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Sächsische Volkszeitung
- Erscheinungsdatum
- 1925-09-04
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-192509047
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19250904
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19250904
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1925
-
Monat
1925-09
- Tag 1925-09-04
-
Monat
1925-09
-
Jahr
1925
- Titel
- Sächsische Volkszeitung
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Nr. 204, S>ute 8 M Wj»tt Me W Me M SM Sreitag, den 4. Septeniber 1V2S Tagesneuigkeiten Fiasko des Fluges San Franzisko—Honolulu Neuyork» 3. September. Der Flug San Franziska— Honolulu war von drei Wasserflugzeugen unternommen worden. Gestern wurde bereits gemeldet, daß eines der Flugzeuge zur Notlandung aus hoher See gezwungen worden war. Inzwischen mußte ein zweites Wasserflugzeug wegen Motordesettes den Flug mit einer Notlandung abbrechen. Endlich hat auch der letzte Teilnehmer des Fluges wegen Benzinmangcls 200 Meilen östlich von Honolulu medergehen müssen. Man fürchtet, daß die fünf Insassen dieses Flugzeuges im Meere ertrunken sind. — Das Miß. liiige» dieses Fluges bildet einen neuen Beweis für den Sal« Dr. Eckeners, daß für den Flugverkehr über große Strecken nicht das Flugzeug, sondern nur das Luftschiff ausreichende Sicherheit verbürgt. Todesstürze mil dem Aulo Kreuznach. 3. September. Gegen Mitternacht verunglückte ein Personenauto vor Bretzenheim durch Ausfahren auf einen Steinhanfen. Der Wagen stürzte um und schleuderte dt« Infassen heraus, die so unglücklich fielen, daß sie mit schweren Schädel brüchen t o t liegen blieben. Es handelt sich umdrei Personen, um einen Prokuristen, einen Cl>auffeur und dessen Frau. Kreuth jObervayern), 3. September. In der vergangenen Nacht fuhr der Mietsautobesitzer in Achensee Sailer aus der Rückfahrt von Tegernsee über die Strahenböschung und stürzte mit seinem Krastivagen in eine 30 Meter tiefe Schlucht. Sailer ivar sofort tot. Mit dem gleichen Auto war schon ein anderer Chauffeur in den Achensee gefahren und dabei ertrunken. f Kathcdralenbrand In Italien. Der größte Teil des Do mes in Ales fand ria ist durch Feuer eingeäschert worden. Der Schaden wird auf eine Million Lire geschätzt t Brand eines Petrolcumlagers im Neuqorker Hafen. In der Nähe der Neuyorker .Hafendocks ist am Dienstag ein gro ßes Pelroleumlager in Flammen aufge,gangen. Hunderte von Feuerwehrleuten sind damit beschäftigt, das Feuer zu bekämpfen. 190 Feuerwehrleute sind durch die Brandgase vergiftet worden und mußten dem Krakenhaus überwiesen werden. Erst gestern ist es der Feuerwehr gelungen, den Brand erfolgreich zu be kämpfen. s- Deutsch« Flottenmanöver. Die in der Ostsee abgehaltenen Verbandsübungen der deutschen Flotte sind beendet worden. Die einzelnen Schisse sind nach Wilhelmshaven ziirückgekehrt. Dem nächst beginnen die eigentlichen Herbstübungen, an denen die ganze Flotte beteiligt ist, unter Leitung des Chefs der Marine leitung, Admiral Zenker. Di« Manöver finden vor Helgoland statt. f Zur Nackjahmung für die deutsche Reichsbahn empfohlen! Ein Dekret des italienischen Verkehrsministers bestimmt, daß vom 1. Januar 1920 ab Eisenbahnwagen mit Gasbeleuchtung nicht mehr auf den italienischen Eiscnbahnstrecken zugelassen werden. s- Der Streit im Lager der Zionisten. Der Zionistenkon greß hat am Dienstag seine Tagung beendet, ohne daß neue Füh rer gewählt wurden. Dr. Weitzmann, der