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Sächsische Volkszeitung : 18.08.1925
- Erscheinungsdatum
- 1925-08-18
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-192508187
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19250818
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19250818
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1925
-
Monat
1925-08
- Tag 1925-08-18
-
Monat
1925-08
-
Jahr
1925
- Titel
- Sächsische Volkszeitung : 18.08.1925
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Aufwerkungsrechk Von Dr. Scheiter, Landgerichtsdirektor, M. d. R., Köln Nach ISmonatiger harter Arbeit, bei der rein politische, lairtschastlicheunb soziale Kämpfe ausgefochten wurden, ist durch die Verabschiedung des „A u fwe r tu n gsund des „A b l ö s u n g s ge se tze s" vom 16. Juli 1926 ein neues Recht geschaffen worden, dem die Ausgabe gestellt war, die vom Wäh rungsverfall betroffenen Ansprüche der privaten und öffentlichen Wirtschaft in das Recht der neuen Reichsmarkwährung überzu leiten. Ehe dieses Problem zur Lösung reis war. bedurfte es ein gehender Forschungen aus dem historischen und dogmatischen Ge biet der Geldentwertungen, von denen kein Volk der Geschichte nach einem verlorenen Kriege verschont geblieben ist. Ebenso notwendig war es, den wirtschaftlichen Zusammenhängen aus den Grund zu gehen, die in Deutschland nach dem Welt kriege das ungeheure Äend der Verarmung breiter Dotksmasscn herbeigeführt haben, und eine gewissenhafte Prüfung darüber anzustellen, in welchem Umfange die durch unproduktive Kriegs arbeit und die ungeheuren Verluste und Lasten des Versail ler Diktates geschwächte deutsche Volkswirtschaft zu einer Aufwertung für fähig zu erkläre» war. Im Nahmen einer Artikelserie, die das neue Recht in seiner neuen Form in gemeinverständlicher Weise behandeln soll, ist für die Darstellung der politische» Kämpf«, die zu seiner Gestaltung geführt haben, kein Raum. Der Verfasser verweist in dieser Hinsicht auf seine ausführlichen Darlegungen in dem demnächst sAnsang September) ' erscheinenden Handbuche des Univ.-Praf. Dr. Schreiber, M. d. N-, über „Das Zentrum und die Politik des Jahres 1926", in denen die politischen, so zialen und rechtlichen Grundideen der Eesetzgebungswerke im einzelnen aufgerollt find. Hier soll ein anderes Ziel verfolgt werden: d e n La i e n in das weitverästelte Gebiet einer überaus schwierigen Materie, an der alle Volksschichten interessiert sind, cinzusühren, damit er sich ein Bild davon machen könne, wie durch das neue Recht seine eigenen wirtschaftlichen Interessen eine Umgestaltung erfahren häben. Nur eine allgemeine Betrachtung sei vorausgeschickt: das Aufwertungsrecht ist ein Ueberleitungsrecht für die Rechtsbezie hungen zwischen Gläubiger und Schuldner. Wollte man aber seine Funktion auf diese Ucberleitung beschränken, das heißt, ihm nur die Aufgabe zuweisen, Forderungen und Schulden nach dem neueren Währungsrechte festzustelle», also gewissermaßen nur umzurechnen, so würde damit zwar den Anforderungen des Privatrechts und den Bedürfnissen der Interessenten Genüge ge schehen. Das Aufwertungsrecht gehört aber in einen viel weiter gestreckten Kreis staats- und volkswirtschaftlicher Neugestaltung unseres Ncchtslebens. Und daraus erklärt cs sich, das; seine neue Form weder beim Gläubiger noch beim Schuldner eine allseilige Befriedigung ausgelöst l>at, das; man ihm sogar den Borwurf nicht ersparen kann, in zahlreichen Fällen eine Regelung getroffen zu haben, die von dem allgemeinen Ncchtsgefühl als offenbares Unrecht empfunden wird. Nach Abstoßung der letzten Reste der Inflationserscheinungen und nachdem die neue Währung eine einjährige Probezeit mit