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Freitag den L7. Januar 1V11 Nr. LL — LO. Jahrgang Erscheint täglich nachm, mit Ausnahme der Sonn, und Festtage. Ausgabe ^ mit .Die Zeit in Wort und Bild' vierteljährlich »10 ^ In Dresden durch Boten 8,40 X. In ganz Deutschland stet Haus 8.88 in Oesterreich 4,45 ü. AnSgab« v ohne illustrierte Beilage vierteljährlich 1,80 In Dresden durch Boten 8,10 In ganz Deutschland frei HauS 8,88 X; in Oesterreich 4,0V — Einzel-Nr, 10 4. Unabhängiges Tageblatt für Wahrheit, Recht und Freiheit Inserat« werden die Ngelpaltene Petilzcile oder deren Nun»! mit 15 Reklamen mit 50 ^ die Zeile berechnet, bei Wiederholungen entsprechenden Rabatt. Buchdruitcrei, Redaktion und Otcschäftsstclle: TrrSdcn, Pillnitzer Strafte 45. — Fernsprecher I5K» Für Riickgabe unverlangt. Schriftstücke keine Verbindlichkeit Redaktions-Sprechslunoc: II biS 18 Uhr. Wille» 8ie! Sie verlebvenäen Oelä an äc», teuren, ge- sun-ikeilssctikäiieken nervenrerrütlenäen OONNSNlLLIlSe oller Sie »paren üelll an unserem eeolilkeile», gesunllheitsrutrLgiicken, nakr- bakten unll lleliieaten I>iäki--Kal<ao. ?fä. 80.100.120.140bi8 200?5. Oerlin^ kock8lrok, Vre8äen. ^ieäoi'Irlken in allen Ltacllteilen. I4K1 Dr. Pachnicke und die Sächsische Volkszeilung im preußischen Landtag. In ihrem Stimmungsbilde über die Sitzung des Abge- erdnetenhmlses vom 18. Januar INI hat die „National- zeitg." geschriebene „Auf das trockene Brot dieser beiden Finanzreden (des freikonservativen Abgeordneten v. Dewitz und des Finanzininisters Dr. Lentze) bringt Tr. Pachnicke (Fortschr. Vp.) den saftigen Schinken einer Kultur kampf r e d e. Anders nämlich kann man die von heißem Atem des liberalen Zornes durchwehten Ausführungen des freisinnigen Führers-nicht bezeichnen. Tatsächlich hat Tr. Pachnicke bei der Beratung über den Staatshaushaltsctat für 1911 über alles mögliche geredet, über Borromäns- und Eanisiusenzyklika, über Modernistoneid und die Frei! üt der theologischen Wissenschaft. Vom Professor Schnitz e, den er persönlich kennt, sagte er: „Ich weiß, daß er ein Katholik ist ans innerstem Bedürfnis, und daß er doch mit Zähigkeit an seinen abweichenden Anschauungen über die Geschichte des Papsttums festhält." Es mutet merkwürdig an, von Dr. Pachnicke zu hören, wer ein Katholik ist „ans innerstem Bedürfnis". Das ist cs aber gerade eben: Dr. Pachnicke und die um ihn kennen die katholische Kirche besser als sie sich selbst. Die bösen Ultramontanen aber bedanken sich für diese unerbetene Bevormundung. Daß die Katholiken allen schamlosen Berleumdnngen der letzten Monate gegenüber große Geduld an den Tag gelegt hätten, will Tr. Pachnicke absolut nicht zugeben. Und zum Beweise für seine Auffassung beruft er sich auf die „Germania", auf die „Sächsische Volkszeitung" und einige rheinische Blätter. Neugierig, was denn wohl die „Sächs. Volkszeitg.", deren ruhige Haltung gerade iu den letzten Wochen manchen ihrer Leser zu maßvoll erschien, dem Dr. Pachnicke angetan haben konnte, sehen wir uns in dem stenographischen Berichte über die erwähnte Sitzung um und finden ein Zitat ans den Tagen des Rummels wegen der Borromäusenzyklika. In den von Dr. Pachnicke aus der „Sächs. Volkszeitg." angeführten Zeilen heißt es, daß für die Katholiken die Wutausbrüche der nlchtkatbolischen Presse ein Warnungssignal seien. Und es wird darauf liin- gewiesen, daß die Ansichten der Katholiken und der Pro testanten über die sogenannte Reformation auseinander- gehen. Ja, will denn Tr. Pachnicke ähnlich wie über die katho lische Gesinnung des Professors Schnitzer auch über die An schauung, die ein Katholik von der Reformation haben muß, sein Urteil als das richtige abgeben, und die Katholiken da zu verpflichten? Ist es ihm denn nicht klar, daß ein Katho lik, eben weil er Katholik ist, über die Vorgänge bei