Volltext Seite (XML)
Nummer 212 — 24. Jahrgang 6mal wöch. Bezugspreis: für Septbr. 3.— einschi. Bestellgeld. Anzeigenpreise: Die Igesp.Petitizeile 80^. Stellengesuche 20 L. Die Petitrekiamezeile, 89 Milli meter breit, 1 -K. Osfertengebiihren für Selbstabholer SO bei Uebersenbung durch die Post außerdem Portozuschlag. Einzel-Nr. 10 L, Sonntags-Nr. 15 Geschäftlicher Teil: IofesFoh mann, Dresden. Juwelier Larl Krötscyner Schics!«. » Dresden Sonntag. 13. September 1925 Jkn Kalte höherer Gewalt erlischt ,ede Verpflichtung Anzeigen übernehmen Wortung. Unverlangt eingesandte und mit Rückporto nicht versehene Manuskripte werden nicht ausbewahrt. Sprechstunde der Redaktion 5 bis 0 Uhr nachmittags Hauptlchrisüeiterr Dr. Joses Albert. Dresden.' Lkl. Wg'üISli! biAger Ltr. Z4 ^LlNiv?!!»!>» 8 tpij M p k« kil'SWSttvN tseschäftSftell«, Druck uud Verlag! Saxonia- Bnchdrnckerei GmbH.. Dresden-Si. IS, Holbetnstrasic IS. gemrnl 32722. Polischcclkonlo Dresden 14797. Banlkonla Bassengr «c Arihsche, Dresden. Für christliche Politik und Kultur Redaktion der Sächsische» VolkSzeitung Dresden-Niisl. IS. Holbeinsirnhe 4S. gernriu 32723 und:n>s»4 Das gesürchkele Reichs-Schulgesetz Plötzlich aus der wohltuenden parlamentarischen Ferienruhe heraus tönt neues Knmpfgeschrei. Der Ent wurf des Reichsschulgesetzes, der seit Jahren fällig war, ist auf der Bildfläche erschienen, wider Willen der Negierung und der verantwortlichen Stellen, wie man sagt. Jahrelang hätte man eigentlich Zeit gehabt, sich auf eine würdige, d. h. sachliche und an der politischen Erfahrung gereifte Begrüßung vorzubereiten. Die poli tische Vegriißungsmusik aber, die dem Entwurf seit acht Tagen entgegentönt, ist von übelster Sorte. Man ist im Zweifel, ivas schlechter ist, die Instrumente oder die Blä ser. Die schärfsten Töne findet man natürlich bei der Sozialdemokratie, das ist man ja in Weltanschauungs- sragen gewöhnt. Treibt man etwas Quellenkunde, so er kennt man Fäden, die von der Sozialdemokratie und weiter links hinüber führen zu den Fachleuten, d. h. so weit sie im „Sächsischen Lehrerverein" ihre Vertretung erblicken. Und „feinfühlige" Begleiter findet dieses Or chester natürlich auch auf der rechten Seite, soweit die liberalistische Weltanschauung in diesem Falle goldene Brücken schlägt. Man geht wohl nicht fehl in der Annahme, daß sich der Hauptkampf um das neue Schulgesetz auf dem „ruhm reichen" (in diesem Fall notwendig in Gänsefüßchen) sächsischen Boden abspielen wird. Die ersten Proben sind schon ein Beweis dafür. Vielleicht ist auch die erste Beratung des Entwurfes mit den Ländern, die am 15. September in Leipzig beginnen soll, nur ein Symbol dafür. Die sozialdemokratische Presse hat-plötzlich wie der das Demokratische aus ihrem Namen gestrichen — weil der Wille der Mehrheit diesmal gegen sie spricht —, und ergeht sich in hochtönenden Schlagworten und ödester Demagogie. „In einer Zeit, da die wirtschaft lichen. politischen und geistigen Verhältnisse der Welt eine völlige Umgestaltung und Neuordnung erheischen, in der Zeit, da ein neues Europa mit neuen Problemen wird, in dieser Zeit setzt man dem deutschen Volke einen Schulgesetzentwurf vor, der das Bildungsniveau Deutsch lands auf de» Stand des feudalen Mittelalters zurück schraubt", so fabelt die „Dresdner Volkszeitung". „Der Entwurf kann und darf nur im schärfsten Kampfe gegen die Sozialdemokratie Gesetz werden. In den Orkus mit ihm!" „Ob noch Hoffnung besteht", schreibt dasselbe Blatt an anderer Stelle, „die eine reaktionäre Masse der jetzigen Reichstagsmehrheit bei dem Neichsschulgesetzent- würf zu zersplittern, hängt davon ab, ob die Kultur- elemente (!) des deutschen Volkes die dazu nötige Kraft aufbringen". — Zu diesen „Kulturelementen des deutschen Volkes" rechnet sich weiterhin auch die „Frank furter Zeitung", die als Wortführerin der Demokratie einige Bedeutung hat. Nur füllt sie nicht so offen ins Haus, sie muß ihre Leser anders behandeln. Darum gibt sie vor. das natürliche Recht der Eltern zu achten, und, obwohl