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»richein, täglich nach«, m» iluSnahme d»r Sonn, und Festtage. »ludgabe I mit .Die Keil in Wort und Bild' vierleljdbrlich 2.IU In Dre-den durch Boten 2 4<» In ganz Deullchlnnd frei Hau« 2 K2 in Oesterreich 4,1.1 IO IN»Sgabr lt ohne illutlrierle Beilage nierteljShrlich l,»K» 2k. In Dresden durch Bote» 2,1» In ganz Deutschland frei H»uS 2 22 in Oesterreich 4,»7 IO — Einzel Nr, IN 4. Unabhängiges Tageblatt für Wahrheit, Recht und Freiheit Inserate werden die Ngespaltene Petitzeile oder deren Raum mit Ik ^, Reklamen mit KN I die Zeile berechnet, bei Wiederholungen cnlsxrechenden Radau. «nchdruiterei. Redaktion und MeschäftSstekle- Dreddeu, Pilluiqer Strafte 4>I. — Icrushrecher IltNN Jür Rückgabe unverlangt. Schriftstücke keine Verbindlichkeit Redaktions-Sprechstunde: II biS 12 Uhr. krrfrisclienci unä Isben6! Dreäo-Lis-Drops >/, plunel IL Pt. üerlmx 5 koclistroli, vreslleli. dlloilsrlgßen in Klon Ltsclttoilen. Die Verfassungsfrage für England. Noch steht dos englische Volk unter dem Eindrücke der großartigen Krönnngsfeierlichkeiten. Tie ktzäste ans oller Herren Länder sind noch nicht rille abgereist Tos Königs- paar begeht die Nachfeier und schon wendet es sich ernster politischer Arbeit wieder zu, welche die lauere Geschlossen heit der Nation in Frage stellen »ins;. Die Vcrfassungs- frage ist wieder mit allem Ernste ausgenommen worden. Man sieht daraus, wie der Monarch bon Angehörigen aller Parteien geschäht und geehrt wird, wie man ihn ans dem Streit der Tagesmeiiinngen ansscheiden will. Ter völlig selbst hält sich in der Frage äußerst zurück und überläßt die Entscheidung seinem Volke. In der ganzen Nerfassungs- reform steht nicht das Unterhaus im Vordergründe, ob wohl das Wahlrecht zn diesem bei weitem nicht so freiheit lich ist, wie das für den deutschen Reichstag. Man muß sich eigentlich wundern, das-, der freiheitsliebende Engländer auf diesem Gebiete so nltrakonssrvatib ist, besser gesagt nltrareaktivnär Heute gilt der ganze stampf der Existenz des Oberhauses, besser gesagt der Fortdauer der Zweiten Kammer, denn so nennt inan in England das Oberhaus. Ter Liberalismus will das Oberhaus gänzlich beseitigen, vorerst dasselbe aber dergestalt einschnüren, das; ihm sehr schnell der Lebensfaden ansgehe» wird. Das Kanipfobjekt zwischen dem liberalen Ministerium und dem konservativen Oberhaus ist die Honiernle für Irland. Die Konservativen stehen ans dem Standpunkte, das; dem katholischen Irland eine freie und selbständige Ver fassung nicht gegeben werden dürfe und das; das historische Unrecht der brntalen Vergewaltigung der Landeskinder durch die englischen Großgrundbesitzer ansrechterhaltcn bleibe. Die Liberalen halten dagegen die Gewährung einer selbständigen Verfassung für die grüne Insel als den alleinigen Ausweg, um dort dauernd Ruhe und Zufrieden heit herbeiznführen. Das ist auch der Grund, warum die konservatip gesinnten Iren sich bei den Wahle» mit den Liberalen perbnnden haben. Tie liberale Majorität im Unterhause einschließlich der Iren und Arbeiterpartei ist eine gewaltige und unerschütterliche. So steht das Ober baus hier allein hemmend im Wege. Die Zweite englische .Hammer sieht auch deutlich ein, das; ans der Honiernle ein «-kämpf uni die eigene Existenz wird, daher hat die konser- valine Mehrheit auch ans eigener Initiative eine Reihe von Reformen vorgeschlagen. Ter Grundgedanke dieser Reformen geht dahin, aus der örtlichen Hammer eine Art Wahlkaininer „» machen, damit so die Zeilströninngen auch im Oberhause ihre Vertretung finden könnten. Das lehnt nun wiedcrnm die liberale Mehrheit in, Unterhanse mit aller Entschiedenheit ab, denn ihr Lebensnerv ist die Auffassung, daß das Unterhaus die alleinige Vertretung des englischen Volkes darstelle. Nunmehr haben die Konservativen ihren letzten und schwersten