Erfolg bestanden hatte, schien die Zeit gekommen, die durch den Wäh rungsverfall zerrüttete G e s a m t w i r t s ch « f t aus einer gesun den und dauerhaften Grundlage zu stabilifieren. Dazu bedurfte es der Neuordnung des Finanzwesens in Reich, Län dern und Gemeinden unter Berücksichtigung der allgemeinen Volksverarmung, der sozialen Verelendung, der Reparations verbindlichkeiten und der Verpflichtungen aus den inneren Kriegsschulden. Diese Lasten durch eine gerechte Steuergesetzge bung auszuglcichen, UberlMlpt alle Kricgsfolgen in einem großen Liguidatlonsprozch einzubegiehen, ohne daß dabei Staat nnd Wirtscliaft zusammen-brechen, ivar ein Reformwerk allergrößten Stifs. In diesen Plan gehörte auch die Aufwertung hinein, weil bei ihr das Vtaß der Teilnahme der Forderungsgläubiger an den Kriegs- und Inflationsverlusten zu entscheiden war, und weil für die Staats- und Privatwirtschaft die Aufwertungslast bei Abgrenzung der steuerlichen Inanspruchnahme nicht übersehen werden durfte. So stehen die Auswertungsgesetze an der Schwelle einer neuen Periode wirtschaftlicher Entwick lung und von ihrer Durchführung wird es mit abhüngen, ob die Gesundung des wirtschaftlich am Boden liegenden Deutschlands vorwärts oder rückwärts schreiten wird. Unvollkommenes ist nicht gleich vcrdammenswert! Wer die Aufwertung in diesem weiteren Gesichtsfelde betrachtet, wird auch für die Mängel Verständnis haben, mit denen die neuen Gesetze unverkennbar behaftet sind. As Allgemeine Grundlagen des Aufwertungs- und Ablösungsrechtcs Eine klare, schnelle und unabänderliche Rege lung zu treffen und damit einen Rechtszustand herzustellen. der den Wirrwarr der Meinungen zur Auswertungsfrage besei tigte und überall durchsichtige und übersichtlicheVerhält- nisse sä>affte, war die Hauptforderung, dis für beide neuen Gesetz« erhoben wurde. Demgemäß ist das neue Recht so aus gefallen, daß es 1. räumlich und zeitlich beschränkt ist, S. dem Gläubiger einen Anspruch auf Aufivertung, nicht dem Schuldner einen Anspruch aus Abwertung zuerkennt, 3. alle Verhältnisse schematisch ordnet, dabei allerdings Ausnahmen zuläht, 4. nur Entschüdigungs- nichts Gewinnansprüchs auskommen läßt, 6. in beschränktem Umfange auch in abgewickelte Rechtsverhältnisse noch eingreist. 1. Kein Rechtsgebiet kann das Aufwertungsproblem als ihm eigentümlich in Anspruch nehmen. Es reicht in alle Ver. hältnisse hinein, wo Geldansprüche irgendwelcher Art ent standen sind, insbesondere auch in das öffentliche Recht. Dort iverden von den Staatsrentnern und Staatspensionüren, den Liguidationsgeschädigten und Verdrängten, den im Abgel tungsverfahren abgesundenen, denen Leistungen in der Zeit der Geldentwertung geinacht wurden, Aufwertungsansprüche erhoben. Nicht mit Unrecht verlangen auch im Bereiche des Steuer rechts Steuerpflichtige, die Ueberzahlungen gemacht haben, Rückgawähr nach Aufwertungsgrundsätzen. Das ganze öffentliche titscht ist von der neue» Gesetzgebung ausgeschlossen worden. — Aber auch im Pribatrecht hat die Gesetzgebung einen schmalen Pfad beschriften, den bereits die dritte StNVO. gebahnt hatte, und Nur das Recht der Ver mögen s- an lagen und der Anleiheschulden in den Bereich feiner Geltung einbezogen. So haben sich hier zwei große Rechtsgebiete eröffnet, in denen die Aufwertung einen ganz verschiedenen Weg geht, und dabei konnte leider die Folge nicht nnsbleiben, daß durchaus ähnliche, ia sogar gleich artige Ansprüche einer ganz verschiedenen Aufwertung teil haftig werden, je nachdem für sie das Recht der Vermögens- anlagen (im folgenden kurz „Sonderrecht" genannt) oder Vas allgemeine Aufwertungsrecht zur Anwendung gelangt. Die,e beiden vielfach ineinander übergreifcnden