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Beilage zur Sächsischen Bolkszeitung Nr. IS. Jahrg. Die Kämpfe um die Höhen von Moronvilliers am 30. April 1917 Von besonderer militärischer Stelle aus dem Felde wird uns geschrieben: Am 17. April war der Fichtelberg, das Außenwerk der Höhenstellungen zwischen Nauroy und Moronvilliers, durch Zuaven-Bataillone erstürmt worden, am 18. wurde Aubs- rive von uns geräumt, der gewaltige Anprall der Franzosen war an den Fuß der Berge vorgcdrungen und suchte Halt aus den Hängen des Luginsland und des Hochbergs. Am 19. warf der Angriff der Brandenburger, der, an der Un gunst der Witterung und taktischer Verhältnisse krankend, den herrlichen Geist dieser Truppe in desto hellerem Licht erscheinen läßt, vom Pöhlberg bis zum Luginsland den sich vorarbeitenden Feind auf die Südhänge zurück. Am rechten Flügel hielten die Badener den heißumstrittenen Cornillet. westlich des PöhlbergeS warfen sich sächsische Regimenter dem vom Fichtelberg in den Sachsengrund vorstrebenden Feind entgegen, entsetzten versprengte Truppenteile, die sich in Waldstückendort seit dem 17. gehalten hatten, und sicher ten den dauernden Besitz wichtiger Beobachlungshöhen, die dem Feind seither noch oft verlustbringend geworden sind. An diesem Tag wurde der deutsche linke Flügel endgültig dicht südlich Vaudesincourt eingehakt. Die folgende Woche benutzte der zähe Gegner, um den zweiten großen Angriff vorzubereitcn. Kleine Vorstöße am 20., 22. und 24. April dienten zur Verbesserung seiner Sturmausgangsstellung und Beobachtung auf dem Pöhlberg und Cornillet. Er ver zichtete auf Schutz seiner Gräben durch Hindernisse, ver längerte seine Anmarsch- und Kabelgräben in die neue Linie, streckte frische Förderbahnen nach vorn und bearbeitete die künftigen Einbruchsstellen mit wachsendem Artillerie- und Minenfeuer. Allmählich schob er Batterien über die Nömer- straße unter den Schutz des Fichtelberges vor, stellte schwere Flachfeuerbatterien mit großer Reichweite gegen das deutsche Hintergelände auf und verstärkte seine Feuerkraft auf etwa 100 Batterien. Eifrig waren die französischen Flieger be müht, die Ueberlegenheit der deutschen Luftstreitkräfte, die am 17. plötzlich die an der Somme verwöhnten französischen Sturmbataillone beschattet und erschreckt hatte, einzuholen. Anfänglich flog der Franzose nur „Ballonsperre", was uns nicht hinderte, während dieser Großkampfwoche 6 feindliche Ballone in Flammen zu schießen; dann fiel er mit Ueber- macht einzelne deutsche Infanterie - oder Artillerieflieger an, doch Ausgang April hatte er seine Geschwader soweit ver stärkt, daß eine erbitterte Schlacht in der Luft die Schlacht auf den Bergen am 80. begleitete. Drei Divisionen setzte der Feind gegen die beherrschen den Höhen des Cornillet, Hochberges und PöhlbergeS an. Ihr Ziel war die Straße, die Nauroy und Moronvilliers verbindet. Am rechten französischen Flügel wurde eine wei tere Division bestimmt, starken Angriff gegen die Sachsen vorzutäuschen, um die dort aufgestellte, den Franzosen sehr lästige Artilleriegruppe frontal zu fesseln. Die linke Flügel division sollte die vorderen Stellungen der Badener und Westfalen auf dem Langen Rücken erobern. Roch schien die französische Führung den großen Plan der Umfassung der Reimser Nordforts nicht aufgegeben zu haben, starke Artillcriekräfte und schwere Minenwcrfer am Westufer der Aisne stürzten schlagartiges Zerstörungsfeuer auf die Höhen 108 und 100, die ganze Front von der Aisne bis Berms- ricourt wurde bis zur scheinbaren Sturmreife beschossen, aber, sei es, daß der Feind nur eine „Entnervungstaktik" verfolgte, sei es, daß ihn die unverminderte Widerstands kraft unserer Infanterie und Artillerie eines Besseren be lehrten, er verließ am 30. zwischen Brimout und Aisne seine Gräben nicht und begnügte sich mit dem Täuschungs versuch. Auch zwischen Nauroy und Moronvilliers erstickte der erste