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Nummer 264 — 24. Jahrgang kimal wöch. Bezugspreis: für Novbr. 8 — -<t. einschl. Bestellgeld. Anzeigenpreise: Die Igesp. Petitzetle SOL, Stellengesuche 20 L. Die Petitreklamezette. 89 Milli- Meter breit, 1 ^t. Offertengebühren für Selbstabholer 20 L. bei Uebersendung durch die Post außerdem Portozuschlag. Einzel-Nr. 10 L, Sonntags-Nr. IS L. Geschäftlicher Teil: Io^efFohmann.Dresden. T SiicklWe Sonniag, 15. November 1925 Im Jolle höArer G.ivalt erlischt jede Beipflichtung auf Lieferung sowie Erfüllung v. Anzeigenaufträge', u, Leistung v. Schadenersatz Für undeutl. u. d. Fern- ruf übermitt Anzeigen übernehmen wir keine Ver antwortung. Unverlangt eingesandte u. m. Rückporto nicht versehene Manuskripte wers. nicht aufbewahrt, Sprechstunde d. Redaktion 5 bis 6 Uhr nachmittags. Hauptschristleit.: Dr. Joseph Albert, Dresden. Hill?» küersii- c»üs volHMung vics-kMfisftcllc, Druit und Verlag, Snroiiia- 2 »ü>d>»clcrci Sii»bH.. Trcridcn-e>. ,8, Hoibcmsirnfte 48. ? rr,:r>» :'27?e. PosUchrckkonlo Dresden I41S7. e7i»>?r» » Vasieiiac ö- prlirsilie, Dresden. Für christliche Politik und Kultur Redaktion der Sächsischen Volk«,««tun« Dresden-AMi. 18. Holbeinsirafteto gernr», 8272: und '3^38 Der Zenkrrrmsparkeikag in Kassel Was uns eint Kin Geleitwort von Reichskanzler a. D. Wilhelm Marx Dil! Deutsche Zentrumspartei tritt in schicksalsschwerer Zeit znsommcn. Die ersten Auswirkungen der in Locarno getroffenen Vr" -elnöa'w.^gei, sollen Ende der Woche in die Erscheinung tre- Si;:d sie der Art. das; sie eine dem „Geist von Locarno" r' st cchrude Gestniunig bei unseren früheren Gegnern erkennen iast>.'»V Oder sollen die Pessimisten, die Katastrophenpolitiker p'.ch» bc'galten, die da sagen: Es ist doch alles Lug und Heuchelei. Dealschlauo wird nun einmal als der Todfeind gewertet. Der ' -stör iiea! säpver verivundet am Boden. Nur Fußtritte hat n o ? i' r ihn übrig! Wer »och Ehre im Leibe hat, der darf mit stb .u Gegnern nickt paktieren! Der Partenag wird mitten indenGangderDinge in.eingestel!:. Er soll Stellung dazu nehmen, und im deutschen !.a.:,d. wie drangen im Ausland wird man auf seine Stimme st.dsck'.n! l'n d in> Inner» derPartei herrscht nicht die im Zen trum gemahnte Eintracht mehr! Eine schwere, mühevolle und ori ei- reiche Sitzungsreihe hat die Neichstagsfraktion hinter sich, ich».- »snzahl wirbliger, ungemein schwieriger Gesetze hat sie nach d stein Wissen mir zur Erledigung gebracht. Und dennoch ist die W-ü-ierschasi draußen im Lande nicht zufrieden? Mißtrauen sch. .n weiten Kreisen sein! Ist die Fraktion zu weit nach rechts gegangen? Hat sie zu sehr nachgcgcben denen, die bisher seit dem Umsturz noch nichts geleistet haben für den Wiederaufbau des Reiches, für die Wiedcrgencsung des Volkes, die sich auf lustige Kritik beschränkt haben, anderen aber und in erster Linie drin Zentrum die mühevolle und verantwortungsreiche Arbeit überlassen haben? Wahrhastig, es wird genug da sein, was ernsthaft bespro chen und ruhig überlegt sein will! Die Partei wird in erster Linie zum Wort kommen, nicht die Fraktion! Die Leute aus dem Lande solle» ihre Meinung sagen und alles, ivus sie bedrückt, Vorbringen! Es sind deshalb auch nur zwei Referate der Vorsitzenden der Fraktion und der Partei vorgesehen, damit möglichst viel Zeit zur gründlichen Aussprache gewonnen wird. Aussprache von Männern, die das Beste wollen und ein gutes Ziel im Auge haben, hat immer noch zu einem guten Ende ge- sührtl Im Stachfolgenden geben wir im 'Anschluß an rmseren gestrigen Bericht weitere Ausführungen Dr. Wirths, die er unserem Vertreter machte, wieder. Diese Mittei lungen sind wiederum von besonderem Wert, weil sie die Gruudzüge der Rede darstellen, die Dr. Wirih in Kassel holten wird. Wir bemerken