Nechtsgebiete sind durch das Aufwertungsgeseh zwar gegeneinander scharf ub- gegrenzt, ohne daß es aber dabei gelungen wäre, alle Zweifel der Grenzsälle auszuschalten. Auch zeitlich war eine Beschränkung geboten. Nur die vor dem 14. Februar 1924, dem Inkrafttreten der StNVO. begründeten Ansprüche, werden nach dem Sonder rechte beurteilt. Darunter fallen also alle Ansprüche aus der Zeit der Friedens-, das heißt, der reinen Goldwährung, aber auch alle Ansprüche ans der Zeit der Papiermark- wäyruna der Kriegs- und Nachkriegszeit, alle diese aber nur, soweit sie auf Geld lauten, das durch den Währungsverfall entwertet ist, also nicht Ansprüche in ausländischer und wertbeständiger Währung (Goldwertklausel, Dollarschatzan- Weisung). 2. Die Gesetzgebung nimmt den Standpunkt der deinen StNVO. ein, das die Geldentwertung zu einer materiellen Abwertung der Ansprüche geführt habe, daß daher das Anfwertungsverlangen vom Gläubiger ausgehen müsse und verwirft den gegenteiligen Standpunkt, oaß der Anspruch inhaltlich erhalten sei, und der Schuldner ein Recht auf Abwertung entsprechend seiner Verarmung gel tend machen müsse. Daher sind überall Anmeldungen des Gläubigers erforderlich, wo er über den allgemeinen Ror- malsatz vvn 26 Prozent hinaus eine Individuelle Auswer tung verlangen kann, wo seine Rechte auch formell durch Löschung zum Untergang gebracht sind, oder wo die Person des Gläubigers dem Schuldner unbekannt ist, wie bei allen Schuldverschreibungen des Privatrechts und den Nnieihrver- bindlichkeiten. 3. Der leidenschaftliche Kampf um eine individu« eite öder schematische Aufwertung hat zum Siege der letzteren geführt. Soweit nicht besondere Ausnahmen gemacht sind, — zum Beispiel bei den durch Sicherungs- Hypothek gesicherten Forderungen, bei Jndustrieobligationen und Kommnnalanleihcn — und so weit nicht der Gläubiger ans die Befriedigung aus einer Teilungsmasse verwiesen wird, ist die NnfwertnngShöhe durch einen Hundertsatz des Gvldmarkbctrages festgesetzt, der bald 25, bald l.6, bald 12>/s Prozent beträgt. Jeder Gläubiger »nd Schuldner ist danach in der Lage, sofort festznstellen, wie hoch für ihn Forderung oder Schuld sich beläuft. Nur zugunsten des Schuldners ist durch die sogenannte elastische Klausel ein Ventil geöffnet, eine Herabsetzung des Satzes von 25 Prozent auf IN Pro zent zu erlangen, wenn seine besondere Notlage dies ge boten erscheinen läßt. Die Klausel auch zugunsten des not- leidenden Gläubigers zuzulassen und ihm INprozentige Mehraufwertunq znzubilligen, ist infolge der Durchführung des Grundgedankens einer generellen Methode abgelehnt worden, obwohl damit dem Rechtsempfinden des Volkes ein harter Schlag verseht wurde. — Das Sonderrecht ist auch Insofern schematisch, als die Umrechnung der Papicrinarkwerte in Golvmarkwerte nach einer Tabelle geschieht, die dem Gesetz als Aluage be:- gesügt ist. Schwierig und stark umstritten war Vvn jeher die Frage, wie für die vor dem 1. Februar 1918 erworbenen Ansprüche der Goldwert nach dem Nennwert zu ermitteln sei. Das Aufwertungsgeseh hat den berechtigten Einwen dungen, daß der DvllarkurS der dritten StNVO. der inneren Kaufkraft ver Mark nie entsprochen habe, Rechnung ge tragen, aber doch den Wünschen der Gläubiger, den Lebens- haltnnasindex als Meßzahl anzunehinen, nicht entsprochen, vielmehr das Mittel zwischen Dollarkurs und Großhandels index als Meßzahl zum gesetzlichen Umrechnung;- maßstab erhoben. Damit sind für das Sonderrecht alle Streitigkeiten darüber ansgeschaltet, ob nach den persönlichen Verhältnissen der Beteiligten oder der Art des zwischen ihnen abgeschlossenen Geschäftes irgend ein anderer Mäßstab insbesondere auch ein sogenannter G r u n d stü cks i n d e x gerechter sei. Auch für bas Ablösungsrecht kommt diese M kzahl zur Anwendung, wo es sich um "Feststellung des GvTomarkweries, der Schatzanweisungen eines üestkmmien Ausstellungstages, oder für solche Anleihen handelt, die erst nach Dem I. Januar 7919 ausgegedcii sind, oder solche älteren Anleihen, die trotz Erwerbes nach dem Stichtage des 1. Juli 1920 als Altbejitz-Anleihen gelten sollen. 