der Glaubensspaltnng des 16. Jahrhunderts ein ganz anderes Urteil haben wird als ein Protestant, und daß ebensolcher Katholik bei aller Bestimmtheit seiner Ansicht über das Re- formationszeitalter dennoch große Hochachtung vor der per sönlichen Ueberzengung und dem guten Willen eines pro testantischen Christen hegen kann? Der Zentrumsabgeordnete Dr. Dittrich (Brannsbergl rief dem Dr. Pachnicke zu: „Sic dozieren hier Theologie im Abgeordnetenhanse." Würde Dr. Pachnicke seine theologi schen Anschauungen an einer theologischen Fakultät vortra gen, würden ihm wohl wenige Hörer bleiben. Weder pro testantische noch katholische Studenten würden sich von ihm überzeugen lassen, daß katholische und protestantische An schauung über die Reformation eine und dieselbe sei. Einen „Kampf für die Freiheit der Wissenschaft und des Ge wissens" will er führen, das sind seine eigenen Worte; die Katholiken aber müssen denken, wie er dwikt, und zwar über ihre eigensten Angelegenheiten. Das ist's, was uns immer wieder so unendlich komisch vorkonmit. Die „Sächs. Volks- zeitg." wird sich von Tr. Pachnicke nicht die Wege weisen lassen; sie wird auch weiterhin die ureigensten Rechte der Katholiken zu verteidigen wissen, ohne die Rechte der pro testantischen Bevölkerung Sachsens auch nur irgendwie an zutasten Hätte sich Dr. Pachnicke lieber einmal mit den Er zeugnissen der „Deutsch-evangelische» Korrespondenz" be schäftigt oder mit anderen merkwürdigen Kampfmittekn, wenn znm Beispiel in der Redaktion des „Leipz. Tagcbl." das Gerücht geschaffen wird, Bischof Dr. Scbaefer wolle abdanken. Für jeden Kenner der Verhältnisse war es offen bar, daß dem „Leipz. Tagebl." nicht der gerinaste Grund für solches Gerücht vorlag. Aber man wollte eine urteils lose Menge anfregcn; man will verwirren und eine gewisse Stimmung erzeugen. Man will das um jede» Preis. Darum geht man unter die Erfinder, natürlich unter die „voraussetzungslosen". Verlangt nun vielleicht Dr. Pach nicke von der „Sächs. Volkszeitg." auch, daß sie solchen aus den Fingern gesogenen Gerüchten Glauben schenken und sie zum Gegenstände großer und gutgläubiger Abhandlungen machen soll? Oder darf sie noch eine eigene Meinung über solche Polemik, wie über die zornige Kultnrkanipfrede des freisinnigen Abgeordneten haben? Der „Evangelische Bund- hetzt weiter. Leipzig, ken 25. Januar 1911. Am Dienstagabend veranstaltete der „Evangelische Bund" im Zentraltheater einen Vortragsabend, ans welchem Herr Pfarrer 1). Waitz ans Tarmstadt über das Thema sprach: „Das Jahr des heiligen Borromäns, ein zeitge schichtlicher Rückblick und Ausblick." Ter Titel des Vortrages ließ uns ja ungefähr ahnen, in welchen Niederungen sich Herr Waitz bewegen würde, aber das, was wir von ihm tatsächlich zu hören bekamen, über stieg doch um ein Beträchtliches unsere Befürchtungen und wohl auch das Maß dessen, was bisher gegen die Borro- mäns-Enzyklika geleistet wurde. Ter ganze Vortrag war eine Schinährede gegen Papst, katholische Kirche und Zen trum, ferner aber ein „ehrerbietiger" Protest gegen den Kaiser, der es wagte, die Benediktiner in Benron für ihr kulturelles Wirken zn loben und mährend des Borromäns- enzyklikariimmels zu schweigen. Das sind zwei Sünden, die der „Evangelische Bund" dem Kaiser nicht verzeihen kann. Ter protestantische Hohenzoller, das- deutsche prote stantische Kaisertum — wo und seit wann gibt es überhaupt ein protestantisches Kaisertum? wir kennen nur ein deutsches Kaisertum — hätte versagt, als es gegolten habe, den Machtgelüsten Noms die Spitze zn bieten. Tiefe Be trübnis und Sorge befällt daher diese Patentpatrioten, deren lautere Gesinnung auch nicht durch das Folgende er schlittert werden kann: Herr Waitz nennt eine unangenehme Begleiterscheinung des Borromänssahrcs die Tatsache, daß der religiöse Zwie spalt in