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Zweites Blatt SächsijMe '^olfszeituna vom 1". Auqust l>i1 5S. Generalversammlung der Katholiken Deutschlands ln Mainz. Mainz, den 7. August 1911. Erste öffentliche Versammlung. Nach Verlesung des kaiserlichen Tanktelegramms sagte der Präsident Graf G a len: „Ich glaube, wir sind alle hoch erfreut, das; wir noch in unserer ersten ösfentlicljen Versammlung den kaiserlichen Tank für die Huldigung empfangen haben, die wir beute morgen abgeschickt haben Er begrüßt die Katholiken Teutschlands. Wir jubeln nnserm Kaiser zu, der unser Kaiser ist, auch der Kaiser der Katho liken. (Stürmischer Beifall.) Wir sind ihm treu ergeben, und diese Treue und Ergebenheit drücken wir aus, indem wir rufen: Seine Majestät der Kaiser Wilhelm lebe hoch!" «Die Versammlung stimmt dreimal begeistert in den Hoclp ins ein.) Erwähnenswert ist die Schnelligkeit, mit der die Antwort eintras. Mittags Uhr wurde das Huldigungs telegramm nach Wilhelms-Höhe ansgegeben und nachmittags 5 Uhr war bereits der kaiserliche Tank eingetrofsen. Sodann teilte der Präsident mit, das; zahlreiche Be- grüstungstelegramme eingelaufen seien. Vier davon wolle er zur Kennluis der Versammlung bringen: ei» Telegramm der norwegischen Katholiken wünscht glücklichen Verlaus der 5>8. Generalversammlung, ebenso ein Te'egramm des Nationalkongresses der englischen Katholiken, unterzeichnet vom Erzbischof von Westminster. ferner cin Telegramm Seiner Eminenz des Kardinals Fischer von Köln. Das Telegramm lautet: „Ter Generalversammlung sende ich herzlichen Grus; und bedauere, das; ich an ihr entgegen meiner ursprünglichen Absicht nicht teilnehmen kann. Möge Gottes reichster Segen sie begleiten. Tasür bete ich, möge sie die Einheit der deutschen Katholiken mächtig fördern, die uns so notwendig ist, die bisher ein Vorbild für die Katholiken anderer Länder war und die den', hechseligen Bischof Ketteler ganz besonders am Herzen lag." (Stür mischer Beifall.) Endlich gelangt rin Telegramm zur Ver lesung, das der Sekretär des vor zwei Tagen gestorbenen Kardinals Gruscha von Wien gesandt hat, in welcher der verstorbene Kardinal der 5,8. Generalversammlung Herz licken Glückwunsch sendet. (Bewegung.) Präsident Gras Galen gedenkt der engen Beziehung-m, die seit langen Jahren zwischen den Generalversammlungen und dem Kar dinal Gruscha bestanden hätten. Ten Tank der Versamm lung könne der Verstorbene nicht mehr hier entaegen- nehmen, aber dafür werden wir ihm denselben in den Him mel »achsenden, indem wir seiner morgen beim Neguiem besonders gedenken werden. (Lebhafter Beifall.) » » sstio. M-1 t n z, den ft 1911. Der Dienstag wurde eingeleitet durch ein Neguiem sür die verstorbenen Mitglieder der früheren (Generalver sammlungen im hohen Tom. Um 0>/n Uhr begann in der Stadthallc die Gcnrralvcrsainmlung des katholischen Vnlksvercins. Von Jahr zu Jahr nimmt die Teilnahme an dieser Ve> sammlung in hohem Maste zu. Las Bild, das der große Saal der Stadthalle heute gewährt, ist das einer öffent liche» Generalversammlung, in solcher Freguenz haben sich die Besucher des Katholikentages zur Generalversammlung des Volksvereins eingesunden. Auf der Präsidialtribüne sind zahlreiche führende Personen unseres öffentlichen Lebens erschienen. Ohne den Anspruch der Vollständigkeit zu erheben, nennen wir Prälat Hitze, Abg. Held, Tr. Ton- ders. Instizrat Schmitt, Gröber, Tr. Bachem. Herold, Schwarze Lippstadt. Pichler. Leser, Rechtsanwalt Rumpf. Prälat Werthmann, Tr. Brauns, Schädler, Erzberger. Wei ter sind erschienen der Bischof von Mainz und der Weih- bischof von Köln. Fabrikbesitzer B randts München Gladbach begrnstl die Versammlung: Lassen Sie mich meiner Freude Aus druck gebe», das; es mir vergönnt ist, in der Ketteler Stadt Ulli Jahre nach Kettelers Geburtsjahre die 20. Generalversammlung desjenigen Vereins zu eröffnen, der von allen