4. Das Aufwertungsrecht ist vom Entschädigung;- gcdanken getragen. Es soll nicht dazu dienen, irgend lemandem Vorteile zu verschossen, weil einem formalen Rechtsanspruch darauf hätte, sondern den schadlos halten, der im Vertrauen zum Rechtsstaate und zu seiner Währung in der Entwcrtungszeit an seinen Forderungen sestgehaiteii hat und durch die Wührungskatastrophe Verluste erlitt. Dieses Prinzip hat in der neuen Gesetzgebung dadurch An erkennung gefunden, daß jeder Gläubiger nur »ach oem Goldwerte seines Anspruchs zur Zeit seines Er werbes Aufwertung erhält, und im Ablösungsgesetz da durch, daß ein Gläubiger, der erst nach einem bestimmten Stichtage Anleihe erwarb (Nenbesitz), als mutmaßlicher Spe kulant gilt und nicht an den später zu besprechenden Vor rechten für die Altbesitzer teilnimmt. Es wäre eine unge rechte Bevorzugung, wenn der Forderungsgläubiger, der z. B. im Jahre 1920 oder 1922 eine Friedenshypolhek erwarb und dafür nur die Hälfte oder ein Zehntel ihres Wertes bezahlte, jetzt sein Recht zu ein Viertel des Friedens wertes wieder hergestellt bekäme. Infolgedessen "ann, von Ausnahmen abgesehen, jeder Gläubiger nur ein Viertel der Auswertung verlangen, den er selbst beim Erwerbe des Rechtes aufwandtc. Aus dem gleichen Grunde konnte man den Inhabern von Jndustrieobligationen, die ihre Stücke erst nach dem 1. Juli 1920 erworben haben, keine höhere als 15prozcntigc Aufwertung zuteil werden lassen, weil ihr Crwcrbspreis schon geringer gewesen ist als die Entschädi gung, die sie bet 16 Prozent Aufwertung erhalten. 5. Das neue Aufwertungsrecht ist endlich beherrscht vom Gedanken der Notwendigkeit einer beschränkten Rückwirkung. Er entspringt aus dem einfachen Rechts empfinden, daß es mit Treu nnd Glauben nicht vereinbar sei, geldwertige Leistungen mit wertlosem Papiergelde zu tilgen. Die dritte StNVO. hatte dieses Prinzip — außer beim Vorbehalt der Rechte — noch grundsätzlich abgelchnr, weit ihr aus Gründe» der Rechtssicherheit die Ausrottung abgewickclter Rechtsgeschäfte zu bedenklich erschienen. Die neue Gesetzgebung hat dem berechtigten Drängen der Volks- melnung nachgegeben und sogar dort die Rückwirkung zu- gelassen, wo der Gläubiger aus eigenem Entschluss« au; der Rückzahlung seiner Forderung bestanden hat. Hätte man aber den zügellosen Bestrebungen einer unbe schränkten Rückwirkung stattgegeben, so hätte man durch Wiederbelebung der erloschenen Ansprüche von mehr als '10 Jahren das Wirtschaftsleben derartigen Beunruhigungen ausgoctzi, daß der Zweck der BniwectuugZgssengebung, Rnye und Klarheit zu schaffen, vereitelt worden Ware. Aus den Bcrmlttlungsverhandlungen ist eben der Rückwirkung kraft Vorbehalts der 15. Juni 1922 als Rückwirkung;- termin hcrvorgegangen. Das bedeutet: Im Sonderrechte der Aufwertung gilt für alle Rechtsvorgänge, insbesondere alle Zahlungen vor dem 16. Juni 1922 der Satz Mar,--- Mart, es sei denn, daß der Gläubiger bei Annahme der Leistung einen Vorbehalt machte. Was bis dahin ganz oder teilweise bezahlt wurde, gilt zum Nennbeträge der Papier» markzahlung als getilgt. Vom 15. Juni 1922 ab werden die Zahlungen nur nach ihrem Goldwerte auf die Forderung angerechnct. Diese Rückwirkung gilt für Hypotheken und ähnliche Rechte für Versicherungsansprüche und Vermögens- anlagcn sonstiger Art (z. B. Handscheindarlehen), für