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Sächsische Volkszeitung : 20.04.1910
- Erscheinungsdatum
- 1910-04-20
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-191004202
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19100420
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19100420
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1910
-
Monat
1910-04
- Tag 1910-04-20
-
Monat
1910-04
-
Jahr
1910
- Titel
- Sächsische Volkszeitung : 20.04.1910
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äußerste Grenze bringen werden, an der mit Flammen- schrift geschrieben steht: Bis hierher und nicht weiter. Die Völker Asiens machen gerade jetzt gewaltige An strengungen, ins Geschäft zu kommen. Schon begegnen wir überall ihren Unterbietungen, die so bedeutend sind, daß eine Konkurrenz nur so lange möglich ist, als es sich um vollständig minderwertige Ware handelt. Wie lange noch, und der japanische Erfindungsgcist und der chinesische Ge werbefleiß werden die ersten Klippen überwunden haben und ganz gefährliche Konkurrenten werden. ll. Deutscher Reichstag. Die erste Lesung der Reichsvrrsichernngsordung begann am Montag im Reichstage und wird -1—5 Sitzungen umfassen. Allgemeine Teilnahmslosigkeit! muß man die Berichte über diese hockbedeulsame Frage überschreiben. Im Hause sind gegen 30—40 Abgeordnete und oft noch weniger. Wie aber sieht es am Bundesratstische aus? Kein Reichskanzler gab dem Werke da» GelcitSwort. kein Staatssekretär war anwesend; Delbrück soll krank sei», d. h. er soll keine Lust haben, das Werk zu vertreten. Der Unter- staatssekretär fehlt auch. Kein Minister ist da; das Neichs- versicherungsamt sieht man auch nicht; nur ein Direktor mit einigen Räten ziert den BundeSratStisch. Also allge meine Teilnahmslosigkeit bei diesem hochbedeutsamen Werke. Die Reden an» dem Hause jedoch verdienen alle Aufmerk samkeit. Kurz und kernig war der Konservative Schickert. der dem Entwurf am nächsten steht; langweilig hierauf der Nationalliberale Horn, der die Kcankenkassenbeiträge und -Verwaltung halbieren will und dabei für die Arbeiter große Ersparnisse herausrcchnete. Tie beste und sachlichste Rede hielt für das Zentrum Dr. Spahn, er stimmt den neuen Versicherungsämtern zu, falls sie umgemodelt werden und genügend Kraft erhalten; die Halbierung der Kranken kassenbeiträge lehnte er ab, will aber die Beamten nach jeder Richtung sichern. Aerzte- und Apothekerfrage müssen anders geregelt werden und so folgte eine Menge von Praktischen Einzelvorschlägen, welche die Kommission ver-, folgen muß. Dr. Mugdan (Fr. Vpt) sprach sehr lange und polemisierte dabei recht lebhaft gegen Sozialdemokraten und natürlich auch das Zentrum. Der Sozialdemokrat Molkenbuhr ließ in dem Entwurf nichts heil und kritisierte in langen Ausführungen an allen Vorschlägen herum. Ic. Berlin. Sitzung vom 18. April 1610. Präsident Graf Schwerin gedenkt des Ablebens des Grafen v. Oriola. der sich besonders der Kriegtzveteranc angenommen habe und durch sein starke? Nationalbewusstsein allgemeine Sympathie errungen habe. Das HauS beriet die RcichSvcrsichcrungsordnung in erster Lesung. Präsident Graf Schwerin teilt mit, das; Staatssekretär Delbrück erkrankt sei, aber er hoffe, doch noch an de» Beratungen teilnehmen zu können Abg. Dr. Spahn (Ztr.) knüpft an die Kaiserliche Botschaft von 1881 an und schildert das Entstehen der verschiedenen Ver- sicherungSgesetze (Krankenkasse 1882, Unfall 1884, Invaliden I8W>. Dann warf man die Frage auf, ob man nicht diese drei Arten zusammenlegen