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Beilage zu Nr. 216 der „Sächsischen Bolkszettung" Aus Stadt und Land. —* Ueber die Einfachheit de» Heber- tritte» zum Protestantismus gehen uns aus unserem Leserkreise folgende Zeilen zu. welche ausgenommen zu werden verdienen. In einem hiesigen Restaurant saßen zwei kath. Herren gemütlich bei einander und unterhalten sich über dieses und jene». Unter anderem kamen sie auch auf die hohen Schul- und Kirchensteuern zu sprechen, wobei der Herr A. seine Absicht zum Uebertritt in die evangelische Landeskirche dem Herrn B. kundgibt, und sein Vorhaben mit der Behauptung, daß in der Landeskirche weniger Steuern bezahlt werden, begründet. Er wäre schon lange übergetreten, wenn er nur wüßte, wie er es anstellen sollte. Wiewohl der Herr A. schon durch seine Absicht kein Zeugnis eine» guten gläubigen Katholiken mehr beanspruchen kann, so zeigt er aber daneben auch noch die Unkenntnis der Steuereinteilung, was ihm auch von Herrn B. in der an gemessenen Weise gesagt wurde. Hätte Herr A. Kenntnis von evangelischen Schul- und Kirchensteuern, welche nämlich in den einzelnen Parochien unserer Stadt ziemlich den katholischen gleichkommen, dann würde er gewiß von jenem Gedanken abgekommen sein. Das Gespräch wird nun weitergeführt. Ein zufällig an dem Tisch sitzender Herr hatte schon lange diesem Gespräche zugehört und das Vor- haben des Herrn A. vernommen. Er mischte sich auch hinein und riet, den Uebertritt zu bewerkstelligen. Er habe doch weiter nichts zu tun. als 3 Mk. zu zahlen und zwei Wege zu gehen. Er wüßte die Sache genau, da er sie durchgemacht hätte. Herr A. wollte es sich noch über egen. worauf er von dem Apostaten die Antwort erhielt, da gäbe es nichts zu überlegen, er brauche nur einen Grund anzugeben, dann geht der Uebertritt schnell von statten. Mit diesen Worten hatte die Unterhaltung ein Ende. — Also mit 3 Mk. und zwei Wegen ist der Ueber- tritt bewerkstelligt; nun wundert eS unS gar nicht mehr, wenn mit den Einweihungen von evangelischen Kirchen eine Uebertrittsfeier verbunden ist. Wenn man für 3 Mk. bloß auf viele Jahre hinaus weniger Steuern zu zahlen braucht, da finden sich immer sogenannte Katholiken, die sofort einen Tausch des Glaubensbekenntnisses vornehmen. Die evangelische Kirche kann nicht stolz auf solchen Zu wachs sein, die katholische Kirche aber kann solche Katho liken gerne entbehren. —* Die vom Vorjahre bestens bekannten Lichtbil der- und P h o n o g r a p h e n v o r f ü h r u n g e n des Zivilingenieurs Kode aus Chemnitz, die seit Freitag im großen Saale des Vereinshauses stattfinden, bringen außer ordentlich viel des Interessanten und Belehrenden. Aus dem außerordentlich reichhaltigen Programm seien beson ders hervorgehobcn die Bilderserien vom Gordon-Bennct- Auto-Wettfahren, und die singenden, sprechenden und musi zierenden, lebenden Photographien. Eine Neuheit ist das Steophon, mit den Schallwellaufnahmen auf Papier. Frei tag, Sonnabend und Sonntag gelangt neben dem übrigen äußerst reichhaltigen Programm das Passionsspiel in Ober ammergau in 32 lebenden Darstellungen zur Aufführung. (Vgl. Inseratenteil.) —* Die liberale Kritik über Werke. Ein pro testantischer Herr schreibt uns unterm 19. d. M.: «Ihre Behauptung, daß da» neueste Werk «Deutschland und Rom" von Prof. Graf Dr. Moulin-Eckart teilweise ein bloßes Plagiat sein soll, hat mich veranlaßt, dieses Buch mit der in meiner Bibliothek befindlichen «Kirchengeschichte Deutsch- landS" von Hauck zu vergleichen. Ich fand in der Tat eine Unmasse gleich oder ähnlich lautender Stellen, welche eS nicht mehr ableugnen lassen, daß der Mann, welcher sich so oft schon als Vertreter der voraussetzungslosen Wissenschaft rühmte, skrupellos geschriftstehlert hat. Es wundert mich nur, daß bisher keine Zeitung, welche