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I7riter1iaItunA uns Milken Am österreichischen Meere Eu>e Studie von A. von Sebastyan Koc«. Es ivar einmal . . daß die mögenden blauen Wellen der Adria liebkosend das Küstengebiet der Ostmark umschäumten. Ein Fleckchen aus dem Paradiese mit tausend Schönheiten ge segnet, dessen winzigstes Fischerdörfchen einein heimlich-lieblichen Märchen glich. Glitzernd, flimmernd ragten aus der bunt fröhlich sie umschließenden Natur die einzelnen Perlen diefes Landstrichs hervor: Triest, Miramare, Grado, Abbazia, Volosea. , . . alles Städte, die Millionen Menschen eine ewigschöne Er innerung bleiben. Hatte es jemals wirklich den Römern gehört? Den Römern, die die Vorboten ihrer Heerscharen bis »ach La-r- nuntum-Wien und Aquineum-Budapest zur Versklavung der Völker entsandten? Nieinals! Auch die Türken zogen einst bis Wien und >vo sind sie heute? Das Küstenland als Grenzgebiet von fremden Volksarten benachbart, als Zugang vom Meere das Tor für Händler aller Völker konnte einer Eimvundernng kei nesfalls Schranken setzen. So war es selbstverständlich, daß die stärkere Handclsart die Oberhand mit der Zelt gewann. Ist China etwa englisch, weil in den KUstenstädlen die englischen Händler ihre Muttersprache zur Verkehrssprache erhoben haben? Ist das dalmatinische Volk ein italienischer Stamm, weil auch Hessen Hafenstädte der italienischen Sprache Geltung schafften? Nein! Und um so weniger ist das einstige österreichische Küsten kind je eine römische Provinz gewesen, weil es auch nie eine römische Verwaltung gehabt hat. Die Republik Venedig ist längst erloschen und auch Ragusa ist heute nicht italienisch, weil es einst dieser östlichen Handelsrepublik angehörte. Aber der Faustrechtsvertrag von St. Germain wurde nicht aus Recht und Gewissen ausgebaut und so verlor Oesterreich nicht nur sein herr lichstes Stückchen Erde, sondern auch seine Meeresküste, das offene Tor seines Handels! — Die Sehnsucht nach der Adria ist in jedem selbst bewußten Oesterreichcr tief im Herzen verankert. Oesterreichs wundersame Geblrgswelt kann den Verlust nicht vergessen machen. Hunderttausende sehnen sich nach den schäumenden Weilen des Meeres, das jetzt von weiterer Ferne lockt als je vorher! Zwei Landesgrenzen verteuern selbst dem erholungs bedürftigen Kranken den Zug »ach dem gesegneten Süden. Nur wenige können das Ziel ihrer Sehnsucht erreichen. Die kleinen Gebirgsseen wie die Donau mit ihren Strandbädern aoer ver schafften der Mehrzahl nur einen herzblutenden Sehnsuchts- ersatz. So ivar es noch vor einem Jahre! Und heute? . . * * * * Dort wo die letzten Alpenhügel im Osten sich dom Step penlande zuneigten, dort an der Schneide zwischen Ebene und Berg liegen rund 360 Quadratkilometer Salzwasser: oer Neu- siedlersee, das jetzige österreichische Meer. Der wunder same Stamm der Goten hauste vor Jahrhunderten ln diesem ur- deutschen ilioume, bevor er zum zerstörenden Schlage gegen die Römer ansetzte. In jedem Burgeniänoer fließt noch heute ein Tropfen jenes Gotenblutes. Der 36 Kilometer lange und 18 Kilometer breite See hatte Zeiten, wo es zu- oder abnahm. In den Jahren 1865 bis 69 ivar der See sogar ousgetrocknct und man bebaute den Seeboden mit Getreidefelder. Hier und da rntsprudelten dem Boden rauchende Schwefelquellen und stellen weise fand man Braunkohlenslötze. Geheimnisvolle blaue Flämmchen irrltchtsrten über den gestorbenen See. Die klima- ausgleichende Wirkung des Sees ging dem Anlande des Sees von einst sehr ab. Heftige Temperaturschivankungen mit über mäßiger Trockenheit waren dominierend und so narrte dazu- mals auch die Fata Morgan« die Bewohner dieses großen Step pengebietes. Man sah ganze Dörfer als Spiegelbilder und die Menschen am See verzerrt zu grotesken Längen. ... Ein wun dersamer Spuk aus Höhendunst, Nebel, Sonnenveslexion und Gas. Im Jahre 1877 entsicherte wieder das Messer und der See