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Nr. 80 Ettwoch den SO. April L01O V. Jahrgan» MchslscheNolks;Mng , . . . . Raum mU kricheiut täglich nachm, mit «uSxahme der Sonn- und Festtage. «lnSaabe ^.r Mit .Die Zeit in Wort und Bild' vierteljährlich. An Dre.'den durch Boten L,4« ^ In gcmj Deutschland ,rct Haus ik.KS Unabhängiges Tageblatt für Wahrheit, Recht und Freiheit werden die g.civaliene PctttzcUc oder deren Rau« mit ^Rellamcn mit SO .s die Zeile berechnet, dei Wiederholungen entsprechenden Rabatt. ellei D.dd".^'Stz'e^W74^^ 8ä,Rückgab.und«,°^..r»r.s.M Der Einfluß der Lohnkämpfe aus den Weltmarkt. Leipzig, de» 19. Brril 1!»10. Die Unruhen im Baugewerbe haben zu einer Arbeiter aussperrung geführt, wie sie die sozialpolitische Geschichte des sonst an merkwürdige Dinge gewöhnten 20. Jahrhun derts noch nicht gesehen hat. Die Arbeitgeber haben von den Arbeitern gelernt und eingesehen, daß der gewaltigen Organisation nur in einem Zusammenschlüsse aller Ar- beitgeber ein Paroli geboten werden kann, das die Macht der Organisation paralysieren, mindestens aber erheblich schwächen kann. Als Folge dieses Zusammenschlusses der Arbeitgeber sehen wir dann die Aussperrung der Arbeiter, die dem Streike der Arbeiter koordinierte Waffe der Unter nehmer, zuerst als lokale Erscheinung, um nicht ein Drittel der Arbeitswilligen an durch den Streik der anderen zwei Drittel unlohnend oder unmöglich gemachten Unter nehmungen, wie man so sagt, mit durchzufüttern und um nicht durch dieses Drittel Arbeitswilliger den Streikenden Geldquellen zu eröffnen, die geeignet wären, den Kampf zu verlängern und zu verschärfen. Später ist die Aussperrung, ein selbständiger Faktor, eine eigene Waffe der Unterneh mer im Kampfe gegen die berechtigten und unberechtigt. '. Ansprüche der Organisationen geworden und in dieser G - stakt erblicken wir sie heute. Wenn zwei miteinander kämpfen, so hat stets der schwächere die Sympathien der Zuschauer. Aus diesem edlen, den Menschen als solchen und in seinen besten Eigen schaften charakterisierenden Gefühle heraus ist seine Ritter lichkeit geboren, die dem Mittelalter seine besondere Prä gung verlieh und die auch heute noch den Verkehr mit dem schwachen oder schönen Geschlechte beherrscht. Der Aesthe- tiker kann mit dieser schönen Tatsache voll und ganz zu frieden sein, während der Sozialpolitiker nicht immer das Schöne und Gute, sondern in erster Linie das Mögliche und Erreichbare ins Auge fassen muß, wenn er überhaupt etwas erreichen will. Und wenn wir uns fragen würden, ob alles das erreich- bar ist, was die Maurer als oonckitio sino gurr non ver langen, so würde es uns schwer fallen, diese Frage zu be jahen, denn die höheren Trümpfe sind ja in den Händen des wirtschaftlichen Gegners, und das eigene Recht ist nicht so erdrückend, daß es die Macht, die Gültigkeit und Kraft jener stärkeren Faktoren ganz oder teilweise aufheben könnte. So zum Beispiel wird von hungerleidenden Pro- Ictariern dort nicht gesprochen werden können, wo die Ar beit mit 80 Pfennig pro Stunde und darüber entlohnt wird. So wird auch nicht die Rede von einer politischen Knebelung der Massen sein können, wenn der Unternehmer das Seinige als sein Eigentum betrachtet und Organisa tionsfragen nicht zur Diskussion in seiner Baubude zu lassen will. Wenn das brennende Bedürfnis vorhanden ist, Orga- nifationsfragen zu erörtern, so wird sich in der großen, weiten Welt Wohl noch ein Fleckchen finden lassen, auf dem dies geschehen kann. Wenn man gerecht sein will, muß man auch Billigkeitsgründe gelten lassen. Aber sei dem, wie ihm wolle. Wenn wir den Lohnkampf im Rahmen jener großen wirtschaftlichen Kämpfe betrachten wollen, die den Weltmarkt zum Kampfpreise haben und über Sein oder Nichtsein einer ganzen großen Nation entscheiden, so ist die Frage, wer im Rechte, wer im Unrechte ist, müßig und es interessiert lediglich zu erfahren, wer der Sieger, wer der Besiegte sein wird. Ohne prophezeien und die kommenden Ereignisse irgendwie präjudizieren