den früheren Gläubiger einer nach dem Stichtage abgetretenen Hypothek, der auf diese Weise an der Verteilung des Auf- wertungsbetrages teilnimmt; in beschränktem Umfange auch für Jndustrieobligationen und Pfandbriefe: sie kann landeS- gcseyl'ch nnd anck für Sparguthaben eingeführt werden und findet sich in; AbösungSrechtc insofern wi:der. als gekündigte und ausgelostc Anleihen, die sich noch im Besitze des Gläu bigers oder seiner Bank befinden, selbst dann nicht als getilgt gelten, wenn der Schuldner den Einlösungsbetrng hinterlegt hatte. Das Festhalten der Stücke ist also dem Vorbehalt der Rechte gleichgestellt »nd reicht deshalb in seinen Wirkungen über den Termin des i5. Juni 1922 hin aus zurück. — Diese die Aufwertnngsgesetze beherrschende» Grundgedanken werden bei der Behandlung der Einzel heiten der Aufwertungsfrage wiederkehren und dort nock eingehender zu erörtern sein. (Ein weiterer Artikel solgi.) Der arme Jakob Ein Lebensbild von August But scher. (15. Fortsetzung.) „O, mit tausend Freuden!" siel ich eilfertig ein, denn diese Zartheit trieb mir das Wasser in die Augen. „Nur gemach!" beschwichtigte er mich, „ich kann nicht wissen, ob du mit dem, um was ich dich bitten will, ein verstanden bist." „Mit tausend Freuden bin Ich einverstanden," rief ich entzückt »nd drückte seine mehlige Hand. „Lass' doch erst die Kuh aus dein Statt, ehe du sie an ven Hörnern Packst." rief er lachend. „Sieh, Jakob, inan sollte es nicht glauben: daß diese Men da mein Liebstes sind ans der Welt, natürlich mein Weib, meine Kathl und meine Mühle ausgenolnmcn." „O, das kann ich mir denken," rief Ich, „aber —" „Nein, das kannst du dir nicht denken," fiel er mir crnsthast in die Rede, „lass' mich nur ausreden, ich will dir die Sache In zwei Worten cuiseinandersetzen. Sieh', an den SvnntagSnachmittagen, wenn das junße Volk auSgefloaen ist, habe ich so meine Gedanken über Land- und Forstwirt schaft, über Verkehr und Handel und über das politische Leben auf dem Lande aufs Papier gebracht, und ich möchte die Sache in einer großen Zeitung gedruckt sehen. So mein' Ich denn, du sottest die Blätter mitnehmen und mit dem alten Herrn Rollenknopf darüber reden. Du gehörst so ein bissel zum Federvieh und da wirst du es schon fertig bringen. So, das ist's." „So, das Ist's," murmelte ich zerknirscht. ,L>, du ein fältiger Tropf, du hast gemeint, der reiche Tannen»,ütter Werse dir die einzige Tochter an den Hals und jetzt wartet er dir mit alten Papierschnitzeln ans, die vielleicht keinen Groschen wert sind!'' Ich begann sehr unehrerbietig über den neuen Schrift steller zu denken, aber ich faßte mich mit riesenhafter Selbstüberwindung und erwiderte, langsam wie der Pendel schlag der Schwarzwälderinr „Das könnte sich am Ende machen lassen, und ich will eS versuchen. „Freilich," fügte ich bet, „werde ich das Ding tüchtig redigieren und 4ns rechte Deutsch übertragen müssen.'* Damit steckte ich die „Siaatspapiere" in die Tasche. Andere wären mir freilich lieber gewesen und hätten dem armen Jakob mit einem Schlage auf die Füße geholfen. Ich mochte dabei recht sauertöpfisch ausgeseheu haben, denn er sagte wie begütigend: „Du wirst gewiß nicht viel Arbeit damit haben, denn ich schreibe nicht gerade uneben. Umsonst solltest du es auch nicht tun, wenn es nur gedruckt wird; in jedem Menschen steckt eben der Eitelkeitsteufel, und ich Hab' auch ein Haar von ihm. Wenn du Geld brauchst, darfst du's nur sagen, oder wenn dir was anderes am Herzen liegt, nur heraus damit, ich werd' es dir nicht nbschlagcn, denn du hast es mir angetan» ich weiß nicht warum. Einer, der zum Landstand gehört, hat auch Einfluß; ein jedes Aemtleiu hat sein Schlämplein." Er