das Werk gelobt hat. Wasser in den Wein des gespendeten Lobes schüttete." — Man sieht, der Herr, der uns diese Zeilen schrieb, ist mit dem Treiben der antikatholischen Presse noch ganz unbekannt. Was gegen Rom geht, wird gewöhnlich gelobt, was für Rom spricht, wird totgeschwiegen. Mit Denifles Luther haben sie sich zu einer Ausnahme hinreiben lassen; sie bereuten aber längst, daß sie das Tot schweigen nicht auch bei diesem Werke übten. Wir sind sehr gespannt, welche liberalen Blätter cs wagen werden, dem Grafen Moulin-Eckart das Plagiatentum vorzuwerfen. Ja. wenn der Mann auf ultramontanen Bänken säße! Ganze Fässer voll Tinte würden über diesen Plagiator, diese „Schmach der deutschen Wissenschaft" usw. ausgegossen, bis er in einem Strom liberaler Tinte jämmerlich ersäuft wäre. Nun sitzt der Plagiator aber auf liberalen Bänken, ist ein großer „Rom"-Töter — da läßt man den armen Sünder gnädig und hochherzig laufen! Hätte O. Deniflc in seinem Werke das Unglück gehabt, auch nur eine oder die andere Stelle aus Luthers Werken unrichtig zu zitieren, die Welt hätte das Schauspiel erlebt, daß man deshalb einen Sturm der Entrüstung erhoben und das ganze Werk verworfen hätte! Ja ..ultramontane" Mücken seiht man und liberale Kameele schluckt man. Bischofswerda. Montag früh entstand in der Dampf schneidemühle des Baumeisters Karl Rehnert ein größerer Brand, welcher vermutlich gelegt war. Der Schaden be trägt über 40,000 Mark. Das Gebäude war versichert. Zittau. Wie die „Zittaucr Morgen-Zeitung" meldet, haben die Katholiken von Ebersbach dortselbst am Jerc- mias-Berge ein Grundstück erworben, auf welchem sie eine eigene Kirche zu erbauen beabsichtigen. Vermischtes. V Eine Sündflut im Theater. Aus London wird berichtet: Eine ganz außergewönliche, vorher nicht geprobte Szene ereignete sich am Dienstag abend im Londoner „Lyric Theatre" während des ersten Aktes von „The Earl and the Girl". Ohne daß irgend ein Warnungszeichen zu erkennen gewesen wäre, kam plötzlich in Strömen Wasser von den Soffitten herunter. Es sah aus wie ein Wasser vorhang. Das Wasser durchnäßte die Darsteller vorn an der Rampe und spülte den Dirigenten Hamish Mac Eunn fast vom Stuhle weg. Auch einige Besucher in den ersten Reihen wurden bespritzt, aber die Mitglieder der Kapelle wurden bis auf die Haut naß und die Trommeln so mit Wasser getränkt, daß neue gebracht werden mußten. Die Ursache des seltsamen Zwischenfalls war der neue automa tische Feuersprenger, der auf Befehl des Londoner Graf- schaftSratS angebracht worden war und der aus einer nicht aufgeklärten Ursache in Bewegung gesetzt wurde. Der Regenfall dauerte fast sechs Minuten, bis das Wasser ab- gesperrt wurde. Das Publikum amüsierte sich dabei sehr gut. «Ich fürchtete nur. daß das Publikum sich erschrecken würde und glauben könnte, daß es brennt; deshalb blieb ich trotz deö Regenschauers auf meinem Platz sitzen", er zählte der Kapellmeister Mac Cunn. „Mein Orchester war besser daran als ich; die Musiker konnten wenigstens schnell Schutz suchen." Trotz des seltsamen Wasservorhangs spielten die Schauspieler weiter, als ob diese Sündflut mit zum Stücke gehörte. v Eine streitbare Dame. Im „Pforzheimer Generalanzeiger" finden wir das folgende Gedicht: „An die ! deutschen Männer! znm 9. September, dem Gedenktage ! der Hermannsschlacht im Teutoburger Wald": «Der Herbst lag auf dem Urwald, die Blätter braun und rot. Doch mehr rot als vom Herbste, vom blutgen Römerlod, > Vom Blute der Legionen, die die geeinte Kraft Siegjauchzender Germanen zum Hades hat geschafft. «Fürst Hermann, du Befreier vom ersten Rvmerjoch, Erwache, sieh'! In Deutschland, da herrscht der Welsche noch! Als Feldherrn Jesuiten, statt Adlern Kreuz und Stab, So graben sie geschäftig Germanentum ein Grab! «Hei! daß sie wiederkehrte, die