könne. Schon vor langer Zeit wurde diese Frage erstmals aufgeworfen. Neue Wünsch: traten hinzu: Ausdehnung der Vcrsicherungspflicht. Das Zolltarifgesel; hat den Zwang für die Hinterbliebencnoersichcrung gebracht. Sa kam der Entwurf, der den lokalen Unterbau und verschiedene Verbesserungen bringt. Die Krankenversicherung wird ausgcbaul; ihr PersonenkreiS sollte maßgebend sein für alle Versicherungen. Künftig werden statt 13 Millionen rund 20 Millionen Köpfe dieser Versicherung unter- stellt sein, d. h. ein Drittel des deutschen Volkes. Das schon legt uns die Pflicht auf, das Oeses; vor dem I. April 1811 zur Ver abschiedung zu bringen. Die einheitliche Fassung der Arbeiter- Versicherung ist ein Fortschritt. Neben materiellen Nechtssätzen wird die Organisation festgelegt. N:cht alle Versicherungsanstalten fallen bestehen bleiben: die Hilfskassen fallen. Der lokale Unterbau entspricht einer Forderung des Reichstages. Das VersichcrungSamt ist erste Instanz, Oberoer,icherungsaint und R-ich»versicherungsaml stehen darüber, aber diese Behörden sind keine Organe der Vrr- sichecungsträgcr. Die Versicherungsämter greift man an: man wendet sich gegen die 1000 neuen Armier. Man scheut die hohen Kosten. Unter Vorbehalt aller Einzelheiten stehen wir diesen neuen Aemtern sympathisch gegenüber. Sollen die Vcrsicherung'ämter gut wirken, dann müssen alle erste Instanz werden. (Beifall.) Das Obervcrsicherungsamt soll zweite Instanz sein. Vertreter der Versicherte» und Arbeitgeber wirken mit. Die Laien kommen hier zu Wort. Tie Laien werden gewählt. Die Arbeiter wirken so bei der Rechtsprechung wie bei der Verwaltung mit. Die Kosten der Vcr- sicherungsäm'.er werden auf 0.7 Millionen Mark geschäht. Gemeinde und Gemeindevcrbände müssen zu diesen Kosten mit herangezogcn werden, da sie Ersparnisse auf der anderen Seite mache». Die .Krankenkauen haben künftig eine erhöhte Bedeutung, da sie weit mehr Personen umfassen. Kleine Krankenkassen werden cingehcn. Der Entwurf schlägt vor, die Beiträge zu halbieren, elenso natürlich die Zusammensetzung der Vorstände. Ter Arbeitgeber würde da durch bevorzugt und der Arbeitnehmer zurückgedrängt. Möge» auch einzelne Ünzuträglichkeitcn cingetretcn sein, so sind sie nicht so groß, daß man grundstürzend ändere. DaS alte Verhältnis sollte aufrecht erholten bleiben Die Leistungen der Krankenkassen meinem Namen in den Herzen der Menschen zu verewigen, um dort Wunder zu schaffen . . . Das ist eben das Schick sal aller Menschen meines Schlages, auch das Cüsars und Alexanders. Denn im Grunde werden wir vergessen, und der Name eines Eroberers, wie der eines .Kaisers, bleibt nur das Tbema für die Schularbeiten: unsere Taten kom men unter die Strafnite des Pedanten und Schulmeisters, die über uns ihren Tadel oder ihr Lob ergehen lassen. Welche Kluft zwischen meinem tiefen Elend und dem ewig lebenden Reiche Christi, der geliebt, angebetet, gepredigt wird in der ganzen Welt!" lSaitschick a. a. O., S. 22!) bis 231.) Man wird dem alten Napoleon nicht bestreiten wollen, daß er viel besser und viel tiefer in der Seele des Menschen zu lesen verstanden und ein gewaltig größeres Verständnis gehabt hat für die Wirkung des lebendigen Pulsschlages und der zündenden Wirkung von Blick und Wort, als diese modernen Kathedervedanten, die durch die Wände ihrer Hörsäle und die freilich nur im eigenen Fühlen vorhandene Hinialaya-Höhe ihrer Katheder von der Menschheit abge- schnitteu sind und mit der ausgetrockneten Seele des 'Famulus Wagner Welt und Menschheit beurteilen wollen. Hätten sie für