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Nr. SE 18. Iahrg. Sonnabend, ke« 8. ^ebr. abends GcschSftsstklle und üledakllo«, Dresden-A. 1V, Holbetnsrrnsze 4L Fernsprecher 21388 Postscheckkonto LcipzlL Nr. L17S7 Vezogspret-, A»»a«s« ^ Mil tlluslr, BkUaae vlerl-ljSbrlick I» Dresden um Ha! bau» ».»«» .« l «anz in v Deittlch- eslerreich ».8» 4«. land irrt « 40 X. «IiiSgabe 8 vierteljährlich L.kdi ^c. In Dresden und aanz De»l>chlnnd frei Haus «.— in Ocslerreich S.8N X. Einzel-Nummer l<» 4. Di« Süchfiiche «olkSzeitnna ericheint an alle» Wochentaaen »achmiliagS. An,einen, Annahme von GeschätiSau,eigen dis I V UHr, von ü,.uni>e»anze>gen bis l z llyr von». Preis li.i die'Selil.S! ll-ei!>'SiI 4 in, ll-ella- meleil eiii 4 Kainil ett-Anzeigen z;> 1. Für undeullich „eich, > ebene lonne durch Fern sprecher aulgcgeo,tt> Vin,eigen können nur die Hcranlwortlnhl, il sür!ueR,ail,gIeil crSLetlcS nicht übernehmen, kprechiluude der LiedaklUin: l 1 — It Nbr vorm Einzige kachMch« 4:agesMwM »« Zentrum:,pu> »e r Ausgabe o mit illustrierter Umerhainmgsbellllge ans rsUft WoarenveNaa- Busyooenur mV Ser Wochenbettage, Gnädigste r H Sie sind erzürnt! Das ist bedauerlich, läßt sich aber nicht ändern. Denn es ist Pflicht des Publizisten, auch dann gegen gewisse Vorgänge zu sprechen, wenn das nicht angenehm empfunden wird, ja dann erst recht, denn es ist in solchen Fällen meist doppelt notwendig. Wir bluten aus tausend osfenen Wunden — aber man tanzt. Wir sind und werden erniedrigt, wie kaum je ein Volk vor uns — aber inqn tanzt. Wir werden verhöhnt und vergewaltigt — aber man tanzt. Unsere herrlichsten Gaue sind der Spielball unserer Feinde — aber m an tanzt. Die polnischen Heere stoßen ins deutsche Herz und be drohen Schlesiens Hauptstadt — dort aber' veranstaltet man ein Wohltütigkeitsfest zum Vesten der Hinterbliebenen ge fallener Helden des 11. Grenadierregiments mit Tanz bis zuin frühen Morgen. Die Tschechengefahr wird immer größer — in München hat man bis zum 29. Dezember bereits mehr als 2000 Tanzvergnügen gezählt. Der Bolschewismus erhebt drohend sein Haupt — bei uns wirbelt die Jugend auf dem Parkett. * « Zwischenakt: Tie Ka r n e v a l ko m in i s s i o n eines Dorfes im Kreis Alzey hatte den französischen Orts kommandanten um Genehmigung zur Abhaltung eines Maskenballes ersucht. Die Antwort lautete: „Da Frankreich um seine Söhne trauert, können im besetzten Gebiet solche nnzeitgcmäsicn Veranstaltungen nicht genehmigt werden. Außerdem hat auch Deutsch land erhebliche Gründe zur Trauer und zur Sparsam keit." So etwas müssen sich Deutsche im besetzten Gebiet von Franzosen sagen lassen — bei uns jedoch tanzt mau weiter. * -i- «- Sie aber, Gnädigste, sind erzürnt und machen das Recht der Jugend und den Willen zum Leben und die Lust zur Freude geltend. Keines von diesen Momenten soll Ihne» bestritten werden. Aber hat nicht unsere Jugend viereinhalb Jahre bluten und Unendliches erdulden müssen, ohne mit der Wimper z» zucken. Das Blut, das geflossen, aber spricht eine ganz andere Sprache. Haben Sie nicht gelesen, was Leo Sternberg im Krieg gesungen hat: „Hörst du die Bäche rieseln zur Nacht? Das ist das Blut, das heimwärts rinnt. Von feindlichen Bergen nach stürmischer Schlacht, Wo die Helden des Volkes gefallen sind. Die gaben den Gatten; die gaben das Kind, Ihr Blut kreist mit durch Volk und Land . . . Es rinnt durch die Adern des Neickjes und rinnt, Pulst Hans an