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Beilage zu Nr. IM der „Sächsischen Oolkszeilung". Die Autoritätsfrage. Rede des Reicbstagsahgeordneten Landtagsabgeordneten Gröber aus der General-Versammlung der Katholiken Deutschlands zu >.n>cr.i!aü) Regcnsburg. Woher nun dir Abnahme des Autoritätsgesühls in Deutsch land? Etwa deshalb, weil heutzutage im moderueu Lebcu die Autorität weniger notwendig wäre als früher? Im Gegenteil: Tie Autorität war nie notwendiger, als im mo dernen Nebelt! In allen Lebenskreisen mehren sich lebhafte Klagen über den zunehmenden Mangel an Achtung vor der Autorität, über Uubotmäßigkeit und Zügellosigkeit. (Zu stimmung.» Man werfe nur einmal einen Blick ans unsere heutige Jugend. Tie Klagen so mancher Eltern, die doch auch einmal jung und gewiß nicht immer die allerfolgsam sten Kinder gewesen sind, geben uns ein lebendiges Bild von der Abnahme des Gehorsams und der Pietät der Jugend gegen Eltern und Erzieher, geistliche und weltliche Obrig keit. Man glaube nicht, daß die Eltern, wenn sie so das heutige Verhalten der Jugend mit ihrer eigenen Jugend zeit vergleichen, mir dem umgekehrten Fernrohr operieren, daß die Fehler ihrer Jugend kleiner erscheinen läßt, als die Fehler der heutigen Jugend. Tie Kriminalstatistik über die Verbrechen der jugendlichen Personen, die Selbstmord- statistik der Jugendlichen und die Nachweisnngen der Mili tärbehörden über die Zunahme ernster Vorbestrafnngen der zum Heer einrückcnden Rekruten beweist uns, daß jene elter lichen Klagen nur allzu begründet sind. Man sucht diese üblen Erscheinungen wenigstens zum Teil durch den Hin weis aus die vermehrten Gefahren zu erklären, welche eine frühe Lelbsländigkeit der Jugend heutzutage mit sich bringe, und cs ist allerdings ganz zutreffend, daß heute die Jugend erheblich früher selbständig wird, als ehedem. Ter Hinweis auf die Gefahren der frühen Selbständigkeit aber ist nur eine Bestätigung dafür, daß heute die Autorität für die Jugend notwendiger als je ist. (Zustimmung.) Uebrigens wäre es ein Unrecht und unrichtig, nur über die Autoritätslosigkeit unserer heutigen Jugend Beschwerde zu führen. Mit der Autoritätslosigkeit der Jugend wäre es nicht so weit gekommen, wenn ihr nicht der Mangel an Achtung vor der Autorität bei vielen Er wachscnen vorangegangcn wäre. Bei den Erwachsenen wird der Ver breitung der Autoritätslosigkeit hauptsächlich Vorschub ge leistet durch das moderne Preß- und Versanimlnngswesei» radikaler und ertremliberaler Parteirichtuugen, welche ein Interesse daran finden, alle Handlungen der Träger öffent licher Autoritäten in der breitesten Oeffentlichkeit zu be sprechen und zu bekritteln, vermeintliche oder wirkliche Feh ler schonungslos aufzudecken und womöglich zu übertreiben und zu verallgemeinern. Zwar richtet sich diese zersetzende Kritik nur gegen die Träger der Autorität, allein das Volk pflegt nicht immer so genau Mischen der Autorität an sich und den Trägern der Autorität zu unterscheiden und es durchschaut nicht immer die falschen Uebertreibuugeu und- > Verallgemeinerungen. Nur eine sehr starte und im Herzen des Volkes wohl gefestigte Autorität vermag dem Ansturm einer solchen maßlosen und ungerechten, übelwollenden j öffentlichen Kritik gegenüber Stand zu halten. (Lebhafter Beifall.) Also auch hier liegen in der Entwickelung Gründe vor, welche die Autorität für unser Volk mehr als je not wendig machen. Das haben nicht nur Männer der Kirche, sondern auch Staatsmänner unumwunden anerkannt. Die Uebelstände sind so weit gediehen, daß der preußische Kultus minister im Dezember vorigen Jahres im Reichstag wegen der iiberhandnelnneudeu Kritik über den Offiziersstand seine warnende Stimme erhob und auf die gefährlichen Folgen hinwies, welche eine solche übertreibende, Fehler einzelner in bösartiger Weise verallgemeinernde Kritik nach sich ziehen könne. Auch Kaiser