Teutoburger Schlacht, Aus ihr erlöst erstünde ein Deutschland voller Pracht. Fegt weg die schwarzen Kutten, zurück zum Tiberstrom, Gedenkt der Luther, Hutten, Germanen! Los von Rom! Johanna Be Ilhorn." Die reine Walküre! Wir keimen Frau oder Fräulein Bellhorn nicht, sehen aber ihren weiteren Taten beim „Weg fegen der schwarzen Kutten" mit Fassung entgegen. Heil! v Eine Scherz-Preisfrage. Anläßlich der jüngsten PreiSansschreibung für die beste Beantwortung der Frage „Die bedeutendste Tat seines Lebens" wird im „Berliner Tageblatt" an folgende Preisausschreibung erinnert: Vor ungefähr 15 Jahren erschien in Berlin eine GerichtSzeitnng, die ein jetzt schon verstorbener Redakteur herauvgab. Das wöchentlich einmal erscheinende Blatt „ging" nicht, und so entschloß inan sich znm Ansschreiben einer Pieisfrage: LUO^LlVl' 8I6II OIL 80U0LX? Gar viele Antworten gingen ein, und alle Kosmetika wurden wohl genannt, denn eS winkte ein Preis von 1000 Mark. Aber der Preis gelangte nicht zur Verteilung, denn nach der Redaktion lautete die richtige Lösung: „Die Frau Schön erhält sich dadurch, daß sic 200 Exemplare der Berliner Gerichtszeitung vertreibt und dadurch einen hübschen Ver- dienst erzielt!" Das Hatto natürlich niemand geraten. v Rückkehr vom Südpol. Nach dreijähriger Abwesenheit ist der Dampfer „Discovery" aus dem ant- arktischen Meere zurückgekehrt und im Hafen von Ports- kl .'Ä — 164 — Versorgung. Sie nahm sich aber vor, am nächsten Tage in aller Ruhe mit ihrem Töchterlein darüber zu sprechen. Der Pfarrer mochte von solchen Zu kunftsplänen, von einem solchen „Versorgungsspiele" nichts wissen. Das müsse sich ganz von selbst machen, erklärte er immer mit großer Ent schiedenheit. Kaum hatte der Einspänner den Gutshof verlassen, da traten auch schon die vier Herren wieder ein. Kühner und von Fersen gingen zu ihren Frauen, redeten eine Weile heftig auf sie ein, während Brünnow mit den beiden Volon tären sprach, die gerne bereit zu sein schienen, seinen Wünschen nachznkommen. Gegen 1 Uhr erfolgte der allgemeine Aufbruck), wobei zu bemerken war, daß Herr von Fersen, wie Herr Kühner in Finkenhagen zurllckblieben. Neben dem Wagen der Kühnerschen Damen ritt Herr von Wussow, n^ben demjenigen der von Fersenschen Damen Herr von Dircksen. Ans Finkenhagen war inzwischen, als der Diener Brünnow jene Mel dung gemacht hatte, die Gerichtskommission angekommen. Brünnow hatte die vier Herren, sowie die drei Arbeiter, die den Leichnam ausgegraben hatten, herbeigerufen und die Mitglieder der Kommission gebeten, erst eine kleine Er frischung zu nehmen. Sie hatten das jedoch abgelehnt, und gebeten, sie un- verzüglich nach dem Fundort der Leiche zu führen. Brünnow hatte das Pro- tokoll, das er vorher ausgenommen, erzählte unterwegs den Herren den Her gang und verlas nachher beim Scheine der Laterne auch das Protokoll. Das erleichterte dem Untersuchungsrichter die Sache natürlich sehr, man kehrte nach dem Herrenhause zurück und hier nahm die Kommission ihr eigenes Protokoll auf, was sehr rasch von statten ging. Und nun war folgendes beschlossen worden: Der Leichnam sollte sorgfältigst verpackt werden, damit er nicht weiter verfalle und etwa schnell in Auflösung übergehe, denn er war noch unversehrt. Der Sand, der ihn ganz und gar bedeckte und alle Poren ausfüllte, hatte die Luft gänzlich versperrt und die vielen mineralischen und metallischen Bestand- teile, die der Sand enthielt, hatten die Verwesung verhindert. Dann wollte man den Körper auf einen Leiterwagen legen und nach der Stadt fahren. Dann wollte man ebenfalls zu Wagen nach der Stadt zurückkehren, so daß man ungefähr zu Beginn der Verhandlung zurückkam. Der Leichnam sollte während der Verhandlung in einem einfachen Sarge in den Gerichtssaal ge bracht werden. Nach dem Jnquisitorium des Angeklagten