Haus und Wand an Wand . . ." Das Recht der Jugend besteht heute in der Pflicht zur Mitarbeit am Wähle des Ganzen, am Ncuanfban des Reiches und in der Sorge, daß jeder das scinig« tut, um die christliche Volkskultur zu erhalten. Die heutige Zeit schreit unS ent gegen: Pflichten, Pflichten und nochmals Pflichten. Und retten kann uns nur das gute Beispiel. Der Wille zum Leben! Gewiß, wir müssen ihn haben und wir werden ihn haben, wenn wir christlich denken und fühlen. Es besteht aber heute weniger denn je, darin daß wir uns im Kreise drehen und bei Hellem Glanze der elek trischen Birnen — im Zeitalter der Kohlennot — flirten Niemals hat es für unsere Jugend — auch und vor allem für die weibliche — eine Zeit gegeben, in der sie für den Willen zum Leben ein solch reiches Feld der Betätigung fand. Wer das ansnntzt, der kann sieb auch nicht beklagen, daß er „nichts vom Leben gehabt habe", wie der bekannte Ans druck wohl lautet. Bei uns aber jagt in der Zeit der tiefsten Erniedrigung „Das Gekreisch der Burleske und das Ge jammer um ein verlorenes Leben hinter einander her". Und die Lust zur Freude! Ist das Freude, was wir jetzt erleben? Kann Ihr Herz, meine Gnädigste, iroh wer den, wenn Sie sich im Kreise drehen und der Walzer Ihr Ohr nmschmeichelt? Tönt nicht dabei laut der furchtbar.' Ernst der Zeit mit? Nein was wir beute erleben, zwingt zum Gebet, nicht aber zum Tanz. Freude! Nehme:: Sic, Gnädigste, das Buch des Bischofs v o n K eppl e r „ Nt e h r F r e u de" — es ist erst kü > z- lich wieder eine neue Auflage davon erschienen — zur Hand, denn darin wird gesagt, „was wir tun können, um in frendearmer Zeit die Freude für uns und andere zu retten und zu vermehren". Dieser hervorragende Kirchenfiirst sagte schon vor dem Kriege: „Tie wabre. geistige, übernaliir- liche Freude scheint entwertet in der heutigen Welt — 'ckzätzen w i r sie über alles." Scneca hat bereits gesagt: „Es ist eine ernste Sache n:n die wahre Freude" Wie ernst es damit ist. 'eben wir jetzt, wo ein wahrer Herensabbat ausgebrocken ist, ein wahrer Taumel, während wir alle Veranlassung hätten, unser Haupt zu verhüllen. Wahrhaftig, Nietzsche ist nicht nnsr Freund, aber er hat das treffende Wort geprägt: „Wirs den Helden in Deiner Seele nicht weg!" Das Wort ist gut. Nieluche 'elbst und seine Anbeter haben es nicht in die Wirklich keit nmgew-ht. Um so mehr hat das deutsche Volk in allen sein-'n Gliedern bittere Veranlassung, es heute zu tun. Aus tauiend Wunden bluten Land und Volk — a d e r man tan't.. . Weimarer Stimmungen. (Von unserem parlamentarischen Vertreter.) Nach langer sä merzllcher Pause hat der politische Hochbetrieb nunmehr wie er bei m S eingesetzt. Aller dinpS: welche Wandlung! Was liegt alles an seelen- erlchüiteruden Erlebnissen zwischen dem i) Novbr. uns Hemel Damals laßen die PuN>ne» im Reichstage i» ihren ,1rnklio»s- zimmein und beraftä laglen, wie d>e drohende Situation beschworen werden könnte A» die unmittelbar, in Sinn- den ansbrechende Rcvolutiv» dachte» damals in der Tat die wenigsten. Die Dinge kamen erst i» F-uß, als Prinz Max von Baden das Feld geräu» 1 balle. Es gtbl Pali liker, die da belanpien, die Dinge hüllen eine ganz an dere Wendung nehmen können, we.» Prinz Max sein Amt behalte» und das Noalltwnökabnieil e»t egen enoin- ineu hätte, um dessen Bildung in d,n Morgenstunden des 0. November, wähl gemerkt unter Beteiligung der Mehr- he'Is'ozlaldenwkralen, die