Wilhelm II. hat das Schwinden der Autorität im deutschen Volksleben als eine betrübende Er scheinung hervorgehoben. Also nicht das mangelnde Be dürfnis nach Autorität, sondern andere Gründe müssen die Abnahme des Autoritätsgefühls im deutschen Volke herbei geführt haben. Ter tiefste Grund liegt in der fortschreiten den Gottentfremdunge der modernen Welt. (Zustimmung.) Sie begann mit der Leugnung der kirchlichen Autorität und endet heute in der ausgesprochenen Leugnung der Autorität Gottes durch den Sozialismus und andere radikale Eie mente. Tcm Sozialismus hatte der Liberalismus in die sein Punkte wacker vorgearbeitet. Wird in den herrschenden Kreisen eines Staates das Dasein Gottes geleugnet, Gott nicht mebr als das letzte Prinzip anerkannt, »venu nicht mehr in seinem Namen regieren die Könige und beschließen die Gesetzgeber, was recht ist. dann ist an die Stelle Gottes der Mensch getreten und die Staatsgewalt absolut geworden. In diesem Staatswesen kann es dann keine wahre Autori tät. die über den Menschen und ihren Launen steht, meln geben: denn die Bürger gehorchen der Obrigkeit nicht mehr um Gottes rvillen, »veil sie ja nicht mehr ai» Gott glauben, sondern nur noch, weil und so lange sie eben es ii» ihrem Interesse gelegen finden. Die Folgen eines solchen absolu tistischen Regiments sind unausbleiblich schwere Schädi gungen des Gemeinwohls durch tlirannische Negierungen und Revolutionen. Die Geschichte lehrt das deutlich: gegen den bis zur Untätigkeit gesteigerten Absolutismus des Kö nigtums erhob sich die Revolution des Bürgertums: gegen den Absolutismus des liberale»» Bürgertums erhebt die so ziale Revolution drohend ihr Haupt, natürlich nur, um den Absolutismus des vierten Standes an die Stelle des Bür gertums zu setzen, und wenn eine solche mit blutigen Kämpfen verbundene furchtbare Umwälzung gelingen sollte, wäre der Anarchismus gerüstet, den Kamps gegen die allge meine Knechtung aufzunehmen. (Zustimmung.) Was der modernen Welt ai» Kultur und Ehristentum znwider ist. ist in intellektueller Hinsicht das Wunder, in sitt licher Hinsicht die Autorität, so sagt mit Recht Bischof von Ketteler in seiner ausgezeichneten Rede über die wahre und falsche Reform. Wäre die Autorität nichts anderes, als materielle Gewalt, die moderne Welt wäre mit einem sol chen Prinzip der bürgerlichen Ordnung ganz einverstanden: denn auch die liberale Welt »vill Obrigkeiten und obrigkeit liche Gewalten, »veil sie einfach nicht zu entbehren sind: und auch der Sozialismus will obrigkeitliche Gewalten, sogar noch viel umfassendere, als dem Liberalismus genehm ist: allein Liberalismus und Sozialismus wollen beide nur selbstgemachte Obrigkeiten, sie wollen nur sich selbst, nicht Gott gehorchen: sie »vollen nur gehorchen, so lauge es ihnen paßt. (Zustimmung.) Tie Kirche hat dagegen diese mate rialistische Auffassung als einen verhängnisvollen Irrtum bekämpft. Es ist der göttliche Ebarakter der Autorität, der das Wesen und den innersten Kern der Autorität und > der de»» Stein des Anstoßes für unsere glaubenslose mo- ! deine Zeitslrömung bildet. Sich eine» anderen Menscl»eu ! um Gottes willen unterwerfen, das ist es, wogegen sich der ^ unbändige Judividualisms der moderne»» Uebermeuschen I ausbäumt. (Zustimmung.) Mißbrauch der Autorität. Zu dieser grundsätzlichen Bekämpfung der Autorität durch den modernen Unglauben kommt der Mißbrauch der Autorität und der Nichtgebranch der Autorität durch so ! manche Träger der staatliche»» Autorität. (Sehr richtig.) Wen» die Lenker des Staates es ruhig geschehen lassen, daß unter ihren Augen auf hohen Schulen der Glaube an Gottes Dasein, an die Unsterblichkeit der Seele und ihre Verant wortung im Jenseits durch vom Staat »»»gestellte Professo ren bekämpft und untergraben wird, und daß eine Flut von Schmähungen und Verleumdungen gegen Religion und Kircbe tagtäglich sich über