selbst Anhänger der Simultanschule, gegen Be kenntnisschulen so wenig einzuwenden zu haben, wie gegen weltliche Schulen, wenn sie nach „richtigem Rechte" gebildet würden. Darum behauptet sie, daß der Ent wurf dem „richtigen Recht" eben nicht entspreche und die Neichsverfassung mißachte. Ihr Votum lautet: „Mir kön nen nur den Wunsch aussprechen, daß dieser Entwurf im Orkus verschwinde, ohne an den Reichstag zu kommen!" Die „Sachs. Scyulzeitung", das Organ des Dresdner Lehrervereins, sucht mit gerissener Taktik die protestan tischen Anhänger der Bekenntnisschule abspenstig zu machen. „Zweifellos gibt es in den Reihen der Konser vativen und der Bolkspartei", so heißt es dort, „genug Gegner dieses Gesetzes, das die Schule ganz den Kon fessionen ausliefert. Auch bei den Konservativen wissen viele gut genug, daß den eigentlichen Vorteil die katho lische Kirche hat, die mit einer viel geschlosseneren Or ganisation, die zum Wesen des Katholizismus gehört, hinter ihrem Machtwillen steht, während die protestan tische Hierarchie dem evangelischen Glaubensprinziv ewig widerspricht". Dieser Sirenengesang erinnert doch zu sehr an Odysseus Irrfahrten, als daß er den positiven Protestantismus würde verleiten können, die Tiefe des Meeres zu erproben. Worauf die „Sächsische Schulzei tung" hinaus will, verrät sie noch sehr deutlich: „Mit diesem Gesetz verzichtet das Reich auf Staatsschule und Reichsschulpölitik. cs schränkt die Oberhoheit des Staa tes über das Schulwesen weit zugunsten der Bekennt nisse ein. ... Die es verantworten wollen, sind ja die- elben Kreise, die die Elternschaft mobilisiert haben für )ie „christliche" Schule, die sich im Willen der Erziehungs- lerechtigtcn einen Unterbegriff des Volkswillens schufen, hn in die Artikel der Neichsverfassung brachten und mit hm das Ziel ihres Machtwillens, die Bekenntnisschule, erreichen werden. . . . Dieser Entwurf darf nicht Gesetz werden, wenn nicht die umfassenden staatlichen und vater ländischen Erziehungsaufgaben, die heute mehr denn je auf Einheit bei aller Freiheit im einzelnen zielen müssen, fUr ewia versinken sollen . Genf, 12. September. Der Polnische und der tschechische Außenminister hoben von dem Text der Einladung an Deutschland Kenntnis genommen und sich mit demselben einverstanden erklärt. Sie rechnen damit, daß Vertreter der beiden Staaten nn ge gebenen Augenblick an den Beratungen der Konferenz teilnehmen werden und ihre Sonderinteressen zur Sprache .bringen können. Paris, 12. September. Nach einer Genfer Hovas- meldnng wurde gestern zwischen den Dei'egnlivn-en über die Abfassung der Entschließungen beraten, welche bei Beendi gung der Aussprache über d:e Sicherheitssragr der Völ- kerbnndsversaminlung unterbreitet werden sollen. Ein von der britischen und der französischen Abordnung festqelegter Text hat die Zustimmung der anderen Dclegaitunen er halten, und wird höchstwahrscheinlich von den ,panischen Delegierten verlesen werden. Die Entschließung betont, daß den GarantieveriragSverhandtniigen die Grund jähe des Genfer Protokolls zugrunde liegen müssen. Die Völ- rerbnndsversamnilung bringt ferner in der Entschließung ihren Wunsch erneut znin Ausdruck, daß dein Völkerbund die Regelung der Abrnstungssragc weiterhin überlasten bleibe. Dabei verstehe sich von selbst, daß die drei Haupt fragen, Abrüstung, Sicherheit und Schiedsgericht ein Ganzes bilden. «- Unser zurzeit bei der VölKerbimdsversammluiig in Gens wellender politischer Vertreter schreibt uns: Wenn man die Stimmung der gegenwärtigen Tagung der Genfer Völkerbundsversammlung charakterisieren wollte, müßte »um sagen, daß sie im Zeichen der großen Erwartung darüber steht, ob den» die Deutschen bald als Gäste dieser Stadt und zugleich als Mitglieder dieser Versammlung erscheinen werden. Schon äußerlich läßt sich dieses gespannte Interesse er kennen. Die Zugänge zu den mit Flagge» aller Nationen mit Ausnahme Deutschlands geschmückten großen Hotels an den Secufern sind den ganzen Tag über mit Hunderten