wurde wie einst. . . . In jahrzehntelangem Dornröschenschlaf verträumte der See sein unbeachtetes, unbewertetes Sumpf- und Schilfdasein. Die Ungarn waren nie selbständige Organisatoren, um auch nur ein Som'merbadcleben ins Leben zu rufen. Um so weniger, iveil sie all ihre liebevolle Ambition dem Plattensee widmeten. So vergrößerten sich die Rohrwälder an den Usern des Neusiedler sees, dessen Gäste meist nur die 269 verschiedenen Vogelarten und di« Fische waren. Nur hie und da schreckte ein Sonntags- jägerschnß das Idyll der Kraniche, Wildgänse, Reiher, Schnepfen und Möwen. Geübte Jäger stellten lieber einem Rehe nach oder pfuschten Meister Reinecke ins Handwerk. Im Wasser tummel ten sich von den wenigen «»wohnenden Fischern nur selten in ihrer Ruhe gestörten Hechte, Karpfen. Welse und Rotaugen. So ivar es nach bis vor kurzem . . . doch seit einem Jahre weckt neues, pulsierendes Leben den See aus seinem idyllischen Schlafe! Die Salzquellen, die Lagunen, der sonnendurchglühte Strand sollen nun dem abbaziasehnsüchtigen Oesterreicher, die azurne Adria ersetzen. Seine steppenromantische Lage, sein ge sundes Salzwasser sollen dem Kranken Heilung, dom abgel-ehten Großstädter Erholung schenken. Die Nähe Wiens: ca. 3 Stun den .. . der billige Fahrpreis: 2 Schillinge. . . wie der große Vorteil: innerhalb der Landesgrenzen sind gewichtige Faktoren tu seiner Erschließung. Leider hat der See nur geringe Tiefe, so baß das Verkehrsproblem fast unlösbar erschien. Die Er findung Franz Xaver Blicharskis schuf aber eine neue Phase, kr ersetzte die bekanntlich tiefes Wasser erfordernde Schiffs schraube, durch eine Art vorwärtstreibeiider Flügelarme, wo- Du Wie war doch Mutterlieben? Verwarnend, ängstlich, zart. Es ist mir treu geblieben Die ganze Lebensfahrt. Nun fand ich bei dem Wandern Ein neues Lieben gar, Das Lieben einer andern, Die mir nicht Mutter war. Ich Hab' sie nie gesehen, Ich Hab' sie nie gekannt. Ein Wunder ist geschehen» Sie ist mir so verwandt. Was Mutter mir gegeben, Wird seliger noch mein. O seltsam süßes Leben: Auch du wirst Mutter sein. F. Schrönghamer - He imdal. durch selbst große Boote aus dem seichten Wasser motorisch be trieben werden können. Nun schaffen sich die verschiedenen Gemeinden durch groß zügige Ausbaggerungen Zufahrtskanüle und bauen moderne Hotelgebände. Sogar die Gemeinde Wien, wie auch einige Krankenkassen erwägen bereits die Anlage von Erholungsheimen aller Art. Ein Großunternehmer von der Adriaküste will ein modernes Niessnhotei errichten und schon jetzt weht die Flagge eines neugegründeten „Neusiedler Segelklubs" über den See. Die vor kurzem stattgefundene Gründungsfeier verbunden mit Aasegeln verlief unter Beteiligung einer zahlreichen Güsteschar überaus stimmungsvoll. » » * Landschaftsschönheit! Vom Westen her lockt das dichte Grün des Wiener Waldes mit dem Schiiecbcrg, der Rax und Wechsel. In der nächsten Nähe die Hügelzüge des Leilhagebir- ges. Wendet der Wanderer seine Schritte nach Osten, so um zaubert ihn bald der reiche Blütenflor der Steppe. Ein m den Horizont verlausender Teppich . . . im Frühjahr in bunter Blü tentracht die heißen Sonnenstrahlen auffangend ... im Som mer strichweise vom Goldgelb der reifenden Getreidefelder unter brochen . . . daraus da und dort der typische schräge Arm des Ziehbrunnens von der ungarischen Pußta oder eine steile Aka zienmauer, der braune regungslose Fleck äsender Rinder, die schnatternde Wolke auffliegender Gänse, ein Ochsemvagen oder ein schnell hineilendes Pserdegespann . . . Mürchensonneniand unter wolkenloser Bläue, zu der die schluchzende, jauchzende Me- lodie der Zigeunergeige gehört! Steppenschönheit! . . . Vom südlichen Ufer locken die Dächer von Ruß! und Oog- gau. An diesem Uferteile glüht der ebenso feurige Bruder des Tokayers: der edle Nußtcr, der purpurne Oggaucr, Oesterreichs Burgunder und ein endloser grünender Kranz sonstiger gesähr- lich-köstlich:r