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gehen noch immer Parteiwille und Parteidogma. Also wählte man wieder einmal menschlich schwach, aber klug, stall des Silbers der offenen Rede das Gold des Schweigens — des Totschweigens! Von der bürgerlichen Presse reagierten zuerst gleich am Tage nach dem erste»' Vortrage die politisch-mrbloien „Chemnitzer Neuesten Nachrichten" in einem aus führlichen Berichte mit dem Urteile: „Professor Muckermann ist eine Persönlichkeit von ausgeprägter Individualität, unzweiselhast auch von edlem und lauterem Charatter, dazu ein glänzender Redner, dessen oft dichterisch einge kleideten Worte zu den Herzen dringen, weil sie aus dem Herzen kommen. Wie ein getreuer Eckehard des deutschen Volkes stand er vor uns, ein von warmer Menschheitsliebe erfüllter milder Warner und Mahner, zugleich Gelehrter und Künstler. Die tiefsten Probleme machte er dem Ver ständnis der Laien gefügig, und so darf man der Fort setzung seiner Vorträge mit höchstem Interesse entgegen setzen." Dann grosses Schweigen und ein magerer Schlutz- bericht mit dem eigentümlich verschüchterten Endurteil: „Es waren nachdenkliche Abende, die uns P. Muckermann in seinen eindrucksvollen, von edler Menschenliebe erfüllten Vorträgen beschert hat; möchten sie recht vielen Hörern zum Erlebnis geworden sein und gute Früchte tragen. Es tut uns bitter not." Wo doch jeder Vortrag eine Steigerung im Eindruck und auch im Besuche brachte! Machten sich gewisse Gegenwirkungen etwa gar bis in die Redaktionsstuben der Presse geltend? Die „Chemnitzer Allgemeine Zeitung", d,s in einem Hinweise auf die Vorträge erwähnte, daß Muk- kermann Jesuitenpatcr sei, brachte drei sachliche Berichte mit gemessenen Urteilen: „Herr Muckermann gehört zu den konstruktiven Geistern, die gegen das Bestehende, wo sich Mißverhältnisse herausgebildet haben oder wo es einen nicht zielbewußten Gang geht, die ordnende Vernunft auf- rufen und gegen die Dinge, die sind, Lösungen Vor schlägen, wie sie sein sollen. Diese das Verantwortungs gefühl wachrufendc ZieMarheit zeichnet die Vorträge ans." Ferner: „Herr Muckermann versteht es, aus dem Herzen und zum Herzen zu reden. Die von ihm behandelten Fragen gehen uns alle an, und seine ernsten Ausführungen werden manchen von uns auf Wichtiges Hinweisen, an dem er bisher achtlos vorüberging. Seinen weiteren Vorträgen darf man mit Spannung entgegensetzen." Im zweiten Be richte heißt es: „Das Interesse, das weiteste Kreise diesen Abenden cntgegenbringen, kennzeichnet am besten die Gegen- wartSbcdeutung der Borträge, die zu entscheidenden, uns alle bewegenden Fragen Wertvolles vorzubringen haben." Und im Schlußbericht: „So bleibt denn von den Vorträgen der Gesamteindruck, daß hier ein Mann ernste Dinge über die Schicksalsfragen unseres Volkes sagte und daß er Vorschläge machte, die nicht aus einem Privaten, Partei richen oder überhaupt vereinzelten Interesse herkamen, >on- dern aus dem Gedanken an das Ganze unseres Volkes, und die Blicke und Ge wrkcn der Hörer wie.; , . vieles Ganze zu richten verstanden." Hat der Berichterstatter der Allg. Zeitung wirklich nichts davon gespürt, was das „Chemnitzer Tage blatt" in seinem ersten Berichte auSsprichtr „Was der Redner am Montagabend in seiner bilderreichen, wirkungs vollen Sprache . . . bot, war ein schonungsloses Aufwerfen erschütternder Fragen, war ein Klagen, aber kein Anklagen eines durch Mitleid wissenden Menschen, war «ine Philosophie der angewandten Statistik, die ans Herz griffe." Das Tageblatt bringt von jedem Abend einen sehr klar erfaßten, ziemlich ausführlichen Bericht und gibt auch ein wahrheitsgetreues Bild von der Form und Wirkung der Vortrüge, im Gegensatz zur Allg. Zeitung und den Neuesten Nachrichten (Schlußbericht), di« nur eine farblose nüchterne Lithographie geben und damit ein ganz falsches Bild von der Wirklichkeit Hervorrufen. So schreibt das „Chemnitzer Tageblatt" über den vierten Abend: „Wieder saß eine große ergriffene Gemeinde diesem Zauber künstler der eindringlichen und bildhaft schönen Rede zu Füßen und ging mit reichem Gewinne nach Hause. Nicht Der Schie-svorfchlag Von einem unserer außenpolitischen Mitarbeiter wird uns geschrieben: Die tschechoslowakische Regierung hat am Sonntag durch ihren Berliner Gesandten erklären lassen, daß sie bereit sei, in Verhandlungen über den Abschluß eines deutsch-tsche chischen Schiedsvertrages einzutreten. Die deutsche Regierung hat selbstverständlich diese Anregung mit Genugtuung begrüßt. Seinerzeit hotte sie schon ihre Bereikvilligkeit zum Abschlüsse von Schiedsverträgsn mit allen Staaten erklärt. In zwischen sind ja auch schon mit der Schweiz, mit Schweden und Finnland derartige Schiedsverträge abgeschlossen worden. Ein Schiedsverfahren war in diesen Verträgen — und gerade der Schiedsvertrag mit der Schweiz wird als vorbildlich von Deutschland betrachtet und nach ihm sollen auch alle anderen kommenden Schiedsverträge wenigstens im Prinzip deutscher seits abgeschlossen werden — nur für juristische Fragen vorge sehen, für politische Streitigkeiten dagegen ein Ausgleichsver fahren. Diese Verträge sind in Analogie zu den entsprechenden Bestimmungen der Völkerbundssatzung aufgebaut und erschöpfen nach Ansicht der deutschen Regierung die unter den gegenwär tigen Verhältnissen gegebenen Möglichkeiten, eine schiedliche Re gelung von Staatenkonslikten mit Aussicht auf praktischen Er folg herbeizusühren. Die Anregung der tschechischen Regierung ist als Folge der Genfer Außenministerverhandlungen angusehen. Dort wurde bekanntlich das Genfer Protokoll vom vorigen Jahre abermals durch England endgültig abgelehnt und so blieb nur noch übrig ein« Befriedigung Europas ln der Richtung auf das Pakt- und Schiedsverfahren-System durchzuführen. Der tschechische Außen minister Dr. Benesch hat aus der gegebenen Lage als erster die Konsequenzen gezogen. Allerdings war er durch zwei Um stände zu diesem Schritt besonders veranlaßt, einmal aus tsche chisch-innenpolitischen Gründen heraus, dann aber auch aus außenpolitischen Gründen. Dr. Benesch hat mit Erfolg sich in die großen außenpolitischen Fragen Europas eingearbeitet und wiederholt sind seine Kompromißvorschläge von den Alliierten dankbar anerkannt worden. In Genf hat nun das Vorgehen Po lens und der Tschechoslowakei, die Ostfragen mit dem Westpakt innig zu vereinigen, eine Ablehnung durch England und auch Belgien erfahren. . Um diesen Schritt wieder gutzumachen, hat alles wurde über das Thema gesagt. Der gefeierte Red ner konnte hier auf seine Bücher verweisen. Was gefügt wurde, war erfüllt von der Reinheit, Schönheit und dem hohen Ethos einer Ucberzeugung und zugleich der Fundie rung eines Wissens und Könnens, die unmittelbar in ihren Bann zogen." Daß das „Chemnitzer Tageblatt" allein den hohen kulturellen Wert der Vorträge Hermann Muckermanns er faßt oder offen eingesteht — man weih nicht, was hier richtiger ist —, spricht aus dem Schlußbericht: „Zugegeben werden muß, daß Unser Volk bittcrnotwendig solcher Fackelträger der Wahrheit bedarf, wie es Muckermann ist, und anerkannt werden soll uneingeschränkt, daß der Redner frei von Tendenz, frei von dogmatischen und politischen Rücksichten aus der tiefen, heiligen Liebe zum deutschen Volke Dienst am Lebenden für das kommende Geschlecht leistet. Das ist der Gesamteindruck, mit dem man von Mucker mann scheidet, nicht niedergedrückt von der Wucht des Offenbarten, aufgerichtet zu neuem Glauben an die sittlich ethische