von Neu gierigen umlagert, die sich immer wieder die Frage vorlegen, ob nicht bald ein Deutscher ersclgnnt. Die Journalisten aller Herren Länder, die hier ein Stelldichein sich geben, drängen mit dieser Frage die Delegierten und diese selbst zucken die Achseln und ergehen sich in geheimnisvollen Aeußerungc». Es bedarf nur eines leicht hingeworfenen Wortes, um sösr.rt das Gerücht ausflattern zu lassen, irgend ein deutscher Diplomat und Minister, ivenn nicht gar Stresemann sci erschienen. Nun hat Stresemann gegenwärtig in Berlin Nützlicheres za tun, und dem Innenminister Schiele gefällt es am Vierwaldstätter See besser. Die Genfer sind deswegen etwas böse aus die Deutschen. Der Genfer als Politiker ist schon durch die unmittelbare Nähe Frankreichs ausgesprochener Franzcsenfrcund und gerade in diesem Genfer Zipfel der französischen Schweiz haben wir uns über eine übermäßige Freundscliast im Kriege uud noch lange danach ganz sicherlich nicht aufzurcgen gehabt. Jetzt aber ist mit einem Male das Interesse für die Deutschen wieder da, ein Interesse, das jedoch fast ausschließlich den Charakter des Sensationellen hat. Und das ist es auch !m letzten Punkte, was der ganzen Völkexbundsversammlnng trotz aller ihrer Aufmachung fehlt. Deutschland soll die Sensation bieten. Der Eintritt Deutschlands in den Völkerbund soll das Kollegium vollzählig machen! Wen» man sich jetzt die Vertreter der Völker und Nassen ansieht, die sich in de» Holclpaläsien am Quai du Montblanc lind am Quai Wilson ein Stelldichein gegeben haben, so muh man aus eigenartige Gedanken Kaminen. Neben dem knorrig»! Briand und dem Aesiheten Painlevc sieht man Ehain- bcrlain, in seinem Aeußercn das naturgetreue Abbild seines Vaters, man sieht Lauch cur und den einer ganz besonderen Aufmerksamkeit hier begegnende» österreichischen Außenminister Matajci. Man sieht Spanier und Afrikaner, Nordländer und Und last not least, diesem Reigen schließen sich die „Leipziger Neuesten Nachrichten" an, nur mit dem Un terschiede, daß sie ihrem Kathalikenhaß in besonderem Maße die Zügel schießen lassen. Nach ihrer Meinung müßte uns der Entwurf um mehr als 20 Jahre hinter das Zedlitz-Frieddergische Schulkompromiß zurückwersen (also immerhin nicht ganz bis ins finstere Mittelalter!), in dem das Werk Adelbert Falks, die preußische Volks schule an den Klerikalismus verschachert wurde. „S t a a t s s ch u l e oder K i r ch e n s ch u l e ? " heißt für sie die Antithese. „Die Schule, die Jugenderziehung und damit die Zukunft von Volk und Staat wieder fest in die Hand zu bekommen, das ist das Ziel, auf das die römische Kirche unbeirrt losarbeitet. Das ist ihr gutes Recht — aber daß ein Teil des Protestantismus glaubt, alles Heil hinge für ihn davon ab. hier mit der römischen Kirche Hand in Hand zu arbeiten, das ist das Unglück!" Der Protestantismus mit seiner Freiheit eines Christenmcn- schen, so argumentiert man. brauche die Bekenntnisschule nickt, er könne auch mit und neben und in derStaats. Italiener, und aus den Balkons lassen sich Inder und Javaner, Chinesen und Japaner von einer staunenden Menge begossen Turbangeschmückte Abgesandte aus dem Kabylenlauüe, Türken und Mohammedaner, die seltene Farben in den Kopftüchern be vorzugen, stehen in Gruppen beieinander. Und alle, alle reden eigentlich nur über das deutsche Problem. Dieses steht nicht aus der Tagesordnung d>.r dies maligen Völkcrbundsversammlung und doch ist es >n aller Munde und aus aller Lippe». Tsr Draht zwischen Gens und Berlin und zwischen Genf und allen internationalen Haupt städten spielt unausgesetzt und es ist richtig, daß Leiaiid nach nicht die Hoffnung aufzugeben hat, wenn auch erst in den dies maligen Völkcrbundsversammlungen Stresemann, wen» auch nicht gerade in Genf, so doch an einem anderen wirklich neu tralen Ort begrüßen zu können. Man kann deutlich heransfühle», daß die einstig so demon strativ zur Schau getragene Sicherheit, daß Tentschiand in den Völkerbund cintreie, einer gewissen Besorgnis gewichen ist. Man