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Nummer 276 — 24. Jahrgang «mal n>öch. Bezugspreis: für Dezbr. 3.— einschl. Bestellgeld. «nzetgenpreis«: Die Igelp Prtttzeile Stellengesuche 2V L. Die Petitreklamezette. 89 Milli meter breit. 1 ^t. Offertengebühren für Selbstabholer 20 L. bet Uebersendung durch die Post außerdem Portozuscklag. Einzel-Nr. 10 Sonntags-Nr. 15 -8. Vefchäftlicher Teil: Jo/efFoh mann. Dresden. Dienstag, 1. TtZt'mber 1925' Im Falle höherer G'wa!: erluel» leb« Verpflichtung! aus Lieferung sowie Triüllung v. Anzeigenaufträg«»l u. Leistung v. Stmoeneriatz Für unüeutl. u. V. Fern« rus liöeiniü! An.',eigen übernehmen wir keine Ber<( annvoriung Unnerlangt emgelanore u. m. RUchpocta nicht »ersehene Mmnttkrivte wer? nicht aufbewahrt- Sprechstunde d Retaklion 5 bis 8 Uhr nachmittags.! Hauptfchristleit.: Dc. Joseph Albert, Dressen,' weschiitt ftclie, .«.ruck »iid Verlag: Earoina. BuUidrockcr'i KmbH.. DrcSi»'„-A. >6. Howclnllr'he«». kremruf S27M. Pvstschecktoi'Io Dresden 14797 BaiMoiiio: Baffciiae 6- strirfche, rretdcn. Für chrtsNtche Polilik und Kultur «etzatti-n de, ««»sllckea Volte,e'«»ng »reSden-Allst. lS. Holbetnstratze 4«. stemm« »27» und 3WR. Die Konsequenzen für die Innenpolitik 8«MO »Ikt!> -es MM Berlin, SO. November. Im Lauf« der Unterhaltung vor der gestrigen Abfahrt der beutschen Delegation nach London, bemerkte Dr. Stresemann, wie der „Montag" meldet, bah di« Rückkehr der Delegation am Freitag und die Demission des Kabinetts dann wahrscheinlich am Sonnabend erfolgen würde. Berlin, 30. November. Die deutsche Delegation zur Unter zeichnung der Locarno-Verträge hat sich gestern abend 8,30 Uhr über Ostende nach London begeben. Die Delegation besteht aus dem Reichskanzler Dr. Luther, dein Reichsaußenminister Dr. Stresemann, dem Staatssekretär des Auswärtigen Amtes von Schubert. Ferner reisten mit den Ministern nach London Oberre.st.'rungsrat von Stockhcmsen aus der Reichskanzlei, der Sekretär des Rcichsaußenministers Bernhard, und die Legations sekretäre Redelhammer und Dr. Strom, sowie technisches Per- sonal. Best» ?st>schied aus dem Bahnhof sah man den belgischen und den polnischen Gesandten sowie den französischen Geschäfts träger, der In Vertretung des gegenwärtig verreisten franzö sischen Botschafters erschienen war. London. 30. November. Der polnische Bevollmäch tigte ist mit seine« Begleitern gestern abend «n London eingctroffen. Die übrigen Delegationen, einschließlich der Deutschen, werden im Lause de» Nachmittag» nnd abend» erwartet. Die deutsche Delegation trifft wahrscheinlich um 8.3« Uhr nachmittag» ein. «Sie der Dailh Telegraph berichtet, ist die Verbreitung der Reden bei den Unter- zeichnnngSfeierlchkclten durch Rundfunk vorläufig auf- gegeben worden. Busser den Unterzeichneten werden n. ». Baldwin «no die Mehrzahl der Kabinett»m,nist«r an wesend sein. Bor der Unterzeichnung werde« die Sekre täre der einzelnen Delegationen i« Auswärtige« Amt »,e Bertrag»t-rte prüfen. Paris. 30. November. Briand reist heute in Begleitung von Berthelot nach London. Gegenstand weiterer Verhandlungen In London wird, wie offiziös von französischer Seite verlautet, der gesamte mit dem Vertrag von Locarno zusammenhängende Fragenkomplex und insbesondere die Erleichterungen des Be satzungsregimes bildm. Es ist kaum anzunehmen, daß die per- schiedenen zur Debatte stehenden Fragen in London erschöpfend belzandelt werden und man rechnet daher damit, daß die Be sprechungen gelegentlich eines Pariser Aufenthaltes Chamber- lalns wieder ausgenommen