Präsident des Kon gresses, der mit verschiedenen anderen offiziellen Vertretern ab- dankle, hat sich geweigert, die Führerschaft wieder zu übernehmen. -s- Der Tod der Frau Direktor Hof noch ungeklärt. Die Mel- düng, daß die Kriminalpolizei sich für die Annahme eines Selbst mordes der Frau Direktor Hof ausgesprochen habe, entspricht nicht den Tatsachen, da das Ermittlungsverfahren noch nicht ab geschlossen ist. Für die Möglichkeit eines Selbstmordes hätten sich wohl mancherlei neue, jedoch nicht entsckeidende Gesichts punkte ergeben. Die Bluttat ist jedenfalls noch so ungeklärt wie am ersten Tage. K Ende der Autowettsahrt Leningrad—Moskau. Die Teil nehmer an der Autoniobilwettfahrt Leningrad—Tiflis sind am Dienstag in Tiflis angekommen. Als Erster traf ein Lincoln- wagen ein, dann zwei Mercedes, zwei Pacearüe- und zwei Fast wagen ein. 's- 200 Kilometer in 0!» Minute». Aus der Strecke Hannover-Berlin führte der Pilot des Aeroloyd Wenig einen Nekordflug aus, indem er mit fünf Fluggästen die 260 Kilometer lange Strecke in 65 Minuten zurücklegte, was einer Stundengeschwindigkeit von 240 Kilometern ent spricht. -s- Schule, selbstmord. In Stettin hat sich eine 14jährige Schülerin gemeinsam mit ihrem Vetter, der in demselben Hanse wohnte, vergiftet. Die Ursache desDoppel- selbstmordeS ist unbekannt. s- Kamps mit einem Eisenbahnräuber. In der Nacht znm 1. September haben mehrere unbekannte Männer auf dem Bahn- Das Ableben des greisen Zentrumssährers PeterSpahn hat in allen Lagern das gleiche aufrichtige Bedauern hervor- gerusen. Die Blätter der verschiedensten Parteirichtungen be tonen fast einmütig, daß mit Peter Spahn nicht nur ein Stück Zentrumsgeschichte, sondern ein Stück deutscher Parteigeschichte, deutscher Geschichte überhaupt ins Grab sinkt. Was die Zen. trumspartei und die Zentrumsfraktion des Reichstages an diesem klugen Führer und Berater verloren haben, das kommt am mei sten zum Ausdruck, wenn man die Nachrufe der Berliner Presse aller Schattierungen liest. „In Nekrologen wird dahingeschie denen Politikern nicht zu Unrecht nachgerühmt," so schreibt der „Vorwärts" mit Recht über Peter Spahn, „daß sie zwar Gegner, aber keine Feinde gehabt hätten. Für Peter Spahn trifft dieses Wort zu. Die Ehrlichkeit seiner Ueberzeu- gung und die Liebenswürdigkeit seines Wesens trugen Im glei chen Maße dazu bei, daß auch der erbittertste politische Gegner Ihm die größte Hochachtung entgegenbrachte." Der „Lokalanzeiger" widmet dem hochverdienten Zentrumssührer folgenden Nachruf: „Der greise Parlamentarier, der jetzt die Augen zum letzten Schlummer geschlossen hat, ist weit über den Kreis seiner Parteifreunde hinaus geachtet und beliebt gewesen. Er war ein Mann der Grundsätze, die er sein Leben lang vertreten hat und nicht mit dem November 1918 über Bord warf. Er war ein Mann unbedingter Sauberkeit und Lauterkeit." Die „Deutsche Tageszeitung" schreibt: Mit Peter Spahn wird ein Stück guter alter Zentvumstradition zu Grabe getragen. Peter Spahn stand auf dem rechten Flügel der Zen trumspartei und war einer von denjenigen, die fest verwurzelt waren in der Vergangenheit. Nicht nur als Politiker, sondern auch als Jurist hat sich Peter Spahn einen guten Namen gemacht." Die „Deutsche Allgemeine Zeitung" betont, daß in Spahn die Zentrnmspartei einen ihrer erfahrensten Führer verliert. „Obwohl bis in sein hohes Alter, ja bis in die letzten Monate hinein von erstaunlichem Schaffensdrang beseelt, war