zu wollen, nehmen wir einmal einen Sieg der Arbeiter als gegeben an. Dann werden zunächst sämtliche Hausbesitzer, auch die jenigen, deren Häuser noch zum Tarif von 40 Pfennig Ar beitslohn pro Stunde gebaut worden sind, die Mietspreise erhöhen. Die Erhöhung wird den Arbeiter, den Krämer, den Schuhmacher, den Schneider, kurz außer dem Arbeiter selbst jeden Handwerker und Fabrikanten treffen, nur mit dem Unterschiede, daß die letzteren die Mietserhöhung nicht selbst bezahlen, sondern zwei- bis dreimal auf die zu ver kaufenden Artikel schlagen. Für sie ist die ganze Erhöhung lediglich Kalkulationssache. Der Arbeiter aber hat trotz seines Sieges in Wirklichkeit gar nichts erreicht, denn was er mit der einen Hand nimmt, gibt er mit der anderen wie der aus. Als dauerndes Defizit aber muß er jene 10 bis 15 Wochen Lohnausfall beklagen, während der die Arbeit geruht hat. Als einziges positives Ergebnis kann die Welt geschichte eine weitere Entwertung des Geldes verzeichnen, die früher oder später zu einer .Krisis führen muß. Als einziges Ergebnis? Ja, wenn die bekannte Duplizität der unangenehmen Ereignisse zulasten würde, daß ein Unglück einmal allein kommt. Aber auch hier wird es nicht allein kommen, sondern uns langsam, aber sicher eine Wirtschaft- liche Kalamität bescheren. Um uns über die Bedeutung dieser Katastrophe völlige Klarheit zu verschaffen, müssen wir zunächst einmal einen historischen Rückblick auf die Ent stehung unserer Industrie, auf die Eroberung unseres Welt marktes durch unseren Handel werfen. Alldeutsche Phantasten reden so gern davon, daß deut scher Erfindungsgeist und deutscher Gewerbefleiß unserer Industrie den Weltmarkt erschlossen hätten. Wer sich einen Augenblick von aller Schönrederei nnd Eigenliebe frei macht, um ganz auf dem Boden der Realität zu stehen, wird zugeben müssen, daß eine junge Jirdustrie, die keine Er fahrung und keine geschulten Kräfte hinter sich hat, einer jahrzehntealten, blühenden und gut eingeführten Fabrika- tion in Qualitätsware keine ernstliche Konkurrenz machen kann. Aller deutscher Erfindungsgeist reicht nicht aus, um auch nur fünf Jahre Praxis zu ersetzen, denn eben diese Praxis ist es, die dem Erfindungsgeiste die Bahnen weist und zur freien Entfaltung verhilft. Was uns den Markt erschlossen hat, das war die billige Arbeitskraft, die es uns gestattete, das Geschäft durch Unterbietungen anzuknüpfen und zu forcieren. Der Kaufmann, besonders der ältere Kaufmann ist in seinen geschäftlichen Beziehungen außer ordentlich konservativ und er würde den neuen deutschen Parvenü und Selfmademan nicht einmal angehört haben, wenn er ihm nicht von vornherein hätte greifbare Vorteile bieten können. Diese billige Arbeitskraft war es, die uns in England Aufnahme verschaffte und selbst in Amerika Eingang erzwang, das durch prohibitive Zölle einen sicheren Wall gegen fremde Eindringlinge errichtet zu haben glaubte. Wenn man auch jetzt im allgemeinen sagen kann, daß sich unsere Ware neben der amerikanischen Ware sehen lassen kann, muß man doch zugcben, daß dies in den 70er Jahren eben nicht der Fall war und daß unsere geringere Ware eben nur gekauft wurde, weil sie billiger war, wesentlich billiger, trotz des enorm hohen Zollsatzes, der in vielen Artikeln auch heute noch 100 Prozent des Fakturenwertes ausmacht. Die Verhältnisse im allgemeinen haben sich nur inso fern geändert, als die deutsche Industrie tatsächlich im Laufe der Jahre einen ungeahnten Aufschwung genommen, hat und heute neben der billigen Ware, die im Ausland« infolge der höheren Arbeitslöhne nicht hergestellt werden kann, auch Waren feinsten Genres fabriziert, für die es nn Auslande aus technischen Gründen keine Konkurrenz findet. Im allgemeinen aber hört man nicht nur von Frankreich, England und den übrigen Staaten, in denen das National- gesühl stark ausgeprägt ist und auch auf daS geschäftliche Leben abfärbt, sondern auch von Amerika recht oft die be- zeichnende Antwort: „Wir bedauern, von Ihrer Offerte keinen