werden. Bekanntlich b^ibt sich der englische Außenminister nach Genf, um der Abriistungsdebatte des Völkerbundes beizuwohnen. Es wird mit der Möglichkeit gerechnet, daß Briand ihn begleiten wird, wenn es die parla mentarische Situation erlaubt, sich für 48 Stunden aus Paris zu entfernen. Man glaubt je^'nfalls zu wissen, daß der eng lische Außenminister schon einen dahingehenden Wunsch ge- FlulkalasLrophe WOWe UlWlIIW Nach einer Meldung der „Berliner Morgeiipost" wur den Süditalien und Sizilien von furchtbaren Unwetter» heimgcsncht. Der seit bereit» zwei Tagen dort hcrrsch noe Sturm steigerte sich am Sonnabcndnachmlttag und in orr Nacht znm Sonntag zum Zyklon. Da» Meer zwischen S,z,- l«en nnd dem Festlanv und hinaus bi» znm Golf vo» Neapel wurde vurch Springfluten derartig aufgepeitscht, dag di« Wellen an der Küste alles» wa» in ihre» Bereich gelangte, zerstörte«. Die Eisenbahn-, Telegraphen- nnd Telephonlinien sind unterbrochen. In dem bei Reggio d, Calabria gelegenen Städtchen Bangnara (Calabrias wur den die Häuser vom Sturm hinweggefegt, Bäume um- gerissen und alle Fenster vom Hagel zerschlagen. Di« gesamte kleine Flottille wurde gegen die Felsen getrieben und zerschellte. Die nach vem großen Erdbeben angelegte« Häuser wurden fortgeschwemmt wie leere Kisten. Aehn« lkche Szenen werde» au» Paglla und Montcleone ge meldet. Au» den kleineren Niederlassungen zwischen den größere« Zentren fehlt jede Nachricht. Man befürchtet, »aß e, ne größere Zahl von Menschen um» Leben gekommen ist. Anch Messina wurde vom Zyklon stark heimgesucht. Zahl reiche Menschen wurden dnrch Mauersteine nnd Dachziegel verletzt. Infolge Unterbrechung der elektrischen Anleitung ist die Stadt im Dunkel«. äußert hat. Havas gibt ferner eine Londoner Meldung wieder, nach der Chamberlain während seiner Rede nach Gens eine Zu sammenkunft mit Tschitscherin haben wird. Der tsch hische Außenminister Dr. Benesch ist auf der Durchreise nach London in Paris eingetroffen. Paris. 30. November. Nach dem „Intransegeant" fasten die Alliierten eine Note der deutschen Regierung erhalten haben, in der folgende Forderungen gestellt werden: 1. Erhebliche Ver ringerung der Besatzungstruppen. S. Verkürzung der Rän- mungsfristen. 3. Aufhebung der Vorschriften für den Bau von Flugzeugen. Insbesondere beanspruche die Neichsregierung das Recht zum Bau von Riesenflugzeugen. Sie habe sich dagegen schriftlich verpflichtet, daß von dem Bau militärischer Flugzeuge abgesehen werde. MllimiWeMl! in KW Derlln, 3V. November. Reuter meldet aus Köln, daß die Räumung der Kölner Zone bereits heute, also einen Tag früher als ursprünglich vorgesehen, beginnt. Pari», 30. November. Zwischen Paris und London ist über die Beibehaltung der Besatzungstruppen im Rhein land« ein reger Meinungsaustausch im Gange. Wie die Telegraphen-Union erfahrt, haben zwischen der Botschafter- konjerenz und den Generalen Ducane und Guilaumat Be ratungen stattgesunden. Die Botschafterkonferenz erklärte sich aber, wie ein Londoner Havasbericht besagt, mit dem Umtausch der in der zweiten und dritten Rheinlandzone ver bleibenden Truppenbestände nicht einverstanden. Man er wartet nunmehr, daß dies« Frage durch den Meinungs austausch zwischen Paris und London eine wesentliche Klärung erfährt. Die Belgier hatten tm besetzten Ge bier 15 000 Mann und werden fortan nur 7000 Mann haben, di« englischen Beiahungstruppen betrugen 8900 Mann nnd werden aus 8000 Mann reduziert. Die Fran zosen hatten alles in allem 94 000 Mann, davon 64 000 Mann in der z,selten und