Parteien sich beintthien. Da Plötzvch kamen zwei, darin wer, dann 40, daa» -rOO Be- wassnele t» de,» Reichstag, drangen in tue Laie, lpreng- len die Frak1ivnss>y>,m.e» »nd des yten die Rämne. Es Ware» kparinkslei, und Unabhängige. Es sieht heute fest, daß s.lhst die Mehih'iissaz ald inokrat n übe rumpelt lvarden waren Unier dem Zwang der Lage ries Scheide- mann vom Balkon des Reichstages vor eimr Ralle von e n paar hundert Leuten nuo Schreiern die „Republik Deutsches Reich' aus. Das „Voll" Halle mit Weser K» dgebung aber auch gar nichts zu tu». Der Laus der Dinge war aber nicht mehr «u'zuhaUe», die Reooiulion war ausgediochen, und t» . e» litzen diel Mvuoieu habe» wir ihre „Seginngei," an, e gene» Leibe ja geimrkl HtUie tagen wir i» Weimar Wen ab vom Schuß, möchte man lagen, aber Tauiende von Geweyien stad lchntzdereu. Ob st' auch Buiglcha'l sur die Standhaftig keit des ersten wriassm gsgehenden Paiiamrnis der jungen epuvlik geb n, wer möchte ü S behaupten? Die Wei marer Stimmungen verneigen »>chl ge,ade Guies. Der povliiche Begrab, der sich hier sieckich wet mehr „konzen tuen" Vollziehen lunn ms m Beitin, >u nberwiegend aus R signation emgeUelli. D>eje vezwht sich nicht nur aus die Aussichten bezug Ich einer gtalicn Durchlüarung der Bei Handlungen der NatioinckveHumn lang joiveil äußere Siö linge» m Frage komme», sonder» vielimhr noch aus Ueberiaschuligen. die sich in, Innern dieses P-rlameu'es ergeben lönne». Na,l zmetzi ist man eoller B>d>»knch. leiten darüber, ob >s uua, genügen wird, de,, Beschlüsse» der Natmnalveis a> num g die 'Nnsiüvinnu zu sichern. Wie will man das machen ohne Machteutsaltung? Und wie soll diese von statten gehe», ohne eine in militärischer Ge- Walt sich verkörpernde Ltaatsautorität? Wir mögen die T'.nge drehen und wenden wie wir wollen: Das erste Er fordernis nin Ordnung und Ruhe im Lande zu schassen ist dei Ausbau des Heeres. Darüber gibt cS selbst bis tief in die Reihen der Sozialdemokraten hinein auch gar keine Meinungsverschiedenheiten. Wollte man die gegenwärtigen Weimencr Stimmungen für die Tragfähigkeit dessen. wa-.> durch die Nat'olialversammlang geschaffen werden soll, als VciirtciluugsiNi'ßstab heranziehen, so würden sie nicht gerade erfreuliche Ausblicke aus unsere politisclze Zukunft eröffnen. Die ziikunst»sreudige Note muß erst noch angeschlagen werden! Die Nationalversammlung. Präsidentenwahl. Freitag, 7. Februar 8 Uhr. An den Tckche» für die Neicbsregierung und die Ver treter der Einzel, egtei ungen: Ebert, Noske, Wissel. Ecz- b»rger. Schisser und andere. Um 8'/i Uhr eröffnet der Alterspräsident Abgeord neter Psannkiich die Sitz mg. Es wird zunächst eine große A>z:bl von Begrüßungstelegrammen und Adresse» verlesen. Das Haus tritt in die Tagesordnung ein und uiiiimt zm ächst nach Vorschrift H ft Ablatz 2 und 3 der Ge schäftsordnung die Wahl des Präsidenten und der Vize präsidenten sowie der Schnftsüluer vor Das Wahle-gebN's ist folgendes: Dr. David (Soz.) 374 Stil», en. Dr. Cohn (lGobh. Soz) l Stimme, Dr. Heioze (keuische Volksp s t S'imne, Fehrenbach (Cnristl. Volksp ) > Stimme. 