nochmals, daß wir die Aus führungen lediglich zur Orientierung bringen, keinesfalls aber unseren eigenen Standpunkt etwa damit festzulegen ! gedenken. D. Red. Die deutschen Republikaner haben seit einem halben Jahr die deutsche Politik unter der Negierung Luther-Strese- mann mit offenem Auge, aber mit kritischem Mick verfolgt. Wir konnten uns früher schon einen Vers daranf machen, daß d'e Sommerzusammensetzung der Reichsregierung nicht die ist. die der außenpolitischen Linie, die das KM nett tatsächlich ging, entspricht. So sicher erschien uns der Tag, wo die heutige Re gierung gespalten und zerbrochen erscheinen mußte. Man konnte darauf geradezu ein« Wette eingehen. Merkwürdiger weise wollten von all dem, was uns mit Sorge erfüllte, die Zen- trumssührung nichts wissen und nichts merken. Trotz der stei genden Verbitterung im Lande, trotz Mahnens von unserer Seite ging die Zentrumsfraktion scheinbar den geraden Weg mit Hilfe der Deutschnationalen, die Gesamtpolitik bis zum Spät- iahr einer gewissen Erledigung entgegenzufllhren. Es ist ganz klar, daß in der Gesomtpolitik des Reiches die Außenpolitik den Primat verdient. Oft ist in den letzten Jahren gerade von rechtsstehender Seite und auch von Zentrumsseite, vor allein von denen, die das Gras wachsen hörten, betont worden, daß in der Politik immer die Außenpolitik voranstehen müsse. Diese Ein stellung ist eine durchaus berechtigte und entspricht im alige- meinen, wenn man nicht nur theoreiisiert, durchaus Len prak tischen Erjordernissen der deutschen Politik. Aber n>as uns heute als unbegreiflich erscheint, dir „Zentrumsherren" konnten' Deshalb sehen wir vertrauensvoll dem Parteitag entgegen. Das Verträum zu den Abgeordneten soll wieder er wachen. Deshalb offene Darlegung alles dessen, was man nicht billigen zu können glaubt. Die Abgeordneten werden dann ihre Gründe darlegen, aus denen heraus sie gehandelt haben. Manches Mißverständnis wird aufgeklärt, mancher Irrtum be richtigt werden. Alle wollen ja doch das Eine: Das Wohl von Volk und Vaterland! Und all: stehen auf dem Bo den der Grundsätze, die seit Jahrzehnten die Zentrumspartei zu glänzenden Erfolgen für Kirche und Staat geführt haben, die unsere Vorfahren in schwerer Zeit untrennbar geeint und zu Siegen von ungeahnter Größe geführt haben, Gegnern gegen über, die an Zahl gewaltig überlegen waren. Kann da der Aus gang des Parteitages in Kassel zweifelhaft sein? Neu gestärkt und neu belebt wird die Zenirumspartei, so hoffen wir zuversichtlich, von Kassel heimkehren. Mit neuem Mute werden die Fraktionen an ihre wichtigen Arbeiten gehen, die die beginnenden Parlamcntstagungcn ihnen in reicher Fülle aufladen werden, Arbeiten, von deren richtiger Erledigung das Wohl und Wehe weiter Volkskreise, ja, des ganzen Volkes ab- hängen kann. Das Zentrum darf nicht vom politischen Kampf plätze verschwinden, wenn nicht das Allgemeinwohl Schaden lei den soll! Den Ausgleich zwischen rechts und links muß es fin den und als Mittelpartei den Widerstreit der verschiedenen Interessen zum glücklichen Ausklang bringen. Die Politik der Verständigung mit unseren früheren Gegnern muß es wei ter führen, damit unsere finanzielle und wirtschaftliche Lage sich allmählich wieder bessert und von neuem aufblüht. Christ liche Kultur muß das Zentrum weiter wie bisher schützen und fördern! Die christliche Schule und Erziehung muß gesichert werden! Wer steht so für das Alles ein, wie das Zentrum? Große Aufgaben harren der Erledigung! Möge der Pnrlei- tag von Kassel die Reihen der Zentrumsanhänger von n.'ucm zu untrennbarer Einheit schließen, ihre Tatkraft beleben, ihre Op- serfreudigkeit begeistern. Reicher Segen für Volk und Vater land wird nicht ausbleiben! sich mit ihrem Eifer gar nicht genug tun, gewisse Fragen dev Steuer- und der Zollpolitik zu erledige» zum Acrger der Kon sumenten und zur Freude gewisser Interessengruppen, ohne da bei zu überlegen, daß ohne Klärung und Festlegung der Rechten auf die Außenpolitik vieles von dem, was man sogar mit Ge walt gegen links durchgcsetzt hatte, bei einer schiefen Außen politik wieder zerfallen mußte. Was hilft denn eine Neurege lung zum Beispiel der Steuergesetze und ein Neuaufbau des Steuersystems, wenn bei steigender Not der Wirtschaftskreise uns bei bitterer Armut aller !