Spahn doch eigentlich niemals eine Kämpfernatur, wie sie die Zentrumspartei in allen Zeiten cmfweiscn konnte. Er hob sich schon in jungen Jahren aus der Masse der Parteifreunde durch eine andere Eigenschaft hervor: Durch eine aus tiefes Wissen und reicl)« Erfahrungen gestützte Abgeklärtheit, die seinen Rat in allen wechselvollen Lagen der Partei ganz besonders be gehrt machte. So war er der geborene Schlichter und spielte im Zentrum eine Rolle, die sich, was Auftreten und Ein fluß anbelangt, wohl ungefähr mit der Stellung vergleichen läßt, die Friedrich Cbert In der Sozialdemokratie eingenommen hat." Das „Berliner Tageblatt" wird den Verdiensten Peter Spahns mit folgenden Worten gerecht: „Nunmehr hat der Tod den Schlußstrich unter ein langes zu einem wesentlichen Hose in Wahren bei Leipzig einen Güterwagen erbrochen und einen 95 Kilogramm schweren Ballen Stoff daraus gestohlen. Die Täter hatten den Ballen bereits Uber einen 2 Meter hohen Zaun außerhalb bcs Bahngelündes geschasst, als sie von einem Ueber- wachungsbeamten gestellt wurde». Sie ließen das Diebesgut lie gen und flüchteten. Der Beamte verfolgte sie und schoß hinter ihnen her. Als er seine geringe Munition verschossen hatte, stürzte sich einer der Täter auf ihn und brachte ihm mit einem Messer mehrere Verletzungen bei. Nun wehrte sich der Beamte so gut als ihm noch möglich ivar mit einem Gummiknüppel, wor auf der Schlicke nach Lützschsna-Ouasnitz zu die Flucht ergriff. Die anderen waren jedenfalls schon weitergcflohen. s Unfall bei der Einbrscherversolgung. Einbrecher drangen in der Nacht zum Montag in einer großen Fabrik ln Heide- nau in die Kontorräume ein. Sämtliche Behältnisse wurden er brochen und durchmühlt, auch an dem Geldschrank hatten sie sich — allerdings erfolglos — zu schaffen gemacht. Der sofort zu gezogene Spürhund von der Gendarmerie in Arnsdorf verfolgte die Berbrecherspur über Leitern und Dächer, wobei dem Führer Teile dem Dienste seiner Partei verbrachtes Leben gezogen. Peter Spahn gehörte zu den „großen Alten", zu denen die Ju gend mit Respekt emporblickt, ohne in ihnen noch Führer zu sehen. Aber in der Geschichte des Zentrums wird sein Name fortleben als der eines entschiedenen Förderers des Zenlrums- gedankens." — Der „Börsenkurier" schreibt: 'Mit Peter Spahn geht ein Politiker dahin, der in der deutschen Politik Jahrzehnte hindurch eine maßgebende Nolle gespielt hat. Seit dem Tode des großen Zentrumsjührcrs Windthorst war er Wortführer seiner Partei im Reichstag und übte zugleich als Führer des rechten Flügels der Partei einen außerordentlich großen Einfluß aus die Politik des Zentrums aus.' — Die „Bossische Zeitung" schreibt: Mit Peter Spahn ent schwindet aus unserem parlamentarischen Leben eine der bekann testen und angesehensten Persönlichkeiten. Spahn gehörte zu denjenigen Zentrumsmännern, die »ach dem Tode Windthorsts zuerst neben Lieber, dann neben Gröber und Hertling die aus schlaggebende Fraktion des Reichstages führten." Der „Vorwärts" erkennt besonders die Uneigennützig- keit und seltene Objektivität und Gerechtigkeit Peter Spahns an. Er schreibt unter anderem noch: „Er sprach immer klug, be herrschte vermöge seines ungeheuren Fleißes das Material in allen an das Parlament herantretenden Fragen vollkommen und war stets von dem Willen beseelt, der Sache der Gerechiig. kett zu dienen. Einen gewissenhafteren Abgeordneten als Peier Spahn wird der Reichstag kaum jemals wieder haben. Obwohl er der