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„Ich wüßte ^liat," erklärte Theodor ohne Besinnen, „wir tauschen die Wohnungen, Sie meine Damen, gehen als liebe Gäste in das Hans meiner Eltern, und ich ziehe ins- Hotel. In meiner Schwester werden Sie eine liebe Freundin finden, gnädiges Fräulein." „Herr Doktor!" rief die alte Dame überrascht, „Sie sind uns als rettender Engel gesandt! Wenn wir mir nicht fürchten müßten, lästig zn fallen! Zwei Personen ans einmal als Logierbesnch und noch dazu ganz unerwartet zu erhalten, das ist für eine Hausfrau selten angenehm!" „In diesem Falle sicher, gnädige Iran. ES kommt mir daraus an, das; Sie mit dem Bescheidenen, was wir bieten könne», fürlieb nehmen. Ich verbürge mich dafür, das; Sie mit offenen Girmen freundlich empfangen werden." Durch diese schlichte Herzlichkeit wurde jeder weitere Widerspruch er stickt. Die Tante hätte Theodor fast umarmt, so froh war sie, der Wohnnngs- sorge enthoben zn sein. Map sagte gar nichts, und wenn ihr Herz jubeln wollte, so schalt sie es ans. Wer wollte es ihr vorwerfen, das; sie schlief;!ich eine kleine List ersann, um sich selbst zn belügen. „Ich freue mich auf die neue Freundin," dachte sie, „und brauche mir wirklich nichts vorznwerfen!" Theodor empfahl sich seht. „In einer Stunde werde ich mir gestatten, die Damen abznholen, also ans Wiedersehen!" Ottilie war heute in einer Verfassung, die an dumpfe Verzweiflung grenzte. In einer Art Starrkrampf lehnte sie am Fenster: dort drüben ans dem Blankenstein vollzog sich ein Drama, das seinesgleichen suchte. Der Vater sollte den totgeglanbten Sohn Wiedersehen, das Gut einen Erben er halten. Eisig dnrchschanerte es die Iran, nur von Zeit zn Zeit glühte es wie Wahnsinn in ihrem Hirn auf. Eine unsichtbare Macht trieb sie empor. „Hin. hin. die Lüge vereiteln, dem dreisteil Betrüger die Anklage ins Ge sicht schlendern, das mns;te Erlösung bringen!" Und doch sas; sie ganz ruhig, in halber Betäubung. Ilse war schon drüben, Waltenberg mns;te jeden Augenblick mit seinem Schützling kommen. Sie überhörte eS, das; die Hausglocke schellte. Erst als Theodor vor ihr stand, sah sie ihn mit einem abwesenden Blick an, der ihn wie ein Messerstich traf. „Mama, du gibst dich einen! heimlichen Schmerz hin, du verzehrst dich ja in Grain!" Er beugte sich in tiefer Besorgnis über sie, „und auch Ilse ist so trostlos verändert, wie ist sie nur zu dieser Verlobung gekommen, von Liebe kann doch da kaum die Rede seinl" Iran von Lnkado schluchzte laut auf in unerträglicher Qual. „Ach, mein Junge, für mich wäre es das beste —" Er verschieb ihr mit einer sanften, doch entschiedenen Bewegung den Mund. „Sprich das nicht ans, Mama, das nicht! ES wäre schwere Sünde, wo du uns alle hast, den Papa und Ilse und mich!" Sie seufzte nur und zog ihr Taschentuch, um leise und bitterlich hinein- znwetnen. „Mama, liebe Mama," tröstete der junge Mann, „bist du nicht zn mutlos? Ist denn wirklich so schweres Unglück über unser rnhigeS Hans gekommen?" l:;o — „Das schreckliche Ende ist noch nicht abznsehen, Theodor, mehr kann ich nicht sagen, bei Gott nicht!" Der Doktor ging unentschlossen in der Stube herum. Er war tief bekümmert und es tat ihm jetzt doch leid, sich so voreilig verpflichtet zn Hab (.n. Er sah nach der Uhr. Die Zeit verstrich, und er hatte versprochen, n ei ner «tnnde die Damen abznholen. Was half auch alles Zögern, ge isagt nms;te es doch werden! Er strich liebkosend über den Scheitel der Mutter, der in so dunklem, fast jugendlichem Glanz schimmerte, als sie B. verließ, lind auf dem es nun wie matter Silberschein lag. „Ich habe eine große Bitte auf dem Herzen, Mama —" „Ja. ja. später —" „Nein, Tn mußt mich hören, es handelt sich um die beiden Ameri kanerinnen, von welchen ich dir gestern erzählte, sie fühlen sich höchst nn- glücklich im Hotel, und ich habe sie eingcladen, in unser Hans zu kommen." „Aber Theodor!" „Es war voreilig, gewiß, aber es ist geschehen, liebste Mama, und es wäre doch zn fatal für mich, müßte ich wortbrüchig werden!" Die Mutter sah ihn ans den verweinten Angen ratlos an. „Ich kann die Damen nicht empfangen, ich bin völlig unfähig, das siehst du doch." „Jetzt im Moment. Mama. Eine Ablenkung von deinem Leid wäre gewiß zn deinem Besten. Auch ist Ilse ja noch da, sie könnte die Damen willkommen heißen und dich entschuldigen." „Ilse ist nicht hier und kommt erst später, es kann Abend werden." „Aberdas ist ja, als hätte sich alles gegen mich verschworen!" spru delte Theodor mit der jungen Leuten eigenen Rücksichtslosigkeit heraus. Ottilie erhob sich widerstrebend. Du siehst, wie ich von unseren An gelegenheiten eingenommen bin. Fremde würden sich mit Recht durch meine Zerstreutheit gekränkt fühlen." „So will ich den Damen sagen, du seiest leidend, aber bitte, bitte, liebste Mama, verhalte dich nicht länger ablehnend." „Dn weißt nicht, was dn verlangst. Theodor," sagte Ottilie zögernd, „und welchen Dingen dn deine fremden Damen anssetzest, es könnte sein, das; sich hier stürmische Szenen abspiclen. —" „Denke, es sei mehr als ein Zufall, eine Fügung des Himmels, die mich mit den Ausländerinnen zusammenführte, vielleicht sind sie anSersehen, dir mit Rat und Tat beiznstehen." Die Mutter seufzte. „So magst du deinen Willen haben, zwei Fremdenzimmer stehen in Bereitschaft, ich will sofort anordnen, daß sie ge heizt werden." Theodor machte einen Lnftsprnng vor Freude. „Laß dich umarmen. Herzensmama, und fasse doch nur ein ganz klein wenig Mut. oder wenn du mir den Kampf überlassen möchtest —" Aber sie hob abwehrend die Hand. „Latz das, Theodor. Bringe deine Damen und bitte sie, Nachsicht zu üben, dann werden wir uns viel leicht verstehen —" * » * Drüben auf Schloß Blankenstein wurden die Gemüter an diesem Vor mittage von den verschiedensten Empfindungen beherrscht, frohe Erwartung,