Weine! Und der See selbst? . . . Gleich bei der Station Neusicül am See ist das neue Strandhotcl. Der von silbrigen Weiden eingeschattete Weg führt zum Wasser An Stelle der Weiden tritt bald hochaufgeschossenes Schilfrohr. Das Rinnsal vom Weidenweg erweitert sich hier zum Kana! und der Weg zu einem vierhundert Meter langem Holzstcg-'. Wenn eine frische Brise das Rohrgestrüpp umweht, so berauschen uns die Töne knistern der, raschelnder Seide, erst leise, dann immer mehr onschmeilend zu stürmischen Akkorden, um in unendlich seines Gelöne zu ver fluchten. ... Es glättet und streichelt unsere abgebrauchten Grohstadtnerven und schmeichelt selbst die wundesten Stränge zu wunschloser Seligkeit. . . . Das ist die berückende Melodie des Neusiedlersees! Vor uns bis zur Himmelsschneide breitet sich der See aus Sonnenschein umschmeichelt das blaue Gekräusel der spielenden Wellen. Rechts und links nicken die immer bewegten blonden Kopsbüschel des Rohres biegsam den Takt zu diesem ausgleichen den Spiele. Die messerlangen Blätter blitzen bald gold bald grün aus ihrem buschigen Dasein hervor Die über den Sc« fliegenden silbergrauen Möwen und buntschillernde» Wildgäns« schenken Leben in dies seltene Farbenspiel. . . . Das ist di« Farbensymphonie des Neusiedlersees! — Und wird es Abend, so mischt sich ins Seidengeräusch der Schilfrohrs der unermüdliche Gesang der Frösche, das Schnat tern des aufgeschreckten Gefieders und Mond wie Sterne werfen ihren Silberschein ins aufglitzernde neue österreichische Meer. Abendstimmung — Märchenstimmung. Alles träumt, sehnt, hofft... so mich der Neusiedlersee! . . . Kurorl-isziplin in alter Jett In diesen Wochen und Tagen, in denen wieder Tau sends und Abertausende in Bädern und Kurorten weilen, dürste cs von einigem Interesse sein zu hören, wie die Kurgäste es in der „alten guten Zeit" in Bäder» und Knr- arten hatten. Einen interessanten Einblick in das Leben daselbst gegen Ende des achtzehnten Jahrhunderts gewinnt man aus einer alten B r u n n c n o r d n n ng vom 23. Juli 1779, die noch heute, allerdings unter Glas und Rahmen, als Ucbcrbleibsel aus jenen Tagen die Wände des St. Ragnhilds-Brunnens in Söderköping i» Schweden ziert. Die 24 drakonischen OrdnungSregeln, von denen wir im folgenden die bezeichnendsten wieder- geben wollen, sprechen derart für sich selbst, daß sich >cdrr Kommentar erübrigt. Unter 2. heisst cs da: Alle Bruuneiigäste >ollen ihre Trinkkur spätestens um 6 Uhr morgens beginnen. Wer später zum Brunnen kommt, soll 6 Rilnstücke (alte schwe dische Scheidemünze) Strasen zahlen, wenn er nicht vom Intendanten dis Erlaubnis zum Späterkomineu vorweisen kann. 3. Bei der Ankunst und wenn die Brunnenkur deeudee ist, bedarf es keiner zeremonielle» Visiten der Brunnen- gästc, die nur unnötigen Zwang und Zeitverlust verur sachen, weshalb derartige Besuche bei Strafe von acht Schillingen verboten werden. Ei» Briiunengast soll bei seiner ersten Ankunft am Morgen vor den versammelten Brnnnengüsten vom Intendanten Prä mutiert werden, und die Abreise wird in der gleichen Weise zur Kenntnis gekrackt. 4. Die Brunnengüste sollen vor allem den Großen Gvtt um Hilfe und Segen für ihre Brunnenkur anrusen, weshalb auch keiner die..allgemeine Betstunde im Brunnenhanse versäumen darf, vhne dem Intendanten hierfür triftige Nikolaus Lenau Zu seinem 78. Todestage am 22. August Von Dr. Paul I. von Lone. Der größte Lyriker Oesterreichs hat an Beliebtheit im romanischen Auslands während der letzten Jahrzehnte ungefähr gewonnen, was er in Deutschland und wohl auch in Oesterreich verlor. Das Lenau-Werk, das man nach Castles Vorarbeiten von einem Deutschen erwartete, schrieb der Belgier Heinrich Vischofss, preisgekrönt auf ein Ausschreiben 'der Brüsseler Aka demie. Lenau siel dem Schlagwort vom Weltschmerz zum Opscr und — vor allem — der Mensch Lenau mit seinen Briefen be schäftigte uns mehr als der Dichter