sollte dann der Deckel abgehoben und der Tote dem Angeklagten plötzlich vor Augen geführt werden. Dadurch hoffte nian ihn dann rasch zum Geständnis zu bringen und man glaubte, der Gerichtshof werde gegen dieses Verfahren nichts einzu- wenden haben. Nun aber ruhte Brünnow doch nicht eher, als bis die Herren der Kom mission einwilligten, seine Gäste zu sein und einige Erfrischungen anzunehmen. Als dies geschehen war. brach man auf. Die Gerichtskommission mußte den an der Bahnstation requirierten Wagen nach Hause schicken und Brünnows Landauer besteigen, während er selbst mit Kühner und von Fersen den Jagd wagen benutzte. Manderstein ritt nebenher. Für den Leichnam hatte sich eine passende truhenartige Kiste gefunden. Man legte ihn hinein, lud die Kiste auf einen Leiterwagen und versteckte sie unter einigen Bunden Stroh, um so ja alles Aufsehen zu vermeiden. — 161 — Ter Referendar wollte auffahrcn und Brünnow auf die Verletzung des Gastrcchtcs aufmerksam machen, die in dieser halb mitleidigen, halb spöttischen Bemerkung lag und sich dergleichen verbitten, aber er kam nicht dazu, denn Manderstein fuhr herum, sah Brünnow an und wandte sich dann verwundert zu dem Referendar: „Aber, verehrter Herr!" rief er, „der hat doch die schönste rote Farbe, die man sich denken kann!" Auch Kühner und von Fersen sahen nun Brünnow in das sorgenlose Gesicht und erklärten kopfschüttelnd, der Herr Referendar müsse sich wohl ohne Zweifel irren. Der aber zog die Brauen sehr ärgerlich zusammen und brummte: „Was ich gesehen babe, habe ich gesehen!" „Das gebe ich zu", lachte Brünnow treuherzig, „aber Sie sehen eben Dinge, die nicht sind! Eigentlich eine sehr schlimme Sache für einen zukünfti gen Kriminalisten." Wieder kam der junge Jurist nicht zum antworten, denn Herr Kiihner sagte: „Nun muß aber doch gleich das Nötige geschehen. Das Gericht muß benachrichtigt werden —" „Gerade darum habe ich die Herren gebeten, mitzukommen", wandte sich Brünnow zu den drei Herren, die mit ihm den Spielplatz im Walde verlassen hatten, „ich werde das Gericht telephonisch benachrichtigen, daß eine Kommis sion hergeschickt wird, ich werde dann ein Protokoll aufnehmcn und die Herren um ihre Unterschriften bitten." „Mit Vergnügen", sagte von Fersen, „wir warten gern auch das Er scheinen der Gerichtskommission ab — das junge Volk kann sich dann ja um so länger amüsieren." „Ich möchte das Protokoll auch mit unterschreiben", benicrkte der Referendar. „Das ist zwar sehr liebenswürdig von Ihnen, Herr Walter", sagte Brünnow sehr freundlich und ausgesucht verbindlich, „aber cs ist wahrhaftig nicht nötig, drei Zeugen sind völlig genug und ich habe sie, als mir der Vor arbeiter meldete, eine Leiche sei in der Sandgrube gefunden worden, aus- gewählt, weil sie hier oder nicht allzuweit von hier ansässig sind, eventuell die Identität des Loten feststcllen und eventuell vor dem Untersuchungsrichter Zeugnis ablegen können, ohne deshalb eine weite Reise unternehmen zu müssen. Wenn Sie also Ihr Haarbürstchen — oder, was Sic sonst verloren hatten, nicht allzu nötig haben, so würde ich Sie bitten, zn den Damen zurück zukehren. damit unser langes Fernbleiben keinen Verdacht bei ihnen erregt. „Sie werden das", fuhr er mit einer Verbeugung gegen den Referendar fort, „mit Ihrer ungewöhnlichen gesellschaftlichen Gewandtheit ohne Zweifel fertig bringen. Und nun", wandte er sich jetzt, ohne dem Referendar Zeit zu einer Antwort zu lassen, an den Vorarbeiter, „lassen Sie den Leichnam zudecken, damit die Damen ihn nicht zu sehen bekommen. Sie und die beiden Leute, die den Leichnam ausgcgraben haben, folgen mir nach dem Hcrrenhausc, die Arbeit wird für heute abgebrochen." Und ohne sich um den Referendar weiter zu kümmern, schritt er mit den drei Herren in der Richtung nach dem Gutshofe weiter. 4t '"M