Angriff am Vormittag des 30. April im Vernichtungs feuer unserer Batterien, die durch anhaltende Gasbeschie- ßungen während der voraufgehenden Nächte nicht hatten er schüttert werden können. Erst am frühen Nachmittag, nachdem ein stundenlanges Trommelfeuer die über die schwammartig zerlöcherten Berge verstreuten Kampftruppen vorderer Linie gelähmt hatte, brach der Angriff vom Pöhlberg bis zum Cornillet vor,, überschritt nach kurzem Kampf die Höhenstellungen und er reichte an einzelnen Punkten schon die Straße Nauroy— Moronvilliers, als die dicht hcrangehaltenen deutschen Re serven mit kräftigen Stößen den ausgelaufenen Gegner an packten und die Höhen hinaufwarfen. Die deutschen Batterien, bis zuletzt durch heilgebliebene Drähte und Licht signale über den Kampf unterrichtet, hatten zwar da die blaffen Leuchtkugeln vom Pulvcrdampf und Gasschwaden ausgelöscht wurden, den Beginn des Angriffs nur instinktiv erfassen können, sobald aber die französischen Schützenwellen jenseits der Höhenkämme erschienen und bergab rannten, wurden sie unter direktes Feuer genommen und aufgehalten. Während nun dichte Artilleriesperre die feindlichen Reserven vom Kampfeld abriegelte, drängte der deutsche Gegenstoß den an Leibeskraft und Munition erschöpften Gegner über die Höhe auf die südlichen Hänge zurück. Nur zwischen der Bürenburg und dem Keilberg und westlich vom Pöhlberg klammerte der Feind sich am Nordhang fest. Währenddessen hatten am rechten Flügel zwei der tapferen badischen Re gimenter, die seit der großen Schlacht am 17. dort auS- hielten, Schulter an Schulter mit den Westfalen auf dem Langen Rücken mit dem eingedrungenen Feinde gerungen. Stoß auf Stoß trieben die ergrimmten Westfalen gegen den Feind, der sich ihrer vorderen Stützpunkte bemächtigt hatte. Bis Mitternacht wehrte der heiße Nahkampf; in der Frühe des 1. Mai lebte er wieder auf und wurde bis in die Nacht fortgesetzt. Am 2. Mai früh konnten die West falen ihre Gräben alle als zurückerobert melden. Ter 30. April hatte die zweite große Angriffswelle der Franzosen verbraucht. Der Großkampftag vom 4. Mai, der nochmals alle Kräfte des Feindes zum umfassenden Angriff anspannte, konnte an diesem Ereignis nichts mehr ändern. Menschenfreundliche U-Bootkriegführung Es war in den ersten Februartagen dieses Jahres, kurz nach der Verkündung des uneingeschränkten Untersee bootkrieges, als eines Morgens eines unserer U-Boote west lich der französischen Küste einen Schoner von etwa 160 To. anhielt, der sich als die „Anna Maria" aus St. Malo, mit einer Ladung Salz und Wein für diesen Hafen bestimmt, erwies. Nach dem ersten Warnungsschuß waren sogleich die Segel heruntergeficrt und aufgegeit und der Schoner in den Wind gedreht worden. Auf Signalaussordernng kam nach verhältnismäßig kurzer Zeit der Steuermann des Seglers mit den Papieren im kleinen, kiellosen Rettungsboot nach „U . . ." herüber, und unsere Leute sahen zu ihrem nicht geringen Erstaunen, daß sich die französischen Matrosen un unterbrochen bemühten, mittelst Stiefeln und Mützen das in das morsche Rettungsboot unaufhaltsam eindringende Wasser auszuschöpfen. Der Kommandant vou „U . . .", Kapitänleutnant N., beschloß deshalb, die „Anna Maria" zu entlassen, da es ausgeschlossen war, daß die Besatzung mit dieser lecken Nußschale das Land erreichen würden. Wer war froher als die Franzosen. Unaufgefordert gab der Steuermann im Namen der ganzen Besatzung das schriftliche Versprechen ab, in diesem Kriege nicht mehr zur See zu fahren. Das Boot fuhr, schneller als es gekommen, zu der „Anna Maria" zurück, und bald entfaltete der Seg ler wieder seine Leinwandschwingen, um unter dem Druck der mäßigen Brise davonzueilen. Nachmittags machte „U . . ." eine hitzige Jagd auf einen 4000 Tonnen großen amerikanischen Dampfer, der sich Mit äußerster Anspannung seiner Maschinen nach Land zu retten wollte. Aber das U-Boot war stinker, und ein Torpedo beförderte den