Tentschland vergrößert worden sei. Ein nationales Unglück, sagt Herr Waitz. Tann muß er vier bis fünf an genehme Begleiterscheinungen, die in dem Wiedercrwachen des „echten protestantischen Geistes" und in vielen anderen Swnptonicn zn sehen sind, die selbstverständlich alle in der neue» Möglichkeit, zn Hetzen, ihren gemeinsamen Ausgangs punkt, ihr gleiches Ziel finden. Nach Ansicht des „Evan gelischen Bundes" wäre also ein „nationales Unglück" mit einem neuen Stoff zum Hetzen nicht zn teuer bezahlt. Frei lich, Herr Waitz betonte offen, daß der „Bund" neuen Stofs recht nötig brauchte, denn che Evangelischen waren einge schlafen und ahnten die Getzihr nicht, in der sie schwebten. So rief er denn zweimal > acheinander mit Emphase ans: „Heil dir, Pins X. und deiner Enzyklika!" Wir glanven Herrn Waitz aufs Wort, daß ihm die Enzyklika hochwill kommen war. Daß im „Evangelischen Bunde" kein lieber flnß an Stoff für Agitations-Zwecke vorhanden ist, das be weist am besten die Tatsache, daß das Tbeina auch beute wieder zur Verhandlung stand, nachdem dasselbe in Ver einen aller Art, in der Preise und in den Parlamente» bis zum Ueberdruß behandelt worden ist. In diese Helle Sieges- frende stimmte allerdings die Mitteilung des Redners nicht, daß durch den ganzen Protest nichts erreicht worden sei und daß Rom unbestritten das Schlachtfeld behaupte, obwohl die „Evangelischen" die Fanfaren gar kräftig ge blasen hätten. Worüber freut sich denn da Herr Waitz so sehr? Wohl gar schon über die Tatsache, daß der „Evan gelische Bund" überhaupt »och Stoff zu Reden findet? Doch diese Bescheidenheit ginge zn weit. Irgend einen neuen Gedanken bat Waitz nicht zur Sprache gebracht. Alt ist ja auch die törichte Behauptung, daß der Papst den Prinzen Mar lediglich deshalb so schlecht behandelt habe, weil er den König von Sachse» treffen wollte. „Rom vergißt auch in seinem Siege nicht derer, die gegen ihn gekämpft haben." Der ganze Schwindel ist so plump und so durchsichtig, daß er weder an den maßgebenden Stellen noch i» sonstigen ernsten Kreise» verfangen wird. Eine» Hauptschlagcr der Waitzschen Rede bildete „der deutsche Prinz, der von Nom in den Staub getreten, vor Nom im Staube kniet und »in Verzeihung bettelte". So wie diesen Prinzen wollte das herrschsüchtigc, rachsüchtige Nom alle deutschen Fürsten vor seinen Triumphwagen spannen, darum — und das war die Onintessenz des Gan zen darum hüte dich, protestantischer Hohenzoller, vor dem Umgang mit Katholiken im allgemeinen und mit Benediktinern im besondere», denn . . . Geschichtliche Jrrtümer wechselten mit Entstellungen von Tatsachen in bunter Reihe ab, »m das Bild der Päpste und des Katholizismus schwarz in schwarz malen zu können. Man müßte Bücher schreiben, um all die histo rischen Jrrtümer des Herrn Waitz zn widerlegen, und da außerdem eine Einigung ans neutralem Boden doch nicht zu erzielen ist, verzichten wir darauf, dieser undankbaren Aufgabe näher zn treten. Wer vom Hetzen lebi, der ist zum Hetzen gezwungen und er wird weiter Hetzen, so lange er lebt; daran wird niemand etwas ändern. Das Schlußwort des Herrn Waitz war übrigens recht naiv. Er meinte, er hätte erwartet, daß die Katholiken den Heiligen Vater im Stiche lassen und mit fliegenden Fahnen zu dem „Evangelischen Bund" übergehen würden, „uni gegen die Jrrtümer" Roms zu protestieren. Aber von wenigen Ausnahmen abgesehen (die außerdem später wieder ganz oder teilweise widerrufen hätten) wäre die ganze ka tholische Welt, voran die katholische Presse, wie ein Mann für den Papst eingetreten. Wirklich, der „Evangelische Bund" kennt den .Katholi zismus schlecht, wenn er im Ernste solche Hoffnungen nährte. Sorgen wir durch die Tat dafür, daß solche Hoff nungen auch in Zukunft zuschanden werden, dann mag der „Evangelische Bund" sich ärgern oder freuen, Hetzen oder