirche getan hat zu Lyon und Florenz? Nein, nochmals nein, denn damit unterstützt man die Heuchelei und man läßt Leute Dinge bekennen, welche ihnen falsch erscheinen ... Man Müßte beweisen können, daß eS unter ihnen wenigstens in vieler Beziehung keineswegs eine wirkliche Glaubens- differenz gibt, sondern nur eine solche hinsichtlich der theo- logischen Formeln ... Es wäre Pflicht der abendländischen Kirche, der morgenländischen zu beweisen, daß ihre Defi- uitionen nur Gestaltungen von Konklusionen sind, die ans dem christlichen Altertum bekannten Prainlssen gezogen wurden. Tie morgenländische Kirche wird diese Art zu sehen als gilt und rechtmäßig anerkennen, ohne sich sewst verpflichtet zu erachten, alle diese Dogmen zu predigen, und so wird man in Frieden leben, die eine an Seite der anderen, ohne sich gegenseitig zu beschuldigen ... Wenn später eininal ein allgemeines und freies Konzil der gan zen Christenheit zustande kommt, wo selbst die Orientalen, ohne durch irgendeinen moralischen Zwang gedrängt zu sein, sich vollständig überzeugen würden von der Wahrheit der abendländischen Lehren, und sie formell anerkennten, alsdann werde die orientalische Kirche auch dieselben aus drücklich predigen und verkündigen . . . Das ist der Sinn, wie ich das Wort Union verstehe ... Ich will weder die Lateiner noch die Orientalen tä»sck)en, indem ich sie glau- ben mache, daß ich eine andere Sache unter dieser Auffassung begreife." . . ... Als Mittel nun, um das Ziel einer äußeren und sichtbaren Einheit zwischen den Kirchen zu erreichen, gibt der Prinz Wahrheit und Liebe an, Wahrheit über den Ur- sprung der unglücklichen Trennung der Kirchen, und ergeht sich in einem kurzen geschichtlichen Exkurs. Wahrheit auch in bezug auf die dogmatischen Differenzeil, über welche ey sich im einzelnen verbreitet, und behauptet: „Wenn man die Geschichte studiert, erkennt man, daß das Abendland immer den Orient beeinflussen wollte, ohne ihn zu kennen. Seine Seele war ihm fremd. Gewiß waren die Maßregeln Roms oft bestimmt durch eine vortreffliche Absicht, aber Rom kannte niemals den Orient und sagte ihm oft leider die uuzeitigsten Dinge." Ter Schluß des Artikels gipfelt in einem warmen Aufruf, den Orientalen mit Liebe und Sympathiebeweiseir entgegenzukommen. Wenn auch manches für den Laien fremdartig klingt, weil er nicht die Frage der angestrebten Kirchenvereini gung und die vorhergegangene Geschichte gründlich studiert und die Schwierigkeiten erkannt hat, welche der Lösung ent gegenstehen, so erscheint unS dennoch die Erklärung des Abtes Pellegrini im „Osservatore" zu schroff zu sein und unnötigerweise die Grenzen der nötigen Verwahrung über schritten zu haben. Der „Köln. Volksztg." wird ferner aus Rom mitgeteilt- In eingeweihten vatikanischen Kreisen ver laute, Prinz Max sei bei seinem Artikel stellenweise wört lich den Ausführungen des ehemaligen Münchener Kirchen historikers Alois Pichler in seiner zweibändigen 1861 er schienenen lind auf dein Index stehenden Geschichte der kirch lichen Trennung zwischen Orient und Okzident gefolgt. Obwohl die Angelegenheit auf Papst Pius X. einen be trübenden Eindruck gemacht habe, wisse man doch im Vati kan die sonstigen ausgezeichneten Priestereigenschasten des Prinzen zu schätzen und suche den Vorfall zu vergessen in der Annahme, daß der Verfasser von guter Absicht geleitet gewesen sei und bei umfassender Kenntnis der ganzen Materie eine andere Darstellung geboten hätte. Im übrigen habe Prinz Max dem Heiligen Vater ein Ergeben heitsschreiben mit dem Ausdrucke des Bedauerns über mittelt, daß er bei seinen Ausführungen falsch verstanden worden sei. Nach dem „Corriere d'Jtalia" erkläre der Prinz, er habe beabsichtigt, in dem vielbesprochenen Artikel die Art und Weise darzustelleu, wie die Schismatiker sich die Union mit Nom vorstellteu. Dieser objektiven Dar-, stellung Habs er seine eigene Meinung hinzugefügt und praktische Normen angegeben, die nach seiner Ansicht die. römische Kirche hätte annehmen können. Wenn diese seine Ideen von der päpstlichen Autorität als irrtümlich aner kannt seien, unterwerfe er sich vollständig. Gänzlich aus der Luft gegriffen ist die Ansicht, daß Vrinz Max einer Strafe oder dem Verlust des Freiburger Lehrstuhles kaum entgehen werde, wie das „Leipz. Tage blatt" meint. Wenn die Sache noch nicht die Erledigung beim Vatikan gefunden habe, so sei nach der Weisheit des Blattes das daraus leicht zu erklären, daß die in dem Vati kan bestehenden Parteien Nampolla und Merry del Val durch die Affäre des Prinzen hart aneinander geplatzt seien. Kardinal Nampolla soll nämlich auf der Seite des Prinzen stehen. Noch naiver ist folgender Witz, den sich das Blatt leistet: „Ich kann betonen, daß der Fall Prinz Max für den sächsischen Hof unbedingt erledigt ist, weil man das Vorkommnis nach der politischen Entgleisung des ^Prinzen auf dem Gebiete der Kretapolitik vorausgesehen hatte. Für das Deutsche Reich und damit auch für die sächsische Re gierung ist der Vorfall jedenfalls weit peinlicher. Hätte Prinz Max die richtige Fühlung mit seinem Vaterlande gehabt, so wäre es unmöglich gewesen, daß er in einem Augenblick, wo das Deutsche Reich mit der Türkei in wich- tigen Verhandlungen steht, durch sein vollständig ein- seitiges Eintreten für die christlichen Kretenser diese Ver- hairdlungen störte." Da werden zwei Dinge in Unkenntnis durcheinander geworfen. Das Eintreten für die christlichen Kretenser erfolgt in einem Artikel der „Kölnischen Zeitung". Prinz Max richtete an die Staaten Europas die Mahnung, die christliche Bevölkerung gegen die Herrschaft der Türken in Schutz zu nehmen. Dieser Schritt hat die Absichten der Mächte nicht im geringsten geändert, noch sonst internatio- nale Verwickelungen zur Folge gehabt, so daß eine Vermit-