das Volk ergießt und durch scham lose Schriften und Bilder die Jugend bis ins innerste Mark hinein vergiftet wird, dam» dürfe»» sich wahrlich diese Staatslenker nicht wundern, wenn ein so stistematisch um seinen Glauben und seine Sittlichkeit gebrachtes Volk auch an der Autorität seiner Regierungei» irre wird. (Lebhafte Zustimmung.» Tas Antoritätsgefübl bat seine tiefsten Wurzeln im religiösen Glauben und in der sittlichen Kraft: schneidet man diese Wurzel»» weg, so stirbt auch notwendig das Antoritätsgefühl rasch ab. Noch schlimmer kann der Mißbrauch der Autorität werde». Wenn zum Beispiel das Oberhaupt den Offizieren einen Tuellzwang anferlegt, diese also nötigt, das Gottesgebot „du sollst nicht töte»»" zu ver letzen, und dem staatlichen Strafgesetz znwider zu handeln, dann ist es eine ganz natürliche Folge dieser Mißachtung des göttlichen und staatlichen Gesetzes, daß der Gehorsam nicht bloß gegen dieses Gesetz, sondern auch gegen andere Gesetze abnimmt. Tas Volk hat ein sehr feines Gefühl fin den schreienden Widerspruch, der darin liegt, »venu das Staatsoberhaupt in diesem Falle Gott, von dem seine Ge walt stammt. denGehorsam kündigt und gleichzeitig im Na men Gottes Gehorsam fordern »vill für andere Fälle gesetz licher Verpflichtung. Unter dem lebhaften Beifall der Ver sammlung weist der Redner auf die Verdienste des Fürsten Löwenstein bei der Begründung der Antidnell-Liga hin und fährt fort: Jedes ungerechte Staatsgesetz, jede ungerechte Verwaltiingsniaßnahme des Staates bedeutet notwendig — 108 — „Griebow", sagte der Pfarrer ernst und mahnend, „haben Sie mir nichts zu sagen?" Der Bauer rückte auf seinem Stuhle hin und her und vermied es, den Pfarrer anzusehen, der ihn seinerseits scharf beobachtete. „Nein -- nichts!" sagte er dann ärgerlich — „ich weiß nichts - " „Griebow, haben Sie wirklich gar nichts zu sagen?" „Nein, Herr Pastor, nichts —" „Ueberlegen Sie sich's einmal, erleichtern Sie doch Ihr.Gelvissei»." „Mein Gewissen? Was heißt das?" sagte der andere und fuhr empor. „Nun. »vic liegt die Sache mit den» Regenschirm?" „Herr Pastor, lassen Sie mich in Frieden!" rief er, „ich »vill Ihnen mal was sagen: Die Geschichte mit dem Schirm hat Ihnen der Schulmeister erzählt aber ich schwöre Ihnen — ich könnte sogar das Abendmahl darauf nehmen: bei Gott, den» Allmächtigen und Allwissenden, ich weiß nicht, wie dieser Schirm damals hier in meine Stube gekommen ist." „Nun, und das klebrige? Der Versuch, den Schirm in die See zu »ver stn - dann die Geschichte mit der Laterne?" „Herr Pastor", rief Griebow jetzt in Hellen» Zorn, ich »vill nichts von der Sache hören! Verstehen Sie mich? Gar nichts mehr! Ich stehe Ihnen auch nicht mehr Rede — nicht ein Wort mehr — weder Ihnen, noch irgend jemand anders!" ..Griebow, Gott läßt sich nicht spotten! Es gibt einen Ort, da werde» Sie Rede stehen müssen — und wehe Ihnen, wenn Sic da nicht zur Zufrieden heit bestehen können! Aber dort geht es besser, wenn inan zunächst sei»» Ge wissen erleichtert und die Sache mit seinem Herrgott abgemacht hat — Gott ist barmherzig, Griebow — und »ver ihn» vorher in Buße und Reue naht —" „Herr Pastor, ich muß Ihnen nochmals sagen: Lassen Sie mich in Frie den! Sie tun ja gerade, als hätte ich den Kerl ermordet." „Das scheint mir jetzt auch wirklich so zu sein. O Griebow. Griebow »vohin ist cs mit Ihnen gekommen?" „So, jetzt ist's aber genug! Noch einmal, Herr Pastor, ich bin kein Mörder, ich weiß von dem Breitkopf nichts — kenn den Kerl überhaupt nicht ich glaube aber, er wird in den» Kathen verbrannt sein -- wenigstens muß man das aus den Zeitungsberichten schließen." „Nun, dann bestellen Sie Ihr Haus und treffen Sie die nötigen An ordnungen, daß Ihre Wirtschaft ihren regelmäßigen Gang »veitergeht, falls Sic für einige Zeit — sagen wir ziemlich lange Zeit von Ihrem Hofe - - ent fcrnt sein sollten!" „Was —" spottete