mit seinen Werken. Das Schnüffeln nach „interessanten" Künstler-Schicksalen hat aber noch nie unsere Fähigkeit gefördert, eine Dichtung zu genießen. Im Falle Lenau nm so weniger, als seine Dichtung nur in ihren vergänglichen Stücken unmittelbar Ausfluß eines gewiß schick salhaften Lebens ivar. Den am 13. August 1892 zu Esatad im Milchen Ungar» geborenen (Franz Niembsch Edlen zu Streh) Lenau umlagerten schon an der Wiege die tiefen Schatten des Lebens. In dem Sohn eines rücksichtslos leichtlebigen Offiziers und einer gc- ängstlgten leidenschaftlichen Mutter mischte sich slawisches mit magyarischem Mnt; die leidenschaftliche Ruhelosigkeit seiner Fa- milie wie seines Heimatlandes ließ ihn schon früh unbefriedigt umherirren Keine vernünftige Erziehung bändigte seine gären den Triebe. Einsam stand Lenau, hilflos, grübelnd an den Ab gründen des Daseins, bitter unter seinem „Abfall vom Kreuz" leidend: ' > - - „Ist Christus Traum, dann ist das Leben Ein Gang durch Wüsten in der Nacht, Wo niemand, Antwort uns zu geben, Als eine Herde Bestien wacht." Da ihn auch der behagliche Kreis der Schwab »ud Kerner nicht hatte befriedigen können, brach er nach kurzem Aufenthalte an der Heidelberger Universität alle Brücken ab und fuhr „europa müde" 1832 nach Amerika, nm es „amerikamüde", krank und gebrochen nach einem Jahre schon wieder zu verlassen. Nur eines schließlich vermochte den ewig Umgetrie benen zu halten: nach manchen Liebesverhältnissen dos unglück lichste mit der verheirateten Sophie Löwenthal, die den ge quälten Kranken mit ihrem frevelhaften Liebesspiel in den Wahnsinn trieb. Ohne Zweifel, dies Leben erklärt uns manche Züge der Lenanschen Dichtung. Nicht bloß, daß es ihn nicht bei der ihm einzig gemäßen Ausörucksform der Lyrik ließ, sondern zu der ihm fremdesten des Epos trieb, wie ihm weder im „Faust", und „Don Juan" noch im „Caoonarola" und den „Albigensern" glücken konnte. Vor allem aber finden wir schon in diesem Leben den Grund für den „Weltschmerz" in seiner Dichtung. Gewiß, auch seine Umwelt litt unter dem Zusammenbruch der romantischen, Traumwelt, blutete an dem Riß der furchtbaren Spannung idealistischer Anforderungen in einer besonders rea listischen Zeit. Aber Lenau wäre ein „Weltschmerzdichter" auch zu einer anderen Zeit geworden als eben der, die neben seinem Namen den Byrons, Leoparbis und Mussets trägt. Viel tiefer als das Weh seiner Zeit, trauert in seiner Dichtung das Weh seines persönlichen Schicksals. Es quillt aus einem Herzen, das die Melancholie geradezu „kultivierte", bis es für alle anderen Töne der Schöpfung taub war. Diese Menschmüdigkeit treibt ihn um so sehnsüchtiger nach der Natur. Und sie läßt das Beste aus ihm herausquillen. „Die Naiur bleibt doch meine liebste Freundin, und das Menschenleben ist ohnehin nur das Bild der Natur, wie es sich matt in den bewegien Wellen unserer Triebe". Lenau ist der Natur so nahe wie die Naturvölker, denen „die Elemcntargeistcr in Busch und Rohr, in Wald und Wasser noch lebende Dämone sind". Diese mystische Vertrautheit hat er selbst im „Waldlied" besungen, indem er sich mit Merlin, dem „Ein geweihten", gleichsetzt: Die Natur, die ossenbare, traulich sich mit ihm verschvisiernd, tränkt sein Herz, wenn Blitze knisternd Küssen seine schwarzen Haare . . ., Stimmen, die den andern schweigen jenseits ihrer Hörbarkeiten, hört Merlin voriiberglcitcn, alles rauscht im vollen Neige». . . . Rieseln hört er, springend schäumen Lebensfluten in den Bäumen. . . , Klingend strömt des Mondes Licht aus die Eich' und Hagerose, und tm Kelch -er feinsten Moose tönt dag ewige Gedicht. Hier gründet Lenaus ungemeine Krast der Naturbesee« lung, in der er übrigens auch selber seine eigentümliche Be« gabung sah. Daher l>aben seine vollendeten Gedichte ihren wun. derboren Klang, daß sie keiner Vertonung bedürfen, daher ihr« klare Einfachheit, die keine nachgrabende Gedankenarbeit ver langt.