parlamentarischen Tätigkeit mit größter Emsigkeit oblag, ertrug er es, im Gegensatz zu allen anderen Abgeordneten, die im Hauptberuf Beamte sind, nicht, während der Sitzungsperiode seine Berusspslichten zu versäumen. Zu wahrer Größe erhob sich Peter Spahn nach dem Zusammenbruch Deutschlands. Er war ein strenger Anhänger der Autorität. Seinem unerschütter lichen Glauben an einen gütigen Vater im Himmel, der die Ge schicke der Welt leite, entsprach die Ueberzeugung, daß die Obrig- keit, der das Schwert von Gott verliehen sei, Anspruch auf Gehor sam habe. So war Spahn zu monarchistischer und koiiservall- ver Gesinnung gelangt. Aber so fest er auch in solchen Anschau ungen gewurzelt hatte, nach der Katastrophe von 1918 erkannte er klar, daß ein Wiederaufbau Deutschlands nur auf republika nischer und demokratischer Grundlage möglich sei. Und er, der Infolge seiner vorsichtigen zurückhaltenden patrizischen Art gegen den stürmischen, polternden kleinbürgerlichen Erzbcrger eine persönliche Abneigung hatte, stellte sich gleichwohl entschlossen an dessen Seit« und arbeitete am Bau des neuen Deutschland. Dem tapferen, klugen, vornehmen Manne, dessen Wirken der Tod ein Ziel gesetzt hat, ist allenthalben ein ehrendes Andenken sicher. Auch die Sozialdemokratie verneigt sich vor seinem Sarge." des Hundes leider ein Unfall zustieß. Er brach durch das Dach und konnte sich nur durch das glückliche Erfassen einer Balken kante festhalten und muhte zwischen den in vollem Gange be findlichen Transmissionen und Riemenscheiben einige Minuten frei hängen, bis er aus seiner gefährlichen Lage befreit werden konnte. Er kam mit einigen Verletzungen davon. 4 Verwegene Flucht aus dem Gefängnis. In der Nach! zum Dienstag durchbrachen zwei im Zittauer Amtsgerichts- gesängnis untergebrachte Gefangene jedenfalls mit Hilfe irgend- eines Werkzeuges das feste Mauerwerk des erst vor eini gen Jahren erbauten Zellenraumes, in dem sie sich befanden, ließen sich an einem aus Bettlaken und Hanswolle gedrehten Seile ans der Höhe des zweiten Stockes herab, kletterten über die Umfassungsmauer des Gesängnishoses und entkamen. Jeden falls haben sich die Flüchtlinge nach Böhmen gewandt, woher der eine stammt. Der andere ist mis Zittau gebürtig. Beide sind Handlungsgehilfen, 22 und 21 Jahre alt, und befinden sich wegen Einbruches und Hochstapeleien in Haft. Trotz der sofort auf- genommenen Verfolgung konnten die Ausbrecher bis jetzt noch nicht wieder festgcnommen werden. Die Rose der Sewi Eine ziemlich wahre Geschichte von Ludwig Steub (8. Fortsetzung.) IV. Auf diese Weise ivar der Florian in sein sieben undzwanzigstes Lebensjahr hineingeraten. In jenen Zetten und in jenen Tagen, ja eigent lich gerade in diesem Jahre, von dem seht die Rede ist, wurde aber in der Kufsteiner Gegend sehr oft und sehr viel von einem angeblichen Liebespaare gesprochen und zwar von dem Florian und der Rosi. Die Rose der Sewi war jetzt einundzwanzig Jahre alt und mußte heiraten — das sahen alle ein — sic konnte aber keinen andern nehmen als den Florian — bas war klar. AIS derlei Reden einmal im Umlauf Ware», gewonnen stc auch täglich an Bestimmtheit; die einen wollten wissen, dre Hochzeit sei schon auf Jakobi angesetzt, die andern behaupteten, auf Barthelmä. Der Valentin Hinterbichler von Walchsee erregte daher zu Sommersanfang kein ge ringes Aufsehen, als er in der blauen Traube zu Kuf stein diesen Gerüchten mit Nachdruck widersprach und am Ende, ärgerlich