mit Lebensmittel für England be ladenen Dampfer zu den Fischen. Drahtlos herbeigerusene Bewacher kamen herzu, vor denen „U . . ." tauchen mußte. Als es nach geraumer Zeit wieder auftauchte, gewahrte man wiederum einen Schoner, mit dem sich bereits ein anderes deutsches U-Boot beschäftigte. Bald stellte sich heraus, daß es sich um die „Anna Maria" handelte, die infolge widri gen Winde? nur wenig voraus gekommen war und gegen die östliche Brise auf und ab gekreuzt hatte. Zum zweiten Male wurde der Franzose entlassen, und mit verschiedenen Kursen verschwanden die beiden U-Boote zu neuer Jagd auf Schiffe im Sperrgebiet. Deutsches Reich — Ein Kanzlerwort vor 20 Jahre». Reichskanzler Dr. Michaelis, der 1885 bi» 1889 Dozent an der deutschen Rcchtsschule in Tokio war, hielt nach der Besetzung Kiaut- schous durch Deutschland 1897 als Oberregierungsrat in Arnswalde einen Vortrag über unsere Aussichten in Ostasien. Dabei machte er folgende Ausführungen: „Wer als Deutscher um die Erde reist", so sagte er, „den kann die Empfindung eines gewaltigen Neidgefühls gegen England eigentlich garnicht verlassen. Schon ists ein großer Gewinn, daß wir jetzt auf deutschen Schissen reisen können; aber überall, wo wir vor Anker gehen, in Aden, in Colombo, in Singaporc, in Hongkong, in Schanghai, wer hat sich hier breit gemacht? Der Engländer. Wir haben ja zurzeit auf der Welt nur einen wirklichen Gegner und Feind: das ist der Engländer. Völker kriege werden nur noch aus wirtschaftlichen Gründen geführt, und unserer wirtschaftlichen Entwicklung steht der Engländer entgegen. Wir quellen in Deutschland über, wir müssen hinaus. Ueberall, wo wir hinwollen, steht der Engländer, breitbeinig und unverschämt in der Haustüre und will uns den Weg versperren. In Kiautschou war noch eine Tür offen, wir freuen uns, daß wir die Klinke in der Hand haben." — Ein konservativer Vorstoß gegen den Burgfrieden. Das „Vaterland", das Organ des konservativen Landes vereins im Königreich Sachsen, schreibt unter der Ueber- schrift: „Die Scheidung der Geister" u. a.: Von Burgfrieden kann heute nicht mehr gesprochen werden. Selbsterhaltungspflicht der konservativen Partei ist es, zum Angriff überzugehen, denn er allein trägt die Bürgschaft der siegreichen Abwehr in sich. Es mag An hängern einer Partei, die wie die konservative, stets das Vaterland über die eigenen Wünsche gestellt hat und von dem Gefühl der Verpflichtung an Staat und Gemeinde zu opfern jederzeit durchdrungen war, blutsauer ankommcn, an gesichts des drohenden Feindes mit dem Begriff „Burg frieden" zu brechen und auch ihrerseits sich wieder auf die politische Wahlstatt zu begeben. Die Verhältnisse lassen uns aber, wie gegen den äußeren Feind, keine Wahl, als die zwischen dem siegreichen Kampf gegen nach unseren Begriffen verhängnisvolle Geistcsrichtungen und dem Untergang des konservativen Gedankens, der Autorität im Staate und mit ihnen des Staates überhaupt. Die Rose vom Rhein Roman v»n Erich Friesen. Nachdruck nicht gestattet. (60. Fortsetzung.) Rose zögerte einige Augenblicke, bevor sie cintrat. Un willkürlich griff ihre Hand nach dem Herzen. Wie würde sie ihn finden, den geliebten Mann? Dann bezwang sie ihre zitternde Erregung und trat näher. Ach, wie hatte er sich verändert, der ehemals so kraft volle, gcsundheitstrotzeude Jüngling, als den Rose ihn ge kannt! Was hatten die wenigen Wochen hohen Fiebers und qualvoller körperlicher Schmerzen aus ihm gemacht? . . . Die Augen hatte er geschlossen; aber sie waren von tiefen Schatten umgeben. Und das Gesicht war so schmal und bleich! Ach, so bleich! Nur auf den Backenknochen glühten zwei rote Fieberflecken. Er schien ihr Eintreten nickt bemerkt zu haben. Ganz stille lag er da. Aber deutlich hörte sie die leise gehauchten Worte: „Rose — liebe Rose wo bist du? . . . Kommst du nicht — Rose Rose " Tiefbewegt beugte das junge Weib sich über ihn und legte die kühle Hand auf