katholischen Vereinen wohl die meiste Ursache hat des großen Bischoses in Dankbarkeit zu gedenken. Ter Volksverei» für das katholische Deutschland ist der große soziale Verein, der die Kettelerschen (Grundgedanken in zeit gemäßer AnSgcstaltnng zu verwirklichen sucht Tie Gc däststnisrede des Herrn Generaldirektors Tr. Pieper am heutige» Morgen wird unserem geistigen Auge in Hellem Spiegel die Zusammenhänge zeigen zwischen den Idee» Kettelers und denen des Volksvereins. Aus allen Kreisen, Geistlichkeit, Adel, Bürgertum und Volk wetteifert man in ler Anerkennung der Volksvereinsarbeil. Ter Hilfe dieser Männer verdanken stur es in erster Linie, daß wir bei einem Zuwachs von etwa OOOOO Mitgliedern im letzten Jahre heute eine Mitgliederzahl von mehr als 700 >>(>(! erreicht habe». So dürfen wir uns kühnlich nennen den größten sozialen Verein der Welt aus katholischem Boden. Unver kennbar zeigt sch aber auch im katholische» Volke der Ar beit Ir acht. Unser Wahlspruch: Soziale Arbeit sür alle Brrufsstände, wird zu Tat und Leben. So wird es all mäblich erreicht werden, daß das Gejchwisterpaar „Besitz und Bildung" nicht mehr das alleinige Vor-echt der höheren Klassen bildet. Je früher es gelänge, beide Geschwister mich in den nvleren Volksschichten heimisch zu mache», ilmen zu einem möglichst großen Anteil an „Besitz u»e Bildung" zu verhelfen, um so größer würde, wenn er noch unter uns- »eilte, die Freude des- Mannes sei», d-ssen Andenken wir heute feiern. Fragen wir uns aber, ob die dahinzielende Tätigkeit des Volksvereins allgemeine Billiauug findet, so müssen wie leider mit Nein antworten. Tie einen be kämpfen ihn, weil er auf katholischem Boden erwachsen ist, die anderen, ineil er ihren radikalen, sozialistischen Bestre billigen Abbruch tut, wieder andere und zwar ans latho- lischer Seile, lehnen die Stellungnahme des Volksvereins zu wirtschaftlichen Organisationsfragen ab, weil er »ach ihrer Auffassung die Katholiken bei wirtschaftlichen Organi sationen nicht von den Andersgläubigen abschließt und sie dort nicht der unmittelbare» Leitung durch die kirchlichen Behörden nnteistellt. Tie beiden ersteren haben stur als wirkliche Gegner zu betrachten, mit denen wir den offenen, aber unserseits stets streng sachlichen Kampf anszuliehmen haben, da nnsere katholische Weltanschauung und unsere Grundsätze uns gar zu weil von ihnen trennen. Tie dritte Gruppe, aus katholischen Gesinnungsgenossen sich zu- sainmensetzend. gibt »»umwunden zu. daß die reiche apolo getische Tätigkeit des Volksvereins einwandfrei >st und ihre volle Billigung findet. Sie können auch nicht leugne», daß der Volksverei» mit ganzer Wärme die konfessionelle Volks schule. die echt katholische Bildung-.- und Erziehungsarbeit in der Familie und in den katholischen Standesvereini gungen vertritt, sie rückhaltlos fördert und wiegt. Sie müssen auch anerkennen, daß er mit ganzem Nachdruck fordert, die Katholiken sollen auch in '.virlschastlichen und staatsbürgerlichen Vereinigungen ebenso treu nach den katholischen Grundsätzen denken und handeln, nie sonst im privaten Leben. Wenn jene Kritiker »nn aber glauben, dieser Forderung könne nicht genügend Rechnung getragen werden in den vom Volks-Verein empsolstenen interkonfessio nellen wirtschaftlichen Perbänden, so darf ich demgegenüber zur Rechtfertigung des Volksvereins kurz daraus Hinweisen daß diese seine Stellungnahme geteilt wird von der er drückenden Mehrheil der deutsche» Katholiken und ihrer Fahrer, vertrete» wird von hervorragenden katholischen Gelehrten und wiederholt gebilligt ist von höchsten kirch lichen Autoritäten. Wer gleichwohl in dieser Einzelsrago sür seine Person anders denkt, ist deshalb nicht berechtigt, den Voltsverein als minder katholisch hinznstellen, noch auch ihn und seine übrige Arbeit im ganzen abznlehi.en oder gar zu bekämpfe». Allen aber, die außerhalb unserer kirchlichen Gemeinschaft stehen, sei »n.