Auferstehung, an die Erneuerung des deutschen Volkes, das Peer Ghnt ist (hier die Ausführungen des Redners verwertend), der Pilger auf dem Pfade der Wahn gebilde; aber Solveig, die Personifikation der reinen Natur, harrt im Berge, harrt des Pilgers. Heimkehr von der Irr fahrt, seine Treue zu belohnen: Die reine Natur harrt des deutschen Volkes . . -er Tschechoslowakei der tschechische Außenminister unter Einsicht, daß die bisherigen Methcwen, die Zulassung zu der geplanten großen Außenminister. Konferenz zu erreichen, nicht zum Ziele führten, nunmehr di« Initiative ergriffen zur obigen Erörterung der Schiedsgerichts frage zwischen Deutschland und der Tschechoslowakei. Das zeigt, daß in der ganzen Paktfrage doch ein wesentlicher Fortschritt erreicht worden ist und daß man auch in den kleinen Oststaaten zu der Erkenntnis gekommen ist. -aß trotz Frankreichs Einset zung und Entschlossenheit eine Vereinigung der Ost- uno Welt" fragen und ein Mitdreinreden in Sachen des Nheinlcindpakies Polen und die Tschechoslowakei nicht erreicht haben und nicht erreichen werden. Allerdings wird man den Verdacht nicht los, daß durch die obrige Anregung Le: tschechische Außenminister versuchen will, hintenherum wieder die Ostsrage in den Wcstfxikt hinein zu schmuggeln. Das dürfte aber insofern nicht van Erfolg begleitet sein, als die Verhandlungen zwischen Berlin und Prag zurzeit noch nicht stattfinden Können, da man zunächst einmal das Resultat der großen Außenminister-Konferenz in ocr Schweiz abwarten will. Denn auf dieser Konferenz werden ja auch die allgemeinen Schiedsvorichiäge der Alliierten uno auch Deutsch lands, wie sie in London schon den juristischen Besprechungen zu grunde gelegen haben, öurchberaten werden. Erzielt man in Genf einen Erfolg, so dürften die dortigen Verträge analog dann auch auf die Schiedsgsrichtsverrräge für Len Osten und eventuell weitere andere angeivandt werden. Im Zusammenhang hiermit möchten wir Loch auch einmal darauf Hinweisen, daß zwischen dom Paktvertrag, wie er für den Westen in Frage kommt und den allgemeinen Schiedsgerichtsver trägen, wie sie in der tschechischen Anregung und dem deutschen Vorschläge zum Ausdruck kommen, ein wesentlicher Unterschied besteht. Der Paktvertrag in der jetzigen Formulierung ist in dem Völkerrecht eine ganz neue Erscheinung. Bisher bedeute ten derartige Paktverträge lediglich ein Schutz- und Trutzbündnis, das einer oder mehrere Staaten abschlossen mit der bestimmten feindlichen Spitze gegen einen anderen Staat oder gegen ein an deres Staatcnbiindnis. Der Paktvertrag, wie er aber jetzt für den Westen in Vorbereitung ist. soll eine feierliche Verpflichtung aller Unterzeichner eventuell gegen alle Unterzeichner enthalten, nämlich in der Richtung, daß alle Paktteilnehmcr sich verpflich ten, gegen den Verletzter des Paktes gemeinsam vorzugchen und die Sache des Verletzten zu behandeln, als wäre es die eigene. Wir danken es dem Berichterstatter des Chemnitzer Tageblattes, daß er „frei von Tendenz", frei von dog matischen und Politischen Rücksichten" gewiß auch „aus tiefer heiliger Liebe zum deutschen Volke heraus" offen und mutig die Bedeutung und die Mission eines Hermann Muckermanns anerkennt. Und dazu gehört im Protestan tischen Deutschland seit einiger Zeit wieder scheinbar sehr vier mehr Mut, als wir Katholiken überhaupt begreifen können. Pater Hermann Muckermann aber danken wir als Katholiken und Deutsche, daß er auch den Schritt in die Diaspora gewagt hat. Zwar saßen nicht Tausende zu seinen Füßen, wie er es vom Süden und Westen her gewohnt ist, aber doch viele Hunderte. Und diese waren gewiß vier glücklicher als jene. Die einen, weil ihnen seine Gedanken und Ideale beglückende Offenbarungen aus einer fremden Welt