dritten Zone. 30 000 Mann werden in Zusammenhang mit der Räumung der ersten Zone abtransportiert. Was die verbleibenden 64 000 Mann anbelangt, so sollen sie wesent lich reduziert werden. Obwohl hierüber noch kein end gültiger Beschluß gefaßt ist, glaubt man zu wissen, daß sie auf 30—35 000 Mann herabgesetzt werden und zu sammen mit den Sanitätern und dem Bureaupersonai 40—45 000 Mann ausmachen. Jedenfalls ist die Frage der Umgruppierung und der Unterbringung der franzö sischen Truppen in Wiesbaden noch nicht endgültig ge regelt. im MUeimeer Pari», 30. November. Dem „Matin wird au» Rabat gemelvet, daß ein Zyklon gestern nachmittag über Fez niederging nnd im Flngzeuglager 5 Apparate zerstörte, sowie ein« Halle eingcrissen Hab«, in der sich Motorbomben- sluazcnge befanden. Zehn dieser Apparate seien beschädigt worden. Im Lager der Fremdenlegion seien 4 oder S, nach einer Ageiitnrmrldling sogar 12 Baracken einge- rissen worden, wobei 3 Legionäre getütet und etwa 2« verwundet worden seien. Rach einer Agent»r»»eld»ng tol le» im ganzen «7 Flugzeuge zerstört »vorden sein. Alle Telephonverbind,»»gen seien «nterbrochen. — Nach einer Meldung des ..Journal»" dagegen, sollen 18 Flugzeuge völ lig zerstört nnd im ganzen 6 Flugzeughallen eingerissen worden sein. Der Schade« soll 478 Millionen Kranken betragen. « Pari», 30. November. Au» Nord- »nd Z »iraisranf- reich wird heftiger Schneefall gemeldet. Auch an» Spanien wird heftige» Unwetter gemeldet. Am schwer sten hatte nach Meldungen an» Nom Süditalien unter Stürmen zn leiden. Unaufhörlich folgten Regen nn» Hagelfälle. Die Küste Calabrlens wurde ourch «ine Springslnt heimgesucht. Zahlreiche Fischerhäuscr »nd Hütten sind zerstört worden. Be» Palermo kentert« ein Boot mit dre» Mann Besatzung, die ertranken. Die Meeresenge von Messina ist kür die Schissahrt gesperrt worven. Aus parlamentarischen Kreisen wird uns geschrieben' Mit der Entscheidung über das Werk von Locarno im Reichstag ist auch »och der Seit« der Innenpolitik hin das Stichivort gefallen. Mit dieser Entscheidung ist auch formell die bisherige Regierungskoalition und damit die seitherige Re gierung selber erledigt. Doraussichilich wird am 4. Dezember, also unmittelbar nach der Rückkehr der deutschen Delegierten von der Unter zeichnung dcs Vertrages in London die Geiamt de Mis sion der Reichsregierung erfolgen. An ihrer An nahme durch den Reichspräsidenten ist kein Ziveisel Technisch werden die Dings wahrscheinlich so laufen, daß der Reichspräsi dent den bisherigen Reichskanzler Lu!her beauftragt, mit seinen Ministern die Geschäfte bis zur Ausstellung einer neuen Negie rung weiterzuführen. Die Linien der neuen Negierung sind durch die Abstimmun gen über Locarno im Reichstag gezeichnet. Für Locarno haben sich geschlossen eingesetzt die Deutsche Bolkspartei, di« Bayrische Volkspartei, das Zentrum, die Demokraten, die Sozialdemo kraten und die .Hannoveraner. Geteilt haben gestimmt der Bayrische Bauernbund und die Wirtschaftc-partei. In der Op position befanden sich lediglich die Deutschnationalen, die Völ kischen und die Kommunisten. Aus dieser Tatsaclze müssen nunmehr die erforderliäien Konsequenzen gezogen werben. Locarno bedeutet eine neu« Etappe in der Außenpolitik, ober auch in der Innenpolitik Deutschlands. In Kundgebungen der Locarno bejahende» Par teien, ebenso wie in den ossiziellcn Negierungsseststellungen. die durch den Mund des Reichskanzlers im Reichstag se-Iber er- folgten, ist ausgesprochen worden, daß die Ausführung von Locarno nur in den Händen