Gebrauch machen zu können, da sie uns im Verhalt- niste zu hiesigen Offerten keinen wesentlichen Vorteil in, Preise bietet. Unter diesen Umständen ziehen wir es vor, im Lande zu kaufen, schon deswegen, weil die hier zu er- wartende prompte Lieferung die kleine Preisdifferenz mehr als ausgleicht." Wir sehen daraus, daß wir in Ländern wie Amerika, und Frankreich, die durch exorbitant hohe Zölle geschützt sind, alle Anstrengungen machen müssen, um das gewonnene Terrain nicht wieder zu verlieren. Die Artikel feinsten Genres, für die wir vorläufig noch eine Art von Monopol besitzen, können uns noch einige Zeit über Wasser halten, aber auch schon morgen verloren gehen, je nachdem sich dis Technik im Auslande entwickelt, das selbstverständlich in, Zeiten wirtschaftlicher Depression alle Anstrengungen macht, uni unsere Spezialartikel in gleicher Güte herauszubringen- Uns bliebe dann nur noch das Geschäft durch Unterbietung und wie lange dieses dauern wird, wird zweifellos davon abhängen, wie sich die Lohnverhältnisse entwickeln iverden und wie sich die Negierung den fortgesetzten Zollerhöhungen des Auslandes gegenüber verhält. Erst am 1. April hat die französische Negierung wieder eine Tarifreform in Kraft treten lassen, die uns neue Lasten, neue Bürden bringt, ohne daß unsere Regierung ernstlich vorstellig wird, oder, was besser helfen würde, zu Repressalien greift. Wenn wir also schon, durch die Er fahrungen belehrt, kein allzu großes Vertrauen in das Ge* schick und den guten Willen unserer Regierung setzen dürfen, so werden wir vollends beunruhigt durch die Frage, wi«! sich die Lohnkämpfe entwickeln werden. Als Fundamentol- satz für jede Sozialpolitik kann -er Satz gelten: Deutsch land kann seinen Arbeitern höchstens 70 Prozent des Loh nes bezahlen, den andere Länder ihren Arbeitern bezahlen; die restlichen 30 Prozent sind notwendig, um Zoll und Fracht für den Export zu decken und den Markt durch Unter bietungen für uns offen zu halten. Dabei werden sich nach! unserer Ansicht die deutscl)en Arbeiter nicht einmal schlechter stehen, als ihre Kollegen in den übrigen Ländern, denn, den geringeren Löhnen entsprechen billigere Lebensverhält nisse. In dem Augenblicke aber, in dem der deutsche Lohn niit Zoll und Fracht gleich ist dem Lohne der ausländi schen Arbeiter, ist unser Export vernichtet. Was das zu bedeuten haben würde, braucht nicht näher erklärt zu wer den, wenn wir uns vergegenwärtigen, daß gewisse In- tnstrien zwei Drittel ihrer Fabrikation ins Ausland schicken. Die Einstellung unseres Exportes würde eine Massenentlassung notwendig machen nnd eine wirtschaftliche Kalamität verursachen, die im Anfang vom Ende die erste, gewaltigste Katastrophe bedeuten würde. Darum wird selbst der grundsatzleseste Opportunist die Frage nach der Zweckmäßigkeit und Nützlichkeit der jetzigem Lohnkämpfe nicht ohne weiteres bejahen können, weil diese Kämpfe abermals unsere gesamten Verhältnisse über G<> bühr verteuern und uns einen großen Schritt näher an jene „Ob Christus wirklich gelebt habe eine solche Frage, schrieb im vorigen Jahre R. Saitschick, „kann nur in Menschen auftauchen, die nicht die geringste Ahnung davon haben, was lebendiger Geist und persönliche Kraft bedeutet: denn um zu ahnen, was die Erscheinung Christi ist, muß man wenigstens etwas von Geist und Be geisterung im eigenen Innern spüren. Alle tiefen und großen Persönlichkeiten haben die unerschütterliche Realität (Wirklichkeit) der Erscheinung Christi empfunden und da von mit größter Sicherheit gesprochen. Immer sind es nur kleine oder in spitzfindiger kritischer Gelehrsamkeit befangene Köpfe, denen diese Realität nicht einlcuchtet, weil ihnen der volle Gehalt des konkreten Daseins überall und stets nur verdünnt und verblaßt entgegentritt". (Hochland, 1909, VI, 175.) Dieses Urteil wird jeder bestätigt finden, welcher die neuesten Leistungen auf dem Gebiete der Leugnung der Existenz Christi kennt. Wir meinen den Karlsruher außer ordentlichen Professor der Philosophie