die wirklichen Faktoren des Mcnsclienlebens auch nur ein Fünkchen Verständnis, so würden sie ange sichts der von Generation z» Generation, von Jahrhundert zu Jahrhundert sich weiter spannenden, stets sich steigernden Wirkung Christi schämen, die größte Tatsache der ganzen Weltgeschichte zu einem blutleeren Schemen verflüchtigen zu wollen. betrugen U07 rund 310 Millionen Mark, nach de n Entwurf 860 Millionen, so daß die Arbeitgeber statt tv9 rund 180 Mill. Mark zu zahlen hätten. (Hört!) Der einzelne Arbeiter dagegen wird unter Beibehaltung der alten Verteilung nicht schwerer belastet. Das Handwerk hat nur wenig Vorteile, wohl aber nahezu alle Lasten. Die Verhältnisse der Beamten der Kaffen müssen im Ge setze eingehend geregelt werden. Dle Aerztefrage ist von höchster Bedeutung. Der Entwurf bringt keine genügende Regelung. An einem Ausgleich der wioerstreilenden Interessen werden wir Mit arbeiten. Die Verhältnisse der Zahntechniker müssen geregelt werden. Dle Drogisten sind nicht berücksichtigt. Die Apotheker wenden sich gegen den tz 40S; die Kommission wird die Wünsche der Apotheker wohlwollend prüfen. Bei der Unfalloersicherung sind die Aenderungen kleiner; der Reservefonds soll langsam an- wachsen. Bei der Invalidenversicherung geht die Versicherungs- Pflicht nicht weit genug (Hausgewerbetreibende). Die Herabsetzung der Altersgrenze auf VS Jahre ist im Entwurf abgelehnt worden Die Zahl der AlterSrentner erniedrigt sich stets. Die Hinter- bliebencnfürsorge muß aber rückwirkend gemacht iverden auf 1. April 1010. (Sehr richtig!) Das hat man den Witwen in AuS- sicht gestellt. Höhere Lohnklaffen sind nicht eingefügt worden, da muß die Kommission ausbauen. 10 verschiedene Arten von Leistungen werben den Hinterbliebenen gewährt. Redner bespricht diese näher. Die Art der Genehmigung der Rente muß anders erlolgen: wer früher Invalide wird, braucht höhere Rente. Der Retchszuschuß betrügt 30 Millionen Mark, der Reichsschatzsekretär muß auch Mitwirken. Die mathematischen Grundlagen müssen durch das RcichsversichcrungSamt nachgeprüft werden. Ueber die Entlastung des ReichsoersichcrungSamteS kann man erst entscheiden, wenn man den Unterbau genau kennt. Beim ReichSversichrrungs- amt muß die Einteilung der Gcsamtlasten bleiben. DaS Gesetz wird zu einem der bedeutsamsten werden, das der Reichstag je erlassen hat. (Lebhafter Beifall.) «Ibg. Schicker! (kons.) fürchtet neue große Lasten für die Arbeitgeber infolge der neuen Vorlage. Der Ausdehnung der Krankenversicherung auf die Landarbeiter stimmen wir zu, wollen aber die Eigenheiten einzelner Staaten gewahrt wissen. Die Aerztefragc mutz geregelt werden. Aber der Entwurf berücksichtigt nicht alle Verhältnisse. Bei der Hinterbliebrneuverstcherung sollte die Aufbringung der Kittel anders erfolgen, die Rentner müßten hrrangezogen werden. Der Apparat des VerstchrrungSamleS ist zu groß und schwer fällig. Wir hoffen, daß wir dem Entwürfe zu stimmen können (Beifall.) Abg Horn (natl): Der Entwurf bringt eine Reihe von Verbesserungen, besonders durch die Erhöhung der Leistungen de: Krankenkassen Die Aerztefrage ist im Entwurf nicht genügend geregelt. Mein Hauprbedenken richtet sich gegen die Beschränkung der Selbstverwaltung der Krankenkassen. Die BetrtebLkcanken- kassen wollen wir nicht cinschinnken lassen. Die Halbierung der Krankenkassenbeiträge ist ganz selbstverständlich, es ist unbegreiflich, daß man die« avd-rS machen könnte. Die Verwaltung mutz dann ebenfalls geteilt werden und beide Teile gleichstark vertreten sein > Die Arbeiter sparen