lachte behäbig. Das war ein Hoffnungsstrahl. Jetzt oder nie! dachte ich und rief feurig: „Das ist ein Wort. Freilich liegt mir etwas am Herzen und ich muß heraus damit. Gebt mir eure Kathi zur Frau, dann gehe ich für euch durchs Feuer, und ihr zimmert für euch und den armen Jakob eine Himmelsleiter!" Er sah mich mit weitgeösfnelen Augen an, dann nahm er langsam die Pfeife aus dem Munde und sagte: „Und das ist dein Ernst, dein völliger Ernst?" „Mein völliger, heiliger Ernst!" rief ich überlaut und legte beteuernd die Rechte auf die Brust und zwar gerade auf die Staatspapiere. „Dann steckt noch das Komüdiantenblut in dir," sagte er sehr ernsthaft. „Wie kannst du auf einen solchen boden los unsinnigen Gedanken kommen? Du bist nichts und hast nichts. Und dann seid ihr beide noch halbe Kinder, und es ist noch die Frage, ob das Mädel dich auch möchte." Als er meine Todesblässe sah, fügte er beschwichtigend hinzu: „Wenn du einmal etwas bist und hast, — aber ich e.lcnib' nicht recht daran, — so kannst du ja später einmal iso >n zehn Jährlein etwa, wieder anfraaen, wenn das Mädel dann noch zu haben ist. An» bestell ist es, wenn du de» dummen Gedanken mit der Wurzel auSrottest. Die alte Wallsahrerliesel, — du hast sie wohl auch gekannt --- hat gesagt, wem die Angenbraue zusammengewachsen seien, werd« nie oder spät zu einem rechten Glück und Schick kommeil und es ist etwas Wahres an der Sache. Armer Jakob, geh' ins Bett und verschlafe die Grillen!" Wie ich in mein Bett kam, vor dem die Hirschhaut zierlich hergerichtet lag, weiß ich nicht mehr. Als der Morgen kam, fand er mich noch wach, und als ich in den Spiegel sah, zeigte er mir ein um Jahre geal tertes-- Gesicht, in dem wie drohend meine zusammenge wachsenen Augenbrauen standen. Der Stich, den mir der Knabe Schmerzenreich versetzt, schien wieder aufHuleben und erinnerte mich an meine Komödiantenzeit, die gür der Tannenmütter vorgerückt hatte. Ja, wahrhaftig, sagte mir der lichte Tag, du hast dich wie ein Komödiant benommen und der dumme Streich, den du von dem Fadcnscpp ver mutet, ist von dir gemacht worden. Der junge Rottenknopf war heute gut aufgelegt, den» er hatte herrlich geschlafen, und der Fadensepp war lust g wie ein echter Postillon. In tödlicher Verlegenheit trat ich wieder unter die MNllersieute. Wie ganz anders sah es im Scheine des Tages aus als im Lichte der Lampe: Das Schwungrad rauschte, die Säge knirschte, die Erde dampfte, zerschnitten von dein blanken Pfluge, überall Leben, Bewegung, Arbeit, Ringen, Schassen, Erwerben — und wir Faulenzer zogen müßig in, Land herum! Dies drückte mich noch mehr nieder, und sch glaubte es auch in den Gesichtern der Hausleute zu lesen, die sehr ernst waren, die Kathi hatte sogar verweinte Augen. Was mochte wohl vorgefatten sei»? Der Boden brannte mir unter den Füßen und ich drängte so lange an meinem Zögling, Freund und Meister, daß er endlich anspannen ließ. Meine Bemerkung, daß wir die Leute störten, gab den Ausschlag. Nur schwer war der Fadensepp von dem dick bauchigen Krug« wegzubrinaen, in den er sich gleichsam hin, emgenaat hatte. Endlich saßen wir in der Kutsche. Der Mütter sagte noch: „Vergiß mir die Staatspapiere nichts" er schien meine Gedanken erraten zu haben, — die Müllerin meinte gutmütig: „Nehmet so vorlteb, und wenn Ihr wieder des Weges kommt, so kehret ein." Kathi war sehr bleich. Sie gab jedem von uns noch eine Ross und flüstert« mir zur „Den Kopf ausrecht, Jakob. Man itzt kein« Supp« so heiß, wie sie gekocht ist; kommt Zeit, kommt Rat." Aber das tröstet« mich wenig, denn ich hielt alles, auch da» Treuherzigste, nur für leere Redensarten, (Fortsetzung folgt.)
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