Tri-nipf nusgespielt. Die Konservativen haben sich selbst bereit erklärt, daß der Widerspruch des Oberhauses gegen die Beschlüsse des Unterhauses nur eine ansschiebende Wirkung haben sollte. Aber von diesem Entgegenkommen sollen alle Verfassnngsfrage» ausgenommen sein, sofern diese die Errichtung von Sonderparlainenten in einzelnen Teilen des Königreiches zum Inhalt habe», d. h. i» der Honiernle steht das Oberhaus auch künftig gleichberechtigt neben dem Unterhanse. Eine Lösung der irischen Frage wäre damit für immer vertagt. Die Liberalen lehnen natürlich diesen Vorschlag rundweg ab, schon weil die Iren dies als einen politischen Verrat o.nsehcn würden und dann dem Kabinett solche Schwierigkeiten bereiteten, das; es keine Mehrheit hat. So steht nun die Verfassungs frage vor der Entscheidungsschlacht. Das Unterhaus hat seine Beschlüsse dahin gefaßt, daß die Befugnisse des Oberhauses gewaltig eingeengt werden. Dieser Beschluß wird in den letzten Tage» wiederholt werden, dann geht er an das Oberhaus. Nach allein, was man über dessen Stellungnahme bis jetzt gehört hat, wird dieses den Be schluß des Unterhauses ablehnen. Tann hat der König das entscheidende Wort zu sprechen. Tas liberale Kabinett wird eine Neuanflösung des Unterhauses nicht Vorschlägen, son dern einen solchen starken PeerSschub fordern, daß den Liberalen die Mehrheit ii» Oberhanse gesichert ist. Tann hat der König das Wort. Lehnt er den Vorschlag seines Kabinetts ab, so tritt dieses zurück, ein konservatives Ministerium muß gebildet werden, die Auflösung der Kammer erfolgt und die Nenwahlen haben zu entscheiden, wer künftig die Geschicke des Inselreiches leiten soll. Tie gesamte politische Situation läßt erkennen, daß daraus sich ein politischer Konflikt von unendlicher Trag weite entwickeln muß. Nimmt der König aber den Vor schlag des Kabinetts an, so ist damit praktisch das Zwei kammersystem für England erledigt und das Unterhaus hat für alle Zeiten die Machtfülle, welche die Liberalen anstreben. Die nächsten Wochen und Monate werden also für das englische Volk Entscheidungen von großer Be deutung liefern. Politische Rundschau. Dresden, den 6. Juli 1811. — Der König von Württemberg hat dem Staats- anzeiger zufolge im Einvernehmen mit der Königin über die Verwendung der aus Anlaß ihrer silbernen Hochzeit zur Verfügung gestellten Spende im Betrage von 540000 Mk. folgende Bestimmungen getroffen: Es sollen verwendet werden zu Zwecken der Tuberkulosebekämpfung lOOOOOMk., zu Zwecken der Jugendfürsorge 280 000 Mark, für die notleidenden Weingärtner 50 000 Mark, für die Förderung der Kranken- und Wöchnerinnenpslege aus dem Lande .80000 Mark, für die vereinigten Zufluchtsstätten in Württem berg 10 000 Mark, für den israelitischen Unterstützungsverein für Württemberg lOOOO Mark. Die obigen Summen werden durch die Zentralleitung an die WohltätigkeitSvereine demnächst zur Auszahlung kommen. Diese ist auch wegen der weiteren Verteilung der für die Jugendfürsorge bestimmten 280 000 Mark an die einzelnen in Betracht kommenden Anstalten und Vereine mit näheren Anweisungen versehen. — Staatssekretär v. Kiderlen-Wächter ist gestern nach Berlin zurückgekehrt. — Die Nordd. Allg. Zig. meldet: Der Austausch der RatifikationSulkunden des dcutsch-schwedifchen Handels vertrages ist am 3. Juli in Stockholm erfolgt. — Nach Verabschiedung der ReichSversicherungSorduung im Reichstag und im Bundesrat ist in dein zuständigen Ressort noch eine Nenredigiecung des umfangreichen Werkes vorgenommen, soweit dies durch die Aufnahme neuer Paragraphen, Ausscheidung und Znsammenziehung vor- handener erforderlich war. Nachdem diese Arbeit zum Abschluß gebracht ist, liegt der Gesetzentwurf dem Kaiser zur Unterschrift vor. Man kann daher annehmen, daß die Verkündung des Gesetzes in allernächster Zeit erfolgen wird. Mit dem Tage der Verkündung treten