22 Zettel waren unbeschrieben. Somit ist Dr. David zum Präsidenten der National versammlung gewählt. Die Rede Dr. Davids. Meine Damen und Herren! Ich danke Ihne» für das große Vertrauen, das Sie mir duich die Wahl zur» Piäsjdeaten bewiesen haben, lkroße Aufgaben harren unser. Krieg und Revolution haben das alle Neglerungssystem zertiümmert. Wir wollen einen neue» Bau err chie», der ein besseres, wohnlichere- Haus sür unser politisches Zusammenleben sein soll als daS alle. An Stelle des slüheien. auf Vorrechte und Bevor zugung einer Mindeiheit ausgebauten Systems soll eine aus voller staatsbürgerlicher Gleichberechtigung beruhende De mokratie trelen. (Lebhaftes Bravo.) Demokratie, das war bis vor kurzem ein in Deutschland iibelbeleumundetes Wort. Und doch ist Demokratie der Ausdruck des büchften Packti schen Ideals. Das Volk als Ganzes wird Herr über sein eigenes Gekchick Nur das unerschütterliä e Festhalten an diesem Grundsatz kann die Gefachen beschworen, die uns sonst bedrohen. So legt die Demokratie, indem sie dein Volke das hohe Recht der Selbstbeslimwiing gibt, auch di« Pst cht der politische» Selbstzucht jedem einzelne» auf. Das oeinokrausche Recht des einzelnen findet seine Grenzen in dem demokraiischen Recht der and-re». Nur bei voller gegensiiliger Achtung der demokraiischen Rechte kaun ein solches Staatswesen gedeihe». Auch in diesem Hause muß diese Pflicht der Demokralle gellen. Dieses Haus soll eine Stätte des sreien Worte« sein. Aber dieses Hans soll auch eine Stätte der freie» Unterordnung des einzelnen unter den Willen der Gesamtheit sein. L ssen Sie unS alle be strebt sein, durch unsere Arbeit den Beweis zu erbringen, daß Deutschland ein sür die Demokratie reifes Land ist. (Beifall.) Hart werden die Meinungen auseinandeiplatzen, aber nie wollen wir vergesse», daß die Augen der Millionen, die uns hieih r gesandt haben, ja die Augen der ganzen Welt aus uns gerichtet sind und seien wir uns dessen wohl bewußt: Nicht Worte nur erwartet uaser in Not um> Qnal seufzendes Volk von uns, sondern Taten (Lebh Zastimmimg ) Meine Damen und Herren! Neben der großen Aufgabe des Verfassungsneubaues sollen und muffen wir die noch schwie rigere Aufgabe des wirtschaftlichen Aufbaues in Angriff nehmen. Ein neucS höheres Gesellschastsideal lebt in den Piaffen des iverkläiigen Volkes. Auch das Wort Sozialis mus hat für manche Leute einen schreckhaften Klang. Hier muß die Brücke des Verständnisses geschlagen weiden. Das Ideal des Sozialismus ist die Ueberbrückung des Gegensatzes zwischen der dünnen kuliurreichen Oberschicht und einer breiten kuliurarmcn Unterschicht. Nur durch die Lösung dieses Pro blems kann der dauernde Friede tm Innern errichtet werden Die Zukunft zeigt uns ein Volk, das in allen seinen Schichten ein Kulturvolk ist. Nur wer das versteht, wird ohne Haß und Furcht dem Di äugen der Arbeitermassen gerecht weiden. Demokratric und soziale Gerechtigkeit werden das deutsche GcmeinschaslSoesüht der Idee zum deutschen Lande und zum deutschen Volke mächtig erstarken lassen. Zum deutschen Lande und zum deutschen Volke gehißt bis zur Stunde auch Etsaß-Lolhiingen. (Beifall.) Zu unserem Bedauern müssen wir seststellen, daß dort die Wahlen zur deutsche» National versammlung verhindert wc» den sind. Wir senden dem elsaß- loihrmgischen Volk unseren Gruß und werden nicht aushören, zu fordern, daß auch ihm das Nicht der Selbstbestimmung über seine nationale Zugehörigkeit gemährt wird, wie cs in den Wilsonschen Gruiidlätz>n ausgesprochen ist. (Lebhafter Beifall und Händeklatschen.) Und zu diesem deutschen Volk gehört auch der deuischösterreichischc Brudcrstamm. (lebhafter Beifall und Händeklatschen.) Ich gebe mich der Hoffnung hin, die Vertreter Dculschösterrcichs tn nicht allzu fernerer