waren. Die andern, weil ihnen noch nie so eindrucks voll deutlich wurde, wie Naturgesetz und katholisches Sitten gesetz, wie die Stimmen der Natur, erfaßt von leidenschafts freier Vernunft, und die Stimme der Kirche, rein gehalten durch das unfehlbare Lehramt, aus demselben Urgrund an unser Ohr Hallen, aus Gott, dem ewigen Quell der ewigen Weisheit und Güte. Für uns Katholiken waren diese öffentlichen Vorträge eine einzigartige Demonstration des Augustinischen Wortes: „Anima est naturaliter christiana". Die Seele ist von Natur aus christlich, d. i. hier katholisch. H. Kr. Die Rose -er Sewt Eine ziemlich wahre Geschichte von Ludwig Steub (26. Fortsetzung.) XV. Die Stadtuhr zu Kufstein schlug eben die neunte Stunde, als Thomas Hechenplaickner, der Wirt m der Sewi, und seine Tochter Rosa zu Gericht gingen. Sie wandelten langsam die breite Hauptstraße hinunter, nicht ohne die Neugierigen alle an die Fenster zu ziehen. Zu anderer Zeit und in anderer Stimmung wäre die Rost auf diesem Gange wohl feuerrot geworden, aber damals war sie ,o tvdcSmüde, daß sie nur bleich und trübe aus 'den Boden sah und kaum bemerkte, wie viele Augen aus sie gerichtet waren. Endlich traten sie in die Stube des Landrichters und fanden diesen allein, was wenigstens der Tochter einen kleinen Teil ihrer Angst beNahm. Der Herr Landrichter, der damals über das Gebiet von Kufstein waltete, war als ein menschenfreundlicher Würdenträger nicht unbeliebt. Er wußte namentlich mit den Landleuten sehr gut umzugchen, nahm deswegen viele Sachen, die sich zu 'einein Vergleiche schickten, in die eigene Hand und ver söhnte manche Gegner, die sich selbst für unversöhnlich gehalten. Allerdings fand sich in seinem Wesen auch ein gewisser humoristischer Zug, und eine vertrackte Geschichte, die trotz des üblen Anscheins einen lustigen Ausgang ver sprach, die ließ er schon deshalb nicht aus den Händen. Cr wußte daher in engerem Kreise eine ganze Reihe dm Heitersten Histörchen „aus dem Gerichtssaale" zu er zählen und freute sich schon oft tagelang auf eine Ge legenheit, die möglicherweise seinen Noverlenschatz berei chern konnte. Uebrigens hatte der Herr Landrichter auf seinen Amts und Spazierfahrten die Personen des Dramas und ihre Familien schon lange vorher kennen gelernt und war ihnen, da sie sich allgemeiner Achtung erfreuten, ganz besonders zugetan. Wie viele Seidel hatte ihm nicht die Rost In der Sewi eingeschenkt? So Pflegte er auch den Herrn Florian, den er von Jugend auf kannte, noch fmmer zu duzen, obgleich dieser kraft seiner Bildung schon längst „geihrzt" zu werden verdiente. Der alte Hechenplaickner und seine bleiche Tochter rraten also ein und wurden mit schweigsamer Würde empfangen. Der Tochter, di« auch dem Landrichter «ehr angegriffen schien, bot dieser einen Stuhl — eine Ehre, welche eigentlich nur die Honoratioren anzusprechen haben. Rost setzte sich und sah traurig auf den Boden. Der Florian war noch nicht da, weil er noch mit dem Va lentin zu reden hatte. Doch klopfte es sehr bald und er trat mit bescheidenem Gruße in das Amtszimmer. Sein erster Blick siel auf die junge Gegnerin, welche sich bei scurem Eintritt lang sam erhob; sie wußte wohl selbst nicht warum; aber Florian konnte cs immerhin als eine ehrenvolle Begrüßung gelten lassen. Die eine Hand legte sic auf die Lehne des Stuhles, um sich zu stützen, aber ihn sah sie nicht an, sondern schlug die Augen nieder und schloß sie fast. Unser Florian hatte das Mädchen, wie wir wissen, zwar schon einmal gesehen, aber nur flüchtig und unter Umständen, die eine ruhige Betrachtung doch fast aus schlossen. Jetzt dagegen war die Gelegenheit ungemein günstig — er schaute mit offenen Augen und sah vor sich die herrliche Gestalt, die tadellos war