zunächst nur die Bestimmungen über die Angestellten der Krankenkassen in Kraft. — Agadir und sein Hinterlaud. Durch die deutsche Aktion ist der kleine marokkanische Hasen Agadir plötzlich in aller Welt Mund gekommen. Agadir bildet den Ein gangshafen zum heiligen SuS, dessen Gebiet bis noch vor zwei Jahren allen Europäern gesperrt war. Mannesmann war der erste, der das Land durchyuerte. Ihm folgten deutsche Ingenieure und Kauflcute. Die Eingeborenen nahmen die Deutschen freundlich auf. die dadurch Gelegen heit halten, den wirtschaftlichen Wert des Gebietes kennen zu lernen. Die Gegend eignet sich hauptsächlich für Anbau von Wolle und für Seidenzucht. Noch wertvoller aber scheinen die Bergschätze zu sein. Man spricht namentlich von großem Kupserretchtum, der schon im 17. und 18. Jahr hundert hier festgestellt worden ist. In dem Streit um die Mannesmann-Konzession ist gerade von französischer Seite vorgeschlagen worden, das Susgebiet den Deutschen zur Ausbeute der Naturschätze anzuweisen, daraus ist es auch zurückzuführen. daß jetzt eine größere Anzahl Deutscher dort tätig ist. Diese haben durch Vermittlung des deutschen Konsuls die Hilfe ihrer Regierung angerusen, die nunmehr bekanntlich durch den neuen kleinen Kreuzer „Berlin" gewährt worden ist. — Zu der Reichstagsersatzwahl in Düsseldorf wird von zuständiger Seite mitgeteilt, daß die Meldung, wonach Herr LandeSrat Adams seitens der ZentrumSpartei als Kandidat in Aussicht genommen sei, nicht richtig ist. Zurzeit ist über eine Kandidatur überhaupt noch kein Beschluß gefaßt. — Keinr Reichstags«,chwahl in Köln-Land. Die Kölnische Volkszeitung teilt mit, daß der Reichstagsabg. Hamecher nicht znm Oberpostsekretär befördert, sondern nur mit der Verwaltung einer Oberpostsekretärstelle betraut worden ist, womit keine Beförderung mit höherem Rang oder Gehalt verbunden sei. Erst mit dem 1. Februar 1012 werde voraussichtlich die Beförderung zum Oberpostsekretär erfolgen, wo die Legislaturperiode deS Reichstags in Ende ist. — Tie 20. Gencralversaiiiinluiig des vor l!2 Jahren gegründete» BonifatiuSverciiis wurde Montag abend durch eine Begrüßungsfeier im festlich geschmückten Saale des Bürgervercins zn Paderborn cingeleitet. Außer einer großen Anzahl Mitglieder der Komitees, die von nah und fern dem Rufe des Generalvorstandcs gefolgt sind, nahmen fünf Bischöfe (Paderborn, Fulda, Hildesheini, Dresden und Dänemarf) an der Feier teil. Die Mitglieder des General Vorstandes und zahlreiche Delegierte des Tiözesankomitees waren vertreten, ferner war unsere akademische Jugend vollzählig erschiene». Präsident Graf Stolberg begrüßte die Festteiliiehmer, insbesondere die hochwürdigen Herren Bischöfe, an erster Stelle den Protektor Diözesanbischof Dr. Schnlie, und gab der Hoffnung Ausdruck, daß diese Be sprechung die Vereinsinteressen fördern werde, und eine volle Einiiiüiigleit auch für die Zukunft schassen und weiter hin sicherstellen möge. Was der große Paderborner Bischof Konrad Martin über die erste und heiligste Pflicht der Katholiken Tentschlands gesagt habe, das gelte heute noch mehr, denn damals. An immer mehr Orten würden die zahlreichen Katholiken religiöser Verwahrlosung überliefert und liefen ernste Gefahr für ihren Glauben. Es wirke alles in dieser Richtung zusammen. Schon ans diesen An deutungen könne man erfahren, wie groß die an den Bonisaliiisverein gestellten Anforderungen beule seien. Gras Stolberg schloß seine Ansprache mit einem Hoch ans die hochwürdigsten Herren Bischöfe, die Hei reu des Komi tees, des Sanimelvereins und des Akademischen Boni- Die sozialdemokratische Erklärung des Ursprungs der Religion, wonach die Religion der Niederschlag oder Widerschein der jeweiligen ökonomischen, technischen oder wirtschaftlichen Verhältnisse der betreffenden Epoche sein soll, ist unstreitig die armseligste und oberflächlichste, die