weiß es sehr wohl und man merkt es bei allen Beratungen, daß hier doch nur ein Torso vorhanden ist, daß es sich um nichts Halbes und nichts Ganzes handelt lind daß ein Land mit so eigenartigen geographischen Verhältnissen, mitten hine.»gewor fen zwischen die Völker Europas einfach nicht umgangen werden kann. Ata» weiß sehr wohl, weiches die u n e r l » tz ! i ch e n Forderungen Deutschlands sind, ehe cs sich .m diesen Tisch in dem großen Genfer ehemaligen Reformntionsh rufe. das so garnichts Amtliches, eher etwas Kirchliches an sich hat, setzen wird. Köln muß geräumt sein, die wenigen Rechte, die der Ver sailler Vertrag Deutschland bietet, müssen ihm gewährt werden, und ehe das nicht der Fall ist. kann Deutschland sich nicht mit den Vertretern derselben Mächte, die diesen Vertrag ihm auf genötigt haben, zusammensinden. Und wenn Deutschland, Frank reich und Europa einen Pakt bieten, der nach menschlichein Ermessen die absolute Friedensgarantie von deutscher Seite hcr unter gewaltigen Opfern und Verzichten bedeutet, dann ist es selbstverständlich, daß ihm auch Gegenleistungen gegeben werde» müssen, die ans dem Gebiete der stillschweigenden oder, wenn man so will, trockenen Revision derjenigen Grundlagen besteht, ans denen sich der innerlich unwahre und darum unhaltbare Beitrag von Versailles ausbaut. Alles das sind Stimmungen und Erwägungen, nie drinnen und draußen vor dem Bölkerbundspalaste spielen, seren Be rechtigung man zwar nicht offen zugibt, deren Nutzanwendung indessen als eine absolute Notwendigkeit angeseken wird, um diese Versammlung von Vertretern verschiedener Nationen wirk lich zu einem einheitlichen politischen Gebilde machen za können Berlin, 12. September, In Völkerbundskreisen, sie über Pariser Dinge gut unterrichtet zu sein pflegen, laufen Gerüchte um, nach denen eine private Zusammenkunft unter vier Augen zwischen Briand und dem deutschen Außenminister Dr. Stresemann der offiziellen Ministcrkonsercnz in Lausanne oder Como vorangehen werde. Vielfach glaubt man, zierln den Schlüssel für die -überraschende Talsache sehe» zu bür»'». saß Paris so bereitwillig darauf eingcgangen ist, die offizielle Ein ladung nicht an den deutschen Ncichsaußenminisier zu sende», sondern sich mit dem Erscheinen mehrerer deutscher Minister in Lausanne abgesunden hat. Genf. 12. September. Briand hat gestern Gens »erlassen und ist für einige Tage nach Paris zurückgekehrt. Chain- berIain reist am Sonabend von Gens ab. Lord Rodert Ereil übernimmt die Führung der engtischen Delegation. Briand wird nur 3 oder I Tage in Paris bleiben. n»i mit seinem Ministerium Fühlung zu nehmen und de» übrig-» Kob!- »ettsmitglirdcrn über den Stand der Genier Besprechungen Be richt zu erstatten. Er wird dann wieder zu den Bötkeebiinds- beratnngen nach Genf znrückkehrcn. Slresemann wieder irr Berlin Berlin, 11. September. Der Reichsaußenminister Dr. Stresemann ist heute nach Berlin zurückgekehrt. schule bestellen. Daß Preußen nickt die Erziehung zum „tüchtigen Staatsbürger" als das Ziel der Schule ausge stellt habe, das sei ein großer Triumph für die katholische Kirche. Daß sei für den Protestantismus, der sich doch sonst etwas darauf einbilde. am Ausbau des preußischen Staates seinen wohlgcmessenen Anteil zu haben, beschä mend. (Leider spricht sich der Artikel über den Begriff des tüchtigen Staatsbürgers, der die Grundlage der Schule abgeben soll, nicht näher ans. Sicherlich ist da mit das Ideal der nationalistischen Jugendorganisationen gemeint!) Der Leitgedanke eines vernünftigen Reicks« schnlgesetzes im Sinne der „L. N. N." sei der. der Staat müsse aus eigener Machtvollkommenheit erklären: Die Schule gehört mir. denn mir gehört die Jugend! lind wenn der Staat zufällig eine sozialistische Mehrheit hätte? Dann wäre es offensichtlich ans mit dem Glanze Preußens im Sinne der „L. N. N."> aber auch mit ihrer weisheitsstrotzendcn Schulpolitik. Also, der eine zerrte dorthin, der andere dahin, der eine will die Staatsschule, der andere die Simultanschule,