>and- und kopsarbeitenden Schich ten unseres Volkes die Außenpolitik nicht so läuft, ivie sie lau sen muß, um für Wirtschaft und Volk eine Zeit friedlicher Ent wicklung zu bekommen. Die ganze Gosetzesmacherei des Som mers mit ihrer brutalen Methodik, mit ihrer Frontstellung gegen links, lzat Loch nur einen Sinn, wenn mit der Neuordnung der Finanzen auch «ine definitive Klärung der Steuerpolitik ver bunden ist. Dann verstehen wenigstens die Massen, warum sie Opfer bringen sollen und Opfer bringen müssen. Jeder ernste Politiker mutzte c' ' annehmen, daß im Zentrum die damals führenden Kräfte, die ihre Politik vor dein Lande in mancher Versammlung sehr laut vertreten habe», mit den Rechtsleutcn über Ziele und Wege der Außenpolitik und über die Notwendig keit dieser politische» Linie sich vereinbart hatten. Lag eine solche Vereinbarung nicht vor, dann ist die Sommerpolitik gänz lich unverständlich. Und es liegt an uns, darüber unter Wür digung aller Umstände und angemessener Sprache unsere Wähler aufzuklären. Unsere Wähler draußen im Lande — und ich habe Gelegenheit gehabt, aus vielen, vielen Briefen über die Stim mung im Lande orientiert zu werden — haben immer wieder betont: Wir versiehe», das; das Zentrum Opfer briipzen muß und wir verstehen auch, daß in einer Koalition mit rechts manckie Interessengruppen stärker ihre politisclM Auffassungen geltend wachen können, als in einer Regierung anderer Art. - - ^Fortsetzung siehe Seite 2!) h Vom Vertrauen (Reichstagsabg. Hermann Hosmann -Ludwig-Hafen) Die in jüngster Zeit in der Presse erörterten Unstimmigkei ten innerhalb der Deutschen Zentrumspartei werde» von Sach kundigen zutressend als eine B e r t r a u e n s k r i s e zwischen Partei und Neichstagssralttion bezeichnet. An sich ist dies eine Erscheinung, von der andere Parteien mehr hcimgcsuchl werden als gerade die Deutsche Zenirumspartei. Die verschiedensten Wahlergebnisse beweisen, das; keine politische Partei in; Deut schen Reiche eine derartig unerschütterliche, sestgesügte Funda mentierung im Vertrauen des Bvlkes hat, wie gerade die Zen- trumspartci. Der Glauben der Wühlermassen an ihre Führer und das Vertrauen zu deren Politik haben das stolze Wort ge prägt: „Fester nach jedem Sturm stehet der Zen- trumsturm!" Mangel an Vertrauen oder gar Mißtrauen können in einer Partei wie Sprengpulver wirken und schließ lich den Zerfall herbeisühren. Das habe» auch unsere Gegner in der jetzige» sogenannten Vertrauenskrise mit innerlicher Schadenfreude erwartet. Der Reichsparteitag in Kassel wird sicher Sen Gegen beweis dafür erbringen. Trotzdem erscheint es angebracht, nach den Ursachen dieser Vertrauenskrise zu forschen. Dabei sind folgende Tatsachen ernstlich zu würdigen: 1. Durch unser gebundenes L i st e n s y st e m und die riesigen W a h I k r e i s v e r b ä n d e bei den Reichslagswah len ist eine Verwurzelung des Abgeordneten mit seinem Wahl kreise und eine innige persönliche Verbundenheit mit der Wähler schaft fast unmöglich geworden. Schon die A nfstellung der Kandidaten erfolgt leider vielfach nach dem Schema der be- rufsständigen Schichten (Landwirt, Arbeiter, Beamte. Mitlel- ständler, Hausfrau usw.) Nicht mehr die Zenlrumswäh«erschaft als solche, sondern die Berufsorganisationen haben dabei je nach ihrer Stärke entsprechenden Einslus; und über solchen manchmal rücksichtslos aus. Es ist dann bcgreiilich daß ein derartig auige- zmungcuer „Berufskandidat" das Vertrauen der gesamten Zcn- trumswählerjchast des Wahlkreises nicht hat. Solches muß viel mehr durch jahrelange Tätigkeit innerhalb der Bartel erdient werden. 