dadurch 56 Millvnen. (Heiterkeit tm Zentrum.) Die Angestellten der Krankenkassen klagen heute sehr über die partcipcMischen Bestrebungen der Sozialdemokratie in diesen Kassen. Die Acrz'e sind heute auch von diesen Kasstn abhängig. Ich hoffe, auch in der Aerztefrage auf einen Kompromiß, auch die Aerzlc müssen nachgeben und dürfen di: Lösung der Aufgabe a cht unmög lich machen. Die Apcthekcrfrage muß auch anderweitig geregelt werden, aber die Preise für Apotheke» sind zu hoch. Wir hoffen auf ein gutes Resultat bei der KommtsstonSberatiing. (Beiiall.) Abg. Dr. Mugdan (Freis. Volke p) begrüßt die Vorlage, soweit sie die Heimarbeiterversicherung enthalte. Warum hat man nicht statt der Landk.-ankenkassen, die in Württemberg bestehende Versicherung der Landarbeiter übernommen? (Sehr richtig!) Dieser Vorschlag schadet der Landwirtschaft schwer, denn er ent rechtet die Landarbeiter. Die Rechte der Arbeiter sind beschränkt und die Leistungen der La.rdkrankenkassen noch mehr. Der landwirtschaftliche Arbeiter wird hier als Arbeiter zweiter Klasse behandelt und so die Landflucht gesteigert. Wo bleibt die Vereinfachung der Krankenversicherung? Im Ent würfe findet man sie nicht; man sollte die Zahl der Kranken kassen erheblich einschränkcn. Die Leistungen der Kasse müssen durch Gesetz erhöht werden. Der Halbierung der Beiträge stimmen wir nicht zu und ebenso der dadurch bedingten Zusammensetzung des Kasscnoorstandes. Der Vorschlag über die Aerztefrage ist un zureichend. Warum hat man nicht die württcmbergische Regelung einfach übernommen; VertragrauSschüsse sind cinznsetzen. Der Entwurf ist durchdrungen von einer Ucberschätzung der Behörden: er bedeutet Vergewaltigung der VersicherungSträgcr. Die Ver- sicherungsämtcr sind ganz unzulänglich und werben nur Kosten verursachen. Die Berufsgcnossenschaften haben ihre Pflicht erfüllt und man soll sie nicht einengcn. Abg. Molkenbuhr (Sozd.) kritisiert den Entwurf in allen Teilen, besonders die Witwen- und Waisenoersichccung und die Halbierung der Beiträge. Hierauf vertagt sich das Haus auf Dienstag 12 Uhr. Fort setzung. Schluß >/«7 Uhr. Politische Rundschau. Dresden, den 10. April 1010. — Der Bundesrat hat dem Entwurf eine» Kolonial- bsainlengesctzcs die Zustimmung erteilt. Am Dienstag dürste die koloniale Besoldungsvorlage fertig werden, jo daß beide Materien noch vor der Vertagung erledigt werden können. — Der Bundrsrat hat dem Entwürfe eines Gesetzes über die Errichtung eines Kolonial- und Konsulargerichts- hvses die Zustimmung erteilt. — Das preußische Abgeordnetenhaus v.'iwies nach kurzer Beratung den Nachtragsetat zur Bauverwaltung, der zum Umbau des Opernhauses eins beträchtliche Summe fordert, an die Budgetkommisston. Alsdann wurde in der Beratung des KultuSetatS sortgefahren. Der Kulturminister v. Trott zu Solz betonte nachdrückiichst. daß der Einfluß der Kirche auf die Schule erhalten werde und der Neligions- unterricht im Mittelpunkte deS Schulunterrichtes stehen soll. Cassel (Fort. Volksp.) stellte sich auf den entgegengesetzten Standpunkt. Der Pole Stychel drückte sein Bedauern aus, daß der Erzbischofsstuhl in Posen noch nicht besetzt sei. Der Sozialdemokrat Hoffmann trat für die Ausweisung de« Religionsunterrichtes aus der Schule ein. Sein höchste» Ideal ist die Trennung von Staat und Kirche und von Schule und Kirche. — Morgen wird die Beratung fort gesetzt. — Das Arbcitskammergesetz in Gefahr. Die Reichs- tagskoininission für den Gesetzentwurf eines Arbeitskam- inergesetzes hat den Beschluß gefaßt, die Wählbarkeit zur Arbeitskammer