znm Frieden mahnen. Seine wie immer gearteten Be strebungen werden zerschellen an der felsenfesten Ueber- zeiigiing des katholischen Volkes. Haidorfer. Politische RAndjchan. Dresden, den 25. Januar 1911. Zni» Geburtstage Sr. Majestät Kaiser Wilhelms II. Ter Geburtstag unseres Kaisers erfüllt wiederum jedes deutsche Herz mit seiner Bedeutung. Mit stolzer Freude blicken wir auf unseren Kaiser, ihm Heil und Glück wün schend für seinen künftigen Lebensweg. Unser Vaterland kann ihm nicht genug danken. Unter seinem milden Szep ter haben sich Handel und Wandel ans das segensreichste ent wickelt und ansgebrcitet über Stadt »nd Land. Seine Weisheit »nd sein politischer Scharfblick sind es, die un serer engeren Heimat »nd dem ganzen Europa die Seg nungen des Friedens und der gedeihlichen wirtschaftlichen Entwickelung gewahrt haben. Deshalb schauen nicht nur wir Deutschen frohen Mutes znm Kaisertbron. Ueberall in der Welt, wo nia» den Frieden liebt und am Wohle der Völker unermüdlich arbeitet, weiß inan beute dem deutschen Herrscher Tank, der so manche Wirren geschlichtet und viele unheilvolle Gefahren schadlos gemacht hat. Wir alle wissen, daß unserem Kaiser diese selbstlose Fricdenstätig- keit nicht immer leicht gemacht worden ist. Hüben und drüben, im Innern und im Aeutzern wurden ihm oftmals Hindernisse in den Weg gelegt, deren Umgehung nicht immer leicht und mühelos gewesen ist. Aber unser erlauch ter Kaiser tat, als bemerkte r sie nicht. Sein hohes Frie densziel im Auge schritt er seine Bahn, durch nichts beein trächtigt. Und vaiür könne,, wir ihm nicht genug Dank sage». Tenn nur ein starker Charakter, ei» gerader und aufrechter Mensch vermag als. zn schreiten! Mit besonde rem Danke gegen Gott erfüllt uns das offene christliche Be kenntnis des Kaisers, das er wiederholt mit allem Nachdruck vor der ganzen Welt abgelegt hat. Möge der konfessionelle Friede nach seinem Willen stets gefördert »nd erhalten wer den. Der Tag, den wir als Geburtstag unseres Kaisers feiern, wird überall in der Welt, wo Deutsche wohnen, fest lich begangen. Nicht nur in Miseren Kolonien, sondern auch anderweitig. Tenn Kaisers Geburtstag ist unS ein natio naler Festtag, der das- Band der Einigung um alle Herzen schlingt, die der Alltag sonst zu trennen und auseinander- znreiße» pflegt. Ein Tag des Deutschtums ist er, das seine Pioniere hinausgesandt hat zur friedlichen Arbeit, zu emsigem Wettstreit in alle Welt. Die da draußen fern von der Scholle der Heimat einsamen Weges wandeln, werden an das Vaterland erinnert, das in seiner ganzen großen Bedeutung zur feierlichen Stunde vor sie hintritt. Und so wird die Person des Kaisers znm Brennpunkte deutscher Interessen in der ganzen großen weiten Welt. Eine Weihe geht vom heutigen Tage ans, die uns mit nationaler Be geisterung erfüllt »nd uns an althergebrachte Treue und Liebe gemahnt. — Der deutsche Kronprinz Ui Mitiwoch abend in All.rhabad eingetroffen. Die Emfalytsstraße vom Bahn- Hofe nach der Stadt war mit Laubgeminden und Fahnen gelchmückt. Der Kronprinz begab sich im Automobil nach dem Gouvernementsgebäude. — Der Reichstag erledigte am Mittwoch in einer langen Sitzung die zweite Lesung des Reichtwerlzuwachs- gesetzeS. — Da« preußische Abgeordnetenhaus fühlte heute den landwirtschaftlichen Etat weiter und genehmigte den Mlntstergehalt, nachdem der Minister v. Schvrlemer noch die Befriedigung verschiedener geäußerter Wünsche in Aus sicht gestellt hatte. Am Donnerstag wird der GeliülSetat beraten. — Die reichsländischc Vcrfaffungsfrage hat keine allzu günstigen Aussichten, trotzdem hofft man, daß ein brauch bares Werk geschaffen wird. Die Regierung wehrt sich zwar, das Reichssand zn einem Bundesstaate zu machen, die Rechte lehnt den Entwurf überhaupt ab und die Ratio- nalliberalcn fordern die Einverleibung des Reichslandetz