über das Geträtsch, das gar nicht auihüren wollte, 'in einen Tisch voll Baucrnleuten mit der Faust hineinschlug und mit kräftigster Stimme dazu erklärte: „Ob es da einmal eine Hochzeit gibt, das Wels; unser lieber Herrgott; aber daß sich die zwei auf dieser Welt noch nie gesehen haben, das weiß ich!" Wer jedoch jenen Glaubenssatz zuerst erfunden und ausgesprochen, das war schon damals nicht mehr zu er fragen und ist jetzt um so weniger festzustellen, aber er ging so reißend schnell in die Bevölkerung über, daß ihn bald im ganzen Landgericht und in der bayerischen Nachbarschaft von der reiferen Jugend an bis zum höchsten Greisenalter jede christglänbige Seele bekannte und festhielt. Wer diese Erscheinung mit ruhiger Ueberlegung be trachten will, der wird sie auch nicht auffallend finden. Die Rosi war wie der Florian in einem reichen, von alters her angesehenen Wirtshause geboren und so ge hörten beide der bäuerlichen Aristokratie an, welche auf Reinheit des Blutes nicht weniger bedacht ist als die ritterliche. Er galt für den saubersten Burschen, sie für das schönste Mädchen de« Gaues, und darin tag für den ländlichen Verstand wieder «ine Aufforderung, sie zusam- menz,Mellen und vereinigt zu denken. Ferner hatte die ästhetische Erziehung, die ihnen durch Lektüre, durch Pflege der Musik und Umgang mit Malern und andern gebildeten Leuten geworden, )«, beide aus der Niederung des bäuerlichen Treibens zu einer geistigen Höhe empor gehoben, zu der ihre schlichte und unentwickelte Um gebung nur schwindelnd hinaufschauen konnte. Wer daher seine Augen spähend in die Runde gehen ließ, der fand für den Florian keine andere Möglichkeit, als die Rosi und für die Rost keine andre als den Florian. Die beiden jungen Leute hörten nun allmählich auch davon, daß die ganze Umgegend, das ganze Landgericht mitsamt dem bayerischen Grenzsanm sie miteinander Ver de,raten wolle und bereits zusammengesprochen habe, aber diese Kunde wirkte in Langkampfen ganz anders als in der Sewi. Der Florian nämlich ließ sich von solchen Reden gar nicht anfechten. Einmal glaubte er bei seinen Jahren den heiligen Ehestand nicht werktätig und ge flissentlich heranztehen, sondern warten zu sollen, bis er sozusagen selber käme. Deswegen lie„ er es auch unbc- foiat, wenn ihm etwa ein guter Freund geraten hatte, doch einmal auf die Brautschau zu gehen und sich das Mädchen zu besehen. Ueberdtes war es ihm ärgerlich, daß einerseits die Bauern und die Bäuerinnen so unge fragt über seine Hand und sein Herz verfügen wollten nnd daß anderseits der alte Hechenvlaickner, den er aus den Märkten öfter traf, ihm gar keine Ehre erwies und ihn niemals in dle Sewi einlud, denn da der Florian, wie die meisten seiner Mitmenschen, auch etwas eitel war und sich airf seine gesellschaftliche Stellung unter den Landleuten doch einiges einbildete, so meinte er, der alte Wirt dürfte einen solchen Schwiegersohn wohl ein mal eine freundliche Ansprache gönnen. Dann aber, und dies gab den Ausschlag, hatte der junge Mann über die Rose der Sewi gar mancherlei gehört, was ihm nicht recht gefallen wollte. So blieb er denn ferne von ihr, obgleich seine'Mutter nach einzelnen zerstreuten Aeußerun- gen dein Mädchen gar nicht abgeneigt schien. Doch war Frau Euphrosine weit entfernt, ein mahnendes oder gar ein drängendes Wörtletn fallen zu lassen. In der Sewi dagegen fand jenes ländliche Gerede einen Boden, der viel empfänglicher war. Man glaubt, daß die ersten Neckereien