auch auf die Sekretäre der Arbeitgebcr- nnd Arbeitnehmervercinigungen auszudehnen. Der gleiche Beschluß ist bereits von der Kommission gefaßt worden, die in der vorigen Session den Gesetzentwurf durchberaten hatte. Dieser Beschluß geht davon aus, daß die im Berufe tätigen Arbeiter nicht genügend in der Lage seien, sich in das ausgedehnte Gebiet der sozialen Gesetzgebung einzu- arbeiten. Außerdem fehle ihnen die erforderliche Unab hängigkeit. Dahingegen hätten die Beamten und Vor standsmitglieder der Organisationen Zeit und Gelegenheit, sich über alle Bestimmungen der Gesetzgebung zu unterrich ten und Auskunft darüber zu erteilen. Auch ihre völlige Unabhängigkeit spräche für ihre Zulassung zur Wahl. Demgegenüber stand die Minderheit des Ausschusses auf dem Standpunkte, daß die Wählbarkeit der Gewerkschafts beamten und Arbeitersekretäre in direktem Widerspruche mit dem Geiste des ganzen Gesetzes stände. Der Ztveck der Arbeitskammer wäre die Annäherung und Verständigung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Die Arbeiter- sekretäre wären jedoch berufsmäßige Agitatoren, die Poli tik in die Arbeitskammern hineintrügen, wodurch eine Ver ständigung unmöglich würde. Die Reichsregierung lehnte ebenfalls die Wählbarkeit der Arbeitersekretäre ab, da grundsätzlich eine unmittelbare Verhandlung zwischen Ar beitgebern und Arbeitnehmern durch die Kammern erreicht werden solle. Für die Wirksamkeit der Kammern als Einigungsamt könnten die Arbeitersekretäre ohnehin her- angezogen werden, und für gutachtliche und sonstige Tätig- kcit den Behörden gegenüber erscheinen die Arbeitersekre täre durchaus entbehrlich. Denn hierbei kämen nur sach kundige Leute in Frage, und nicht solche, die vielleicht schon jahrelang aus dem Gewerbe ausgeschieden seien. Da die Neichsregicrnng nach der „Tägl. Rundschau" an diesem Standpunkte unzweifelhaft festhält, müßte man mit einem Scheitern des Arbeitskammergesetzes rechnen, falls der Koininissionsbeschluß vom Plenum des Reichstages aufrecht erhalten werden sollte. — Der Kampf im Baugewerbe ist nun fast auf der ganzen Linie entbrannt. Aus ganz Deutschland kommen Nachrichten von Aussperrungen großen Umfanges. In der Hauptsache scheint der in Kraft gesetzte Aussperrungs beschluß nur auf die organisierten Maurer, Zimmerer und Bauarbeiter zur Anwendung gekommen zu sein. In ein zelnen Großstädten, u. a. auch in Bremen, ist in der Hoff nung ans eine Vereinbarung von der Aussperrung vor läufig Abstand genommen worden. Immerhin dürfte die Zahl der von dieser Regel betroffenen Arbeiter sich auf nicht viel unter 280 000 belaufen. In Berlin ist die Entscheidung noch nicht gefallen. Es ist zu hoffen, daß hier der Kampf vermieden wird. Die Berliner Maurer haben beschlossen, daß jedes Berliner Mitglied ihres Verbandes vom nächsten Montag an für jeden Arbeitstag eine Mark als Streikbei trag zu entrichten hat. Die Kontrolle über diese Steuer wird sehr scharf durchgeftihrt. Jedes Verbandsmitglied erhält eine Streikkarte, mit der es sich an Kontrollen be hufs Feststellung etwaiger Arbeitslosigkeit zu melden hat. Es erfolgt dabei Abstempelung der Karte in der Tages- rnbrik. An Tagen, für die der Stempel fehlt, muß der Streikbcitrag gezahlt werden. Die Einkassierung der Streikkassierer erfolgt durch die Hauskassierer zugleich mit der Erhebung ordentlicher Verbandsbeiträge. Wo die Hauskassiernng nicht eingefiihrt, erheben die „Viertels kassierer" in den „Vcrkehrslokalen" die Streiksteuern. Im übrigen unterliegt die Kontrolle über die ordnungsmäßige Abführung