es geben kann. Sie kann nur dort festgehalten und geglaubt werden, wo man einmal keine Ahnung hat von den Wurzeln der Religion in denr unausrottbaren Sehnen des Menschen nach der Ver- einigung mit der Gottheit, wovon die Menschheit Kunde gegeben hat in all ihren Kulten, selbst den entartetsten, und wo man ferner grundsätzlich die Augen verschließt vor den Tatsachen. Man braucht ja nur an das Christentum zn denken, das mit seinem Wahrheitsschahe hoch über allen wirtscl-aft- licl^n Umwälzungen steht und auch die verschiedensten wirt schaftlichen Umwälzungen gesehen hat, von der Sklaven- wirtschaft des Altertums bis zur Fcndalwirtschaft des Mit telalters und denr Kapitalismus der Neuzeit, Das alles wurde schon oft gesagt. Heute sei die sozialdemokratische oder richtiger marxistische Phantasie von einer anderen Seite aus beleuchtet. Die Voraussetzung dieser Anschauung von dem Ur- , sprunge der Religion, die die Sozialdemokratie ihrer mar- Listischen Belastung verdankt, ist die, daß die äußere Kultur I und die Religion eines Volkes oder einer Zeitcpoche stets gleichen Schritt miteinander halten, sich gegenseitig bedin gen, also niedere Kultur und niedere Gottesvoistellungen oder niedere religiöse Anschauungen Hand in Hand mitein ander gehen und umgekehrt, hohe Kultur und Hobe religiöse Anschannngeix Begleiterscheinungen sind. Diese ganze Voraussetzung ist falsch. Denn es ist eine unbestreitbare Tatsache, daß es Völker mit hoher äußerer wirtschaftlicher Kultur und niederer Ne ligion und solche mit niederer Kultur und hoher religiöser Gedankenwelt gibt. Wir wollen als Beleg für daS crstere nicht erinnern an die hohe wirtschaftliche Kultur etwa des römischen Kai serreiches und der religiösen Entartung, die daneben her lief. Es mag genügen, für die Gegenwart hinzuweisen auf die hohe wirtschaftliche äußere Kultur der - Japaner und ihre Religion, den ShintoismuS, wie auf die Inder und ihre verschiedenen Neligionsforinen, die unendlich tief unter der äußeren Kultur stehen. Als Beleg für das Zweite sei hingewiesen auf die niedere äußere Kultur der Pygmäen oder Zwergvölker, die aus der niedersten Stufe der äußeren Kultur stehen, dagegen im Besitze hoher religiöser Anschauungen sind. Wir nennen diese Völker, weil sie jetzt erst Gegenstand der wissenschaft lichen Erforschung geworden sind. Von ihnen schreibt ein vorzüglicher Kenner am Ende seiner eingehenden Arbeit: ,Tas Bild, das wir von den Pygmäenvölkern erhalten, hat uns eine ziemlich lange Reihe von Ueberraschungc» be reitet. Ten Stand der äußeren Kultiirentwickelung freilich fanden wir ganz unseren Erwartungen entsprechend: cs war der änßeiste Anfang, die unterste Stufe. Aber das, was doch eigentlich den Kern des Menschen ausmacht, und was das Beste und Wertvollste an ihm ist, seine ganze gei stige Begabung, der ganze Stand seiner ethischen und so zialen Kultur und die alles nnisassende und tragende Re ligion, das stellt sich uns dar in einer Reinheit und Hoheit, die trotz all ihrer naiven Einfachheit und ihrer kindlichen Anthropomorphismen als solche nicht zn verkennen ist kvergl. Schmidt, die Stelln.ig der Pygmäenvölker in der Entwickelnngsgeschichte deS Menscln'ii. Stuttgart 1010, S. 203 f.). Achnliche Urteile über eine 'eine und hohe Religion werden laut über die, was die äußere Kultur belangt, recht tief stehenden Hottentotte» und Buschmänner wie über die ostasrikanißhen Massai, über tvelche der denti'che Haiiptinann Merker eine höchst interessante Studie veröffentlicht bat. Tiefe Tatsache» zwingen eine gewisse Richtung der Religionswissenschaft, tvelche a» den Anfang der Menschheit möglichst niedere Religionsforincn setzen möchte, zn einer gründliche» Revision ihrer Anschauungen, an dem sozialdemokratischen .(löhlerglauben aber prallen alle Tatsachen tvirkungSlos ab. Tenn Marx hat's gesagt, und Marx ist unser Prophet."