2. Das deutsche Volk hat sich in die neue S uars , orin mit ihrem parlamentarischen R e g i e r u n g s s» st e in noch nicht eingewöh n t. Es lebt in seinen Vorstellungen noch zu stark in den alten parteivolitischen Verhältnissen der Vorkriegszeit, da gegen die Regierung noch volkstümliche Oppo sition gemacht worden konnte, ohne daß dabei verhängnisvolle Erschütterungen im Staats- und Wirtschaftsleben zu befürchten waren. Heute jedoch geht die Staatsgewalt vom Volke aus, und die Repräsentanten des Volkswiticns, die politischen Parteien, müssen wohl oder übel in die Linie der Ver a n w o r t u n g einrücken, wodurch sie freilich an Volkstümlichkeit verlieren, Die Scheu vor der Veroittwortung im parlamenlorischen Leben ist ein Beweis für die politische i'nrcisc des deutschen Boi.-es. Aus der praktischen verantwortungsvollen Politik einer Partei zum Nutzen und Wohl des Gesamivolkes erivächit leider bei nn- geschulten'Wühlermassen Mißtrauen gegen die Partei und Un dank in Form von Abfall bei Wahlen. Die. Zentrumswähler schaft hat gottlob bis jetzt eine rühmlicke Ausnahme darin ge macht und wird auch hosfeullich aus dem jetzigen Laburiutt, des politischen Wirrwarrs den Weg zur Eiumütigk.'it aus dcr ver nünftigen mittleren Linie altbewährter Zentrum-Politik wieder- fiudcu. Die Schlagworte von ciimr . Links " oder . Rech'sjchivcn- kung" des Zentrums dürften endlich in ihrer blöden Hohlheit erkannt sein. 3. Ein politisch hochstehendes Volk muß mit Sem Wahl ergebnis als einen zwingenden Faktor für neue Konsteltati- onen im Parinment und in der Regierung reckiwni auch wenn die Wahlparole dem nachfolgenden politischen Gescheh-n wider sprechen sollte. Die Engländer und Franzosen könnten uns darin Lehrmeister sein (vergleiche französische Maiwahlen IsiM). Dazu ist allerdings in erster Linie notwendig, -daß die P artei - presse durchaus einig geht mit der Parleisralttion und die Wühlermassen von unangenehmen polilischen Notwendigkeiten zu überzeugen sucht. Wenn dos Gegenteil geschieht, so stt der Riß zwisclien Partei und Fraktion etwas Unvermeidliches. In wieweit diese nolwendige Einheit zwischen Zentrumspresse und Reichstagsfraktion im letzten Jahre gegeben war, ist eine Frag: von größter Bedeutung für die jetzige Bcrtrauenskrilis und des halb ernster gründlicher Prüfung wert. 4. Mißtrauen innerhalb einer Partei beruht aber auch viel fach auf Unkenntnis oder ans Einfluß geschickter gegn:- rischer Agitation. Viele unserer Wähler und Wählerin nen holen sich ihre politische Weisheit im Bäcker-, Metzger oder Krümcrladcn oder noch umfassender bei den besterwissenden Spießbürgern hinterm Biertisch, deren höchste politische Weisheit in der selbstgefälligen Erkenntnis gipselt. daß bei politischen Wahlen immer nur die Dümmste» gewählt werden und die Ge scheitesten zu Hause bleiben müssen. Eine betrübliche Tatsache ist ferner, daß ein großer Teil unserer Wählerschalt seine politi sche Nahrung ans der sogenannten neutralen, wenn nicht gar gegnerischen Presse zieht. In Versammlungen, in welchen Sach- und Fachkundige Aufklärung geben, erscheinen zumeist die Hauptkrakeelcr und Besserwisser nicht oder sic schweigen dork aus begreiflicher Bescheidenheit, und doch wäre dies das b ste Forum zu sachlicher, freimütiger Kritik. Wer von der Zen- truinswählerschaft aus klarer, stärkender Quell: schöpfe» will, der greife nach dem „Politischen Jahrbuch", das von Herrn Ncichstagsabgcorinicten Universitätsprosessor Dr. Georg