der Streikbeiträge den auf den Bauten beschäf tiget; Kollegen. Danach können schwerlich „Hinterziehun- gen" stattfinden: vielmehr dürsten nicht wenige Arbeiter, die entweder unorganisiert sind oder der sozialdemokrati schen Organisation nicht angehören, mit sanftem Zwange genötigt werden, den sozialdemokratischen Kriegsschatz zu vermehren. Wie die Arbeitgeber im allgemeinen über den Kampf im Baugewerbe denken, ergibt sich aus folgender Bemerkung des „Zentralblattes für das Baugewerbe": Eine Vermittelung scheine so lange aussichtslos, bis im offenen Kampfe die Kräfte gemessen seien und beide Par teien den Zeitpunkt, Frieden zu schließen, als gekommen sähen. „Wir können," so heißt es schließlich, „nur wün schen, daß der Krieg schnell zu Ende geht, damit die Wun- den, die er der nationalen Volkswirtschaft schlägt, nicht zu groß Iverden." In diesem Wunsche werden sich alle, auch die nicht direkt beteiligten Kreise begegnen. — Die Lage des Arbcitsmarktes im Bnngcwcrbe vor der Geiieralanssperrung wird in der „Franks. Zeitg." wie folgt gekennzeichnet: „Vor allen; hat die Nachfrage nach männlichen Arbeitskräften stark zugenommen, und da war es in erster Linie das Baugewerbe, das einen lebhaften Ar beiterbedarf äußerte. Trotz oder gerade mit Rücksicht auf die drohende Gefahr einer allgemeinen Aussperrung wur den doch überall bei dem schönen Wetter die Bauarbeiten flott in Angriff genommen. Eine große Zahl von Städten, unter denen wir nur wenige größere namentlich anfzählen können, so Berlin, München, Augsburg, Bamberg, Mainz, Düsseldorf, Pforzheim, Straßburg, Duisburg, Krefeld, Posen, Graudenz berichten über eine erfreuliche Belebung der Bautätigkeit. Durch den Aufschwung im Baugewerbe günstig beeinflußt, gestaltete sich auch im Holzgewerbe die Nachfrage nach Arbeitskräften recht befriedigend. Haupt sächlich in Bayern und Württemberg, sowie überhaupt in Süddentschland nahm die Arbeitsgelegenheit kräftig zu, aber auch im norddeutschen Holzgewerbe ließ der Beginn der Friihjahrssaison wenig zu wünschen übrig." Diese Feststellungen sind natürlich von erheblichem Werte zur Beurteilung der Lage. — Die Zahl der Ausgcsperrten beträgt nach den bis Montag früh vorliegenden Meldungen etwa 275 000 im Baugewerbe beschäftigte Personen. Dieselben verteilen sich ans: Augsburg 1000, Bamberg 500, Bochum 2000, Breslau 8000, Kassel 00», Chemnitz 3500. Krefeld 1000, Duisburg 5000, Düsseldorf 2000, Dortmund 3500, Dresden 4000, Esse,; 5000, Erfurt 2000, Frankfurt a. M. 1200, Gelsen- kirchcn 4000, Görlitz 7000, Halle 2300, .Hannover 4000, Kiel 2400, Köln 4500, Königsberg 6000, Leipzig 8000, Lieg nitz 7000, Mannheim 1800, Magdeburg 2000, München 4500, M.-Gladbach 1000, Nürnberg und Fürth 4500, Ober- schlesisches Industriegebiet 3000, Offenbach und Umgegend 1000, Recklinghausen (Kreis) 5000, Saargebiet 140 000, Stuttgart 2500, Straßbnrg 3000, Stettin 1000, Provinz Schleswig-Holstein 8000, Trier und Umgegend 1000, Pro vinz Posen 6500, Provinz Wcstpreußen 16 000, Wiesbaden 1500, zusammen 272 000 Personen. Totale Aussperrung wird noch aus Aschaffenburg, Kottbus, Flensburg und Schwerin gemeldet, ohne daß die Zahl angegeben ist. — Aus Bremen, Neustadt a. H., Osnabrück, Opladen, Sieg- bürg und anderen Orten wird berichtet, daß die Bauarbeit geber wenig Neigung haben, die Aussperrung durchzuführem — Der H««sabn»>» entpuppt sich immer deutlicher als Helfershelfer dcS LinkSltberaliSmu«. Wir haben schon mlt- geteilt, daß der .unpolitische" Hansabund im Herzogtum
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