Griebow. „Sie meinen —" „Daß man Sie in Kürze unter dem Verdacht des Mordes, wenigstens der Mitschuld am Morde verhaften wird!" „Wie — was — wer will —" „Der Lehrer Schmuch hat mir erklärt, er müsse sein Gewisscn beruhigen, der Aufforderung der Polizei Nachkommen und sagen, daß er zu dieser dunklen Geschichte einiges wisse, das vielleicht zur Aufklärung helfen könnte — und Bahn» will den Generalanzeiger verklagen, weil er ihn mit einem Mord- komplott in Verbindung gebracht hatl" Griebow wurde aschfahl — er mußte sich am Tische festhalten. — 105. — „Und ich kann den angetanen Schimpf nicht so hiiigetzcn lassen. denn meine Ehre ist weg, wenn ich das ans mir sitze» lasse." „Meine Freunde", sagte der Pfarrer, „hier gilt es Beionnenheit lind Ueberlegni.g. Ihr redet von dem Ehristoph Roth, der nach eurer Ansicht »in schlildigeiweise in Hast fitzt. Wißt ihr das so genau? Wißt ihr denn nick:, ob er Griebow kennt, ob er nicht der allein Schuldige ist, ob er dem Griebow nicht den Schiri» ebenso in die Hände gespielt hat, »vie der Griebow Ihnen Herr Lehrer? Dieser Roth wohnt in der Maricnburger Gegend. Tort ent faltete der verschwundene Breittopf hauptsächlich seine sehr wenig schöne Tätig keit. Ist cs nicht viel eher denkbar, daß der mit ihm in Streit geraten und ihm womöglich de»» GarauS gemacht hat. Spricht nicht dafür der Umstand daß Roth vor seiner Verhaftung bei der bloßen Erwähnung des Namens Breitlovf heftige Schimpsworte gegen diesen ausgestoßen hat?" ..Gerade das, Herr Pastor", wandte der Lehrer ein. „scheint mir zu be weisen, daß er »»schuldig ist. Er würde sich doch gehütet haben, so den Ver dacht ans seine Person zu lenken." „Sie müssen berücksichtigen", entgegnete der Pfarrer, „daß er nach mei »er Annahme den» Griebow den Regenschirm in die Hand gespielt hat und dadurch die Spur für genügend verwischt hielt. Bedenkt cs wohl, den Grie bow verfolgt ohnehin das Unglück wollt ihr ihn noch in solche Ungelegen heilen bringen?" „Aber, Herr Pfarrer können, dürfen »vir denn schweigen?" „Gewiß nicht, meine Freunde, aber man »ins; ihm davon Mitteilung mach?», damit er vorher Gelegenheit hat, sich zu fassen und sich zu verteidigen vielleicht auch selbst anzugeben, daß er den Regenschirm besessen bade und »vie derselbe in seine Hände gelangt sei. Denken Sie doch, wenn der arme Mensch verhaftet werden würde was sollte da wohl aus seiner Wirtschaft werden Es gebt ja leider dort schon ohnehin so schlecht." „Ja. Herr Pastor das eben bestärkt doch auch den Verdacht gegen ihn", sagte der Lehrer. „Ter Roth ist doch nach den Zeitmigsbcrichten ein wohlhabender Mann. Was sollte der wob! mit dem Breitkopf zu tun haben? Aber der Griebow, der immer kein Geld batte, der hatte einen Wucherer nötig denn sonst hätte ihm wohl keiner Geld gegeben." „Sie urteilen sehr hart über ihn. Herr Schmuch", sagte der Pfarrer, etwas iinangenehin berührt, aber doch mit mildem Vorwurf, „ich glaubte. Sie leie» mit ihm bcseundct gewesen, hätten zuweilen ein Gläschen Bier mit ihm getrunken und ein Spielchen mit ihm gemacht." „Gerade deshalb", sagte das kleine Männchen aufgeregt. ..ick» fürchte, »nick» zum Mitwisser einer Untat zu machen, lind ist es nicht im höchsten Grade verdächtig, daß er gar nicht wissen sollte, »vic ein Regenschirm .der nicht ihm gehört, in seine Stube gekommen sein sollte. Er ist oft nach der Haupt stadt rübergesahrcn, so sagte er wenigstens wer weiß, ob er nicht auch anderswo war. Der Roth dagegen hat nachgewiesen, daß er die ganze Zeit über Stulmi nicht »'erlassen hat. Ja. Herr Pastor, ich kann mir nicht Helsen, der Verdacht gegen Griebow. befestigt sich in meiner ttebcrzeugung immer unabweisbarer, je mehr ich darüber nachdenke! Muß ick» da nicht hingehcu und sagen, was ich weiß?" „Gewiß — das muß geschehen — aber warten Sie damit bis über morgen", bat der Pfarrer. „Ich »vill jetzt gleich zu dem Griebow hiugehen