-d,ücklich gesagt, daß wir stets zu gemeinsamer vaterländischer Arbeit mit 'lmen bereit sind. Ihnen sei ferner gejagt, daß die foziale Aufklärung, die der Volksverein sür das katholische Tentschland in so weit- .Kreise unseres deutschen Volkes hin-int ägt, ebenso de» Interessen aller dient, wie Kettelers, des katholischen Bischofs, Ruf nach Befsernng des Loses der arbeitenden Klassen und nach sozialen Reformen, dem ganzen Vater lande zu Heil und Segen gereicht hat. (Stürm. Beifast.) Hieraus erstattet Direktor Tr. B r a u n s München- Gladbach den Jahresbericht, ans dem i» erster Linie die Tatsache hervc rgehvbe» sein mag, daß der Mitglieder bestand das siebenle Hunderttausend bereits überschritten hat. Ter 'Borei» zählte Ende Juni i'.ll l 700 727 Mitglieder und der Mitgliederznwachs betrug -18 082. An dem Aus bau der Organisation wurde mit Eifer und Erfolg ge arbeitet. Tie Hausdrnckerei des Vereins erfuhr eine Er weiterung ihrer technischen Einrichtungen und beschäftigt allein 82 Arbeiter »nd Beamte. Tie LandeSjekretariate wurden weiter ansgebant, und zwar wurde das bisher nebenamtlich versehene elsässisckp! Landessekrctariat zu Straßburg in ein banptamtliclies umgewandelt. Auch dis Jab! der Sekretariate für kleinere Bezirke (Volks-vereinS- sekrelariate, Volksbureans usiv.) ersnhr eine Vermehrung. In der Bezirks- und Ortsorganisation ist eine wachsende Teilnahme der gebildeten Laienwelt beiderlei Geschlechtes zu konstatieren. Die soziale Volksbibliothek erfuhr allein eine Vermehrung um 17 Nummern. Tie sozialwissenschaft- liche Bibliothek wurde um fast liOOO Bände vermehrt, sie zählt gegenwärtig rund lit 00(1 Bände. Tie soziale Aus- kunftsstelle hat im Berichtsjahre wiederum mehr als 8000 Auskünfte erteilt, darnnter 1800 in Rechtssachen. Die An zahl der vom Volksvereine an seiner Zentrale in München- — 88 — „Freiherr von Minkwitz ist dies ein neues Verbrechen?" Ww grollender Donner kamen diese Worte über Meiners Lippen. De, Freiherr zuckte spöttisch die Achseln. „Uel erzeugen Sie sich selbst Nora ist in diesem Augenblicke die Gatt'i des französischen Irrenarztes IuleS." Inan Valesqnez schrie laut auf und selbst Meiner stand der Schweis; aus dc" Stirn. Dennoch — er konnte es nicht glauben, wenn auch sein Herz heftig genug klepile. „Kommen Sie, Herr Valesguez, Sie sehen, wir haben hier nichts mehr zu jchc sten," sagte er dann, „ich hoffe, wir werden mit leichter Mühe auch dmseS »c ue Lügengewebe zerreißen." Üevc' er aber das Gemach verließ, stmndtc er sich noch einmal zu dem Fr eil,c> rin „Für alles, was Nora von Minkwitz erlitten, mache ich Sie verantwort lich. Beten Sie, daß wir sie nnvermählt wiederfindenI" 20. Für Aora folgten jetzt einige Tage der traulichsten Ruhe und des tief ste» Seelenfriedens. Sie war unendlich glücklich, wenn sic auch kaum an die Dauer eines solchen Glückes glauben konnte. Während der wenigen Tage, stxstche Nora in dem stillen, einsamen Landhanse verweilte, hatte sich ihr Verhältnis zu Frau v. Roden recht innig und herzlich gestaltet. Schnell genug war Noras anfänglick-e Scheu gewichen, und die T-ame des Hauses fühlte sich wunderbar angezogen durch das sanfte, ^stille, zufriedene Wesen des jungen Mädchens. Frau v. Roden mackste auf den ersten Anblick eine» düsteren Eindruck. Wk" sie kannte, wußte, daß sie stets in Trauer gehüllt einherging, schon seit der Zeit, wo sie noch jung und schön war. Und sie war noch schön. Das Ge sicht war bleich und schwermütig, aber die großen Auge» hatte» trotz den Tränen, die daraus geflossen waren, noch nichts von ihrem Glanze eingebüßt. Und nun vollends die Gestalt! Sie war schlank und von schönstem Ebenmaß, so das; man Frau v. Roden für Noras Schwester halten konnte. Mit Ungeduld erwartete Nora Georgs Rückkehr, er hatte versprochen, 'rwrt. wenn er die Kapsel an seinen -Onkel abgrlicfert, zurückzukchren. um ihr das