vom Scheitel bis zur Ferse. Auch trug sie ihre schönsten Feiertags kleider, den niedern, breitkrempigen Hut mit der goldenen Schnur und Quaste, den feinen weihen Spitzenkragen, die goldene Halskette mit dem goldenen Kreuze, das samtne Mieter, den schwarzseidenen Rock mit der grünseidenen Schürze und die feinen glänzenden Schuhe. Als nun der Florian in des Mädchens edles Antlitz sah, das von der Pracht des Gewandes fast noch ge hoben wurde, als er ihre verweinten Augen, die tiefe Trauer und das tiefe Leid, das auf ihren Zügen lag, be trachtete, da wurde ihm weh ums Herz und er dachte: An all diesem Elend ist doch nur einer schuld, und der bin ich» Nun begann der Herr Landrichter mit ruhigem Ernst: „Heute, den siebenten August, ist Verhandlung in der Sache des Thomas Hechenplaickner von der Sewi als Vertreters seiner Tochter Rosa gegen den Florian Weiten- moier von Langkampfen, wegen Schmerzensgeld zu drei hundert Gulden, wegen Ehrenkränkung und Abbitte." „ES ist aber des Richters Amt und Pflicht, vor dem Streite den Vergleich zu versuchen." Die Parteien schwiegen. „Nun, meinst nicht, Hechenplaickner!" fuhr nun der Landrichter in vertraulicher und gewinnender Weise for», „meinst gar nicht, daß wir dt« Sach' in der Güte aus- tuntun könnten?" „Ich will keine» Vergleich," versetzte aber der Wirt von der Sewi ebenso trocken als fest. „Ich bleib aut meiner Klag' »nd was da drin steht, das verlang ich/ ^ ."Erkennt der Beklagte vielleicht, die Forder»«gen anS" -stagke der Landrtchcker den Florian. „Nicht alle!" entgegnet« dieser. „Ich bitte die Punkte einzeln vorzunehmen." „Also verhandeln wir den ersten Punkt," sagte jener. „Gerade diesen gesteh ich zu, Herr Landrichter!" sprach da der Florian und zog ein Röllchen aus seiner Brusttniche. Dieses knickte er auf und gab »hin hinten einen kleinen Druck, worauf sich sehr viele neue, glänzende Dukaten — nämlich grad so viele, als dreihundert Gulden aus- machcn — über den Schreibtisch des Herrn Landrichters ergossen. „Hier Ist das Geld!" sagte er. „Mir ist's herzlich leid, wenn ich der lieben Rosi weh getan." „Liebe Rosi!" — das klang wie eine Stimme aus einer besseren Welt! Die arme Dulderin erwachte wie aus einein Traume fragte den Landrichter sanft und leise: „Was geschieht denn da? Was bedeutet das Geld?" „Das ist die Entschädigung für die Schmerzen, die er dir —" „O mein Gott!" seufzte die bleiche Rosi und zuckte sichtlich zusammen. „Die verlang ich nicht." „So," sagte nun der Landrichter, „der erste Punkt wäre erledigt; der Kläger kann das Schmerzensgeld ein ziehen!" Der alte Hechenplaickner hatte die Goldflut , auf dem Tische bisher schon mit angenehmer Rührung betrachtet, jedoch ruhig abgewartet, bis ihm die Obrigkeit den Schatz überweisen würde; nun aber, nachdem diese gesprochen, trat er näher heran und streckte die Hand aus; die Rosi dagegen fiel ihm leidenschaftlich in den Arm und rief: „Vater, rühr' das Geld nicht anl Es ist kein Segen drauf, kein Glück und keine Ehre. Was ich erlitten, das geht nicht ins Geld. Ich bitt' dich, Vater, rühr S nicht an!" „Nu, das gehört ja uns," sagte der alte Hechen plaickner ruhig und suchte seinen Arm wieder ,reizu- machen. „Der Herr Landrichter hat's ja selber gesagt." „Hörst, Vater," rief aber seine Tochter in der höchsten Aufregung, „hörst, Vater, rühr' das Geld nicht an, wenn du mich am Leben halten willst. Ich spring zum Fenster hinaus und in den Inn; der nimmt mich schon mit!" „Nn, Hechenplaickner," sagte da der Landrichter ver mittelnd, „so laß das Geld halt einstweilen auf dein Ti ich liegen; da kommt nichts wegl Das können wir ja später ausmachen l Nun gehen wir an den ziveiten Punkt, die Ehrenkränkuiig Md die Abbitte — die wird also nicht zu« (Fortsetzung folgt.)