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Lichter auf. und der Kamfplatz war jetzt tageshell erleuchtet. Zum Glück, denn Eordova hatte sich wieder erhoben und schwang mit rasender Gebärde einen scharfen Dolch. Es war seine letzte Kraftanstrengung. Schleunigst wurde er von hinten gefaßt und seinem Arm das Mordinstrument entwunden. Dann band man ihn und durchsuchte seine Taschen. Es fanden sich eine Menge Papiere, die nicht nur ihn selbst bloßstellten, sondern die vom größten Vorteile für den Präsidenten waren. Man trug ihn ans sein Lager. Der Arzt, der sich noch im Landhanse aufhielt, erklärte, die Wunde sei tödlich. Es blieb also nichts übrig, als zum Priester zu schicken; dieser wurde mit dem Sterbenden allein gelassen. Herr Johannes machte sich ohne Verzug ans den Weg zur Herberge, wo er ungehindert alle Bücher und Dokumente, die Eordova dort verborgen, mit Beschlag belegte. Damit waren die Beweise des Betruges und Diebstahls in seinen Händen. Strahlend ging die Sonne ans und verkündete einen herrlichen Tag. Die Dorfbewohner schickten sich eben an, neuen Mutes an ihre Arbeit zu gehe», als ein ungewöhnlicher Lärm sie anfhorchen ließ. Flugs war die ganze Einwohnerschaft auf den Beinen und drängte sich an den Eingang des Oertchens. Siegesfrohe Truppen zogen gerade an den ersten Häusern vorbei. Es war der Generalpräsident, der nach einem glücklich verlaufenen Feldzuge in seine getreue Stadt San Louis znrückkehrte. Diese Nachricht, die sich mit Windeseile verbreitete, erfüllte mit Jubel die Herzen all' seiner Anhänger, denn damit war die Gegenpartei unterlegen und seine Herrschaft, für die erste Zeit wenigstens, wieder gesichert in der ihm zugetanen Provinz. Pepa war nicht die letzte, die der Vorsehung für dieses freudige Ereignis dankte. Dem schnrkigen Verwalter gab sie den letzten Stoß. Im entscheidenden Moment, wo seine Seele vor dem Nichterstnhle Gottes erscheinen sollte, überkam ihn dennoch Angst und Zittern vor der ewigen Gerechtigkeit. Er beichtete seine Missetaten nicht allein dem Priester, der keine derselben offenbaren durfte, sondern auch Herrn Johannes; er warnte ihn vor verschiedenen, schon eingefädelten Verrätereien und nannte die Bank, in der er die Herrn Mareskat gestohlenen Summen nntergebracht hatte. Dann verlangte er Frau Mareskat zu sehen, um ihre Verzeihung zu erbitten. Pepa ging zu ihm. „Ich weiß, gnädige Frau", sagte Eordova mit ersterbender Stimme, „was Sie und die Ihrigen durch meine Schuld erduldet haben. Können Sie mir verzeihen?" „Als Christin ist dies meine Pflicht." antwortete Pepa. „Gebe Gott, daß meine Lieben noch leben, daß sie dem Elend nicht unterlegen sind!" „Mein Verbrechen ist so groß, daß der gerechte Richter mir nicht ver zeihen kann!" „Seine Barmherzigkeit ist unendlich. Aufrichtige Reue findet Gnade vor seinen Augen." „Wollen Sie eine Bitte für mich einlegen?" „Gern; ich verspreche es Ihnen." Mißtrauisch, wie sie als Indianerin war, zog sie sich noch weiter ins Dunkel zurück, spähte aber scharf in ihr kleines Reich hinüber. Sie sah einen Mann, der vorsichtig nach allen Seiten Umschau hielt. Es war ein ihr wohlbekannter Alter, den man in der Gegend den „Hexenmeister" nannte, weil er in der Pflanzenkunde bewandert war, und in allen möglichen Fällen, guten und schlechten, um Rat angegangen wurde. Dies geheimnisvolle Treiben gab ihr zu denken. Nachdem der Mensch sich überzeugt, daß niemand ihn beobachtete, näherte er sich dem Herd und schüttete aus einem Papier ein weißes Pulver in den Tops, der die Suppe Frau Mareskats enthielt. Dieses Gefäß war ganz gut kenntlich: eine silberne Kasserolle, die Pepa als ein liebes Andenken an eine Freundin gern auf ihrem Tische sah. und die sie stets benützte, wenn sie allein speiste. Der „Hexenmeister" zog sich ebenso leise zurück wie er gekommen. Bei der Köchin herrschte kein Zweifel mehr: man wollte ihre geliebte Herrin nmbringen. Aber wer? Niemand konnte einen Vorteil davon haben, als das Halnnkenpaar: Eordova und der schurkische Josne. O, sie hatte das Treiben der beiden schon lange beobachtet. Nur Josne konnte den Alten zu diesem Verbrechen angesliftet haben. Aber wart' jetzt sollte er die Suppe auch anslöfseln! . . Die Indianerin war zwar getauft, aber ein starker Rest heidnischen Un glaubens war in ihrem Geiste zurückgeblieben. So begriff sie z. B. nicht, daß es dem Ehristen versagt ist, sich selbst Gerechtigkeit zu verschaffen. Josne wollte die Herrin töten, nun mußte er selbst sterben. Mit ruhigem Gewissen, ja mit grausamer Freude g»ß sie den heißen Inhalt der silbernen Kasserolle in die Suppenichüssel, die für Josnes Tisch beslimmt war, und die eben von dem Tiner, der dem „Geschäftsführer" servierte, geholt wurde. Es dauerte nicht lauge, so entstand ein gewaltiger Lärm. „Aha! Da wären wir so weit!" murmelte die Köchin. Mit der harm losesten Miene ging sie auf Erkundigung. Gleich nachdem Josne seine Suppe verzehrt hatte, war er mit ver zweifeltem Schrei aufgesprungen, beide Hände gegen den Leib gedrückt. Dann war er niedergefimkeu und wälzte sich jetzt mit schäumendem Munde in Todesqualen ans dem Boden herum. Er hatte begriffen, daß ein Irrtum vorgekommeu, daß er sterben müsse, und er verfluchte den alten Kräntermann. Auf sein wütendes Geschrei kam auch Herr Johannes gelaufen, dem bei dieser Szene sogleich klar wurde, daß etwas Außergewöhnliches ge schehen sei. Schleunigst ließ er alle Türen schließen, damit nichts von dem Vor fälle nach außen dringe. Dann ries er die Köchin herbei und blieb mit ihr allein bei dem Sterbenden, Er hatte nämlich in den Gesichtszügen der In dianerin ein triumphierendes Aufleuchten bemerkt, das mit diesem Auftritt in Verbindung stehen mußte. Er befragte die Frau, welche mit dein größten Eifer Auskunft gab. Sie erzählte von dem Eintritt des „Hexenmeisters" in die Küche, von seinem geheimnisvollen Gebaren und von ihrem Verdachte. „Ich habe mir gesagt." fuhr sie fort, „daß nur Herr Josne, der Stell vertreter des Verwalters, Interesse daran haben konnte, die Herrin zu be- 22