Artur Drews, der in seinem Buche die „Christusmythe" in allen Mythologien herumstolpert und wahre Akrobatenleistungen vollführt, oder den Marburger Professor Jensen, welcher in seiner Gilgamesch-Monomanie allüberall am Himmel und auf Erden in den Literaturen aller Völker wie in den Evangelien Kopien des babylonischen Gilgamesch-Epos sieht und alle großen geschichtlichen Persönlichkeiten an den Altären Babels abschlachtet zur größeren Ehre des Gilgamesch. Anscheinend beurteilen solche Schriftsteller die Mensch heit nur durch ein Fernglas, nur von weitem, so daß sie gar keine Ahnung haben davon, wie zu einer weltgeschicht lichen Massenwirkung auf die Menschheit, wie das eine solche doch gerade das Christentum fort und fort ist, nicht eine körperlose Idee, sondern eine lebendige Persönlichkeit unersetzlichste Voraussetzung ist. Saitschick erinnert in seiner Auseinandersetzung mit Nietzsche (Deutsche Skeptiker, Lichtenberg - Nietzsche. Zur Psychologie des neueren Individualismus, Berlin 1906. 206) an das Urteil Napoleons I., der ja für den Propheten des Uebermenschen das Ideal ist, über Christus und dessen weltgeschichtliche Nachwirkung. Und er bezeichnet niit Recht jenes Urteil Napoleons als ein „psychologisches Dokument von größter Bedeutung" und zugleich als wirksamste Wider legung der ganzen Auffassung Nietzsches, und fügen wir hinzu, dieser seichten, für das Seelenleben der Menschen ganz verständnislosen modernen Leugner der Existenz Christi. Erinnern wir diese einmal an das Urteil des großen Korsen: „Man staunt im Enthusiasmus über die Eroberungen Alexanders des Großen. Christus aber ist ein Eroberer, dem sich nicht etwa nur eine einzige Nation, sondern daS ganze Menschengeschlecht unterwirft. Welches Wunderl die menschliche Seele mit allen ihren Fähigkeiten wird nur ein Anhängsel der Existenz Christi. Und wie? In der Tat durch ein Wunder, das alle anderen Wunder über steigt. Er verlangt die Liebe der Menschen, d. h. das, was der Weise vergeblich von einigen Freunden, der Vater von seinen Kindern, die Gattin von ihrem Gatten, die Ge schwister voneinander verlangen — das Herz — das ist es, was er für sich in Anspruch nimmt, was er unbedingt for- dort und was ihm auf der Stelle auch gegeben wird. Daraus allein folgere ich seine Göttlichkeit. Christus spricht, und nun gehören ihm die Generationen durch engere intimere Bande als die des Blutes. Er zündet die Flamme der Liebe an, wodurch die Selbstliebe, die ja über alle- mächtig ist, vernichtet wird . . . Und so ist das größte Wunder Christi, ohne Widerspruch, das Reich der Caritas. Ihm allein ist es gelungen, das menschliche Herz bis zum Unsichtbaren hinauf, bis zur Vernichtung aller Grenzen der Zeit zu erheben und dadurch ein unlösbares Band zwischen Himmel und Erde zu schaffen. Denn alle, die an Christus aufrichtig glauben, fühlen diese wunderbare, über die Natur hinausgehendc höhere Liebe — ein unerklärliches Phänomen, welches dem einfachen menschlichen Verstände unzugänglich ist, ein heiliges Feuer, von diesem neuen Prometheus auf die Erde gebracht, so daß selbst die Zeit, diese große Zerstörerin. es nicht auszulöschen vermag. Dies ist es, was ich am meisten bewundere; ich habe darüber oft nachgedacht; dies ist es, was mir wenigstens die Göttlichkeit Christi unbedingt beweist. Ich selbst habe die Massen zu begeistern vermocht, die für mich in den Tod gingen. Gott behüte mich davor, irgendwie einen Vergleich zwischen dem Enthusiasmus (Begeisterung) der Soldaten und der Liebe der Anhänger Christi anzustellen: beide Er scheinungen sind ebenso verschieden wie ihre Ursachen. Aber doch war meine Gegenwart notwendig, der elektrische Funke meines Blickes, meine Stimme, mein Wort, um das heilige Feuer in den Herzen zu entzünden. Sicherlich habe ich da» Geheimnis dieser magischen Kraft, welche die Menschen hin reißt, aber ich kann es auf keinen anderen übertragen, keinem meiner Generäle habe ich es mitteilen können. Auch habe ich nicht daS Geheimnis, die Liebe zu mir und zu