derjenigen Parteien liegen kann, die sich positiv für die Locarnopolittk und ihr jetziges Resultat eingesetzt haben. Wollte man den Block von der Deutschen Bolkspartei bis einschließlich Sozialdemokralen, der g:schlossen für Locarno ein- trat. zum Ausgangspunkt für di« Bildung der neuen Reg erung nehmen, so stände man der großen Koalition «gegenüber. Und doch ist es keine ausgemachte Tatsackw, daß tatsächlich die große Koalition im jetzigen Augenblick auch schon entsteht. Wir sagen ausdrücklich: im jetzigen Augenblick! Es sind rechis wie links .Hemmungen zu überwinden, vielleichi auch Mißtrauen aus u- räumen, und das geht nicht in ein paar Tagen oder Wochen, sondern man muß sich erst wieder gegenseitig eingcs'üelt haben. Praktisch wird zweifellos die große Koalition demnächst in die Erscheinung treten, aber sorincll fürs erste wohl kaum. Es kommt aber weniger auf diese Unterschiede als darauf an, welch« Politik nach innen und außen nun künftig ge macht wird. Locarno legt die Außenpolitik in einer ganz bestimmten Linie für lange Zeit hinaus fest. Man muß schon Jahrzehnte zurück tn den Blättern der deutschen G schchte leseir, um einer Entscheidung zu begegnen von solcher Tra-'weite und von solcher wirklich iveltwende »den Bedeutung, wie sie Locarno darsteilt. Die Völker der Erde sind durch die Ersindungen der Neu zeit. die nach immer weiterer Vervollkommnung trachten, kaum mehr voneinander geschieden. In der Zeit des ganze Erd'eil« überquerenden Flugzeugs und Luftschiffes, des drahtlo'en B r- kchrs bestehen keine Distanzen m.hr. Man gewöhnt sich mehr und mehr daran, in Kontinonien zu denken. Zcrslei'.Herde Kriege mit verheerenden Mordivafsen, zu denen immer neue Ersindungen gerade auch auf chemischem Gebiet traten, musste man deshalb auszuschalten trachten. Dazu wird Lo-a-no zu seinem Teil beitragen. Die Völker der Erde sollen nä!>or einander zusammenrücken. Europa, bisher in sich zerrissen. soll zu einer Einheit zusammengcschmolzen werden, die man als die Vorstufe des bisher viel bespöttelten Gedankens der Verem-''«» Staaten von Eurozm sehr wohl bezeichnen kann Noch a"e mg. ßen wellpolitiscl)en Entwicklungen wurden in ihren ersten An fängen als Utopien und Illusionen verlacht! In der inneren Politik ergeben sich ans diese- -ach- sage ebenfalls bestimmte Folgerungen. Wir müssen den ('.dan ken des Nationalstaates viel stärker beloncn. wir müssen uns. wenn wir nach außen hin zur Geltung kommen und unsere eigenen Interessen im Nahmen der weltpolitischen Au'oalcn und Ziele wahrnehmen und durchsetzen mosten, innerlich festigen durch eine von einem möglichst großen Kreis des Volkes ge trogene zielklare Innen- und Wirtschaftspolitik. Wir müstcn dahin kommen, daß wir in außenpolitischen Fragen eine geschlos sene Front bilden und der Vertretung unserer Iniercssen nach außen hin alle innerpolitischcn Meinungsverschiedenheiten unter- ordnen. Andererseits müssen wir innenpolitisch die positiv:'» Kräfte zu sammeln und für die Erweiterung dieser Baus "U sorgen suchen, um uns von innen heraus bereit zu machen sür die Wahrnehmung unserer Aufgaben nach außen. Das sind freilich große Ziele, die man nicht mit einem Wurf erlangen kann. Es wird jahrelanger angestrengter Ar beit bedürfen, um die inner« Erziehungsarbeit im Hinblick auf dieses überragende Ziel zu vollziehen. Wir haben weder das politische noch das wirtschaftliche und seelische Gleichgewicht wie- dercrlangt, das unerläßUch ist, wenn wir die in unserem Volke k,«>-Mgen Kräfte wirklich nutzen wollen. Es wird darum die