Vermächtnis ihres Vaters niitzuteilc». Aber nicht Nora allein wünschte Georgs Rückkehr, fast noch mehr tat es Flau v. Roden. Sie fühlte sich seltsam beunruhigt, und trotz aller Ver- uunstsgründe, welche ihr sagten, daß ihr und Nora in keiner Weise cin Leid geschehen könne, vermochte sic doch ihre Unruhe nicht zu beherrschen. Tic Lage des Landhauses machte dasselbe allerdings nickst zu einem sicheren Aufenthaltsorte für zwei Damen, aber Frau v. Roden war hier lange Iakne hindurch mit ihrer Dienerin allein gewesen, ohne sich jemals zu fürch ten. Und nun diese seltsame innere Aufregung? Während Georg sich ganz dem Gefühle der Sicherheit überließ, durch wanderte Frau v. Roden rastlos die kleinen eleganten Zimmer ihres Hauses unterfuckstc alle Schlösser und Riegel und befahl ihrer alten Dienerin, auf ihrer Hut zu sein. . 85 Ich mbe meinen Bruder gesagt, daß ich Sie, meine» Freund, zu meinem Testamentsvollstrecker und Vormund meines Kindes bestimme, das; das ganze Vermögen meiner Nora zufällt und nur ein kleiner Teil, die Summe von zehntausend Talern, ihm aehörcn wird. Die Bestimmung erregte seinen Zorn, aber nichts konnte mich bewege», mein Kind seinen Händen anzu- vcrtranen. Mein Testament liegt im Vibüvthekszimnier in einem Wandschranke, vor dem sich ein anderes Schränkchen von schwarzem Ebenholz befindet — es wird Ilmen nicht ichwer werden, dasselbe zu finden. Dieses Papier aber, sowie den Transckjei», der vielleicht noch einmal, wie mir eine heimliche Ahnung zuüüstert, notwendig sein wird, werde ich in einer kleinen, goldenen, meiner Frau gehörige» Kapsel verschließen und Nora dieselbe unter der Be dingung übergeben, daß sie Ihnen dieselbe persönlich zustcllt. Sorgen Sie fiir meine Nora. Meiner! Wenn dieses Papier in Ihren Händen ist. werden Sic zunächst die Funk- tienen. eincs Vormundes meiner Nora übernehmen, zugleich aber auch an meine:' jugendlichen Schivager Inan Valesguez schreiben, der iminer eine groß? Liebe sür seine Angehörige» bewiesen Kat. Ich darf Wohl daraus reckp ncn, daß. Sie trotz Ihrer ausgedehnten Gesckstiste jo lange die Vormundschaft über mei:- Kind übernehmen, bis mein Schivager das gesetzmäßige Alter er reicht hat, was in einigen Jahren der Fall sei» wird. Unter keinen Umstän den und nister keiner Bestimmung darf Nora in den Händen und unter der Aussicht meines Bruders bleiben. Ich wünsche ir>eder, daß sie in den Vor urteil-., erzogen werde, die eine» große» Teil meines Lebens zu einem rin gt»'' ickicn mackste», »och soll sie in Sckststnverhältiiissen aufwachse», die jede Seelenreinheit unterdrücken. Meinem Bruder habe sch alles dies gesagt ich lnibe ihn, weil ich ibn kenne, gewarnt, meinem Willen zuwider zu handeln. Er hat es mir feierlichst gelobt, asten meinen Wünschen und Bcstinimungen streng zu folgen. Ist das »ich' der Fast, so werden Sie über mein Kind Wachen, und im Vertrauen dar aus schließe ich getrost und ruhig meine Augen. Leben Sie Wohl, Meiner. Mei» letzter Gedanke gehört Ihne» und meinei: Kinde, das der Himmel schützen möge!" Hier schloß der Brief. „Elender!" knirschte Juan Valesguez. seiner selbst nickst mehr mächtig. „Und doch hat er eS gewagt, sie in seiner verhaßten Nähe zu behacken und sie lange Jahre ihrer Freiheit zu berauben!" Herr Meiner hatte die Papiere wieder sorgsam zusammengesaltet und in die Kassel zurückgelegt. „Und was gedenken Sie zu tun?" fragte Juan Valesguez den Advokaten. „Uns bleibt nicht viel zu tun übrig. Dieses Schriftstück ist der StaatS- anwaltsclmst zu übergeben und eine genaue Untersuchung aller Tatsachen zu veranlasse». Das wird die Schuld des Freiherr» in allen Teilen seststellen." Juan erschrak. Jetzt zum ersten Male gedachte er der Freiherrin und ihrer liebenswürdigen Tochter. Er verdankte ihnen manche sröhlicl-e Stunde, und zum Danke sollte er jetzt die Schande des Gatten und VaterS aller Welt verkünden? Ein Kind des Südens." 22