seine heiße Stirn. Wie von einem Magnet angezogen, öffnete der Kranke die Augen. Groß und voll blickte er die Geliebte an, ohne ein Zeichen der Ueberraschung. Nur ein glückseliges Leuchten ging wie Sonnenschein über sein abgezehrtes Gesicht. „Ich wußte ja, daß du — kommen würdest," hauchte er. „Bleib bei mir!" Und seine heißen Finger umspannten fest ihre Hand. Noch ein tiefes, befreites Aufatmen — dann schlossen sich die müden Augenlider wieder. Der Puls ging ruhiger. Das Fieber ließ nach. Als Frau v. Hochstedt nach einer halben Stunde den Kopf zur Tür hereiusteckte, war der Kranke fast fieberfrei. Rose wollte ihre Hand sanft aus den sie umklammern- den Fingern lösen und der Dame des Hauses eutgcgengehen. Doch mit Tränen in den Augen bat Frau v. Hochstedt die junge Frau, zu bleiben. Und Rose blieb — trotz des Widcrspruck-s der Mutter, die durch einen Boten von dem Entschluß der Tochter ver ständigt wurde. Den ganzen Tag über blieb sie und half der Kranken schwester bei der Pflege des geliebten Mannes. Und auch die Nacht. Und auch den folgenden Tag. Und die nächsten Tage. Stundenlang saß sic, ohne sich zu rühreu, auf einem Stuhl an« Kopfende des Krankenbettes, Walters Hand in der ihren haltend. Tie Arme wurden ihr fast steif — sie achtete nicht darauf. Die Brust schmerzte sic — nicht küm merte sie sich darum. Die Augen wollten ihr zufallen vor Müdigkeit — mit Gewalt hielt sie sie offen. Sie wußte, es galt sein Leben. Und — sie hielt aus. Zumeist schlief der Kranke, fest und ruhig — den er quickenden Schlaf der Genesung. Und wenn er wachte, so folgten seine beredten Blicke jeder ihrer Bewegungen. Er sprach nicht viel. Kein Wort von Liebe kam über seine Lippen. Wie zwei vertrante Freunde verkehrten sie mit einander. Und doch fühlte Frau Gisela v. Hochstedt, daß er Rose als seine Braut betrachtete — und wieder empörte sich ihr stolzes Herz bei dem Oiedanken. Und in diese stumme Abwehr gegen die Tochter ihrer Todfeindin, die noch immer in ihrem Herzen wurzelte, mischte sich etwas wie Bangen. Der Sohn wußte ja noch gar nicht, was alles inzwischen Passiert war! Daß Rose tiefe Trauergewandung trug, war ihm nicht weiter ausgefallen: er schob es auf den Tod ihres Bruders. Und als. er doch einmal eine diesbezügliche Bemerkung machte — da erwiderte sic, rasch gefaßt und schließlich ja auch der Wahrheit gemäß, ihr Vater sei vor kurzem ge storben. Von all dem andern, das mit dem Baron v. Prillwitz zusammenhing, sagte sie vorderhand nichts. Wozu den lang sam Genesenden unnötig aufregen? Später — später wenn er wieder ganz gesund war — dann sollte er alles erfahren. XXV. Inzwischen war die Polizei unermüdlich tätig, sowohl den Einbrechern in der V'lla Eden, denen beinahe ein junges Menschenleben zum Opfer gefallen war, als auch dem Mörder des Barons v. Prillwitz auf die Spur zu kommen. Von den erstereu hatte man bis jetzt auch noch nicht die geringste Fährte. Betreffs des Mordes im Park von Schloß Eichwald hielt man noch immer den Spanier Manuel Alvarez in Ge wahrsam, obgleich man bereits zu zweifeln begonnen hatte, daß er der Täter war. Doch da vorderhand niemand anders in Frage kam, setzte mau ihn noch nicht auf freien Fuß. Da trat ein Ereignis ein. das mit einem Schlage in die Dunkelheit beider Kriminalsälle Licht bringen sollte. Der Schlossergeselle Peter Lebrecht war seit dem Hoch zeitstage der „Rose vom Rhein" aus Boppard verschwunden. Man hatte jedoch diese Tatsache gar nicht mit dem Mord in Verbindung gebracht, da niemand von der sinnlosen Leiden schaft des jungen Menschen zu der jetzigen Baronin v. Prill witz etwas wußte. Vielmehr hatte man angenommen, daß der Bursche sich heimlich aus Boppard entfernt hatte, um irgendwo anders eine bessere Stellung und höheren Lohn zu erhalten. Da erhielt eines Tages die Vopparder Polizei aus Mainz die schwerwiegende Nachricht, bei einer wüsten nächtlichen Kneiperei in einem verrufenen Lokal dort hätte