dieser Art ungefähr damals ausgetaucht seien, als die Rosi Im neunzehnten Jahre stand. Damals pflegte sie zwar über die Scherze und die Prophezeieungen ihrer Gäste noch unbefangen zu lachen, aber später, nachdem sie jenes Jahr zurückgelcgt »nd die gleiche Weissagung so oft vernommen hatte, da iuig sie doch selber an. ihr einigen Glanven z» schenken. Sie gestand sich allmählich, daß es sehr wünschenswert wäre, diesem auSbllndigen Burschen zu gefallen, von ihm ninwvrben und gefreit zu werden. Sie lauschte immer wouuiglich, wenn die Bauernlcute von seinem großartigen Leben erzählten und das Glück seiner künftigen Hausfrau Priesen, gab sich aber freilich alle Mühe, sicht nicht zu verraten. War es nun nicht eine ganze und vollständige Liebe, was sic damals erfüllte, so war es doch eine hoch gespannte Sehnsucht, den sageabai: u Helden einmal von Angesicht zu Angesicht zu sehen. Als sie aber wieder um ein Jahr älter geworden, da hatten sich ihre Hoff nungen wohl doch schon in die feste Zuversicht nmgcsetzt, daß sie für einander geschaffen, daß ihr nur der Florian bestimmt sei. An dieser Ueberzeugung hielt stc um so inniger fest, als sich — kein andrer zeigte. An dem lachenden Himmel ihrer Zukunft zog nur eine anfangs leichte und lichte Wolke auf, die aber immer 'chwerer und schwärzer wurde, nämlich die einfache, aber täglich wiederkehrende Frage: Warum kommt er nicht? Ebensooft und vielleicht noch öfter dachte damals an den Florian Frau Anastasia Hechenvlaickner, die Mutter. Sie wußte sich auch kein höheres Glück zu denken, als wenn ihre Rosi Wirtin zu Langkampfen würde und sie memte ebenfalls, es könne ja gar nicht anders gehen. Aber auch sie sand nur so unerquicklich, daß man in der Sewi noch immer nicht wisse, wie der Mann der ge meinschaftlichen Sehnsucht eigentlich aussehe. Wenn .Herr Karg, der Photograph und jetzige Bürgermeister zu Kusstein, damals schon wie heutzutage alle Zelebritätcn der Gegend abgebildet nnd zur Auswahl an sein Fenster gestellt hätte, so würde Frau Anastasia, da ihr kein Nadelgeld ausgemacht war, ihr Liebstes, vielleicht ihre schönste Pelzkappe als Tauschware für den photographier ten Florian geboten haben. ES muß aber leider gesagt werden: die schöne Nosi fühlte nachgerade, daß ihre Zeit gekommen sei und daß sie eigentlich aus dem Hause sollte. Eine jüngere Schwe ster, welche die Maler als einen fast ebenbürtigen Eriatz begrüßten, drängte nach und wünschte je bälder ie lieber an ihre gebieterische Stelle zu treten. Obgleich die ganze Familie noch in voller Eintracht zusammen erbte, jo meinte die älteste Tochter doch zu ahnen, daß sie all mählich der Stein des Anstoßes werden könnte, und der Gedanke, überflüssig und gar lästig zu sein, war ihr fürchterlich. Aber freilich jchien die Zukunft nachgerade »nt Brettern vernagelt und jeder hochzeitliche Auszug aus dem väterlichen Hause hermetisch verschlossen. Nicht als ob es damals in der Sewi an Freiern ge fehlt hätte —man nannte vielmehr einige sehr achtbare Namen aus dem Bauernstände, allein wenn die>c 'Ver ehrer sich zum ersten Seidel niedergesetzt, so wußte sie die Rost so kühl und vornehm zu behandeln, daß sie keine Lust mehr fühlten, auch nur ein anzügliches Wört- lein fallen zu lassen. So zogen sie freilich ab. ohne einen ausgesprochenen Korb zu erhalten, aber ihre Ab sichten hatte« unter den Vertrauten doch sür zweifellos gegolten. (Fortsetzung solgt.)
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